Disziplinlosigkeit
Ich habe ja Verständnis, wenn man vom Ball nicht lassen kann und nun mit seinen Eltern auf dem Rasen spielt. Im Lebens­mittel­laden ist es aber nicht erfor­derlich. Das habe ich gestern zwei Blagen auch deut­lich gemacht. Heute sah ich sie wieder vor der Tür lungern. Dagegen keinen einzigen alten Wein­säufer mehr auf dem Wochen­markt. Dann vorbei am Sport­platz, auf dem sich im wesent­lichen Jugend­liche mit schwachen Biowurzel tummelten. Möglicher­weise verfügten sie über Ausnahme­genehmi­gungen. Keine hatten sicher­lich die sechs auf dem von Frauen und Klein­kindern leerge­fegten Spiel­platz. Im Vorbei­gehen rief einer frech „einen Meter Abstand“. Ich habe ihn das genannt, was er ist, ein Arsch­loch. Das mag die Stim­mung unnötig anheizen, war mir aber ein Bedürfnis.

Erste Welle | Virologenschnack | Prognose | Lebenswert | Ethikraten | Herdenimmunität | Tote | Nationalstaaten | Unredlichkeit | Förderalismus | Reproduktion | Rattenschwanz | Unterleben | Siebentage‑R | Zweite Welle

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Es war als Kind meine Aufgabe, die Rabatt­marken in ein Heft zu kleben, für das es eins­fuffzig gab. Das waren die damals erlaubten 3 Prozent. Mit dem wirtschaft­lichen Aufschwung ver­schwand dieser Unsinn aus Deutsch­land. In England trieb er weitere Blüten [1], von denen wir letzt­lich nicht verschont blieben. Ich weigere mich aber noch immer, Payback-​Punkte zu sammeln oder im Restau­rant zehnmal billig zu essen, um dann einmal hoch­preisig zuzu­schlagen, oder gar die fetten Rabatt­hefte im Buch­handel zu kaufen.

Es ärgert mich schon Jahre, wenn Spar­bröt­chen ständig Punkte und Start­guthaben einstrei­chen. Sie und die Gewerbe­trei­benden wollten es nicht anders: Ich habe mich zum Sparen durch­gerungen und mache zunächst von der ergie­bigsten Möglich­keit Gebrauch, nämlich Waren des täglichen Bedarfes nur zu kaufen, wenn sie einiger­maßen preiswert sind. Deshalb besitze ich neben fünf Pfund Kaffee noch drei Dosen Sauer­kraut aus dem letzten Jahr und ein Dutzend Fisch­konserven aus dem Monat Februar.

Wenn ich in den letzten Tagen einkaufen ging, waren trotz erheb­licher Löcher in den Regalen alle Waren zumeist noch da. Gestern konnte ich sogar 36 Cent sparen, weil ich wie angepriesen zwei statt einer Packung Eier genommen habe, die mir eine Woche Früh­stück sichern. Warum gibt es in Corona-​Zeiten noch diese Ermä­ßigung? Warum ziehen die Preise für Hamster­ware nicht deut­lich an? Weil der Einzel­handel nicht in der Lage ist, die Preise schnell anzu­passen?

Vor einiger Zeit habe ich auch eine Monster­packung Toiletten­papier erstanden, weil sie etwas billiger ange­boten wurde. Die Blätter waren bunt bedruckt, die Qualität aber mise­rabel. Glück­licher­weise habe ich sie weit­gehend bereits der Kanali­sation anvertraut. Ich muß mich wohl an die rest­lichen sieben Rollen machen, sobald die sechs besserer Qualität aufge­braucht sind. Jetzt noch nachzu­kaufen schämte ich mich, auch wenn mir nur noch eine Rolle bliebe. Wes Gemütes muß man deshalb sein, um berge­weise Klopapier zu horten und sich sogar an der Kasse aufzu­regen, wenn es keine hundert Rollen gibt? Und weshalb sind den Menschen nahe­liegen­dere Produkte nicht wichtiger?

In der weitgehend zivilisierten städtischen Miet­wohnungs­welt haben die meisten Menschen keine Tiefkühl­truhe mehr, die einer Leiche bequem Platz bietet. Wer sie dennoch betreibt, ernährt sich ständig von alter Tief­kühl­kost und hat darin kaum mehr Platz übrig als die Oma mit Tief­kühl­fach im kleinen Kühl­schrank. Das Hamstern verderb­licher Ware findet so schnell ein Ende. Deshalb erwar­tete ich, daß zunächst Konserven aus den Regalen verschwinden. Dort aber gibt es nur Löcher. Statt­dessen fehlen Mehl, obwohl keiner backen kann, und auch Nudeln, obgleich wir Deutsche doch Kartoffel­fresser heißen, auch wenn wir darin nicht die größten sind und keiner mehr wie früher in der Lage ist, zwei Zentner Kartof­feln im Keller zu bevorraten.

Warum also Klopapier? Die Angst, den Arsch nicht mehr sauber zu bekommen, kann es doch nicht sein. Es ginge doch auch mit Zeitungs­papier oder Wasser. Ist das Arsch­wasch­becken [2] der Grund, weshalb die Fran­zosen lieber Rotwein und Präser­vative kaufen. Sie über­schätzen eben andere Dinge und sollen deshalb eine zwei Zentimeter zu lange europä­ische Norm durch­gesetzt haben. Ich glaube viel eher, daß schon früh­zeitig neben Nudeln und Mehl auch Toiletten­papier mitge­nommem wurde, weil es nicht verdirbt und preiswert den Einkaufs­wagen füllt. Und wer mehrere damit über­quellen sieht, ist schnell von Panik ergriffen und schlägt eben­falls zu.

[1] Wie es um andere Länder stand, weiß ich nicht, da ich schon damals fremde Völker mit meiner Anwesen­heit weit­gehend verschonte.

[2] Auch wenn der Euphemismus Bidet franzö­sischen Ursprungs ist, so sollen es doch nicht die Franzosen, sondern die Spanier und Italiener sein, die sich ständig die Eichel polieren.

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Die Sache mit dem Klopapier hat jetzt schon mindestens 17 verschiedene moderne Märchen (urban legends) inspiriert. Eine "menschenfreundliche" Verschwörungstheorie habe ich gestern hier in einem der Blogs gelesen. Dass in Zeiten der Not weniger gefressen und damit auch weniger geschissen wird, macht die ganze Sache so paradox, bzw. vielleicht so verständlich. Vielleicht sind das Trotzkäufe gewesen, für alle, die sich keinen demonstrativ defätistischen Weltuntergangs-Schampus leisten konnten. Ich selbst bereue meine Hamsterkäufe nicht, da ich zwei dicke Steine in den Brettern meiner Freunde damit platzieren konnte und gelernt habe, dass heutzutage alles, wirklich alles, als Anlass, eine mehr oder weniger gepflegte Konversation zu beginnen, genommen werden kann.

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Eine „menschenfreundliche“ Verschwörungs­theorie, zumindest eine urbane Legende könnte sein, daß die Menschen in der Not soviel weinen müssen, daß die Taschen­tücher aufge­braucht sind und Toiletten­papier herhalten muß.

Glücklich, wer in dieser harten Zeit Freunde hat, die sich über eine Stange Klopapier freuen. Und eben höre ich von einem Bäcker, der beim Kauf von Brot und Bröt­chen eine Rolle beilegt.

Reich ist nun die Gemeinde, über deren riesigen Vorrat an last­wagen­weise billig einge­kauftem Toiletten­papier man sich in einer sog. Satire­sendung lustig machte.

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Die meisten Jugendlichen sind ganz normal, gehen recht­zeitig ins Bett und tagsüber in die Schule oder zur Arbeit. Einige helfen nun auch alten Menschen durch die Corona-​Krise. Man kann ihnen allen­falls vorwerfen, die Hedo­nisten in ihren Reihen nicht in die Schranken zu weisen, teil­weise zu beneiden oder gar zu bewundern. Diese rotten sich nun auch tagsüber auf Kinder­spiel­plätzen zusammen und sollen laut Markus Söder sogar Alte anhusten und „Corona“ rufen, wofür sie eigent­lich wegen versuchter Körper­verlet­zung, im Ernst­falle auch Totschlages ins Loch gehören.

Ich verstehe auch nicht, warum es mehrere Tage dauert, bis aus einer Empfeh­lung, das Haus nur vereinzelt zu verlassen, eine straf­bewährte Anord­nung wird. Nun sollen weitere Tage mit einem „diplo­mati­schen Weg“ vertan werden, statt sofort mit aller Härte durchzu­greifen. Dafür hätten die Ordnung­hüter die Unter­stützung einer über­wäl­tigenden Mehr­heit.

Drastische und schnelle Maßnahmen müssen nicht sein. Für eine Eindäm­mung der Epidemie reichen auch spätere, sofern sie über­haupt ergriffen werden. Nur wenn man so gut wie gar nichts macht, werden die 60 Pro­zent der Viro­logen-​Panik­mache erreicht. Jede Verzö­gerung ändert am Verlauf nichts als die Breite und die Höhe, also nur die Gesamt­zahl der Erkrankten und Toten, und zwar nach oben.

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Nicht nur jugendliche Hedonisten sind diszi­plinlos, auch Journa­listen. Um in die Besten­liste von Google-​News zu kommen, wird in der Über­schrift schon einmal behauptet: „RKI warnt jetzt vor bis zu zehn Milli­onen Infi­zierten.“ [1] Im Text sieht es dann anders aus: „Wenn wir es nicht schaffen, die Kontakte der Menschen über die nächsten Wochen zu redu­zieren, können wir schon bald Milli­onen Infi­zierte in Deutsch­land haben.“

Im gleichen Machwerk ist zu lesen: „Geht es nach den Experten aus den USA, könnten auf jeden nachweis­lich positiv getesten Menschen fünf bis zehn unent­deckt infi­zierte Personen kom­men.“ Was ändert das? Liegen dadurch mehr im Kran­kenhaus, sterben dadurch mehr? Einzig für die angel­sächsische Herden­immunität ist das wichtig, die dann schon bei 10 Pro­zent erkannten Infi­zierten und 1 Pro­mille Toten einsetzt, weil in Wirk­lichkeit schon 70 Pro­zent immun sind.

[1] Nach nunmehr zwei Jahren sieht es so aus, als hätte das RKI recht gehabt, denn wir arbeiten an der Marke von 40 Mil­lio­nen Infi­zierten, sagen wir 30 ohne Mehr­fach­ansteckun­gen. Nur bezogen sich die Aus­sagen von 2020 auf eine wirk­lich gefähr­liche Krank­heit mit einer Leta­lität von 4 Pro­zent. Das hätte 400.000 Tote bedeutet, die wir aber auch unter der jetzigen schwa­chen Variante zu errei­chen weiter­hin flei­ßig bemüht sind.

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In den letzten Tagen war von Menschen zu hören, die nicht nur aus Wut auf Gemüse spucken oder als Heraus­forderung den Handlauf von Roll­treppen ablut­schen, sondern auch von zumeist jugend­lichen Anhän­gern der schon vor Corona völlig humor­losen „street comedy“, die alte Menschen anhusten oder gar anspucken und dabei „Corona“ rufen. Dieses Verhalten reiht sich nahtlos ein in einen Nieder­gang des Respek­tes [1] vor Polizei, Feuer­wehr, Sani­tätern und eigent­lich jeder­mann. Liegt es daran, daß deutsche Jugend­liche mit Undercut genannten Nazi­frisuren den einge­wander­ten nach­eifern, die in ihrer Heimat keinen Respekt, aber wenig­stens Angst vor der Obrig­keit hatten. Unsere Weicheier fordern nun Schutz­kleidung und möchten Poli­zisten wie Verkaufs­theken mit Spuckschutz ausstatten. Dabei haben sie eigent­lich alles dabei, Hand­schuhe, Hand­schellen, Spuck­hauben für die Köpfe von Rotzern, Schlag­stöcke und Schuß­waffen, die gelegent­lich vorge­zeigt werden könnten.

Aber ich bin zuversichtlich. Nach der Corona-​Krise wird sich hoffent­lich vieles bessern. Wahr­schein­lich werden die Menschen nach einer kurzen Nachhol­phase nicht wieder in ihr volles Konsum­verhalten zurück­fallen. Sie haben erkannt, daß man nicht dauernd unter­wegs sein muß, viel­leicht auch keinen Zweit­wagen benötigt. Auch könnte man sich für sinn­lose Flug­reisen und Kreuz­fahrten schämen, zumin­dest die anderen darob nicht beneiden. So mancher Betrieb wird geschlossen bleiben. In vielen verbrieten so und so nur Frauen das Vermögen ihrer Männer. In zahl­reichen Restau­rants gab es keinen einzigen gelernten Koch. Leider wird es wohl nicht dazu kommen, es wäre aber schön, wenn für Bewir­tung, Übernach­tung, Fahr­dienste, Friseure und Musi­zieren in der Öffent­lich­keit eine Mindest­quali­fika­tion erfor­derlich wäre.

[1] Ich versuche, das Wort Respekt weitgehend zu vermeiden, weil es in den letzten Jahren in Verruf gebracht wurde. Früher gab es sog. Respekts­personen, insbe­sondere Eltern und Lehrer. Später hatte man Respekt vor schweren Aufgaben und starken Gegnern, aber auch vor der Leistung einiger Menschen. Das tritt mehr und mehr in den Hinter­grund, seit durch Werbung und Initia­tiven Respekt gefordert wird, nicht nur für andere, auch völlig unver­dient für sich selbst. Deshalb muß ich an gemein­gefähr­liche Rapper im Pelz­mantel denken, sobald ich das Wort Respekt höre.

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Nicht nur Jugendliche und Schreiberlinge sind disziplinlos, auch unsere linearen, also nicht exponen­tiellen Fernseh­sendungen. Erst läßt man den Chef des Robert-​Koch-​Insti­tutes lange reden, dann nutzt man die angeblich konti­nuier­lich aktua­lisier­ten Johns-​Hopkins-​Daten zur Drama­tisie­rung. Danach haben wir 75.000 Infi­zierte, davon heute 7000 neu. Warten wir die deut­schen Zahlen ab! Es könnten 68.000 und 6.000 sein. Im Prinzip nicht anders, aber seriöser, gerade weil man den Eindruck hat, die Zahlen seien teil­weise zu spät gemeldet. Dafür aber nicht von Amerikanern hochge­rechnet, die sich anhei­schig machen, die ganze Welt zu verstehen.

Auch würden mich 6000 oder gar 7000 nach mittleren 4.700 seit Sonntag nicht vom Sockel hauen. Zum einen mögen in den letzten Tagen nicht alle Fälle korrekt gezählt worden sein und werden hoffent­lich in den nächsten Tagen nach­gemeldet. Zum anderen werden für Donnerstag gefolgt von Freitag und Mittwoch regel­mäßig mehr gemeldet als an den übrigen Tagen. Und zum dritten hatte ich vor einer Woche noch mit 8.000 gerechnet. Von den in Nachrichten und Diskus­sionen verbrei­teten Horror­rech­nungen der letzten Woche will ich gar nicht reden. Damals behaup­tete man noch eine Verdop­pelung in vier Tagen, mußte also bis Ostern mit mehr als einer halben Million rechnen. Gestern wurden im ZDF nur noch 272.000, besten­falls 163.000 in Aussicht gestellt.

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Ich erlaube mir seit drei Tagen, eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen, ohne zu wissen, von welchem Hersteller meine Bremsen sind. Im allge­meinen komme ich jetzt besser durch dem Wald als im letzten Sommer, da die meisten allein oder zu zweit, gele­gent­lich auch mit Hund laufen und weit­räumig den Weg freimachen.

Heute allerdings mußte ich wegen eines breit angelegeten Sechser­packes klingeln. Ich gehe einmal davon aus, daß sie eine Sonder­geneh­migung ihrer Fröbel­schule hatten. Und vor dem Einkaufs­laden gackern laut drei Damen mit Kopf­tuch in brutaler Sprache. Wahr­schein­lich alle aus einer Familie. Die vierte Frau mußte wohl zuhause bleiben und kochen.

Mir fehlt es an Energie, in jedem Falle sofort laut zu werden oder die Polizei zu rufen, halte es aber für unan­ständig, wenn andere dafür als Denun­zianten von Leuten diffa­miert werden, die selbst nur Angst haben, ihre Feig­heit als Tole­ranz ausgeben und sich entlarvt fühlen, wenn ihre heile Welt einen Kratzer bekommt.

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Nicht nur die üblichen Verdächtigen im Alltag sind diszi­plinlos, auch zahl­reiche Vertreter der Meinungs- und Presse­freiheit, der Exper­tise und des Nach­plap­perns, allen voran die Über­schriften-​Texter. So sollen laut Robert-​Koch-​Institut die Fall­zahlen immer noch die der letzten Woche über­steigen. Das ist nicht wahr. Zwar lag der gestrige Zuwachs von 3834 über den 3677 vorgestern, sind ansonsten aber so gering wie seit zwei Wochen nicht mehr. Wenn die Zahl der Toten gemeint sein sollte, so ist das eine Binsen­weisheit. Wir wissen doch alle, daß man nicht auf der Stelle an Corona stirbt, sondern erst ein paar Tage dahin­siechen muß.

Ebenso unanständig lese ich unter Google-​News, wenn ich mich recht erinnere aus der Berliner Zeitung, die Fall­zahlen würden wieder steigen. Nicht nur die der Toten, auch der Infi­zierten. Was eine gequirlte Scheiße: Gestern waren es gerade einmal 147 mehr Infizierte als am Vortag. Doch jeder Schreiber­ling sollte wissen, daß die Wochen­endzahlen eher etwas zu niedrig liegen. Völlig igno­riert wird zudem, daß es in der letzten christ­lichen Woche im Mittel mehr als 5.500 täglich waren. Und über steigende Sterbe­zahlen zu klagen, ist geradezu schäbig, da nicht jeden Tag ein so geringer Wert wie am Sonntag zu erwarten ist. Das mag an Melde­verzügen liegen. Vielleicht stirbt es sich in Kranken­häusern auch vorzugs­weise an Werktagen.

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Ich habe mich bisher geweigert, die verschie­denen Kopf­bedeckun­gen, Maskie­rungen und Ver­schleie­rungen korrekt zu bezeichnen. Zwar kann ich einen Zylinder von einem Kopf­tuch und einen Taucher­anzug von einer Burka unter­scheiden, doch was der komische Knoten auf dem Kopf kleiner Jungen soll, will ich eigent­lich gar nicht wissen. Ich trage keine Kopf­windel, keine Deppen­mütze und auch keinen Hut, den ich beim Betreten geschlos­sener Räume abnehmen müßte. Auch besitze ich weder Schal noch Kopf­tuch als Ersatz für eine Atem­maske.

Deshalb habe ich letzte Woche für 1,60 Euro eine sehr einfache Maske gekauft. Wie die verschie­denen Ausfüh­rungen heißen, interes­siert mich nicht. Sie nützen mir alle nicht viel, und ich habe meine Maske heute beim Einkauf nur getragen, weil es so sein soll. Nach kurzer Zeit behin­derter Atmung hatte ich das Gefühl, es sammele sich in der Maske viel Gesabber, und die Nase finge an zu laufen. Wahr­schein­lich eine fiese Stra­tegie von Viren und Bakte­rien aller Art, sich auf alter­nativen Wegen zu verbreiten.

Verkäufer- und Kassiererinnen trugen Plastik­schilde wie aus einem schlech­ten Science-​Fiction-​Film. Die Waren­stabler nahmen es nicht so genau. Ihre Masken waren zumeist schon unter die Nase gerutscht. Bei einem Mann auch unter den Bart. Wahr­schein­lich hatte er ihn schon voll­gesab­bert. Ich könnte mit einer solchen Behin­derung auch nicht stunden­lang arbeiten. Und ich glaube auch nicht, daß die Maske unterm Strich An­steckun­gen verhin­dert, wie ich auch nicht weiß, ob sich über­haupt jemals einer im Lebens­mittel­laden ange­steckt hat.

Sicherlich wird es keine fest umris­sene subver­sive Gruppe geben, die durch Partys, Bordell-​Besuche, gemein­sames Saufen, fortge­setzte Paar­besuche mit und ohne Kinder, Massen­auf­läufe in Fuß­gänger­zonen und Park­anlagen das Virus verbreitet, zunächst sich selbst durch­seucht und dann die anstän­dige Rest­bevöl­kerung mitreißt. Es mag aber reichen, wenn diese Klientel vorzugs­weise unter­einander verkehrt und zumin­dest dafür sorgt, daß es nun am Ende der Epi­demie nur noch langsam voran­geht. Ich wünsche, ihnen fällt der beschei­dene Verzicht unend­lich viel schwerer als mir der umfas­sende.

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Angela Merkel hat dem förderalen Frieden den Vorzug gegeben. Jeder Provinzfürst kann nun machen, was er will, sofern alle seine Land­kreise unter 50 wöchent­lichen Neu­infek­tionen je 100.000 Ein­wohner bleiben. Auf ganz Deutsch­land hochge­rechnet wären das bis zu 6000 am Tag, die Spitzen­leistung um den Monats­wechsel von März auf April. Das allein klingt schon drama­tisch. Hinzu kommt, daß die 50 von unten kommend nicht stagnieren, sondern weiter steigen werden. Auch im Land­kreis nebenan wollte ich dann nicht leben. Das wären Verhält­nisse schlimmer als zur Zeit in Belgien, wo die Leta­lität viermal und die Morta­lität zehnmal höher liegt als in Deutsch­land. Deshalb halte ich es für mehr als diszi­plinlos, wenn Armin Laschet die Grenzen zu Belgien tatsäch­lich öffnet.

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Zwischen den vergangenen Feier­tagen lagen jeweils etwa 20 Tage, weshalb ich eine Aufstel­lung meiner w‑Werte zu den jeweils drei Folge­wochen begonnen hatte. Die sind seit Pfingsten zwar um, doch liegen noch nicht alle zur Berech­nung erfor­derli­chen Zahlen vor. [1] Das aber ist nicht mein Beweg­grund, den Zeit­rahmen des nach­stehen­den Bildes


Entwicklung der w‑Werte nach den Feiertagen (png)

auf zwei Wochen zu verkürzen. Vielmehr erscheint es mir unredlich, die enormen Steige­rungen der letzten Tage einfließen zu lassen, weil sie mit den Feier­tagen nichts zu tun haben. Auch die Spitze zehn Tage nach Himmel­fahrt sollte nicht überbe­wertet werden. Auch wenn es Pfingstem war, handelt sich dabei um einen inhalt­lich wert­losen Ausreißer nach oben, was auch daran zu erkennen ist, daß genau eine Woche zuvor einer nach unten voran­gegangen ist.

Deutlich zu sehen ist eine stetige Zunahme vom dritten auf den achten Tag nach jedem der Feier­tage von etwa 0,7 auf 0,85 (R‑Wert von 0,8 auf 0,9). Wenn man nicht als Hobby-​Virologe, sondern als Physiker einen Blick auf die Verläufe wirft, dann ist klar: Die Feier­tagsex­zesse tragen deutlich zur Ausbrei­tung des Virus bei.

[1] Ich hatte mich für drei Tage Versatz entschieden und auch begründet: Tritt von einem Tag i zum näch­sten i+1 ein plötz­licher Sprung ein, so führt eine Rückda­tierung um drei Tage auf i−3 zu einen glei­tenden Über­gang im Bereich der Woche von i−3 bis i+3. Soll mein w‑Wert möglichst synchron mit den wahren, augen­blick­lichen R‑Werten (nicht denen des Robert-​Koch-​Institutes) laufen, so wäre  i−6,5 richtiger. In Zukunft werde ich deshalb gemäß r(i−6)=w(i−3)^(4/7) umrechnen. Hier habe ich von ihnen noch Abstand genommen, weil dann der Eindruck entstünde, die R‑Werte zögen bereits an, bevor das verur­sachende Ereignis einge­treten ist. Nicht jeder ist in der Lage, sofort die Ursache zu erkennen und zu würdigen.

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Endlich wieder über 1000 Positive an einem Tag! Das werden die Medien feiern, ist aber nicht verwun­derlich, denn die Höchst­werte einer Woche sind zwar nicht am, aber für Don­ners­tag zu erwarten. [1] Letzten Mittwoch waren es bereits 902, und mit den 16 Pro­zent Steige­rung pro Woche haben wir uns doch längst arran­giert. Diese 902 wandern nun vom Zähler meines R‑Wertes in den Nenner. Wer also nach einer guten Nachricht sucht: Er ist von 1,13 auf 1,10 gefallen, gilt aber für den 30. Juli, nicht für heute. Mal sehen, was das Robert-​Koch-​Institut in ein paar Stunden raushaut. ‒ Es wurden nur  0,99 und 1,06. Die Abweich­chungen zwischen den derzeit wenig schwan­kenden Repro­duktions­werten bleiben klein. Der Aufschwung ist also recht stabil. Und selbst dann, wenn es wieder Rich­tung Eins geht, werden uns einige Hundert jeden Tag noch lange Zeit begleiten.

[1] Heute, einen Tag später ist Freitag, und es liegen die Donner­stags­zahlen vor. Normaler­weise ziehen sie gegenüber dem Vortage noch­mals an, und so ist es auch heute: 1147 haben sich neu infiziert. Beide Repro­duktions­zahlen des Robert-​Koch-​Institutes sind auf 1,16 gestiegen. Meine ist weniger flatterhaft, lag gestern mit 1,10 etwas höher und heute nach mode­ratem Anstieg auf 1,12 wieder darunter.

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Unser ZDF genanntes Qualitäts­medium geht natür­lich nicht an den 1445 gestern neu Infi­zierten vorbei, die es seit dem 1. Mai nicht mehr gegeben habe. Das sind genau 400 mehr als vor einer Woche, weshalb das Wochenmittel um 400/7=57 gestiegen sein muß. Aus welchem poli­tisch korrektem Grunde wird anschließend eine Kaskade von Balken gezeigt, die Wochen­mittel dar­stellen sollen und von denen die beiden letzten gleich hoch blinken? Als sei es ange­sichts der stark gewach­senen Zahlen das achte Welt­wunder, wird auch noch pene­trant erwähnt, daß es bei konstan­ten 960 geblieben sei. Sehe ich mir aber die wirk­lichen Wochen­mittel

685 – 720 – 728 – 748 – 788 – 812 – 857 – 846 – 859 – 928 – 985

der letzten Tage an, dann komme ich auch hier an der Realität nicht vorbei. Wahr­schein­lich sitzen beim ZDF hinter den Kulissen Grafik­designer, die es mit den Balken in den Nach­richten gleich denen im eigenen Auge nicht so genau nehmen. [1] Möglicher­weise wurden sie von haus­eigenen Corona-​Experten mit geeignet aus anderen Quellen zusammen­geklaubten Zahlen versorgt. Konsi­stenz der verschie­denen Behaup­tungen (stark gestiegen, doch im Mittel gleich) scheint unwichtig.

[1] Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2024, und wir haben uns daran gewöhnt, daß im Fern­sehen Balken­diagramme mehr der korrekten Einschät­zung als der Realität ver­pflich­tet sind. Stimm­anteile der AfD und vor allem Verbre­chen der Migran­ten sind gerne zu gering darge­stellt. Dafür sind die Wetter­karten nun schon ab 20 Grad rot.

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Herr Lanz läßt wieder diskutieren. Vor Tagen jammerten Erzieher rum und faselten vom Recht auf Bildung. Davon hatte ich im Gegen­satz zur Schul­pflicht noch nichts gehört. Und die war ausge­setzt und bleibt einge­schränkt. Wem das nicht gefällt, der sollte nicht auf den Förde­ralismus mit seinen unter­schied­lichen Regeln schimpfen, sondern ganz klar sagen: Mit Diszi­plin hätte das neue Schul­jahr ohne Einschrän­kungen begonnen werden können. Eine Gesell­schaft, die auf Bußgelder verzichtet, nur den Zeige­finger erhebt und allein auf Vernunft baut, muß einfach den Preis zahlen und die Fenster der Klassen­zimmer umrüsten.

Heute sitzt wieder Herr Schmidt-​Chanasit da, faselt zwar nicht mehr von der Herden­immunität, will aber nicht von einer zweiten Welle sprechen, solange unser Gesund­heits­system mit den Fall­zahlen noch zurecht­kommt. Von Toten war nichts zu hören. Auch ich kann sie beden­kenlos hinnehmen. Bedeu­tender ist, daß der überwältigende vernünftige Teil der Gesellschaft Masken tragen, vorsichtig sein und sich notfalls in Quarantäne begeben muß. Herr Schmidt-​Chanasit mag sich gefallen in seiner Forde­rung, mit dem Virus leben zu müssen. Besser wäre es gewesen, wir hätten es in Deutsch­land so gut wie ausge­rottet. Das ist mit angemes­sener Härte immer noch möglich.

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Bei Herrn Plasberg sitzt mit Steffen Henssler wieder ein Fachmann und stellt die besten­falls rheto­rische Frage, warum man im versiff­ten Bus fahren, aber nicht in einem Restau­rant sitzen dürfe. Die Antwort an die Auto­fahrer ist eigent­lich ein­fach: Im Bus sitzt man mit Maske, im Restau­rant nicht, weil zumin­dest zeit­weise gegessen und getrun­ken wird. Wer meint, man könne auch im Bus die Maske abset­zen, wenn man meint, einen drin­genden Schluck aus der Wasser­flasche nehmen zu müssen, dem sei gesagt: Essen und zumindest das Trinken von Alkohol ist im öffent­lichen Nahver­kehr unter­sagt. Zumindest in Corona­zeiten ist ein Verzicht zumutbar. Das gilt auch für Restau­rants. Man kann zuhause essen, im Bus bleibt die Tüte zu, vor allem wenn sie wie Hähn­chen und Pommes­frites stinkt.

Und weil Herrn Henssler mit seiner Frage keine spontane Zustim­mung ent­gegen­schlägt, schickt er noch eine billige Spitz­findig­keit hinter­her: Warum wird am Mitt­woch eine Maßnahme ab näch­sten Montag beschlossen? Wenn es in Restau­rants doch so gefähr­lich sei, müsse man doch sofort schließen. Auch das könnte er sich mit Blick auf Maßnah­men in anderen Ländern, die von einem Tag auf den anderen gültig wurden, ohne Anstren­gung selbst beant­worten. Und warum wirft er der Bundes­regie­rung nicht vor, die Öff­nung schon vor der völli­gen Ausrot­tung des Virus über­haupt wieder gestat­tet zu haben.

Von ähnlichem Tiefgang ist der immer und immer wieder kolpor­tierte Best­seller, warum Fri­seuere offen bleiben können, Nagel­studios aber schließen müsssen. Verstärkt durch die Fest­stellung, daß man zuhause unkon­trolliert feiern kann, nicht aber geordnet in der Öffent­lich­keit. Auch das kann sich jeder nach leichtem Nach­denken selbst beant­worten. Nägel kann man selbst schneiden, Haare zumindest als älte­rer Allein­ste­hender weniger. Und der schwer zu kon­tollie­rende Privat­bereich genießt einen hohen Schutz, in der Öffent­lich­keit kann man die Übel­täter leichter erkennen.

Selbst, wenn es drei Bereiche von glei­cher Bedeu­tung gäbe, es ange­zeigt und ausrei­chend wäre, genau einen davon zu schließen, und dieser gleich­ver­teilt ausge­lost würde, gäbe es nichts zu jammern. Um wieviel mehr ist es ange­messen, wenn nur dort geschlos­sen wird, wo mit wenig Aufwand und Verzicht viel erreicht werden kann. Das heißt auch, nicht umfang­reiche Differen­zierungen, Prü­fungen und Zerti­fizie­rungen ausar­beiten und umset­zen zu müssen, nach denen der eine betrof­fen ist, der andere aber nicht. Die ständig im line­aren Fern­sehen zu Wort kommen­den Restau­rantbe­sitzer mit vorbild­lichem Hygiene­konzept rühren mich nicht zu Tränen. Sie hatten Jahr­zehnte Zeit, die schwarzen Schafe aus ihren Reihen zu drängen. Wer das nicht macht oder wenn es nicht geht, dann schlägt die Evolu­tion irgen­dwann mit undif­feren­zierter Sippen­haft zu.

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