Zweite Welle
Für eine grobe Beurteilung des Verlaufes der Corona-​Epidemie in einem Land­strich reicht es zunächst, die Zahl der positiv Gete­steten und der Toten ohne Alters­differen­zierung und Test­raten zu betrachten. Man kann den zeit­lichen Verlauf darstellen und daraus seine Schlüsse ziehen. Hier aber habe ich die Leta­li­tät L in Prozent gegen die Morta­li­tät M in ppm für Deutsch­land aufge­tragen.


Letalität in Abhängigkeit der Mortalität in Deutschland (png)

Ich halte diesen Verlauf für geeignet, ihn mit anderen Ländern zu verglei­chen und diese in Rela­tion zu uns einzu­schätzen. Das ist keine Über­heblich­keit eines deut­schen Bloggers, denn andere Länder wie Öster­reich und Dänemark wären dazu ebenso geeignet. Das heißt auch nicht, daß andere durchweg schlechter dastehen, denn viele unter­bieten nicht nur auf dem Papier, sondern wirklich die deutschen Zahlen.

Die blaue Linie zeigt den Verlauf, wenn sich Infi­zierte und Tote an die von mir am 19. April bzw. 2. Mai ermit­telten Normal­vertei­lungen gehalten hätten. Die Abwei­chung des roten realen Verlaufes unten links ist uninter­essant und ergibt sich schlicht aus dem Umstand, daß man erst nach einer Infek­tion an Corona sterben kann. Danach geht es weit­gehend im Einklang mit den Normal­vertei­lungen schnell bergan, erst durch den Höhe­punkt der neu Infi­zierten am 2. April, dann der Toten 13 Tage später.

Schon um diese Zeit entwickelt sich ein Ratten­schwanz einer zu langsam auslau­feden Normal­verteilung, weil die Repro­duktions­zahl nicht mehr sinkt. Dadurch endet die Epidemie nicht einfach in der Nähe des Endpunktes der blauen Linie. Viel­mehr bildet sich eine Rechts­kurve, die weit­gehend waage­recht auslaufen würde und dort endete, wenn nicht ein zweiter Effekt hinzu­träte, die Spaltung der Gesell­schaft in vorsich­tige alte Menschen und sich munter infizie­rendes Jungvolk. Dadurch setzt sich die Rechts­kurve fort und kann sogar fallen, weil sich die geringe Sterb­lich­keit der Jüngeren mehr und mehr durch­setzt.

Damit auch diese Linie nicht einfach endet, sondern die Rechts­krümmung sich fort­setzt und sogar fällt, sind zumin­dest anhal­tend zahl­reiche neue Infek­tionen erforder­lich. Die haben wir uns späte­stens mit dem Monat Juni geleistet, erst zaghaft, dann deut­lich. Die grünen Punkte im Wochen­abstand verdeut­lichen, daß es erst sehr langsam über den Berg ging und danach immer schneller bergab. Das muß zunächst wenig beun­ruhigen, weil dazu nur die Zahl der neu Infi­zierten steigen muß, nicht die der Toten.

Doch leider leben die vorsich­tigen Menschen nicht alle auf dem Land in Ost­deutsch­land getrennt von den Hedo­nisten in Bayern und den Groß­städten. Sie werden mitge­rissen. Die Leta­lität sinkt zwar weiterhin, doch nicht mehr so schnell, die Kurve biegt sich wieder nach links, wenn sie auch zumin­dest eine Weile noch fällt. Gelingt es nicht, diesen Trend zu brechen, dann sehe ich späte­stens hier den Beginn der zweiten Welle in dieser Woche. Wer diesen Erläute­rungen nicht folgen mag, der werfe einen Blick auf die aktuell wieder anzie­henden Sterbe­zahlen.

Die natürliche Fortsetzung können wir in den USA erkennen, von Israel und Australien ganz zu schweigen. Es geht wieder schneller nach rechts, die Links­kurve strebt gegen eine Waage­rechte und steigt möglicher­weise wieder an. In diesem Falle wurden die Anzei­chen zu lange igno­riert und unzu­länglich gegen­gesteuert. Man mag das vernied­lichen, weiterhin rücksichts­lose Frei­heiten ausleben und sich lange Zeit damit trösten, daß wohl für immer keine zehn Prozent an Corona sterben werden, doch solange sich nichts deut­lich bessert müssen wir weiterhin Masken tragen und Abstand halten.

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Dynamit-Rudi
Gerne erinnere ich mich an Rudi Arndt, der die Ruine der alten Oper zu Frankfurt sprengen wollte. Er will es zwar nicht explizit gesagt haben, wehrte sich aber nicht gegen die Ehren­bezeich­nung Dynamit Rudi. Es kam anders. Das Bildungs­bürgertum sammelte Geld und baute das Operhaus wieder auf. Lange beweih­räucherten sie sich drinnen, nun tobt der Pöbel davor.

Noch ist die Zeit nicht reif, im Sinne der Bevöl­kerungs­mehr­heit drastisch durchzu­greifen. Naive Gutmen­schen möchten den Pöbel zwar auch nicht dort versammelt sehen, belügen sich aber mit der Behauptung, er würde dann in vielen Klein­gruppen Frank­furt unsicher machen. Das war zu Zeiten von Rudi Arndt anders. Da wurden umge­kehrt Demon­stranten vom Römer­berg in Seiten­gassen vereinzelt.

Heute stellt man ihnen Müll­tonnen und Toiletten in Nord-Süd-Rich­tung hin. Wozu? Sollen sie doch vor die Bar scheißen, in der sie ihre Togos kaufen. Zunehmend in Plastik­bechern, wenn es nun ein Glas­flaschen­verbot geben sollte. So ein Schwachsinn! Besser sollte das Mitführen von Alkohol in der gesamten Öffent­lichkeit unter­sagt werden.

Kultursensible Toilette

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Apriori
Schön am Leben eines alternden Bloggers ist, anhand aktueller Ereignisse und Diskus­sionen immer wieder an Details aus jungen Jahren erinnert zu werden, die nicht auf der Müll­halde aus Belang­losig­keiten vergessen wurden. Dazu gehört auch eine Begrün­dung der Apriori-Wahr­schein­lich­keit abseits philo­sophi­schen Geschwa­fels: Wenn man von einer Wahr­schein­lich­keit im engeren Sinne nicht sprechen kann, weil sie nicht durch eine Annahme oder zwin­gende Eigen­schaft bestimmt ist und auch nicht durch ständige Wieder­holung (a poste­riori) immer genauer bestimmt werden kann, so darf man dennoch sagen, daß irgendein Ereignis mit einer gewissen Wahr­schein­lich­keit (a priori) eintritt. [1]

Je nach Umstand, Geschmack, Etikette, Verblendung, Wunsch­denken, aber auch gemäß ihrer Entfer­nung von einer reali­stischen Einschät­zung wird eine Apriori-Wahr­schein­lich­keits-Behaup­tung empört als dumpfes Vorur­teil abge­lehnt oder still­schwei­gend ohne jedes Wimpern­zucken akzep­tiert. Wenn der Wetter­frosch im Fern­sehen behauptet, es regne morgen mit einer Wahr­schein­lich­keit von 70 Pro­zent, dann nehmen wir es ihm ab, ohne sofort einen Facebook-Beitrag abzu­lassen: Du Spast, es regnet morgen gar nicht oder zu 100 Pro­zent. Auch kann nicht jeder Tropfen gleich Regen genannt werden, der zudem von Dir als minder­wertig diffa­miert wird.

Natürlich besteht immer der Verdacht, die Wahr­schein­lich­keiten seien nur so dahin­gesagt oder zu grob geraten. Im Beispiel könnte die Aussage durch die Bereit­schaft erhärtet werden, 7 zu 3 auf Regen oder 3 zu 7 dagegen zu wetten. Ich würde es nicht machen, denn ich bin kein Lotto­spieler und fürchte, am nächsten Tag darüber disku­tieren zu müssen, was ein Regen sei. Außerdem könnte ein anderer mehr Kenntnis erlangt haben und vermuten, daß umge­kehrt 30 Pro­zent eher zutreffen. Wenn ich aber an einer Wette nicht vorbei­komme, dann würde ich zumin­dest 1 zu 1 einen hohen Betrag auf Regen setzen. Und ist der andere wirk­lich von seiner Gegen­behaup­tung überzeugt, wird er die Wette annehmen.

Gute Vorurteile sind Apriori-Einschätzungen, die vorhandene Infor­mati­onen ange­messen berück­sichtigen. Von naiven Menschen werden sie trotzdem gerne als nega­tive Vorein­genommen­heit gewertet, sofern sie nicht in den Kram passen, selbst wenn sie sich mit der Zeit bewahr­heiten. Mir aber kommt es mehr auf Wahr­heit und begrün­dete Über­zeugung als Gesin­nung an. Deshalb mußte ich auch das ein oder andere meiner Vorur­teile korri­gieren oder vergessen, auch wenn das mit dem Alter nicht nur wegen zuneh­menden Starr­sinnes immer seltener erforder­lich wird, denn Erfah­rung macht auch das Vorur­teil treff­sicherer. Zumin­dest bekomme ich keine Magen­geschwüre, weil ich in mir spontan hoch­kommende Vorur­teile verschweige oder gar verdränge.

Der geneigte Leser wird schon ahnen, worauf es hinaus­läuft: Auf Rassen, Frauen, Juden, Zigeuner, Ausländer, Vandalen, Proleten, Säufer, Motorrad­fahrer, Täto­wierte, Krimi­nelle, Angeber, Reiche, Poli­zisten, Poli­tiker, Viro­logen. Viel­leicht wäre es einfa­cher, diese Mode­gruppen zu igno­rieren, mir kein Vorur­teil oder gar rechts­kräf­tiges Urteil anzumaßen. Doch leider geht das nicht in einer Zeit, da nicht nur korrekte Meinung, sondern auch Haltung gefor­dert ist, überall die heilige Vielfalt lauert und man durch jedes unbe­dachte oder lockere Wort als vorur­teils­beladen klassi­fiziert und beschimpft werden kann. [2]

[1] Dazu muß das Ereignis nicht unbedingt in der Zukunft liegen. Es gilt auch für vergangene oder gar zeitlose Ange­legen­heiten, deren Kenntnis noch unvoll­ständig, evtl. auch nie zu erlangen ist. Ein Beispiel: Wahr­schein­lich (also zu 100 Pro­zent, aber nicht sicher) gibt es keine ungerade voll­komene Zahl. Sollte irgend­wann eine gefunden werden, wäre das ausge­spro­chenes Pech und zugleich über­großes Glück.

[2] Glücklicherweise ist die Rente sicher und ich muß mein Geld nicht durch Meinungs­äußerung oder gar Satire verdienen. Immer weniger vermögen Ernst von Spaß, Satire von Hetze zu unter­scheiden. Einige wollen es auch nicht. Sie ereilt eine dem frommen Bibel­ausleger analoge Strafe: Sie können mit der Zeit normale oder gar blumen­reiche Sprache nicht mehr verstehen.

Symmetrie | Hassan Dabbagh | M-Wörter | Prekarioten | 46664 | Nafri | Sawsan Chebli | Hengameh Yaghoobi­farah | Kartoffeln | Höher scheißen | Es reicht | Mimosen | Halbfinale | Deutsche sollen aussterben | 420 | N-Wort mit Gazelle | K-M-Wort | K-Wörter | Unser Deniz | Rotbart | Medaillen­spiegel | Die Mannschaft | Personal­ausweis | Kofi Annan | Seicht aber unfair | Hetzjagd | Riesen­küsse | Tag der Einfalt | Xenozen­trismus

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Siebentage-R
Daß ich das noch erleben durfte! Wer hat es erfunden? Das Robert-​Koch-​Institut gewiß nicht. Auch ich kann es nicht in Anspruch nehmen. Zum einen weicht das 7-Tage-R von meinen Wochen­werten w in Details ab. Zum anderen kann man auf der Hand liegende Kenn­zahlen nicht erfinden oder entdecken. [1] Ich hoffe, mit dem neuen 7-Tage-R wird nicht der gleiche Schind­luder getrieben wie mit den Vorgängern.

Heute habe ich gelesen, es sei günstig, Wochen­mittel zu verglei­chen. Schön, das führte auf meine w-Werte, die immer schon besser als die R-Faktoren waren. Jetzt zu wechseln, ist nicht ratsam. Sofort entstünde der Verdacht, man wolle mit w=0,88 statt R=0,93 die Werte schönen. Und weil man das Viertage-​Dogma nicht aufgibt, werden die Mittel­werte zweier Wochen im Abstand von vier Tagen in Rela­tion gesetzt. Dadurch fließen drei Werte sowohl in den Zähler als auch den Nenner ein. Das bewirkt eine gewisse Glättung. Besser wäre jedoch, die realen Zahlen nicht nur durch Now­casting an die vermutete Realität anzu­passen, sondern vor ihrer Verrech­nung zu glätten. Was ist daran kompli­ziert?

Meine einfachste Erklärung für die holprigen Werte der Vergan­genheit lautet, daß die Verkün­diger des Robert-​Koch-​Instituts den falschen Ergeb­nissen ihrer Stati­stiker blind vertrauten. Wie sind solche Fehl­griffe möglich? Zum Beispiel durch Anpas­sung einer Exponen­tial­funktion an die Werte weniger Tage, um sodann aus dem Expo­nenten den R-Faktor abzulesen. Ich will keine abstrusen Sonder­fälle konstru­ieren und einfach die Werte der letzten 15 Tage vom 30. April bis zum 14. Mai betrachten:

1639 945 793 679 685 947 1284 1209 1251 667 357 933 798 933 913

Ein exponentieller Ausgleich auf diese Werte liefert für die vorderen zwei Wochen (1639 bis 933) den R-Fak­tor 0,837 und nur einen Tag später für die hinteren zwei Wochen (945 bis 913) mit 0,972 einen weit höheren Wert. Weshalb werden solche Sprünge von einem Tag auf den anderen nicht nur täglich verkündet, sondern möglicher­weise von Experten wirk­lich errechnet? Weil man selbst als Mathe­matiker blau­äugig glauben kann, man hätte durch wochen­weise Anpassung bekannter Funk­tionen die regel­mäßigen Melde­verzüge ausge­glichen. [2] Das ist offen­sicht­lich nicht der Fall. [3]

Es ist kaum zu glauben, doch die einfachen Methoden liefern bessere, gleich­mäßigere und vor allem glaub­würdi­gere Ergeb­nisse. So bilde ich einfache Verhält­nisse zweier aufein­ander­fol­gender Wochen, woraus sich der R-Faktor gemäß R=w^(4/7) ergibt:

w = (1209+...+933) / (1639+...+1284) = 6148 / 6972 = 0,882   R=0,931
w = (1251+...+913)  /  (945+...+1209) = 5852 / 6542 = 0,895   R=0,938

Und nach der vermuteten Robert-​Koch-​7-Tage-R-​Methode auf Basis gemeldeter statt genow­casteter Zahlen:

R = (1209+...+933) / (679+...+667) = 6148 / 6722 = 0,915
R = (1251+...+913) / (685+...+357) = 5852 / 6400 = 0,914

Die Ergebnisse sind ähnlich. Man muß sich also nicht fragen, weshalb andere zu stark abwei­chenden Ergeb­nissen kommen. Ich vertraue meinen ein­fachen Berech­nungen: Seit dem 1. Mai stieg der R-Faktor langsam und stetig von 0,75 bis maxi­mal 0,95 an. In den letzten vier Tagen lag er nach meinen Kalku­lati­onen bei 0,94±0,01. Wenn das Robert-​Koch-​Institut heute 0,88 nennt, so liegt das noch im Rahmen. Die näch­sten Tage werden es zeigen, denn Now­casting, Glät­tung und Wochen­auswahl hin oder her: Wenn das Robert-​Koch-​Institut wirk­liche 7-Tage-​Mitte­lungs-​4-Tage-​Inkuba­tionszeit-​R-Faktoren bestimmt, dann muß deren siebte Potenz im Mittel der vierten meiner w-Werte ent­sprechen.

[1] Es ist kein Patent darauf anmeldbar, aber auch keine Urheber­schaft zu benennen. Das ist das Schöne an der Mathematik, es gibt sie ohne jeden lebenden oder gestor­benen Menschen. Trotzdem gebürt Ehre dem, der wich­tige Zusammen­hänge gefunden oder gar bewiesen hat. Der 7-Tage-​R-Faktor gehört nicht dazu.
[2] Warum wird die Wochengängigkeit schlechter als erwartet ausge­glichen? Ich nenne es einmal eine mathe­matische Täuschung. Die Ausgleichs­kurve wird nicht nur vom Trend beein­flußt, sondern auch vom Wochen­verlauf. Zur Veran­schau­lichung schneide man aus einer Säge­zahn­kurve zwei Zacken aus, einmal von Spitze zu Spitze und einmal von Mitte zu Mitte. Sie stehen für zwei Wochen von gemel­deten Neu­infek­tionen. Sollte ich mit der Hand durch diese zwei Verläufe möglichst gut eine Gerade oder Exponen­tial­funktion legen, so wäre die erste fallend, die zweite steigend. Das erinnert mich an eine akusti­sche Täuschung, in der stets gleiche Töne beständig aufzu­steigen scheinen, weil ihr internes Spektrum sich schnell aufwärts bewegt.
[3] Wer es nicht glaubt, trage in einem Tabellenkalkulations­programm in die erste Spalte 0 bis 14 (für 30. April bis 14. März) und in die zweite und dritte Spalte die Tageszahlen der neu Infizierten (1639 bis 913) ein und lösche in der zweiten Spalte den letzten Wert 913 und in der dritten den ersten 1639. Trägt man sodann in einer Grafik die Werte der zweiten und dritten Spalte gegen die der ersten auf, so sind zwei Verläufe zu sehen, die sich größten­teils über­lappen, aber gut sichtbar werden, wenn man für den zweiten weit größere Symbole verwendet. Wählt man nun für beide Zahlenreihen einen exponentiellen Ausgleich, so ist der erste wesent­lich steiler als der zweite. Das liegt natür­lich auch daran, daß beim Über­gang von der ersten zur zweiten Spalte vorne mit 1639 viel entfällt, hinten aber nur 913 hinzukommt. Das allein aber erklärt nicht alles. Um das zu erkennen, ersetze man 1639 einfach durch zu w=0,9 erwar­tende 1300. Selbst 1000 läßt noch einen Resteffekt.

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Rattenschwanz
Meine Prognosen für den ersten und hoffentlich letzten Berg mit Gipfel zunächst Ende März, dann Anfang April sind zumindest für den absteigenden Ast überholt. Seit ein paar Tagen ist die Zeit des in der nach­stehenden Abbil­dung deut­lich zu erken­nenden Ratten­schwanzes gekommen, längs dessen es nicht mehr so schnell herunter geht wie es die schwarze Linie der an die Werte bis zum 19. April ange­paßten Normal­verteilung erwarten ließ.


Rattenschwanz der neu Infizierten (png)

Bis zum Muttertag wäre die Epidemie praktisch über­wunden. Doch die Oster­exzesse läuteten weitere Nach­lässig­keiten ein. Die berühmten R-Zahlen sinken nicht mehr, sie kleben unter der Eins und schicken sich an, diese Linie zu über­schreiten. Die bei anhal­tender Diszi­plin zu erwar­tenden 160.000 Erkrankten sind bereits Geschichte. Bald wird das vorstehende Bild aktualisiert und zeigen, wohin die Reise geht. [1,2]

Das alles mag im Vergleich zu dem, was wir bereits hinter uns haben, unbe­deutend erscheinen, doch wurde das für den 1. Mai erreich­bare Ziel von unter hundert täglich neu Infi­zierten schon jetzt weit in die Zukunft geschoben. Es wäre auch für die Wirt­schaft günstiger gewesen, jede Öffnung noch ein paar Wochen zu verschieben und Verlet­zungen der Vorschriften rigoros zu verfolgen. Die gedul­dete Diszi­plinlosig­keit zu Ostern und die nach Öffnungs­diskus­sions­orgien in einigen Ländern egoi­stisch erlaubten Locke­rungen lassen die Krise länger als nötig andauern.

[1] 12.06.2020: Die realen Zahlen vom 19. April bis zum 11. Juni 2020 sind als rote Punkte darge­stellt. In dieser Zeit wurden 44.000 neu infiziert. Das ist auch für die beiden roten Ausgleichs­linien der Fall. Die durchgehende geht von konstan­tem R0=0,86 aus, die gestrichelte nimmt eine tägliche Stei­gerung von drei Promille an. Vor dem Anstieg zu einem zweiten Berg erreicht sie ziem­lich genau in der Mitte des Jahres bei R0=1,01 ein Minimum. Das beruht auf meiner zu 80 Pro­zent angenom­menen Dunkel­ziffer der Infi­zierten, die Rt=R0·(1-5·192.000/83.520.000)=1 bewirkt.
[2] 17.07.2020: Wäre die Reproduktionszahl konstant geblieben (rote durch­gehende Linie), gäbe es heute 11.000 Infi­zierte weniger. Selbst mit einem unter­stellten Wachstum von 3 Pro­mille täglich (rote gestri­chelete Linie) fehlten noch 6.500 an den heute gemel­deten gestrigen 201.372. Da Tönnies und Konsorten soviel nicht hergeben, muß man wohl einge­stehen, daß die Dreck­spatzen der Nation im Schatten lokaler Ausbrüche die Epidemie voran­getrieben und den Aufstieg zu einem zweiten Berg in Angriff genommen haben.

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Förderalismus
Was auch passiert, es liegt am Förderalismus. Der stört uns, obgleich wir die Staaten [1] genannten Länder der USA für ganz normal halten und deren Unter­schiede hinter denen deutscher Länder nicht zurück­fallen. [2] Ich meine mich auch an ein Buch über Staaten­geo­grafie zu erinnern, in dem Staaten nach ihrer Größe aufge­tragen und zwei deut­liche Berge zu erkennen waren: Einer in der Größen­ordnung von Holland und der andere von Deutsch­land. Für erstere ist eine Unter­glie­derung in teil­unabhän­gige Pro­vinzen mit Regie­rung, Parla­ment, Verwal­tung und Rechts­sprechung nicht sinnvoll, für letztere aber schon.

Immer wieder wird beklagt, daß unser Bildungssystem der Länder­hoheit unter­liegt, das Abitur in manchen Ländern leichter, aber auch weniger ange­sehen ist. [3] Was aber nützt es einem Bayern im Ausland, wenn man seinen eigen­artigen Dialekt nicht erkennt und ihn dort für einen Bremer hält? Gäbe es keine Länder­unter­schiede bliebe immer noch das Ansehen von Nationen, Städten, Schulen, Univer­sitäten, Insti­tuten. Und Gleich­heit in der Welt ist noch lange nicht erreicht. [4] Sonst wäre es nicht möglich, sich mit dubiosen oder gekauften Abschlüssen samt Ausländer­bonus an deut­schen Univer­sitäten durch­zumogeln.

In der Corona-Krise wird zwar gelegentlich betont, daß dank der förde­ralen Stuktur unseres Landes schnell vor Ort reagiert werden konnte, doch in den berühmten Meinungs­bildern unseres linearen Fern­sehens beklagt sich das deutsche Volk ständig über Unter­schiede. Und Journa­listen legen nach: Es fällt schwer, den Über­blick zu behalten. Muß ich aber auch gar nicht. Ich bin kein Möbelhaus-​Tourist und verlasse Hessen nicht. Wollte ich es genau wissen, müßte ich nur nach „Corona Hessen“ googeln, und schon würde mir alles mitgeteilt.

Ein Vorteil der Unterschiede könnte darin bestehen, die Wirksam­keit gewisser Maßnahmen oder die Schäd­lichkeit von Öffnungen zu belegen oder auch nicht. Wenn Thüringen in den letzten Tagen hinter dem Bundes­durch­schnitt zurück­fällt, so haben die Masken wohl nicht viel gebracht, in Sachsen mögli­cher­weise schon. Wenn Bremen seinen Vorteil gegen­über dem umge­benden Nieder­sachsen verspielt hat, sollte man nach Ursachen fragen. Wenn das gebeu­telte Bayern es in den letzten zwei Wochen endlich geschafft hat, sich gemessen an anderen leicht zu verbes­sern, mag das der Hart­näckig­keit von Markus Söder zu verdanken sein.

Nun geht es uns wieder etwas besser, und schon beginnen einzelne Bundes­länder mit Öffnungen ohne voran­gehende Diskus­sions­orgien. In Sachen-​Anhalt mag das wegen der nach Mecklen­burg-​Vorpom­mern zweit­niedrig­sten Infek­tions­zahlen noch verständ­lich sein, auch im ganzen corona­armen Osten, der dadurch auch einmal einen Vorteil nutzen könnte. Doch das Saar­land hat sich nun wahr­lich nicht mit Ruhm bekleckert: Zu Beginn weit­gehend verschont, doch dann wohl dank mangelnder Abschot­tung zu Frank­reich eine bestän­dige Zunahme um den Faktor zwei von 35 Pro­zent unter auf 35 Pro­zent über dem Bundes­durch­schnitt. Wenn man es so sehen mag: Die „Infek­tions­kurve flacht deut­lich ab“. Das reicht dem Dritt­plat­zierten für Öffnungen!

[1] Von den Stadtstaaten abgesehen nennen sich Bayern, Sachsen und Thüringen sogar Freistaaten.
[2] Meines Wissens hat Hessen 2018 als letztes Bundesland die Todesstrafe gestrichen.
[3] Wer fernsieht, bleibt auch von artigen Jungs nicht verschont, die sich von Abitur­prüfungen viel verspre­chen und Angst haben, als Corona-​Jahrgang abge­stempelt zu werden. Es fehlt eben ein Schul­fach, in dem man vom Schleim befreit lernt, daß schon nach kurzer Zeit keiner mehr nach der Durch­schnitts­note und dem Bundes­land fragt. Wir haben das Kurz­schul­jahr und G8 schadlos über­standen.
[4] Früher gab es zum Diplom zwei Blätter, eine Urkunde und ein Prüfungs­zeugnis. Heute wird dem Bachelor eine Mappe beige­fügt, in der auch auf englisch alle Leistun­gen aufge­führt sind, unser Ausbil­dungs­system erläu­tert wird und Prozent­sätze zu den einzelnen Noten genannt werden.

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Unterleben
Aus dem Füllhorn des Robert-​Koch-​Institutes ergießt sich nun die Exzeß­morta­lität in die deut­schen Lande. Für jeden verständ­lich als Übersterb­lichkeit? Das soll die Sterbe­rate über das normale Maß hinaus sein, für eine Risiko­gruppe oder eine Zeit, da eine Krank­heit gras­siert. Und wer hätte es gedacht: Die gegen­wärtige Über­sterb­lich­keit über­steigt die Zahl der offi­ziell an Corona Verstor­benen. Und da die Grippe­welle wohl vorüber ist und über die üblichen hinaus keine töd­lichen Krank­heiten zu sehen sind, kann man davon ausgehen, daß diese Über­sterb­lich­keit Corona zu verdanken ist. Würde sie beziffert und mit den offi­ziellen Sterbe­fällen vergli­chen, käme man auf eine Dunkel­ziffer. Die ist immer gut zur Angst­mache, bei Toten, bei Anti­körper­trägern, bei Infi­zierten, bei Erkrankten, bei sexu­ellen Über­griffen und Taschen­dieb­stählen.

Man ist gut beraten, sich an offi­zielle Zahlen zu halten, so falsch und sprung­haft sie auch sein mögen. Wer sich ausdrück­lich auf sie stützt, bean­sprucht gar nicht der Realität näher zu sein als Dunkel­ziffer­schätzer oder Nowcaster. Dennoch glaube ich, auf der Basis weniger offi­zieller Zahlen ohne medizi­nische Fürze bessere Ergeb­nisse zu erzielen als die wankel­mütigen Verkün­digun­gen des Robert-​Koch-​Institutes. Die lassen durchaus vermuten, den poli­tischen Erforder­nissen angepaßt zu sein und sicher­heits­halber alles schlimmer darzu­stellen als es wirk­lich ist.

Meine Überschrift „Unterleben“ ist formal eine umkeh­rende Wort­spielerei zur „Über­sterb­lich­keit“. Ich will es aber präzi­sieren: Unterleben soll die Zahl der vollen Lebens­spannen sein, die durch Corona verloren gehen. Die zu bestimmen ist nicht leichter als die der „Über­toten“ und erst nach langer Zeit einiger­maßen genau möglich. Aber man kann sich ein Bild von der Größen­ordnung machen: Unter der Annahme, daß aus einer Gruppe von e Men­schen im Alter a mit einer rest­lichen Lebens­erwar­tung von b ein Anteil i binnen kurzer Zeit an Corona erkrankt, von diesem wiederum ein Anteil l sofort stirbt und sich das weitere Leben eines Anteiles r der Gene­senen im Mittel halbiert, ergibt sich eine Verkürzung der Lebens­erwar­tung um

c = bil + bi(1-l)r/2 ≈ b(m+ir/2)   (= 2bm für r=2l)

Darin ist m=il die Mortalität, der Anteil Toter t an der Gesamtgruppe von e Personen. Wie groß r ist, weiß zur Zeit keiner, könnte aber in den nächsten Jahren nicht nur aus den Krankenakten, sondern auch aus der Übersterblichkeit ermittelt werden. Für meine nachfolgenden Kalkulationen gehe ich einfach von dem bequemen r=2l aus, was bedeutet: Zu jedem verlorenen Lebensjahr durch unmittelbaren Tod kommt noch einmal eines durch Langzeitfolgen der Überlebenden hinzu.

Von den 83,5 Millionen Bundesbürgern haben 18,2 das 65. Lebensjahr vollendet (e=18,2/65,3"). Wenn alles wie erwartet weitergeht, werden t=7.600/700 davon sterben. Das ergibt eine Mortalität von m=t/e=420/11ppm. Bei einer geschätzen restlichen Lebenserwartung von b=12/44 Jahren, ergibt sich ein mittlerer Lebenszeitverlust von c=2bm=80/8 Stunden. Alte Menschen büßen also trotz hohen Alters im Mittel zehnmal soviel Lebenszeit ein wie jüngere.

Wenn man aber bedenkt, was Corona jeden von uns schon Zeit, Geld und Nerven gekostet hat, dann wirken die wenigen Stunden mitt­lerer Lebens­zeit­verkür­zung wie Pipifax. Die meisten würden sofort mit dem Sensen­mann eine Verein­barung schließen: Drei Tage früher sterben, dafür ist Corona sofort vorbei. Doch darum geht es nicht. Es gilt die Herden­immu­nität zu vermeiden, auch wenn sie erst nach zwei Jahren und bei nur 10 Mil­lio­nen Infi­zierter erreicht ist, weil dann zwei Nullen an alle extensive Größen zu hängen wären. Gelänge das Flatten, vielleicht kein Problem für unsere Intensiv­stationen und Krematorien, doch wer möchte statt drei Tagen ein ganzes Jahr einbüßen? Deshalb darf ich wieder­holen: Es ist erfor­derlich, die Ausbrei­tung rigoros einzu­dämmen und im Inter­esse aller Zuwider­hand­lungen kompro­mißlos zu ahnden.

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