IfSG 2.71
Die Welt ist voll von Uneinsichtigen und Selbstsüchtigen, auch und gerade in Zeiten der Not. Die Änderung des Infek­tions­schutz­geset­zes (IfSG), von einigen auch ErmG genannt, kann nur ein erster Schritt sein. Es muß sich im Alltag bewähren, aus dem heraus sich wert­volle Anre­gungen einer Erweite­rung ergeben.

Der Zusatz 2.71 bezeichnet nicht die Version, sondern kenn­zeich­net die Erwei­terung des bishe­rigen IfSG mit dem Ziele, ein expo­nenti­elles Wachstum (exp(1)≈2,71) zu verhin­dern. Ange­sichts des anhal­tenden Gesche­hens auf hohem Niveau und der Geistes­haltung zuneh­mender Teile der Bevölke­rung wird bereits an einer Erweite­rung IfSG 4.67 zur Regelung chaoti­schen Gesche­hens und Vermei­dung einer gesell­schaft­lichen Bifur­kation gear­beitet.

Aberglaube | Flache Erde

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Wahlgerechtigkeit
Kein Wahlrecht kann oder will alle Menschen gleich oder gemäß ihres Wertes behan­deln. [1] So erscheint auch mir die Wahl des ameri­kani­schen Präsi­denten weniger gerecht als die unseres Kanz­lers. Es beginnt mit einem fehlenden Melde­wesen, einer Benach­teili­gung derer ohne Führer­schein oder Erlaub­nis, eine Waffe offen zu tragen, geht weiter mit der Ab­schreckung durch lange Schlan­gen vor den Wahl­lokalen und läßt die über­wie­gende Mehrheit ohne Würstchen und Kugel­schreiber stehen, weil nur die sog. Swing-​States umworben werden. Aber haben deshalb deren Einwohner tatsäch­lich mehr Einfluß auf das Ergebnis?

Eine Antwort auf diese Frage kann nicht gegeben werden, weil der ominöse Einfluß des einzelnen auf das Wahler­gebnis nicht bezif­fert werden kann. Fast immer hat keiner Einfluß in dem Sinne, daß seine Stimme ent­scheidet. Und sollte es innner­halb von Milli­arden Jahren tasäch­lich dazu kommen, ist er nur einer unter Milli­onen. Im Falle eines Patts in einem entschei­denden Bundes­staat wäre jeder Nicht­wähler entschei­dend, bei einer Stimme Vorsprung jeder Wähler der Mehr­heit.

Aber es geht ja gar nicht um den Einfluß eines einzelnen oder eine exakte Bezif­ferung, sondern um die vermu­teten oder postu­lierten Unter­schiede zwi­schen verschie­denen Gebieten oder gar Bevölke­rungs­gruppen. Man mag das ameri­kanische System der Präsi­denten­wahl mit ihren nor­maler­weise, aber nicht verbind­lich gemäß des Ergebnis ihres Staates abstim­menden, tatsäch­lich existie­renden Wahl­männern für unge­recht halten, doch berück­sichtigt unsere Kanzler­wahl wegen der zahl­losen Länder­listen, der Fünf­prozent­hürde und vor allem der Koali­tions­ver­hand­lungen den Wähler­willen nicht unbe­dingt stärker. Dazu genügt ein Blick auf die winzige FDP mit ihrem seit Bestehen der Repu­blik über­mäßigen sich auch in Posten nieder­schla­genden Einfluß.

Die Wahl des amerikanischen Präsidenten ist dagegen vergleichs­weise simpel. Es geht prak­tisch nur um eine einzige Entschei­dung zwischen zwei Kandi­daten und in jedem Staat nur um die ein­fache Mehr­heit. Wäre es noch simpler und ent­schiede die ein­fache Mehr­heit aller, dann wäre ich bereit, meinen Einfluß wie folgt zu defi­nieren: Die Wahr­schein­lich­keit, daß ohne mich eine Patt­situa­tion ein­träte, wenn die anderen gleich­verteilt zufäl­lig wählen. Bei n=2k+1 Wäh­lern gibt es unter den 2^(2k) Mög­lich­keiten der anderen p=(2k über k) Patt­situa­tionen, woraus sich der Einfluß e=p/n ergibt.
 n   k       p   2^(2k)  Einfluß e  e*sqrt(n)
---------------------------------------------
 3   1       2        4  0,5        0,8660254
 5   2       6       16  0,375      0,8385255
 7   3      20       64  0,3125     0,8267973
 9   4      70      256  0,2734375  0,8203125
11   5     252     1024  0,2460938  0,8162006
13   6     924     4096  0,2255859  0,8133617
15   7    3432    16384  0,2009473  0,8112841
17   8   12870    65536  0,1963806  0,8096980
19   9   48620   262144  0,1854706  0,8084475
21  10  184756  1048576  0,1761970  0,8074363
Offensichtlich sinkt der Einfluß mit der Anzahl der Wähler, doch nicht so sehr, wie man erwarten könnte. Es wäre ja auch blöd, jedem ein­fach 1/n zuzu­schreiben. Die letzte Spalte konver­giert gegen 0,79788456. Das ist die Wurzel aus 2/π und ergibt sich aus der Stirling­formel.

Wenn es nur wenige Staaten unter­schied­licher Größe mit gleichen oder diffe­rie­renden Stimm­ge­wich­ten (Wahl­männer) gibt, muß eine etwas kompli­zier­tere Über­legung auf höherer Ebene nach­geschal­tet werden, um den Einfluß der Wähler eines jeden Staates zu ermitteln. Wer der hier ausge­brei­teten Ansicht von Einfluß folgt, wird die Gewichte derart vertei­len wollen, auf daß den Wäh­lern verschie­dener Staaten der unter­schied­liche Einfluß ausge­glichen wird. Bei wenigen Staaten ist das nur einge­schränkt möglich. Bei derart vielen Staaten wie den ameri­kanischen kann man aber zurecht erwarten, daß ein Gewicht gemäß der Wurzel der Wähler- oder Ein­wohner­zahl zu einem einiger­maßen gleich­mäßigem Einfluß führt.

Ich will jetzt nicht alle Staaten durch­kauen, deshalb nur die mit A begin­nenden. Die nach­stehende Über­sicht zeigt die Ein­woh­ner n in Millionen. Danach die Zahl der Sitze nach dem „Quadrat­wurzel­gesetz“. Der Fak­tor 4 ist so gewählt, daß sich in der Summe die in der letzten Spalte aufge­führten 29 Sitze im Kongreß ergeben. Doch daran orien­tieren sich die Amerikaner nicht, sondern weisen jedem Staat zwei Sitze im Senat und auf etwa 700.000 einen Sitz im Reprä­sen­tanten­haus zu. [2] Daraus errech­nen sich die Anzahlen unter der Über­schrift 2+10n/7, die auf ganze Zahlen gerundet tatsäch­lich der Anzahl der Wahl­männern ent­sprechen.
Staat       n  4·sqrt(n) 2+10n/7 Sitze
--------------------------------------
Alabama    4,8     8,7     8,8     9
Alaska     0,7     3,4     3,0     3
Arizona    6,4    10,1    11,1    11
Arkansas   2,9     6,8     6,2     6
Sofern man das Quadratwurzelgesetz für gerecht hält, werden Staaten zwi­schen 0,65 und 2,15 Mil­li­onen Einwoh­nern leicht benach­tei­ligt, klei­nere und grö­ßere bevor­zugt [3]. Da es aber auch dem unmittel­baren Gerech­tig­keits­gefühl ent­spricht, jedem Ein­wohner das gleiche Gewicht zu geben, sind die aktu­ellen Wahl­männer­zahlen gar nicht schlecht. Bei einer Reform sollte man einfach die Zwei­stufig­keit streichen, zumin­dest für die Wahl des Präsi­denten.

[1] Das mag den weniger geneigten Leser empören. Doch sollte nicht vergessen werden, daß auch in Deutsch­land keine Kinder und nur ausge­wählte oder gar keine Aus­länder wählen dürfen. Eini­gen wurden auch die sog. bürger­lichen Ehren­rechte aber­kannt, andere werden durch Quoten oder Sonder­regeln bevorzugt. Nicht nur Frauen, auch der SSW oder seiner­zeit die nicht zur BRD gehö­renden Berliner.

[2] Die Zahl 700.000 habe ich so gewählt, daß sich in der Summe die 29 Sitze der vier Staaten ergeben. Wer daraus für die gesam­ten USA 0,70976·(538-100-3)=308,75 Mil­io­nen Einwohner in den 50 Staa­ten ohne D.C. und ande­ren Sonder­gebieten errech­net, möge berück­sich­tigen, daß die Bevöl­kerung inzwi­schen gewach­sen ist. Für Corona gehe ich von 329,1 Mil­li­onen aus.

[3] Selbst der Winz-Staat Wyoming am Ende des Alpha­betes mit nur 0,6 Mil­li­onen Ein­woh­nern käme in beiden Berech­nungen auf drei Sitze, müßte also nicht die Sonder­regel über minde­stens einen Abgeord­neten in Anspruch nehmen. Als Republi­kaner würde ich mich für das Quadrat­wurzel­gesetz stark machen, weil Kali­for­nien nach den oben­stehen­den Berech­nungen nur auf 24 statt 55 käme. Nach Anglei­chung der Summen viel­leicht auf 30, maxi­mal 35.

Quadratwurzelgesetz | Medaillenspiegel

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Der Pitch - Die Bitch
Eben sprachen in einem „neuen Format“ unter der Über­schrift „Der Pitch“ die drei am Lenker ihres Tandems sitzenden Kandi­daten zum CDU-Vor­sitz. Zunächst durfte Armin Latschet als erster Pitch [1] unter seinem Motto „wir machen das bereits“ darlegen, was in Nord­rhein-​West­falen gut funktio­niert und im Bund eben­falls umge­setzt werden soll. Den anderen beiden habe ich nur noch mit einem Ohr zugehört. Eine Frau war nicht dabei. Das reizte mich zu sagen, drei Pitches möchten zwei Bitches ablösen, wenn die beiden Damen nicht alles andere wären.

[1] Meine Frage, ob mit dem Pitch der Partei­vorsit­zende, der Kandidat dazu oder nur seine Bewer­bungs­rede gemeint ist, blieb unbeantwortet, nachdem der Mode­rator Armin Latschet als ersten Pitch (Unglück) vortreten ließ, nicht als Pitscher.

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Berlin
Als es Sozialdemokraten noch erlaubt war, auf Vermitt­lung der DKP die DDR zu besuchen, disku­tierte ich mit unserem Reise­leiter und Kandi­daten zum ZK über den Status von West­berlin. Er meinte, es läge in der DDR und gehöre eigent­lich dazu. Wir einigten uns darauf, daß Berlin inmitten der DDR liege, obgleich schon damals mein Herz nicht an West­berlin hing. Ohne Bayer zu sein, hätte ich Berlin nicht vermißt, wenn es gerechter­weise voll­ständig der sowje­tischen Zone zuge­schlagen worden und so in der DDR aufge­gangen wäre. Hätte danach der große Bruder die DDR nicht ausge­beutet und wir sie völker­recht­lich aner­kannt, wäre „die Absicht, eine Mauer zu errichten“ selbst Walter Ulbricht nicht in den Sinn gekommen. Über die Grenze gelaufene und legal, wenn nicht frei­zügig einge­reiste Bürger des sicheren Herkunft­landes DDR hätten Asyl beantragen können und im Einzel­falle auch erhalten.

Es kam anders. Berlin schmarotzte Jahrzehnte auf Kosten der zehn alten Länder, saß im Bundestag wie Palä­stina in der UN-Voll­versamm­lung und hatte vor dreißig Jahren einfach Glück, nach der Wieder­vereini­gung genannten Annek­tion der fünf neuen Länder zusammen mit Ost-Berlin ein sech­zehntes Bundes­land zu werden, das sexy und geldgeil weiterhin durchge­füttert wird. Gerne würde ich die berliner Arro­ganz hinnnehmen, wenn sie wie die bayri­sche nach Jahren des Aufpep­pelns eben­falls von Erho­lung und selbst erwirt­schaf­tetem Wohl­stand begleitet würde.

Schon damals, als die Geschäfte noch um 18 Uhr schlossen, die Banken vom Scheilado noch nichts ahnten und die Sonntags­ruhe einzu­halten versucht wurde, träumten viele von Berlin ohne Sperr­stunde, die sich seit tausend Jahren bewährt hatte und der Mehr­heit aller Menschen gefiel. Zwischen­zeitlich wurde die Unter­wande­rung dieser menschen- und arbeiter­freund­lichen Rege­lungen lega­lisiert. Die Folge ist eine Heer­schar unpro­fessi­onell betrie­bener Geschäfte, die mir in Offen­bach wohnend schon Übel­keit erzeugten, noch bevor ich von dem klein­kind­lichen Begriff Späti hörte. Denen ließen die Ordnungsämter gleich Corona freien Lauf.

Die tatenlosen Politiker unserer leider neuen Haupt­stadt haben sich mit Corona einge­richtet, entschul­digen sich mit Größe und Bevöl­kerungs­dichte. Dabei zeigt ein Blick auf die dank ihrer hohen Durch­seuchung im Fernsehen zu bewun­dernden Karte, daß West­berlin hell- bis dunkelrot ist, Ostberlin dagegen nach wie vor grau. Das beein­druckt die Hedo­nisten in den sog. Kiezen sowenig wie das corana­arme Umland Branden­burg. Meinet­wegen können sie sich bis zum Anschlag durch­seuchen, auch wenn dabei andere mitge­rissen werden. Es gibt so und so zuviele Menschen. Eine wirkliche Kata­strophe könnte vieles im Kopf ändern und die Welt retten.

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Zweite Welle
Für eine grobe Beurteilung des Verlaufes der Corona-​Epidemie in einem Land­strich reicht es zunächst, die Zahl der positiv Gete­steten und der Toten ohne Alters­differen­zierung und Test­raten zu betrachten. Man kann den zeit­lichen Verlauf darstellen und daraus seine Schlüsse ziehen. Hier aber habe ich die Leta­li­tät L in Prozent gegen die Morta­li­tät M in ppm für Deutsch­land aufge­tragen.


Letalität in Abhängigkeit der Mortalität in Deutschland (png)

Ich halte diesen Verlauf für geeignet, ihn mit anderen Ländern zu verglei­chen und diese in Rela­tion zu uns einzu­schätzen. Das ist keine Über­heblich­keit eines deut­schen Bloggers, denn andere Länder wie Öster­reich und Dänemark wären dazu ebenso geeignet. Das heißt auch nicht, daß andere durchweg schlechter dastehen, denn viele unter­bieten nicht nur auf dem Papier, sondern wirklich die deutschen Zahlen.

Die blaue Linie zeigt den Verlauf, wenn sich Infi­zierte und Tote an die von mir am 19. April bzw. 2. Mai ermit­telten Normal­vertei­lungen gehalten hätten. Die Abwei­chung des roten realen Verlaufes unten links ist uninter­essant und ergibt sich schlicht aus dem Umstand, daß man erst nach einer Infek­tion an Corona sterben kann. Danach geht es weit­gehend im Einklang mit den Normal­vertei­lungen schnell bergan, erst durch den Höhe­punkt der neu Infi­zierten am 2. April, dann der Toten 13 Tage später.

Schon um diese Zeit entwickelt sich ein Ratten­schwanz einer zu langsam auslau­feden Normal­verteilung, weil die Repro­duktions­zahl nicht mehr sinkt. Dadurch endet die Epidemie nicht einfach in der Nähe des Endpunktes der blauen Linie. Viel­mehr bildet sich eine Rechts­kurve, die weit­gehend waage­recht auslaufen würde und dort endete, wenn nicht ein zweiter Effekt hinzu­träte, die Spaltung der Gesell­schaft in vorsich­tige alte Menschen und sich munter infizie­rendes Jungvolk. Dadurch setzt sich die Rechts­kurve fort und kann sogar fallen, weil sich die geringe Sterb­lich­keit der Jüngeren mehr und mehr durch­setzt.

Damit auch diese Linie nicht einfach endet, sondern die Rechts­krümmung sich fort­setzt und sogar fällt, sind zumin­dest anhal­tend zahl­reiche neue Infek­tionen erforder­lich. Die haben wir uns späte­stens mit dem Monat Juni geleistet, erst zaghaft, dann deut­lich. Die grünen Punkte im Wochen­abstand verdeut­lichen, daß es erst sehr langsam über den Berg ging und danach immer schneller bergab. Das muß zunächst wenig beun­ruhigen, weil dazu nur die Zahl der neu Infi­zierten steigen muß, nicht die der Toten.

Doch leider leben die vorsich­tigen Menschen nicht alle auf dem Land in Ost­deutsch­land getrennt von den Hedo­nisten in Bayern und den Groß­städten. Sie werden mitge­rissen. Die Leta­lität sinkt zwar weiterhin, doch nicht mehr so schnell, die Kurve biegt sich wieder nach links, wenn sie auch zumin­dest eine Weile noch fällt. Gelingt es nicht, diesen Trend zu brechen, dann sehe ich späte­stens hier den Beginn der zweiten Welle in dieser Woche. Wer diesen Erläute­rungen nicht folgen mag, der werfe einen Blick auf die aktuell wieder anzie­henden Sterbe­zahlen.

Die natürliche Fortsetzung können wir in den USA erkennen, von Israel und Australien ganz zu schweigen. Es geht wieder schneller nach rechts, die Links­kurve strebt gegen eine Waage­rechte und steigt möglicher­weise wieder an. In diesem Falle wurden die Anzei­chen zu lange igno­riert und unzu­länglich gegen­gesteuert. Man mag das vernied­lichen, weiterhin rücksichts­lose Frei­heiten ausleben und sich lange Zeit damit trösten, daß wohl für immer keine zehn Prozent an Corona sterben werden, doch solange sich nichts deut­lich bessert müssen wir weiterhin Masken tragen und Abstand halten.

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Dynamit-Rudi
Gerne erinnere ich mich an Rudi Arndt, der die Ruine der alten Oper zu Frankfurt sprengen wollte. Er will es zwar nicht explizit gesagt haben, wehrte sich aber nicht gegen die Ehren­bezeich­nung Dynamit Rudi. Es kam anders. Das Bildungs­bürgertum sammelte Geld und baute das Operhaus wieder auf. Lange beweih­räucherten sie sich drinnen, nun tobt der Pöbel davor.

Noch ist die Zeit nicht reif, im Sinne der Bevöl­kerungs­mehr­heit drastisch durchzu­greifen. Naive Gutmen­schen möchten den Pöbel zwar auch nicht dort versammelt sehen, belügen sich aber mit der Behauptung, er würde dann in vielen Klein­gruppen Frank­furt unsicher machen. Das war zu Zeiten von Rudi Arndt anders. Da wurden umge­kehrt Demon­stranten vom Römer­berg in Seiten­gassen vereinzelt.

Heute stellt man ihnen Müll­tonnen und Toiletten in Nord-Süd-Rich­tung hin. Wozu? Sollen sie doch vor die Bar scheißen, in der sie ihre Togos kaufen. Zunehmend in Plastik­bechern, wenn es nun ein Glas­flaschen­verbot geben sollte. So ein Schwachsinn! Besser sollte das Mitführen von Alkohol in der gesamten Öffent­lichkeit unter­sagt werden.

Kultursensible Toilette

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Apriori
Schön am Leben eines alternden Bloggers ist, anhand aktueller Ereignisse und Diskus­sionen immer wieder an Details aus jungen Jahren erinnert zu werden, die nicht auf der Müll­halde aus Belang­losig­keiten vergessen wurden. Dazu gehört auch eine Begrün­dung der Apriori-Wahr­schein­lich­keit abseits philo­sophi­schen Geschwa­fels: Wenn man von einer Wahr­schein­lich­keit im engeren Sinne nicht sprechen kann, weil sie nicht durch eine Annahme oder zwin­gende Eigen­schaft bestimmt ist und auch nicht durch ständige Wieder­holung (a poste­riori) immer genauer bestimmt werden kann, so darf man dennoch sagen, daß irgendein Ereignis mit einer gewissen Wahr­schein­lich­keit (a priori) eintritt. [1]

Je nach Umstand, Geschmack, Etikette, Verblendung, Wunsch­denken, aber auch gemäß ihrer Entfer­nung von einer reali­stischen Einschät­zung wird eine Apriori-Wahr­schein­lich­keits-Behaup­tung empört als dumpfes Vorur­teil abge­lehnt oder still­schwei­gend ohne jedes Wimpern­zucken akzep­tiert. Wenn der Wetter­frosch im Fern­sehen behauptet, es regne morgen mit einer Wahr­schein­lich­keit von 70 Pro­zent, dann nehmen wir es ihm ab, ohne sofort einen Facebook-Beitrag abzu­lassen: Du Spast, es regnet morgen gar nicht oder zu 100 Pro­zent. Auch kann nicht jeder Tropfen gleich Regen genannt werden, der zudem von Dir als minder­wertig diffa­miert wird.

Natürlich besteht immer der Verdacht, die Wahr­schein­lich­keiten seien nur so dahin­gesagt oder zu grob geraten. Im Beispiel könnte die Aussage durch die Bereit­schaft erhärtet werden, 7 zu 3 auf Regen oder 3 zu 7 dagegen zu wetten. Ich würde es nicht machen, denn ich bin kein Lotto­spieler und fürchte, am nächsten Tag darüber disku­tieren zu müssen, was ein Regen sei. Außerdem könnte ein anderer mehr Kenntnis erlangt haben und vermuten, daß umge­kehrt 30 Pro­zent eher zutreffen. Wenn ich aber an einer Wette nicht vorbei­komme, dann würde ich zumin­dest 1 zu 1 einen hohen Betrag auf Regen setzen. Und ist der andere wirk­lich von seiner Gegen­behaup­tung überzeugt, wird er die Wette annehmen.

Gute Vorurteile sind Apriori-Einschätzungen, die vorhandene Infor­mati­onen ange­messen berück­sichtigen. Von naiven Menschen werden sie trotzdem gerne als nega­tive Vorein­genommen­heit gewertet, sofern sie nicht in den Kram passen, selbst wenn sie sich mit der Zeit bewahr­heiten. Mir aber kommt es mehr auf Wahr­heit und begrün­dete Über­zeugung als Gesin­nung an. Deshalb mußte ich auch das ein oder andere meiner Vorur­teile korri­gieren oder vergessen, auch wenn das mit dem Alter nicht nur wegen zuneh­menden Starr­sinnes immer seltener erforder­lich wird, denn Erfah­rung macht auch das Vorur­teil treff­sicherer. Zumin­dest bekomme ich keine Magen­geschwüre, weil ich in mir spontan hoch­kommende Vorur­teile verschweige oder gar verdränge.

Der geneigte Leser wird schon ahnen, worauf es hinaus­läuft: Auf Rassen, Frauen, Juden, Zigeuner, Ausländer, Vandalen, Proleten, Säufer, Motorrad­fahrer, Täto­wierte, Krimi­nelle, Angeber, Reiche, Poli­zisten, Poli­tiker, Viro­logen. Viel­leicht wäre es einfa­cher, diese Mode­gruppen zu igno­rieren, mir kein Vorur­teil oder gar rechts­kräf­tiges Urteil anzumaßen. Doch leider geht das nicht in einer Zeit, da nicht nur korrekte Meinung, sondern auch Haltung gefor­dert ist, überall die heilige Vielfalt lauert und man durch jedes unbe­dachte oder lockere Wort als vorur­teils­beladen klassi­fiziert und beschimpft werden kann. [2]

[1] Dazu muß das Ereignis nicht unbedingt in der Zukunft liegen. Es gilt auch für vergangene oder gar zeitlose Ange­legen­heiten, deren Kenntnis noch unvoll­ständig, evtl. auch nie zu erlangen ist. Ein Beispiel: Wahr­schein­lich (also zu 100 Pro­zent, aber nicht sicher) gibt es keine ungerade voll­komene Zahl. Sollte irgend­wann eine gefunden werden, wäre das ausge­spro­chenes Pech und zugleich über­großes Glück.

[2] Glücklicherweise ist die Rente sicher und ich muß mein Geld nicht durch Meinungs­äußerung oder gar Satire verdienen. Immer weniger vermögen Ernst von Spaß, Satire von Hetze zu unter­scheiden. Einige wollen es auch nicht. Sie ereilt eine dem frommen Bibel­ausleger analoge Strafe: Sie können mit der Zeit normale oder gar blumen­reiche Sprache nicht mehr verstehen.

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