Unredlichkeit
Die berühmte exponen­tielle Entwick­lung kommt in der Natur vor allem fallend, also in der Form

y = aeλx = aex = a⋅2x/h = abx = a⋅(1−z)x   (a,λ>0)

mit der Zerfalls­konstanten λ vor. Das Parade­beispiel ist der radio­aktive Zerfall, in dem x für die Zeit steht. Jedes noch nicht zerfal­lene Teil­chen kann mit einer weiteren Lebens­zeit von τ=1/λ rechnen. Inner­halb dieser Spanne redu­ziert sich ihre Anzahl um den Faktor e auf einen Anteil von 1/e≈0,36788, also auf etwa ein Drittel. Eine Halbie­rung findet in der Halb­werts­zeit h=τ⋅ln2≈0,69⋅τ statt. Sind x und λ dimenen­sionslos, so kann man b=1/e^λ bilden. Das ist der Faktor, mit dem sich y von Schritt zu Schritt (Δx=1) ändert. Er unter­schrei­tet 1 um den rela­tiven Verlust z=1-b.

Theoretisch gibt es auch das exponen­tielle Wachstum, in der Praxis zumeist nur nähe­rungs­weise oder für eine kurze Zeit.

y = a⋅eλx = a⋅ex = a⋅2x/d = abx = a⋅(1+z)x   (a,λ>0)

Jetzt ist λ die Wachstums­konstante. An die Stelle der Halb­werts­zeit tritt die Verdop­pelungs­zeit d=ln2/λ≈0,69/λ. Für τ=1/λ fällt mir keine griffige allge­meine Bezeich­nung ein. Ist jedoch y eine mit der Zeit x wachsende Menge neu erschaf­fener Objekte, so wäre τ deren durch­schnitt­liches Alter. Es ist die Zeit­spannne, in der ein Wachstum um den Faktor e eintritt. Ist x dimen­sionslos, kann man wieder einen Faktor b=e^λ bilden, der das Wachstum inner­halb eines Schrittes beschreibt. Diesmal ist z=b−1 die zuge­hörige relative Zunahme.

Im weniger realen Leben der Schule kommt auch ein sehr lang­atmiges exponen­tielles Wachstum vor. Gerne in der Aufgabe: Hätte Jesus einen Euro zur Bank gebracht, der jähr­lich mit 3 Pro­zent verzinst worden wäre, wieviel Geld hätte er heute? Nehmen wir an, er hätte den Euro vor genau x=2000 Jahren einge­zahlt. Bei einem Zins­satz z=0,03 pro Jahr wäre er bei viertel­jährlicher Verzin­sung dank einer Verdop­pelungs­zeit von 23 Jahren heute stolzer Besitzer von (1+0,03/4)^(2000⋅4), etwa 91 Quadril­lionen Euro und könnte jeden Rettungs­schirm aufspannen.

Für die kleine Virologenschule geeignet wäre auch die folgende Aufgabe: Am 6. April waren 99.225 Personen infiziert, am 27. März 42.547 und am 28. März 48.582. Bestimmen Sie die Verdoppelungszeit d auf einen halben Tag genau unter der Annahme einer exponentiellen Entwicklung. Nehmen Sie weiterhin an, jeder am Tag t neu Infizierte würde genau am Tage t+Δt weitere R₀=1,5 Personen infizieren. Wie lang ist diese Inkuba­tions­zeit Δt? Antwort: Die Verdop­pelungs­zeit beträgt d=9,5 Tage. In Δt Tagen tritt ein Wachstum von 1,5=R₀=2^(Δt/d) ein. Daraus ergibt sich eine Inkuba­tions­zeit von Δt=5,5 Tagen.

Stimmt also, was uns heute erzählt wurde? Liegt der berühmte R₀‑Faktor tatsäch­lich wie behauptet zwischen 1,2 und 1,5? Ist die Inku­bations­zeit wegen d=9,5 wirklich nur 2,5 bis 5,5 Tage? Oder ist sie länger und der R₀‑Faktor entspre­chend höher? Werden wir am Oster­sonntag 165.000 Infi­zierte haben, die auf Oster­montag um mehr als 11.000 anwachsen? Nein! Alles Quatsch! Von Instituts­leitern nach­geplap­perte Pseudo­analyse! Doch warum stimmt das nicht, was ist falsch an der oben­stehenden Rech­nung? Ganz einfach! Es liegt keine exponen­tielle Entwick­lung vor, noch nicht einmal nähe­rungs­weise für einen angemes­senen Zeit­raum! Die Rechnung ist nicht falsch, ihre Voraus­setzungen model­lieren einfach nicht die Realität!

Wenn es keine Lügen sind, dann unermeß­liche Unfähig­keit. Anderes erwarte ich auch gar nicht von den meisten Experten, die sicher­lich gute Viro­logen, Mikro­bilogen und Medi­ziner sind, sei es für Mensch oder Tier. In ihrer Welt kommen ordent­liche Stati­stiken kaum vor, sie haben Medizin studiert, um den Menschen zu helfen und das Rechnen zu vermeiden. Gleich den Geistes­wissen­schaft­lern haben sie sich durch die Prüfungen zur Stati­stik gequält. Aber sie fertigen Studie um Studie auf Basis magerer Zahlen an. Ihre öffentlichen Äußerungen sind weit von Six-Sigma entfernt.

Ich halte es für wissenschaftlich unredlich, eine Verdop­pelungs­zeit von 9,5 Tagen zum Anlaß für die Behaup­tung zu nehmen, wir seien noch nicht über den Berg und der R₀‑Faktor nicht unter 1,2. Ganz häß­lich ist es, sich auf Sterbe­raten raus­zureden. Die werden nach Ostern fallen, wie es die Neuin­fekti­onen schon seit einer Woche tun. Gar nicht ausstehen kann ich das Gefasel von der Verdop­pelungs­zeit, die bis zu Ostern selbst dann nicht über 16 Tage steigen kann, wenn sich über­haupt keiner mehr ansteckt. Es ist unan­ständig, die Verdop­pelungs­zeit einer nicht gege­benen exponen­tiellen Entwick­lung gleich­zusetzen mit der Anzahl von Tagen in die Vergan­genheit, da nur die Hälfte infiziert war.

Was ist das Motiv, jetzt gegen Ende der Epidemie die Verdop­pelungs­zeit zu betonen? Ich unter­stelle einfach, daß die Politik aus heutiger Sicht die derzei­tigen Maßnahmen nicht vor Führers Geburtstag lockern und die Bevöl­kerung auf eine Fort­setzung einstimmen oder vorbe­reiten möchte. Da ist es natür­lich günstig einen R₀‑Faktor deutlich über 1 zu postu­lieren und Verdop­pelungs­zeiten unterhalb von zwei Wochen in den Raum zu stellen. Denn eines haben die Menschen von Leuten wie Herrn Lanz gelernt: Heute 100.000, in zwei Wochen 200.000 und in einem halben Jahr 8 Mil­lionen. Viel­leicht ist es entgegen meiner Kritik aber richtig, von einem Monster im See zu erzählen, damit die kleinen Kinder nicht ertrinken.

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Nationalstaaten
Es wurde in weiten Kreisen modern, zumindest verbal auf National­staaten einzu­schlagen, die egoi­stisch handeln, ihre Nach­barn und erst recht den Rest der Welt über den Tisch ziehen möchten und sich trotz Globa­lisie­rung gegen­über Fremden abschotten. Jetzt in der Corona-​Krise mag man jedoch erkennen, daß nur sie und ihre ebenso geschol­tenen Unter­gliede­rungen zu schnellen und verbind­lichen Maßnahmen in der Lage sind. Gewiß wäre eine einheit­liche Vorge­hens­weise aller Euro­päer oder gar der ganzen Welt von Vorteil. Doch solche Eini­gungs­prozesse kann man nicht abwarten und muß froh sein, wenn wenig­stens hinterher weit­gehend Einver­nehmen herrscht und es zu keiner erneuten Verur­teilung Israels kommt.

Daß Nationalstaaten nicht wegzureden sind, sollte so und so jedem ein­leuch­ten. Man mag nach Frank­reich oder Polen ohne breit ange­legte Kontrollen allein mit einem Personal­ausweis fahren können, doch hinter der Grenze spricht man nicht deutsch, die Verkehrs­schilder sind auch nach 1971 nicht alle gleich. In anderen Ländern gelten andere Regeln, andere Höchst­geschwin­digkeiten, Links­verkehr nicht nur für Eisen­bahnen, Fahren­heit und Yard, 110 Volt bei 60 Hertz, andere Stecker, abwei­chende Zoll­bestim­mungen, Verbot von Alkohol und Waffen in der Öffent­lichkeit, die Fenster gehen anders auf, man fällt mit der Tür ins Wohn­zimmer, auf Roll­treppen muß man nicht rechts stehen und links gehen.

Kennziffern werden gerne auf Landkarten im Rahmen der Staats-, Länder-, Bezirks- oder Orts­grenzen visua­lisiert [1], sei es durch Farben, Balken oder Eier, so altmo­disch und aussagelos wie die Corona-Daten der Johns-​Hopkins-​Elite. Warum werden die Erkrankten nicht mit ihren Koor­dinaten regi­striert, woraus sich eine Dichte ergibt, die in Karten durch Farben und Linien gleicher Infek­tions­rate (Isocoren) dargestellt wird? Dann könnte man wie beim Luft­druck die Hoch- und Tief-Corona-Gebiete sehen und würde sicher­lich im Gegen­satz zur Wetter­karte deutliche Fronten an den Länder­grenzen bemerken. Warum? Weil es die National­staaten noch gibt.

[1] Immer wieder ärgert micht die Karte der deutschen Bundes­länder, auch wenn sie nur als billiger Hinter­grund für stei­gende Zahlen in einem Pfeil von links unten nach rechts oben dient. Bayern, Baden-​Württem­berg und Nord­rhein-​West­falen sind dunkel-, die übrigen Länder hellrot. Was soll uns das sagen? Daß diese drei Länder die höch­sten Absolut­zahlen aufweisen? Informa­tiver und anstän­diger wäre es, statt Nord­rhein-​West­falen das Saar­land und Hamburg dunkelrot zu zeigen.

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Herdenimmunität
Ich kann das Wort Herden­immunität im Zusammen­hang mit Corona nicht mehr hören, denn es ist keine Krank­heit wie Masern, die über ein Jahr­tausend sich aus­breiten konnte, wodurch trotz des hohen berühmten R0-Fak­tors eine Herden­immunität auf hohem Niveau erreicht wurde. Ohne Impfung bedeu­tete dies noch in meiner Kind­heit, daß fast jeder Neuge­borene einmal an Masern erkrankte.

Mit Corona könnte es ähnlich laufen. Daß wegen des gerin­geren sog. R0-Fak­tors die Herden­immunität schon bei 50 Mil­lio­nen Deut­schen erreicht ist, nützt uns zur Zeit wenig. Glaubt man den Viro­logen und den Medien, dann haben wir nur in der Hand, diese Herden­immunität schnell oder langsam zu erreichen.

Schnell hieße viele Tote bei Schonung der Wirt­schaft. Das wollen wir nicht, weshalb durch derzeit rigo­rose, doch bald zu Gunsten der Wirt­schaft gelockerte Maß­nahmen die Infek­tions­rate auf einem Niveau gehalten werden soll, das unsere Kran­ken­häuser nicht über­lastet. Das mag erfor­der­lich werden, doch ist das ret­tende Ufer die durch Impfung, nicht Durch­seu­chung erlangte Herden­immunität.

Sollte es keine Impfung geben oder wollte man die Herden­immunität bereits früher errei­chen, dann müßten sich 50 Mil­lio­nen Deutsche infi­zieren. Sollte das inner­halb eines Jahres geschehen, wären das 140.000 In­fi­zierte und viel­leicht 10.000 Tote pro Tag, zumal die meisten schwer Erkrankten sich dann mit einem normalen Kran­ken­bett begnügen müßten.

Geringere Sterberaten von viel­leicht 3 Pro­zent sind nur möglich, wenn der Weg zur Herden­immunität auf viele Jahre gestreckt würde. Bei 10 Jah­ren wären es nur noch 14.000 In­fi­zierte und 400 Tote täglich, mehr als wir zur Zeit haben. Auch das möchte wohl keiner, selbst nicht für ein halbes Jahr bis zu den ersten Medi­kamenten und Impf­stoffen.

Streckt man deshalb auf 100 oder gar 1000 Jahre, so tritt keine Reduk­tion um den Faktor 10 bzw. 100 mehr ein. Dann wäre es wie bei den Masern: Die Menschen wachsen schneller nach als die Infek­tion sich aus­breitet und jeder Neuge­borene wird mit hoher Wahr­schein­lich­keit in den ersten Lebens­jahren an Corona erkranken. Ohne Impfung und Medi­kamente über­stiegen die Todes­fälle die Säug­lings­sterb­lich­keit deutlich.

Die Realität ist gottseidank anders. Es wird keine natür­liche Herden­immunität geben. Corona wird ausge­rottet oder auf einem geringen Niveau gehal­ten, zumin­dest in Deutsch­land. Jetzt helfen rigo­rose Maß­nahmen, danach reicht allge­meine Vorsicht, schließ­lich wird es Medi­kamente und Impfun­gen geben. Wir strecken den Verlauf nicht, wir dämpfen ihn. Er wird nicht länger, sondern kürzer und platter zugleich. Und wenn es zu einem Wieder­auf­leben kommen sollte, dann ist das allen­falls unserer Nach­lässig­keit zuzu­rechnen, mit Herden­immunität hat das nichts zu tun.

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Tote
Wenn man sich nicht umfangreich mit Politik, Gesund­heits­system, Menschen, Finanz­kraft, Wirt­schaft vieler Länder beschäf­tigt, müssen für einen Vergleich oder gar eine Analyse bezüglich der Corona-​Epidemie mehr oder minder zutref­fende Kenn­zahlen ausrei­chen. Die Morta­lität scheint mir das verläß­lichste Kriterium, die Betrof­fenheit eines Landes einzu­schätzen, obgleich es nicht egal ist, ob sie von hoher oder niedriger Leta­lität begleitet wird, ob falsch oder zu spät gehan­delt wurde und die gemel­deten Zahlen reali­stisch sind. Die nach­stehende Tabelle zeigt ausge­wählte Staaten nach aktu­eller Morta­lität geordnet.


Sterblichkeit in ausgewählten Staaten (png)

Grundlage sind die nicht immer für bare Münze zu nehmenden gemeldeten Zahlen. In der letzten Spalte steht (L-ln(M+e))/ln4 zum maxi­malen L der ersten Welle auf eine ganze Zahl Δ gerundet. [1] Eine 0 steht für Norma­lität, von Austra­lien über Deutsch­land bis zu den USA. [2] Je höher die Einstufung Δ, desto unver­hältnis­mäßiger hoch ist die Sterbe­rate. Neben unbeach­teten Staaten [3] fehlen die mit nega­tiven Werten, da dann ohne gute Gründe von zu geringen Sterbe­zahlen auszu­gehen ist. [4]

[1] Zunächst habe ich beobachtet, daß um den Höhepunkt des Ausbruches nicht nur für Deutsch­land und Öster­reich, sondern auch Meck­lenburg-​Vor­pommern und Bayern recht genau L=lnM gilt. In einem ln4 breiten Streifen von ln((M+e)/2) bis ln((M+e)⋅2) liegen nicht nur die USA mit sehr hoher Mor­tali­tät M, sondern auch Taiwan und Austra­lien am anderen Ende. Der Summand e sorgt dafür, daß keine Werte unter 0,3% auftreten.

[2] Selbst der Staat New-York überschritt den Bereich dieser Norma­lität nur minimal für eine kurze Zeit und läge voll darin, wenn die Einwoh­ner­zahl nur 250.000 höher als die von mir ange­setzten 19,45 Mil­li­onen wäre. Für die Stadt New-York sieht es natür­lich schlechter aus.

[3] Es ist wie beim Polit­barometer des ZDF, wo nur Poli­tiker aus einer von Zeit zu Zeit aktua­lisier­ten Palette bewertet werden. AfD-Po­li­tiker habe ich darin noch nicht gesehen.

[4] Dazu gehören nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Rußland und die Türkei, sondern auch Luxem­burg, Israel und vor allem das von naiven Journa­listen geprie­sene Singapur. Die 26 Toten auf 45.000 In­fi­zierte sind völlig unglaub­würdig. Das hat noch nicht einmal Herr Streeck in Gangelt geschafft.

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Ethikraten
Es wird nicht besser. Nach den Virologen und Wirt­schaft­weisen nun die Ethik­räte. Jahr­hun­derte hatten sie Zeit, ihre Dilem­mata aufzu­lösen, indem sie Ethik und Recht von der christ­lichen Gesin­nung lösen und auf Verant­wortung und Wohl­fahrt aller setzen, nicht nur auf den ein­zelnen. Ich kann das Getriefe nicht mehr hören, daß es auch in der Corona-​Krise keine mora­lisch schuld­lose Lösung gibt. Reibungs­verluste wird es immer geben, eine Entschei­dung über Leben und Tod erfolgt regel­mäßig, nicht nur in der Intensiv­medizin. Das mag bela­stend sein, aber nicht schuldvoll.

Besonders fies ist die Wendung, die derzei­tigen Einschrän­kungen zum Schutze vor Corona hätten Folgen, die gleich­falls zu Gewalt und auch Tod führen. Die Ver­treter der Wirt­schaft halten sich mit dieser Güter­abwägung noch zurück. Sie wollen ihr ange­schla­genes Image nicht weiter ris­kieren. Aber Ethiker und andere Fach­leute wie Frau Käsmann wissen, wo man den Hebel anset­zen kann. Zum Beispiel bei der häus­lichen Gewalt als Folge der Enge. Da sind sie bei Herrn Lanz richtig, der alle fünf Minuten fragt: Was macht das eigent­lich mit uns? Mit mir nichts!

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Lebenswert
In unserer vorgeblich nicht von wirtschaft­lichem, sondern christ­lichem Denken geprägten Gesell­schaft zählt ein Menschen­leben nicht eine Million Euro, sondern unend­lich viel. Daraus resul­tiert die Weige­rung, ein Leben gegen das andere abzu­wägen und sich lieber das Hirn mit Dilem­mata vollzu­scheißen. In der Realität sieht das anders aus. Die Leiden der Wirt­schaft drängen sich in den Vorder­grund.

Hätten die Amerikaner schnell gegen Corona gehandelt, könnte es in den USA bei wenigen Toten bleiben, aber ein wirt­schaft­licher Schaden von 10 „tril­lion“ Dollar entstehen. Hätte Trump weiter­hin nichts unter­nommen, gäbe es viel­leicht drei Milli­onen Tote bei verschwin­dend geringem Schaden. [1] Bei einem Wert von etwa drei Milli­onen Dollar für ein Menschen­leben sind beide Varianten gleich­wertig. Ein voll ausge­bildeter Kampf­pilot oder der Präsi­dent selbst sind mehr wert, ein normaler Soldat weniger, von einem Zivi­listen ganz zu schweigen.

Die Entscheidung wäre einfach, befänden wir uns wirklich im Krieg und fasel­ten nicht nur davon. In Friedens­zeiten aber sollte sie in unserer christ­lich durch­setzten zivili­sierten Welt eben­falls einfach sein, weil ein hoher wirt­schaft­licher Schaden schneller wegge­steckt wird als ein weiteres Jahr­hundert Bewäl­tigung der Schande. Meine Enkel sollen nicht Aufsätze über Seuchen­opfer schrei­ben müssen wie wir zur Todes­strafe. Das schon damals Haltung einfor­dernde Hohe­lied der Deutsch­lehrer von These, Anti­these und Syn­these gehört auf den Schrott­haufen der Geschichte.

[1] Wahrscheinlich suboptimal ist es, auf halbem Weg umzu­schwenken. Dann gibt es hohe Kosten bei hohen Verlu­sten und nach­gängiges Klagen über beides.

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Prognose
Auf Basis der laut Robert-Koch-​Institut nachge­wiesenen Corona-​Infi­zierten bis zum 13. März hatte ich eine Prog­nose gewagt. Sie ist im Bild als blaue Kurve darge­stellt. Die roten Punkte stehen für die leider nicht immer zuver­lässigen Zahlen der Folge­zeit bis zum 26. März. Sie sind Grund­lage der roten Prognose. Weitere Werte werden als schwarze Punkte nach­getra­gen. [1,2,3,4,5,6,7]


blaue und rote Prognose, schwarze Weiterentwicklung (png)

Aus den zum d. März vom Robert-​Koch-​Institut gemel­deten jemals Erkrank­ten p(d) ergeben sich n(d)=p(d)−p(d-1) binnen eines Tages neu Infi­zierte. Ihre Anzahlen steigern sich gegen­über dem Vortag um die Faktoren λ(d)=n(d)/n(d-1), auf deren Loga­rithmen ich bis d=13 einen line­aren Ausgleich ln(λ)≈ln(b)+d·ln(c) vorge­nommen habe. Damit ergibt sich für die Neu­infi­zierten

n(d) ≈ a · bd · cd(d+1)/2 = p/√(2πσ2) · exp ( -(d-μ)2/2 )

Um nicht allzu optimi­stisch zu sein, habe ich leicht zugunsten des Virus gerundet und a=8, b=1,6 sowie c=0,98 ange­setzt. Das ent­spricht einer blauen Normal­vertei­lung mit Maximum bei μ=23, also dem 23. März. Dort wird der Spitzen­wert n(μ)=1500 erreicht. Die erwar­tete Gesamt­zahl ist p=p()=26500 und die Streu­ung σ=7 beträgt eine Woche.

Die rote Kurve auf der Basis der Daten bis 26. März läßt eine weniger günstige Entwick­lung erwarten: Es ist a=22, b=1,42 und c=0,99. Das entspricht einer Normal­vertei­lung mit Maximum bei μ=38, also dem 7. April. Dort wird der Spitzen­wert n(μ)=9500 erreicht. Die erwar­tete Gesamt­zahl ist p=250.000 und die Streu­ung σ=10,5 beträgt andert­halb Wochen.

Gleich zu Beginn schrieb ich, daß es durchaus höhere Zahlen als progno­stiziert werden können, ich aber selbst bei zehn­facher Über­höhung nicht unzu­frieden sein werde, weil die Fernseh-​Viro­logen durch die Bank das Tausend­fache erwarten und meinen, die ergrif­fenen Maß­nah­men würden nur den Verlauf verlang­samen. Das bedeu­tete über einen Zeit­raum von zwei Jahren täglich 70.000 Neu­infi­zierte und 2000 Tote. Füllten schwer Erkrankte die Hälfte der geplanten 56.000 Intensivbetten, müßte sich jeder binnen zweier Wochen über­legen, ob er sich wieder halbwegs gesund fühlt oder sterben möchte.

Die Wahrheit aber ist: Die ergriffen Maßnahmen ver­schieben die Bela­stung nicht nach hinten, sondern mildern sie einfach ab, wahr­schein­lich um einen Fak­tor 300 oder höher. Die Epi­demie wird in Deutsch­land ähnlich ver­laufen wie in China, Korea oder Singapur. Im Prinzip wird meine Prognose ein­treten. Trotzdem suche ich nach einer Erklä­rung, warum die als rote Punkte darge­stellten Zahlen des Robert-​Koch-​Insti­tutes von der blauen Prognose­linie deutlich nach oben abwei­chen.

So könnte ich anführen, die der Prognose zugrunde­liegenden Daten bis zum 13. März lägen in einer längst vergan­genen Zeit, da man in jedem einzelnen Falle der Infektions­kette nach vorne und hinten hat folgen können. Bevor diese Maß­nah­men durch Kontakt­einschrän­kungen für alle ersetzt wurden, gab es noch eine Woche Gele­genheit, sich ordent­lich anzu­stecken. Hinzu kamen zurück­kehrende Urlauber, die Corona an vielen neuen Orten aufkeimen ließen. Ist die Epi­demie vorbei, werden all diese Versäum­nisse und Zöger­lich­keiten disku­tiert.

Ich glaube, die Abweichung der Realität von meiner Prognose erklärt sich teil­weise auch wie folgt: Wenn sich im Laufe der Zeit die Testungen verzehn­facht hätten, könnte jetzt ein dreimal höherer Anteil der wirklich Erkrankten auf­fliegen als zu Beginn. [8] Ich hätte deshalb statt der Kon­stan­ten a=8 besser eine stei­gende Funk­tion a(d) ansetzen sollen, die heute bei a(27)=a·3=24 liegen könnte. Das aber erklärt nicht alles. Vielmehr ist der Faktor c=0,98 für die abfal­lenden Flanke zu optimi­stisch. Heute erscheint mir c=0,99 reali­stischer, war aber in den wenigen Daten bis zu 13. März nicht zu erkennen. [9]

[1] Die Anzahl 6294 von gestrigen 28. März mag manchem im Ver­gleich zur letzten Woche und ange­sichts der Ausgeh­beschrän­kungen hoch erscheinen, liegt aber genau auf der roten Prog­nose­linie.

[2] In den Zahlen des Robert-Koch-​Institutes von heute, den 29. März um 0 Uhr, besser gestern 24 Uhr fehlen etwa 2000 aus Baden-​Württem­berg und 500 aus dem Rest der Repu­blik, weshalb die gemelde­ten 3965 eher 6500 sind. Am Dienstag sollten die Lücken wieder gefüllt sein. Dann aktua­lisiere ich mein Diagramm.

[3] Heute ist Dienstag, der 31. März und die Melde­mängel des Wochen­endes sollten ausge­glichen sein, auch wenn man den Eindruck haben kann, einige Anzahlen seien dauer­haft unter den Teppich gekehrt. Die vier neuen schwarz darge­stellten Werte liegen alle­samt unter dem Maximum und sinken deutlich, vor allem dann, wenn ich einige von gestern und viele von vor­gestern denen vom Samstag zuschlage. Wenn kein grober Erfas­sungs­fehler vorliegt, ist es völlig unwahr­schein­lich, daß erneut mehr als 6000 Neu­infizierte an einem Tag hinzu­kommen.

[4] Die neuesten schwarz dargestellten Zuwächse bis zum 1. April sind etwas unge­ordnet und lassen Zweifel an der Gewis­senhaf­tigkeit ihrer Erfas­sung aufkommen. Es sieht aber so aus, als sei der Höhe­punkt erreicht. Auf die Steige­rungen der letzten Tage gebe ich nicht viel, denn im Prinzip ist dieser Verlauf Woche für Woche zu sehen. Morgen gibt es die Zahlen für Don­ners­tag, die noch nie unter dem Mittel­wert lagen.

[5] Im Laufe der ersten April-​Woche wurden immer weniger durch immer mehr infi­ziert. Wer jetzt noch von einer Repro­duktions­zahl 1,2 bis 1,5 faselt, ist völlig unfähig oder lügt, hoffent­lich im Inter­esse einer poli­tisch korrekten Panik­mache.

[6] Am heutigen 9. April heißt es, man könne von einer Entspan­nung nicht wirk­lich aus­gehen. Gestern fehlte noch das Wort „wirklich“, obgleich die Zahlen wieder gestiegen sind. Wir seien noch nicht über den Berg. Ich meine schon, auch wenn sich eine Hoch­ebene anschließt und der Blick auf den Ozean noch durch eine weitere Berg­kette versperrt werden sollte. Morgen gibt es die Zahlen für Don­nerstag. Die sind im allge­meinen die höchsten.

[7] Die schwarze Linie ist keine Prognose, sondern eine den realen Werten (blaue, rote und schwarze Punkte bis zum 19. April) ange­paßte Normal­vertei­lung. Sie sieht nicht optimal aus, doch ist zu bedenken, daß diese Kurve nicht nur Ende April, sondern auch im Februar und Anfang März einiger­maßen treffen muß. Außerdem ist schon seit einigen Tagen die Zeit des Ratten­schwanzes gekommen, der den Verlauf unsymme­trisch macht, womit eine Normal­verteilung als globale Aus­gleichs­kurve nicht mehr gut ist.

[8] Dreimal soviele Erkrankte mit drei­facher Chance auf einen Test ergäben die neun­fache Anzahl erkannter Erkran­kungen. Bei zehnmal sovielen Testungen bliebe also die Erken­nungs­rate fast unver­ändert. Das ist wohl mit knapp 10 Pro­zent auch der Fall. Wer mit den Fak­to­ren 2, 2 und 4 statt 3, 3 und 10 der Rea­lität näher kommen mag, gelangt zu einem ähnli­chen Ergebnis.

[9] Ich wollte meine blaue Fehlprognose nicht auf andere schieben, sonst hätte ich gleich meine Vermu­tung geäu­ßert, die nun Ende April wohl Gewiß­heit ist: Schon bald gelang es nicht mehr, jeden Einzel­fall zu verfolgen, späte­stens mit der Rück­kehr infi­zierter Urlauber aus den Seuchen­gebieten.

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Virologenschnack
Als Nikolaus Blome seinem Gesprächs­partner Jakob Augstein frug, wie flat er denn die curve machen wolle, erhielt er als Antwort: Jetzt fangen Sie auch noch mit diesem Virologen­schnack an. Vielleicht sind es nicht die Viro­logen selbst, sondern ihre Nach­plapperer, die sich mit amerika­nischen Floskeln schmücken: Lockdown, Contain­ment-​Strategie, social distan­cing, ongoing process.

Mein Lieblingswort aber ist exponentiell: Heute ein Toter, morgen zwei, über­morgen vier, in einer Woche 128 und in einem Monat zwei Gigatote. Als Virologe sollte man spätestens nach den Erfolgen von Rotchina, Taiwan, Singapur und Korea wissen, daß es mit Vernunft und Diszi­plin zu nicht mehr als einem Prozent Erkrankter kommt. Ich verstehe das Gefasel von 60 Pro­zent nicht.

Natürlich ist es richtig, durch rigorose Maßnahmen die Ausbrei­tung des Virus zu unter­binden. Was aber soll die zeit­gleiche Behaup­tung, dadurch würde die Zahl der Infek­tionen nicht gemindert, sondern nur zur Entla­stung der Kranken­häuser gestreckt? Wir müßten uns also mehrere Monate stark und über ein Jahr weit­gehend ein­schränken. Außerdem würde die Krank­heit nie ausge­rottet, sondern immer wieder aufleben.

So ein Schwachsinn. Selbst wenn nach Über­windung des jetzigen Ausbru­ches ein Boden­satz von täglich 100 Neuerkrankungen bliebe, von denen 20 entdeckt würden und einer stürbe, läge die Wahr­schein­lichkeit, im Laufe eines langen Lebens von Corona dahin­gerafft zu werden, bei etwa 0,01 Pro­zent. Solange wir uns stärker vermehren als das Virus uns dezi­miert, werden die 60 Prozent Herden­immunität nie erreicht. Das schaffen noch nicht einmal die Verkehrs­toten.

Es ist auch schwachsinnig zu glauben, das Virus könne nie ganz ausge­rottet werden. Das mag sein, wenn man alle ähnli­chen Viren mitzählt, die immer wieder durch sorg­losen Umgang mit Tieren auf den Menschen über­gehen. Dieses eine Virus SARS-CoV-2 [1] kann jedoch unter den Menschen voll­ständig ausge­rottet werden. Ich bin noch gegen Pocken zwangs­geimpft, seit 1972 gab es in Deutschland keinen einzigen Fall mehr, und das letzte Pocken­virus auf der Welt wurde 1977 beerdigt.

Kurz: Ich kann die Virologen kaum noch hören, manche mehr, manche weniger. Ihnen bekannte Program­mierer mögen die im Fern­sehen nett und wuselig ausse­henden Simula­tionen verstehen. Doch kein Viro­loge wird beschwören können, daß sie geeignet gestaltet und parame­trisiert sind, um die Verbrei­tung von Corona ange­messen zu model­lieren. Sie erinnern mich an Visua­lisie­rungen normaler Diffu­sion oder an einfache Simula­tionen von Waldbränden.

[1] Ich hatte zunächst COVID-19 geschrieben, aber auf SARS-CoV‑2 korrigiert, nachdem die Zahl der Hobby­viro­logen und Lungen­fach­ärzte stark ange­zogen hat. Im Gegen­zuge warte ich auf eine Gelegen­heit, jeden für dumm zu erklären, der den Unter­schied zwischen Meteo­roid, Meteor und Meteorit nicht beachtet.

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