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Notbremse
wuerg, 19.03.2021 15:15
Wer kennt sie nicht, die Notbremsen im Zug. Zieht man sie, führt das wenigstens zu einer Diskussion zwischen Zug- und Lokführer, ob man erst aus dem Tunnel rausfährt. Der Zug hält aber in absehbarer Zeit, wenn nicht sofort eine Fehlbetätigung festgestellt wird. Auf keinen Fall wird nur der auslösende Wagen abgekuppelt oder gar die verursachende Person auf offener Strecke ausgesetzt.
Mit den Corona-Notbremsen sollte es ähnlich sein. Eigentlich hoffte man, sie nie betätigen zu müssen. Vorsichtshalber hatte man auch nie geplant, den gesamten Zug zu stoppen, sondern übertrug die Verantwortung den 16 Schaffnern, die anders als in einem wirklichen Zug ihren Wagen weitgehend unabhängig abbremsen könnten, wenn ein Drehgestell zunehmend unangenehme Geräusche macht. Es war aber vorherzusehen, und tatsächlich beließen sie es dabei, den Fahrgästen freizustellen, ob sie die Gefahr aussitzen, im Gang stehen oder lieber aus dem Fenster springen möchten.
Heute hat der deutsche Nationalzug die Höchstgeschwindigkeit von 100 Meilen pro Stunde überschritten. [1] Die lautesten Laufgeräusche machen die Kurswagen aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt aus alter DDR-Produktion, die wohl auch an die Nachbarländer Hessen, Bayern und Niedersachsen bis nach Hamburg verkauft wurden. Immerhin hat man alle Fahrgäste gebeten, Plätze oberhalb der Drehgestelle zu meiden, denn sie sind die Hotspots, aus denen wie seinerzeit in Eschede jederzeit stählerne Radreifen durch Sitze schießen könnten. [2]
Nun aber im Ernst: Die Entwicklung der Corona-Epidemie ist in Deutschland seit geraumer Zeit sehr beständig und vorhersehbar. Man hätte also schon vor Tagen die Hand an die Notbremse legen sollen, um sie heute um 0 Uhr mit sofortiger Wirkung für das gesamte Land zu ziehen, hat es aber vorausschauend den Landesfürsten überlassen, die sofort die Verantwortung auf ihre Landkreise runterbrachen, in denen man immer noch dem alten Aberglauben anhängt, man sei schuldlos von tragischen Einzelfällen betroffen, die durch „Containment“ und Achtsamkeit in den Griff zu bekommen seien.
Aber warum schimpfe ich auf Politiker und beklage ihr durchsichtiges Verhalten? So schlecht sind sie nicht. Natürlich wollen sie wiedergewählt werden. Natürlich müssen sie auf die sog. Wirtschaft Rücksicht nehmen. Wenn sie wollten, können sie frei, überlegen, auch mit drakonischen Maßnahmen reagieren. Nur wollen es die Menschen nicht und würden es vor der nächsten Urne stehend auch nicht honorieren. Eher lassen sie sich in eine eigene einfüllen. Die Menschen sind wie sie sind: Sie leisten sich Ethikräte und finden sich mit einer Infektionsrate von einem Promille pro Woche problemlos ab, vor allem Impfgegner, die mit hoher Sicherheit im Laufe ihres Lebens infiziert werden. [3]
Soeben spricht Angela Merkel in einer Sondersendung. Sie will die neue Notbremse in Bund und Ländern ziehen, wenn die Siebentageinzidenz drei Tage über 100 liegt. Auch sie glaubt dem RKI, es sei heute noch nicht der Fall. Und ich frage mich, was denn die Notbremse in Bayern, Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und vor allem Thüringen (heute 195, vor einer Woche 156 bei R=1,16) in den letzten Wochen bewirkt hat.
Zudem versprach die Kanzlerin, deutsche Gründlichkeit durch deutsche Flexibilität zu ergänzen. Doch nur wenige Minuten später, und schon werden in der nachfolgenden Berichterstattung alle Detailfürze problematisiert. Warum darf eigentlich überhaupt geimpft werden, obwohl die Bevölkerung die Impfgerechtigkeit noch nicht voll ausdiskutiert hat?
Eben höre ich, in Hamburg sei die Notbremse gezogen worden, wenn eine teilweise Rückkehr zu den laschen Maßnahmen vom Jahresbeginn so genannt werden darf. Und Herr Ramelow erzählt nun viel über intergalaktische Probleme und Impfstoff-Mengen. Statt zuzugeben, daß seine renitente Bevölkerung fortsetzt, was in Sachsen begann, faselt er von Tschechien und Mutationen. Na und: Sie mögen von dort gekommen sein, verbreitet haben sie aber die Zonis selbst.
Nun sind drei Wochen vergangen, und Angela Merkel scheint in Erwägung zu ziehen, was ich schon lange erwartet hätte, nämlich ein Gesetz, das bei Überschreitung definierter Werte verbindlich zu ergreifende Maßnahmen festlegt. Das zügig auch durch den Bundesrat zu bringen, muß sie kurz vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft kein Mittel scheuen. Es geht nicht mehr darum, renitenten Minderheiten und dem Zeitgeist zu gefallen, sondern um eine Würdigung in den Geschichtsbüchern. Mit Glück bringt es die Union auch aus ihrem Umfragetief. [4]
[1] Heute 2.629.750, letzte Woche 2.545.781. Bei einer Differenz von 83.969 muß ich nicht lange rechnen: Das sind ein Promille der Gesamtbevölkerung. Und seit fast einem Jahr kann man wissen: Ein Promille sind 100 pcm, also 100 auf 100.000. Die 96 des RKI beruhen nicht auf einer alle Illegalen und Besucher berücksichtigenden Personenzahl auf deutschem Boden. Vielmehr liegen ihnen verpfuschte 79.476 Infizierte zugrunde.
[2] Auch damals ließ man den Zug mit Abweichungen bis zum Doppelten der Grenzwerte auf die Strecke. Wem will man das vorwerfen? Nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse warten wir gerne auf singuläre medial aufbereitete Katastrophen.
[3] Vielleicht auf Corona-Partys, wo man seine Kinder infiziert, solange sie noch eine sehr hohe Überlebenschance haben. Schließlich habe ich auch Masern und Windpocken überstanden.
[4] Hat nicht geklappt.
100 | Disziplinlosigkeit | Virologenschnack | Prognose | Lebenswert | Ethikraten | Herdenimmunität | Unredlichkeit | Tote | Nationalstaaten | Erste Welle | Rattenschwanz | Förderalismus | Unterleben | Reproduktion | Siebentage‑R | Zweite Welle
Mit den Corona-Notbremsen sollte es ähnlich sein. Eigentlich hoffte man, sie nie betätigen zu müssen. Vorsichtshalber hatte man auch nie geplant, den gesamten Zug zu stoppen, sondern übertrug die Verantwortung den 16 Schaffnern, die anders als in einem wirklichen Zug ihren Wagen weitgehend unabhängig abbremsen könnten, wenn ein Drehgestell zunehmend unangenehme Geräusche macht. Es war aber vorherzusehen, und tatsächlich beließen sie es dabei, den Fahrgästen freizustellen, ob sie die Gefahr aussitzen, im Gang stehen oder lieber aus dem Fenster springen möchten.
Heute hat der deutsche Nationalzug die Höchstgeschwindigkeit von 100 Meilen pro Stunde überschritten. [1] Die lautesten Laufgeräusche machen die Kurswagen aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt aus alter DDR-Produktion, die wohl auch an die Nachbarländer Hessen, Bayern und Niedersachsen bis nach Hamburg verkauft wurden. Immerhin hat man alle Fahrgäste gebeten, Plätze oberhalb der Drehgestelle zu meiden, denn sie sind die Hotspots, aus denen wie seinerzeit in Eschede jederzeit stählerne Radreifen durch Sitze schießen könnten. [2]
Nun aber im Ernst: Die Entwicklung der Corona-Epidemie ist in Deutschland seit geraumer Zeit sehr beständig und vorhersehbar. Man hätte also schon vor Tagen die Hand an die Notbremse legen sollen, um sie heute um 0 Uhr mit sofortiger Wirkung für das gesamte Land zu ziehen, hat es aber vorausschauend den Landesfürsten überlassen, die sofort die Verantwortung auf ihre Landkreise runterbrachen, in denen man immer noch dem alten Aberglauben anhängt, man sei schuldlos von tragischen Einzelfällen betroffen, die durch „Containment“ und Achtsamkeit in den Griff zu bekommen seien.
Aber warum schimpfe ich auf Politiker und beklage ihr durchsichtiges Verhalten? So schlecht sind sie nicht. Natürlich wollen sie wiedergewählt werden. Natürlich müssen sie auf die sog. Wirtschaft Rücksicht nehmen. Wenn sie wollten, können sie frei, überlegen, auch mit drakonischen Maßnahmen reagieren. Nur wollen es die Menschen nicht und würden es vor der nächsten Urne stehend auch nicht honorieren. Eher lassen sie sich in eine eigene einfüllen. Die Menschen sind wie sie sind: Sie leisten sich Ethikräte und finden sich mit einer Infektionsrate von einem Promille pro Woche problemlos ab, vor allem Impfgegner, die mit hoher Sicherheit im Laufe ihres Lebens infiziert werden. [3]
Soeben spricht Angela Merkel in einer Sondersendung. Sie will die neue Notbremse in Bund und Ländern ziehen, wenn die Siebentageinzidenz drei Tage über 100 liegt. Auch sie glaubt dem RKI, es sei heute noch nicht der Fall. Und ich frage mich, was denn die Notbremse in Bayern, Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und vor allem Thüringen (heute 195, vor einer Woche 156 bei R=1,16) in den letzten Wochen bewirkt hat.
Zudem versprach die Kanzlerin, deutsche Gründlichkeit durch deutsche Flexibilität zu ergänzen. Doch nur wenige Minuten später, und schon werden in der nachfolgenden Berichterstattung alle Detailfürze problematisiert. Warum darf eigentlich überhaupt geimpft werden, obwohl die Bevölkerung die Impfgerechtigkeit noch nicht voll ausdiskutiert hat?
Eben höre ich, in Hamburg sei die Notbremse gezogen worden, wenn eine teilweise Rückkehr zu den laschen Maßnahmen vom Jahresbeginn so genannt werden darf. Und Herr Ramelow erzählt nun viel über intergalaktische Probleme und Impfstoff-Mengen. Statt zuzugeben, daß seine renitente Bevölkerung fortsetzt, was in Sachsen begann, faselt er von Tschechien und Mutationen. Na und: Sie mögen von dort gekommen sein, verbreitet haben sie aber die Zonis selbst.
Nun sind drei Wochen vergangen, und Angela Merkel scheint in Erwägung zu ziehen, was ich schon lange erwartet hätte, nämlich ein Gesetz, das bei Überschreitung definierter Werte verbindlich zu ergreifende Maßnahmen festlegt. Das zügig auch durch den Bundesrat zu bringen, muß sie kurz vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft kein Mittel scheuen. Es geht nicht mehr darum, renitenten Minderheiten und dem Zeitgeist zu gefallen, sondern um eine Würdigung in den Geschichtsbüchern. Mit Glück bringt es die Union auch aus ihrem Umfragetief. [4]
[1] Heute 2.629.750, letzte Woche 2.545.781. Bei einer Differenz von 83.969 muß ich nicht lange rechnen: Das sind ein Promille der Gesamtbevölkerung. Und seit fast einem Jahr kann man wissen: Ein Promille sind 100 pcm, also 100 auf 100.000. Die 96 des RKI beruhen nicht auf einer alle Illegalen und Besucher berücksichtigenden Personenzahl auf deutschem Boden. Vielmehr liegen ihnen verpfuschte 79.476 Infizierte zugrunde.
[2] Auch damals ließ man den Zug mit Abweichungen bis zum Doppelten der Grenzwerte auf die Strecke. Wem will man das vorwerfen? Nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse warten wir gerne auf singuläre medial aufbereitete Katastrophen.
[3] Vielleicht auf Corona-Partys, wo man seine Kinder infiziert, solange sie noch eine sehr hohe Überlebenschance haben. Schließlich habe ich auch Masern und Windpocken überstanden.
[4] Hat nicht geklappt.
100 | Disziplinlosigkeit | Virologenschnack | Prognose | Lebenswert | Ethikraten | Herdenimmunität | Unredlichkeit | Tote | Nationalstaaten | Erste Welle | Rattenschwanz | Förderalismus | Unterleben | Reproduktion | Siebentage‑R | Zweite Welle
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