Herdenimmunität
Ich kann das Wort Herdenimmunität im Zusammenhang mit Corona nicht mehr hören, denn es ist keine Krank­heit wie Masern, die über ein Jahr­tausend sich ausbreiten konnte, wodurch trotz des hohen berühmten R0-Fak­tors eine Herden­immunität auf hohem Niveau erreicht wurde. Ohne Impfung bedeu­tete dies noch in meiner Kind­heit, daß fast jeder Neuge­borene einmal an Masern erkrankte.

Mit Corona könnte es ähnlich laufen. Daß wegen des geringeren sog. R0-Fak­tors die Herden­immunität schon bei 50 Mil­lio­nen Deut­schen erreicht ist, nützt uns zur Zeit wenig. Glaubt man den Viro­logen und den Medien, dann haben wir nur in der Hand, diese Herden­immunität schnell oder langsam zu erreichen.

Schnell hieße viele Tote bei Schonung der Wirt­schaft. Das wollen wir nicht, weshalb durch derzeit rigo­rose, doch bald zu Gunsten der Wirt­schaft gelockerte Maß­nahmen die Infek­tions­rate auf einem Niveau gehalten werden soll, das unsere Kranken­häuser nicht über­lastet. Das mag erforder­lich werden, doch ist das rettende Ufer die durch Impfung, nicht Durch­seuchung erlangte Herden­immunität.

Sollte es keine Impfung geben oder wollte man die Herden­immunität bereits früher erreichen, dann müßten sich 50 Mil­lio­nen Deutsche infi­zieren. Sollte das inner­halb eines Jahres geschehen, wären das 140.000 In­fi­zierte und viel­leicht 10.000 Tote pro Tag, zumal die meisten schwer Erkrankten sich dann mit einem normalen Kran­ken­bett begnügen müßten.

Geringere Sterberaten von vielleicht 3 Pro­zent sind nur möglich, wenn der Weg zur Herden­immunität auf viele Jahre gestreckt würde. Bei 10 Jah­ren wären es nur noch 14.000 In­fi­zierte und 400 Tote täglich, mehr als wir zur Zeit haben. Auch das möchte wohl keiner, selbst nicht für ein halbes Jahr bis zu den ersten Medi­kamenten und Impf­stoffen.

Streckt man deshalb auf 100 oder gar 1000 Jahre, so tritt keine Reduk­tion um den Faktor 10 bzw. 100 mehr ein. Dann wäre es wie bei den Masern: Die Menschen wachsen schneller nach als die Infek­tion sich ausbreitet und jeder Neuge­borene wird mit hoher Wahr­schein­lich­keit in den ersten Lebens­jahren an Corona erkranken. Ohne Impfung und Medi­kamente über­stiegen die Todes­fälle die Säug­lings­sterb­lich­keit deutlich.

Die Realität ist gottseidank anders. Es wird keine natür­liche Herden­immunität geben. Corona wird ausge­rottet oder auf einem geringen Niveau gehalten, zumin­dest in Deutsch­land. Jetzt helfen rigorose Maßnahmen, danach reicht allge­meine Vorsicht, schließ­lich wird es Medi­kamente und Impfungen geben. Wir strecken den Verlauf nicht, wir dämpfen ihn. Er wird nicht länger, sondern kürzer und platter zugleich. Und wenn es zu einem Wieder­auf­leben kommen sollte, dann ist das allen­falls unserer Nach­lässig­keit zuzu­rechnen, mit Herden­immunität hat das nichts zu tun.

Disziplinlosigkeit | Virologenschnack | Prognose | Lebenswert | Ethikraten | Corona | Tote | Nationalstaaten | Unredlichkeit | Unterleben | Reproduktion | Förderalismus | Zweite-Welle

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Der Fortschritt ist immer auch eine Zeit­frage, vor allem wenn er mit Geld oder Prestige verbunden ist. Im Kampf um die Kanzler­schaft sind zwei Gummi­stiefel­träger übrig. Markus Söder mit den vielen infi­zierten Bayern und seinen eigen­wil­ligen Maß­nahmen und Armin Laschet, dank Heins­berg Held der frühen Tage, der nun eine Studie unter Leitung seines Hofviro­logen vorweisen kann.

Es wird seinen Grund haben, weshalb Mediziner keine Forschungs­berichte vorlegen, sondern den Akt­zeich­nern gleich Studien. Und es mag im Kampf um die Führungs­posi­tion auch ange­zeigt sein, wohl­fäl­lige Ergeb­nisse in der Tages­presse zu lan­cie­ren statt den Kollegen Vorab­ver­sionen zukom­men zu lassen oder gar deren Urteil vor einer Publi­kation abzu­warten.

Und was ist das Ergebnis? Die Leute in Heinsberg haben sich weniger an der frischen Luft, mehr beim Lutschen am glei­chen Bier­glas angesteckt. Wer hätte damit gerechnet? Und schlimmer noch: In Heins­berg läge die leicht­fertig Morta­lität genannte Rate mit 0,37 deut­lich unter den gesamt­deut­schen 2 Pro­zent. Das wirft die Frage auf: Können wir uns Deutsch­land schön testen, die Letalität drücken, ohne einem einzigen das Leben zu retten?

Ist die „Dunkelziffer“ so hoch wie behauptet, dann ist Corona ein relativ harm­loses Virus. Wer hätte das gedacht? Wenn in Heins­berg bereits unbe­merkt 15 Pro­zent der Bevöl­kerung Corona hinter sich haben, dann könnte man doch unserer Wirt­schaft wieder freien Lauf lassen und auf eine Herden­immu­nität setzen. In Heinsberg gäbe es dann statt 46 nur 200 Tote, in ganz Deutschland vielleicht Trumpsche 100.000 statt 6.000. Die gegen­wärtigen fran­zösi­schen Verhält­nisse von Heins­berg würden nicht schlimmer als spani­sche für alle Deutschen.

Was sonst will uns die Rate von 15 Prozent sagen? Daß wir in Deutsch­land bereits über 3 Mil­lionen Infi­zierte haben, analog zu Heinsberg fünf­undzwan­zigmal soviele wie bisher regi­striert? Daß die berühmte Dunkel­ziffer bei 96 Pro­zent liegt, mindestens eine Mil­lion bereits geheilt sind, nachdem sie das Virus einfach aus­spuckten? Gerne, nur ändert es kaum etwas am Verlauf, weil 4 Pro­zent noch deutlich von der Herden­immuni­tät entfernt sind. Wir können aber zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Um den Fak­tor 25 hoch­gerech­nete Infek­tions­zahlen drücken unsere Leta­lität unter ein Pro­mille, und zugleich domi­nieren wir mit Kopf­zahlen den Rest der Welt.

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So so, Herdenimminität benötigt laut Über­schrift eines Gesprä­ches mit einem neuen Experten Michael Meyer-​Hermann 25 Jahre. [1] Nicht unbe­dingt, wenn man jetzt mit Corona-​Partys schnell eine Million Tote abarbeitet. Zur Vermei­dung der Herden­immu­nität, sei es schnell oder innerhalb von 25 Jah­ren, fordert er Maßnahmen, um die Basis­repro­duk­tions­zahl deut­lich unter 1 zu senken, so wie es im Atom­reaktor erforder­lich ist, wenn man ihn ruter­fahren will. Das ist natür­lich richtig, um noch Reaktions­zeit zu haben, wenn es wieder bergauf Rich­tung 1 geht. Reichen die der­zeiti­gen 0,7 aus?

[1] Gunnar Göpel: Helmholtz-​Forscher erklärt an einer Zahl, warum strenge Corona-​Regeln bleiben müssen. Tages­spiegel, 15.04.2020. Gespräch mit Michael Meyer-​Hermann, das wenig Bezug zur Über­schrift aufweist, sofern man nicht den Zusammen­hang mit der wieder­holten Forde­rung nach einer Brutto­repro­duktions­zahl deutlich unter 1 herzu­stellen vermag.

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das Robert-​Koch-​Institut auf eine komi­sche Schät­zung umge­stellt hat. Sie liegt noch unter 1, jedoch so knapp, daß vor einer „zweiten Welle“ gewarnt wird. Zunächst bedeu­tender aber ist, daß mit einer „Absen­kung auf wenige hundert“ in den nächsten Tagen nicht zu rechnen ist und noch wochen­lang für Ostern und die danach geblie­bene Diszi­plinlosig­keit gezahlt werden muß, und zwar von allen.

Wäre alles wie bis zu Karfreitag weiter­gegangen, hätten wir heute nur noch 500 neu Infi­zierte bei einer Basis­repro­duktions­zahl von R=0,5 gehabt. Bis zum Tanz in den Mai wäre alles vorbei. Noch eine Woche bis Muttertag, und wir wären vor An­steckun­gen sicher, das Virus in Deutsch­land so gut wie ausge­rottet. Nun aber sind es 2000 und wir dürfen uns glück­lich schätzen, wenn es bei R=0,9 bleibt. Dann hätten wir am Ende der Quaran­täne von Ostern bis Himmel­fahrt (40 Tage) nur noch einen Boden­satz von täglich 130 neuen Erkran­kungen, deren „Contain­ment“ dank „App“ hoffent­lich besser klappt als Anfang März.

Außer dieser Verzögerung gibt aber weitere Gründe, R=0,9 deut­lich zu unter­schreiten. Einer ist einfach: Es besteht die Gefahr, wieder über die 1 zu kommen, dies erst spät zu bemerken, um sodann vor einer „zweiten Welle“ zu stehen. Für gefährlicher halte ich einen anderen Grund, der jedem sofort in den Sinn kommt, der Zahlen wie R=0,9 nicht nur konsu­miert: Die behaup­teten Basis­repro­duktions­zahlen sind nur aus den Meldungen errech­nete „effektive“ Werte, noch nicht einmal für den Augen­blick, sondern für die Vergan­genheit. Besten­falls mitteln sie das wahre An­steckungs­„geschehen“. Und diese Mitte­lung kann bereits in einer Woche brutaler ausfallen, auch wenn kein einziger sein Verhalten ändert und das Wetter gleich bleibt.

Ein Beispiel auf der Basis der vorgestrigen Zahlen. Bei 83,5 Mil­li­onen Einwoh­nern kam es zu 2337 für den 23. April gemel­deten neu Infi­zierten. Mit R=0,85 wären es am Mutter­tag nur noch 150, zu Pfing­sten wäre der Spuk vorbei. Doch was, wenn dieser Mittel­wert R=0,85 wie folgt entstünde: Jeder steckt nur 0,8 andere an, eine kleine subver­sive Minderheit von 5 Prozent aber legt unter­ein­ander noch 1 drauf. Dann ergäbe sich der gleiche Durch­schnitt 0,95·0,8+0,05·1,8=0,85. Naive Gemüter könnten meinen: Lassen wir sie doch wie frei herum­laufende Krimi­nelle einfach gewähren. Der von ihnen ange­richte Schaden bis hin zum Doppel­mord tritt sich platt und ist einge­preist.


Erkrankte der Mehrheit (blau) und der Minderheit (rot) (png)

So ist es leider nicht. Das Bild zeigt, was wirklich passiert, wofür man mit etwas mathe­matisch-​natur­wissen­schaft­lichem Verstand auch nicht rechnen muß: Die Durch­seuchung der Mehr­heit (blau) fällt zunächst weiterhin ab, die der Minder­heit (rot) von 4 Millionen aber steigt und steuert ihrer Horden­immu­nität bei 1 Mil­lion zu. Schnell reißt sie die restlichen 80 Mil­li­onen mit. Glück­licher­weise nicht zwanzig­mal soviele, aber mehr als 3 Mil­li­onen. Das bedeutet 100.000 Tote. Kurz: Disziplin­lose sind eine echte Gefahr. Sie gewähren zu lassen oder gar Ver­ständ­nis zu zeigen, ist lebens­gefährlich.

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Heute muß ich schon wieder von der geringen Gangelt-​Letalität von 0,37 Pro­zent lesen, weil mit 15 Pro­zent der Getesteten fünfmal mehr infi­ziert worden seien als gemeldet. Diese für Gangelt möglicher­weise endgül­tigen 0,37 Pro­zent für ganz Deutsch­land mit derzeit 4,1 Pro­zent unter­stellt, müsse die wahre Anzahl der Infi­zierten minde­stens zehnmal so hoch liegen wie gemeldet. Wenn ich einmal annehme, daß mit den bisher 2,5 Mil­li­onen Tests 2,0 von 83,5 Mil­li­onen Deutschen beglückt wurden, so haben wir auf der einen Seite 0,16 Mil­lio­nen positiv und 1,84 Mil­li­onen negativ Getestete, auf der anderen 1,8 Mil­li­onen vermu­tete Infi­zierte und 81,7 Mil­li­onen dauer­haft Gesunde. Jeder elfte Infi­zierte wurde gefunden, aber nur einer von 44 Gesunden wurde getestet.

Ich will gerne glauben, daß nach vorstehender Rechnung die Dunkel­ziffer bei 90 Pro­zent liegt und somit die Kranken gegen­über den Gesunden nur eine viermal höhere Chance auf einen Test hatten. Es kommt gar nicht darauf an, daß ich einen Fak­tor 20 mit einer Dunkel­ziffer von 50 Prozent für plau­sibler halte, weil es völlig egal ist: Durch solche Überle­gungen stirbt keiner weniger, und der berühmte R-Faktor bleibt auch der gleiche, solange nicht wesent­liche Teile der Bevöl­kerung durch­seucht sind. Wahr­schein­lich soll das Gerede von der hohen Dunkel­ziffer die Herden­immunität reali­stischer und zudem Corona als harm­lose Krank­heit erscheinen lassen.

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