Nationalstaaten
Es wurde in weiten Kreisen modern, zumindest verbal auf National­staaten einzu­schlagen, die egoi­stisch handeln, ihre Nach­barn und erst recht den Rest der Welt über den Tisch ziehen möchten und sich trotz Globa­lisie­rung gegen­über Fremden abschotten. Jetzt in der Corona-​Krise mag man jedoch erkennen, daß nur sie und ihre ebenso geschol­tenen Unter­gliede­rungen zu schnellen und verbind­lichen Maßnahmen in der Lage sind. Gewiß wäre eine einheit­liche Vorge­hens­weise aller Euro­päer oder gar der ganzen Welt von Vorteil. Doch solche Eini­gungs­prozesse kann man nicht abwarten und muß froh sein, wenn wenig­stens hinterher weit­gehend Einver­nehmen herrscht und es zu keiner erneuten Verur­teilung Israels kommt.

Daß Nationalstaaten nicht wegzureden sind, sollte so und so jedem ein­leuch­ten. Man mag nach Frank­reich oder Polen ohne breit ange­legte Kontrollen allein mit einem Personal­ausweis fahren können, doch hinter der Grenze spricht man nicht deutsch, die Verkehrs­schilder sind auch nach 1971 nicht alle gleich. In anderen Ländern gelten andere Regeln, andere Höchst­geschwin­digkeiten, Links­verkehr nicht nur für Eisen­bahnen, Fahren­heit und Yard, 110 Volt bei 60 Hertz, andere Stecker, abwei­chende Zoll­bestim­mungen, Verbot von Alkohol und Waffen in der Öffent­lichkeit, die Fenster gehen anders auf, man fällt mit der Tür ins Wohn­zimmer, auf Roll­treppen muß man nicht rechts stehen und links gehen.

Kennziffern werden gerne auf Landkarten im Rahmen der Staats-, Länder-, Bezirks- oder Orts­grenzen visua­lisiert [1], sei es durch Farben, Balken oder Eier, so altmo­disch und aussagelos wie die Corona-Daten der Johns-​Hopkins-​Elite. Warum werden die Erkrankten nicht mit ihren Koor­dinaten regi­striert, woraus sich eine Dichte ergibt, die in Karten durch Farben und Linien gleicher Infek­tions­rate (Isocoren) dargestellt wird? Dann könnte man wie beim Luft­druck die Hoch- und Tief-Corona-Gebiete sehen und würde sicher­lich im Gegen­satz zur Wetter­karte deutliche Fronten an den Länder­grenzen bemerken. Warum? Weil es die National­staaten noch gibt.

[1] Immer wieder ärgert micht die Karte der deutschen Bundes­länder, auch wenn sie nur als billiger Hinter­grund für stei­gende Zahlen in einem Pfeil von links unten nach rechts oben dient. Bayern, Baden-​Württem­berg und Nord­rhein-​West­falen sind dunkel-, die übrigen Länder hellrot. Was soll uns das sagen? Daß diese drei Länder die höch­sten Absolut­zahlen aufweisen? Informa­tiver und anstän­diger wäre es, statt Nord­rhein-​West­falen das Saar­land und Hamburg dunkelrot zu zeigen.

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