Personalausweis
Im Laufe meines langen Lebens bat mich die Polizei nur selten, einen Personal­ausweis vorzu­zeigen. Den hatte ich obrig­keitstreu auch immer dabei und nicht von der Aida während einer Kreuz­fahrt ins Mittel­meer geworfen oder unter der Matratze versteckt. In meinen jungen Jahren waren es die Kontrollen des Schweine­systems. Nur weil ich lange Haare trug und Volvo fuhr, wurde ich ange­halten. Das war hair and car profiling und wurde damals wegen mangelnder Englisch­kenntnisse auch Raster­fahndung genannt.

Später war ich einmal Zeuge eines Verkehrs­unfalles und konnte natürlich meinen Personal­ausweis vorzeigen, obgleich es eine Kranken­kassen­karte wohl auch getan hätte. Den Ausweis sehen wollen weniger Polizisten, mehr Bankange­stellte und People of Color, die Post­schalter frei­schaffend verwesen. Zwar habe ich für eine sichere Authenti­fizierung und die ausge­bliebenen Segnungen der Digitali­sierung meinen Finger­abdruck speichern lassen, doch wegen Nutz­losigkeit das Paßwort vergessen.

Sollte ich einmal versehent­lich schwarz fahren, dann zeige ich meinen Ausweis vor und reiche für 7 Euro meine Fahr­karte nach. Besitze ich keine, bedankt sich der Kontrolleur ohne jede Über­prüfung für die über­reichten 60 Euro. Wenn man aber nicht bereit ist, irgend­etwas nachzu­weisen oder zu zahlen und sich dem Hausrecht wider­setzt, dann kann man schon einmal mit Gewalt auf den Bahn­steig verbracht werden. Früher ist man gerne wegge­laufen und hat sich späte­stens vor der Haustür freundlich von den Kontrol­leuren verab­schiedet.

Leider bin ich ein alter weißer Mann und werde keine Berühmt­heit erlangen, weil ich von Gutmen­schen wider­rechtlich gefilmt werde, während mich dunkel­häutige Kontrol­leure aus der Bahn zerren. Umgekehrt sieht das anders aus. Kontrol­leure sind gut beraten, reni­tente POCs einfach gewähren zu lassen. Von ihnen gibt es wie von Pennern so und so kein Geld, und im Gegen­satz zu letz­teren droht ihnen auch keine Geld­strafe oder gar Gefängnis.

Polizisten sind so und so vorsichtig bei der Kontrolle von POCs, verlieren sie am besten aus den Augen und damit auch aus dem Sinn. Das löst ihr Problem mit den Vorge­setzten, wenn sie wieder einmal die Kriminali­tätsrate viel­fältiger Gruppen durch über­fällige Kontrollen oder gar Anzeige von Beamten­beleidi­gungen in die Höhe treiben und dadurch das politisch vorge­gebene Maß zu überschreiten drohen, das durch Schwer­krimi­nelle bereits gut ausge­schöpft ist. "Sie sind nur dann auf der sicheren Seite, wenn sie wegschauen und nichts tun." [1] Nicht nur Diskri­mierung sieht anders aus, auch Gleich­behandlung.

[1] Polizisten stehen unter Rassis­mus-Ver­dacht. Freie Welt, 10.08.2018.

... comment

 
Tja, ich war da nicht so brav wie Sie. Nachdem mein Kinderausweis abgelaufen war, lebte ich ein knappes Jahr völlig ohne Ausweispapiere. Das war illegal, fiel aber nicht weiter auf, ich bin ja blond. Dann legte ich mir einen Reisepass zu, denn ich wollte wieder verreisen. Um einen Personalausweis kümmerte ich mich erst im Alter von 27 Jahren. Seither habe ich einen, vor einigen Wochen fiel mir aber auf, dass ich nicht weiß, wo mein Reisepass ist.

Dafür war ich Anfang Juli Zeugin, wie Polizisten auf sehr aggressive Weise fünf jugendliche Flüchtlinge, die vollkommen unauffällig wie ich an der Bushaltestelle auf ihren Bus warteten und über Fußball quatschten, einer Personenkontrolle unterzogen. Das Verhalten der Polizisten war alles andere als deeskalierend, was ich denen auch freundlich sagte. Am aggressivsten war übrigens eine junge Polizistin, die mich auch sofort anpampte, sie wurde aber von ihrem Kollegen - der einzige, der sich halbwegs ruhig verhielte - zurückgepfiffen. Ich hatte ihm zuvor meinen Spezialausweis gezeigt.

... link  

 
Ich gehe einmal davon aus, daß die von Ihnen beschützten Jungs nichts auf dem Kerbholz hatten und zumindest die Poli­zistin nicht die erforder­liche Ruhe und Professio­nalität walten ließ. In Zukunft wird das häufiger vorkommen, denn die Lage spricht für blanke Nerven und Eska­lation auf beiden Seiten.

Doch wenn nicht gerade nebenan ein weißer Rentner eine Bank über­fallen hat, würde ich als Polizist auch nicht mich, sondern Gruppen von Jugend­lichen mit flüch­tigem Aussehen über­prüfen, insbe­sondere dann, wenn sie mir an anderer Stelle bereits auffielen. Auch angesicht der Möglich­keit, dabei einen der vielen Unter­getauchten zu enttarnen.

Sicherlich begegnen mir täglich Flücht­linge, habe aber bis heute noch keinen als solchen erkannt. Obschon Poli­zisten bessere allge­meine und personen­bezogene Vorkennt­nisse haben als ich, können auch sie sich zumeist nur an Äußerlich­keiten orien­tieren und gemäß ihres Eindruckes kontrol­lieren, insbe­sondere wenn nach gewissen Personen­gruppen gefahndet wird.

Sie können auch nicht wissen, daß eine Gruppe sich nur über Fußball unterhält, ja dürfen davon ausgehen, daß Illegale und Krimnelle dies auch tun. Sie werden aus ihrer Arbeit heraus aber auch wissen, daß die meisten verdächtig ausse­henden Menschen sich als harmlos erweisen. Und sie dürfen davon ausgehen, daß ein Mensch reinen Gewissens ohne negativen Kommentar einfach seinen Ausweis vorzeigt.

Warum können einige unschuldig verdäch­tigte oder kontrol­lierte Personen bestimmter Hautfarbe, Frisur, Täto­wierung, Alkoho­lisierung nicht wie viele Deutsche und Ausländer einfach akzep­tieren, daß sie einer Gruppe zuge­rechnet werden (wollen), die erhöhte Aufmerk­samkeit und Vorsicht erheischt. Im Ausland bevorzugt kontrol­liert zu werden, würde ich gut verstehen, wenn meine Lands­leute dort reihen­weise Basar­händler über den Tisch zögen.

Noch eimmal 40 Jahre zurück: Es war sozial anerkannt, Poli­zisten als Bullen zu bezeichnen. Es kostete aber eine Stange Geld, außer­halb von Großein­sätzen im persön­lichen Kontakt mit einem Poli­zisten, ihn als Bullen anzureden. Für ein Scheiß oder ein Du davor oder ein Schwein danach gab es einen Aufpreis. Ich konnte und kann das nicht bedauern. Selbst damals hatte ich nicht das Bedürfnis, Poli­zisten zu beschimpfen.

Natürlich gibt es Alltags­rassismus, wenn auch selten im engeren Wort­sinne. Wer seine Teddy­bären nicht im Mercedes zum Bahnhof, sondern regel­mäßig mit dem Bus fährt, der weiß das: Aller­letzt entschul­digte sich ein dunkel­häutiger Mensch beim Fahrer, daß er verse­hent­lich den Halte­knopf gedrückt habe. Er bekam trotzdem einen Anschiß. Ich riet ihm, sich näch­stesmal bedeckt zu halten und lieber nichts zu sagen.

Vielleicht aber hätte der europäisch, aber nicht biodeutsch ausse­hende Fahrer selbst mich ange­motzt. Dann wäre es kein Rassismus, sondern normale Unfreund­lichkeit gewesen. Nur hätte ich mich verbal besser wehren können und wollen. Als ich das aller­letzt tat, handelte ich mir vom Fahrer einen Hieb mit der Rassimus­keule ein. Sehr lustig und eine schöne Vorurteils­bestätigung.

... link  


... comment