Prognose
Auf Basis der laut Robert-Koch-​Institut nachge­wiesenen Corona-​Infi­zierten bis zum 13. März hatte ich eine Prog­nose gewagt. Sie ist im Bild als blaue Kurve darge­stellt. Die roten Punkte stehen für die leider nicht immer zuver­lässigen Zahlen der Folge­zeit bis zum 26. März. Sie sind Grund­lage der roten Prognose. Weitere Werte werden als schwarze Punkte nach­getra­gen. [1,2,3,4,5,6,7]


blaue und rote Prognose, schwarze Weiterentwicklung (png)

Aus den zum d. März vom Robert-​Koch-​Institut gemel­deten jemals Erkrank­ten p(d) ergeben sich n(d)=p(d)−p(d-1) binnen eines Tages neu Infi­zierte. Ihre Anzahlen steigern sich gegen­über dem Vortag um die Faktoren λ(d)=n(d)/n(d-1), auf deren Loga­rithmen ich bis d=13 einen line­aren Ausgleich ln(λ)≈ln(b)+d·ln(c) vorge­nommen habe. Damit ergibt sich für die Neu­infi­zierten

n(d) ≈ a · bd · cd(d+1)/2 = p/√(2πσ2) · exp ( -(d-μ)2/2 )

Um nicht allzu optimi­stisch zu sein, habe ich leicht zugunsten des Virus gerundet und a=8, b=1,6 sowie c=0,98 ange­setzt. Das ent­spricht einer blauen Normal­vertei­lung mit Maximum bei μ=23, also dem 23. März. Dort wird der Spitzen­wert n(μ)=1500 erreicht. Die erwar­tete Gesamt­zahl ist p=p()=26500 und die Streu­ung σ=7 beträgt eine Woche.

Die rote Kurve auf der Basis der Daten bis 26. März läßt eine weniger günstige Entwick­lung erwarten: Es ist a=22, b=1,42 und c=0,99. Das entspricht einer Normal­vertei­lung mit Maximum bei μ=38, also dem 7. April. Dort wird der Spitzen­wert n(μ)=9500 erreicht. Die erwar­tete Gesamt­zahl ist p=250.000 und die Streu­ung σ=10,5 beträgt andert­halb Wochen.

Gleich zu Beginn schrieb ich, daß es durchaus höhere Zahlen als progno­stiziert werden können, ich aber selbst bei zehn­facher Über­höhung nicht unzu­frieden sein werde, weil die Fernseh-​Viro­logen durch die Bank das Tausend­fache erwarten und meinen, die ergrif­fenen Maß­nah­men würden nur den Verlauf verlang­samen. Das bedeu­tete über einen Zeit­raum von zwei Jahren täglich 70.000 Neu­infi­zierte und 2000 Tote. Füllten schwer Erkrankte die Hälfte der geplanten 56.000 Intensivbetten, müßte sich jeder binnen zweier Wochen über­legen, ob er sich wieder halbwegs gesund fühlt oder sterben möchte.

Die Wahrheit aber ist: Die ergriffen Maßnahmen ver­schieben die Bela­stung nicht nach hinten, sondern mildern sie einfach ab, wahr­schein­lich um einen Fak­tor 300 oder höher. Die Epi­demie wird in Deutsch­land ähnlich ver­laufen wie in China, Korea oder Singapur. Im Prinzip wird meine Prognose ein­treten. Trotzdem suche ich nach einer Erklä­rung, warum die als rote Punkte darge­stellten Zahlen des Robert-​Koch-​Insti­tutes von der blauen Prognose­linie deutlich nach oben abwei­chen.

So könnte ich anführen, die der Prognose zugrunde­liegenden Daten bis zum 13. März lägen in einer längst vergan­genen Zeit, da man in jedem einzelnen Falle der Infektions­kette nach vorne und hinten hat folgen können. Bevor diese Maß­nah­men durch Kontakt­einschrän­kungen für alle ersetzt wurden, gab es noch eine Woche Gele­genheit, sich ordent­lich anzu­stecken. Hinzu kamen zurück­kehrende Urlauber, die Corona an vielen neuen Orten aufkeimen ließen. Ist die Epi­demie vorbei, werden all diese Versäum­nisse und Zöger­lich­keiten disku­tiert.

Ich glaube, die Abweichung der Realität von meiner Prognose erklärt sich teil­weise auch wie folgt: Wenn sich im Laufe der Zeit die Testungen verzehn­facht hätten, könnte jetzt ein dreimal höherer Anteil der wirklich Erkrankten auf­fliegen als zu Beginn. [8] Ich hätte deshalb statt der Kon­stan­ten a=8 besser eine stei­gende Funk­tion a(d) ansetzen sollen, die heute bei a(27)=a·3=24 liegen könnte. Das aber erklärt nicht alles. Vielmehr ist der Faktor c=0,98 für die abfal­lenden Flanke zu optimi­stisch. Heute erscheint mir c=0,99 reali­stischer, war aber in den wenigen Daten bis zu 13. März nicht zu erkennen. [9]

[1] Die Anzahl 6294 von gestrigen 28. März mag manchem im Ver­gleich zur letzten Woche und ange­sichts der Ausgeh­beschrän­kungen hoch erscheinen, liegt aber genau auf der roten Prog­nose­linie.

[2] In den Zahlen des Robert-Koch-​Institutes von heute, den 29. März um 0 Uhr, besser gestern 24 Uhr fehlen etwa 2000 aus Baden-​Württem­berg und 500 aus dem Rest der Repu­blik, weshalb die gemelde­ten 3965 eher 6500 sind. Am Dienstag sollten die Lücken wieder gefüllt sein. Dann aktua­lisiere ich mein Diagramm.

[3] Heute ist Dienstag, der 31. März und die Melde­mängel des Wochen­endes sollten ausge­glichen sein, auch wenn man den Eindruck haben kann, einige Anzahlen seien dauer­haft unter den Teppich gekehrt. Die vier neuen schwarz darge­stellten Werte liegen alle­samt unter dem Maximum und sinken deutlich, vor allem dann, wenn ich einige von gestern und viele von vor­gestern denen vom Samstag zuschlage. Wenn kein grober Erfas­sungs­fehler vorliegt, ist es völlig unwahr­schein­lich, daß erneut mehr als 6000 Neu­infizierte an einem Tag hinzu­kommen.

[4] Die neuesten schwarz dargestellten Zuwächse bis zum 1. April sind etwas unge­ordnet und lassen Zweifel an der Gewis­senhaf­tigkeit ihrer Erfas­sung aufkommen. Es sieht aber so aus, als sei der Höhe­punkt erreicht. Auf die Steige­rungen der letzten Tage gebe ich nicht viel, denn im Prinzip ist dieser Verlauf Woche für Woche zu sehen. Morgen gibt es die Zahlen für Don­ners­tag, die noch nie unter dem Mittel­wert lagen.

[5] Im Laufe der ersten April-​Woche wurden immer weniger durch immer mehr infi­ziert. Wer jetzt noch von einer Repro­duktions­zahl 1,2 bis 1,5 faselt, ist völlig unfähig oder lügt, hoffent­lich im Inter­esse einer poli­tisch korrekten Panik­mache.

[6] Am heutigen 9. April heißt es, man könne von einer Entspan­nung nicht wirk­lich aus­gehen. Gestern fehlte noch das Wort „wirklich“, obgleich die Zahlen wieder gestiegen sind. Wir seien noch nicht über den Berg. Ich meine schon, auch wenn sich eine Hoch­ebene anschließt und der Blick auf den Ozean noch durch eine weitere Berg­kette versperrt werden sollte. Morgen gibt es die Zahlen für Don­nerstag. Die sind im allge­meinen die höchsten.

[7] Die schwarze Linie ist keine Prognose, sondern eine den realen Werten (blaue, rote und schwarze Punkte bis zum 19. April) ange­paßte Normal­vertei­lung. Sie sieht nicht optimal aus, doch ist zu bedenken, daß diese Kurve nicht nur Ende April, sondern auch im Februar und Anfang März einiger­maßen treffen muß. Außerdem ist schon seit einigen Tagen die Zeit des Ratten­schwanzes gekommen, der den Verlauf unsymme­trisch macht, womit eine Normal­verteilung als globale Aus­gleichs­kurve nicht mehr gut ist.

[8] Dreimal soviele Erkrankte mit drei­facher Chance auf einen Test ergäben die neun­fache Anzahl erkannter Erkran­kungen. Bei zehnmal sovielen Testungen bliebe also die Erken­nungs­rate fast unver­ändert. Das ist wohl mit knapp 10 Pro­zent auch der Fall. Wer mit den Fak­to­ren 2, 2 und 4 statt 3, 3 und 10 der Rea­lität näher kommen mag, gelangt zu einem ähnli­chen Ergebnis.

[9] Ich wollte meine blaue Fehlprognose nicht auf andere schieben, sonst hätte ich gleich meine Vermu­tung geäu­ßert, die nun Ende April wohl Gewiß­heit ist: Schon bald gelang es nicht mehr, jeden Einzel­fall zu verfolgen, späte­stens mit der Rück­kehr infi­zierter Urlauber aus den Seuchen­gebieten.

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