Notbremse
Wer kennt sie nicht, die Not­bremsen im Zug. Zieht man sie, führt das wenig­stens zu einer Diskus­sion zwischen Zug- und Lok­führer, ob man erst aus dem Tunnel raus­fährt. Der Zug hält aber in abseh­barer Zeit, wenn nicht sofort eine Fehl­betäti­gung fest­gestellt wird. Auf keinen Fall wird nur der auslö­sende Wagen abge­kuppelt oder gar die verur­sachende Person auf offener Strecke ausge­setzt.

Mit den Corona-Notbremsen sollte es ähnlich sein. Eigent­lich hoffte man, sie nie betä­tigen zu müssen. Vorsichts­halber hatte man auch nie geplant, den gesamten Zug zu stoppen, sondern über­trug die Verant­wor­tung den 16 Schaff­nern, die anders als in einem wirk­lichen Zug ihren Wagen weit­gehend unab­hängig abbremsen könnten, wenn ein Dreh­gestell zuneh­mend unan­genehme Geräusche macht. Es war aber vorher­zusehen, und tatsäch­lich beließen sie es dabei, den Fahr­gästen freizu­stellen, ob sie die Gefahr aussitzen, im Gang stehen oder lieber aus dem Fenster springen möchten.

Heute hat der deutsche Natio­nalzug die Höchst­geschwin­digkeit von 100 Mei­len pro Stunde über­schrit­ten. [1] Die laute­sten Laufge­räusche machen die Kurs­wagen aus Thürin­gen, Sachsen und Sachsen-​Anhalt aus alter DDR-​Produktion, die wohl auch an die Nachbar­länder Hessen, Bayern und Niedersachsen bis nach Hamburg verkauft wurden. Immerhin hat man alle Fahrgäste gebeten, Plätze oberhalb der Dreh­gestelle zu meiden, denn sie sind die Hotspots, aus denen wie seiner­zeit in Eschede jeder­zeit stäh­lerne Rad­reifen durch Sitze schießen könnten. [2]

Nun aber im Ernst: Die Entwick­lung der Corona-​Epidemie ist in Deutsch­land seit geraumer Zeit sehr bestän­dig und vorher­sehbar. Man hätte also schon vor Tagen die Hand an die Not­bremse legen sollen, um sie heute um 0 Uhr mit sofor­tiger Wirkung für das gesamte Land zu ziehen, hat es aber voraus­schauend den Landes­fürsten überlassen, die sofort die Verant­wortung auf ihre Land­kreise runter­brachen, in denen man immer noch dem alten Aber­glauben anhängt, man sei schuldlos von tragi­schen Einzel­fällen betrof­fen, die durch „Contain­ment“ und Achtsam­keit in den Griff zu bekommen seien.

Aber warum schimpfe ich auf Politiker und beklage ihr durch­sich­tiges Ver­halten? So schlecht sind sie nicht. Natür­lich wollen sie wieder­gewählt werden. Natürlich müssen sie auf die sog. Wirt­schaft Rück­sicht nehmen. Wenn sie wollten, können sie frei, überlegen, auch mit drako­nischen Maß­nahmen rea­gieren. Nur wollen es die Men­schen nicht und würden es vor der näch­sten Urne stehend auch nicht hono­rieren. Eher lassen sie sich in eine eigene ein­füllen. Die Menschen sind wie sie sind: Sie leisten sich Ethik­räte und finden sich mit einer Infek­tions­rate von einem Promille pro Woche problemlos ab, vor allem Impf­gegner, die mit hoher Sicherheit im Laufe ihres Lebens infiziert werden. [3]

Soeben spricht Angela Merkel in einer Sonder­sendung. Sie will die neue Notbremse in Bund und Ländern ziehen, wenn die Sieben­tage­inzidenz drei Tage über 100 liegt. Auch sie glaubt dem RKI, es sei heute noch nicht der Fall. Und ich frage mich, was denn die Notbremse in Bayern, Hamburg, Hessen, Sachsen-​Anhalt, Sachsen und vor allem Thürin­gen (heute 195, vor einer Woche 156 bei R=1,16) in den letzten Wochen bewirkt hat.

Zudem versprach die Kanz­lerin, deut­sche Gründ­lich­keit durch deut­sche Flexi­bilität zu ergänzen. Doch nur wenige Minuten später, und schon werden in der nach­folgen­den Bericht­erstat­tung alle Detail­fürze proble­mati­siert. Warum darf eigent­lich über­haupt geimpft werden, obwohl die Bevöl­kerung die Impfge­rechtig­keit noch nicht voll ausdis­kutiert hat?

Eben höre ich, in Ham­burg sei die Not­bremse gezogen worden, wenn eine teil­weise Rück­kehr zu den laschen Maß­nahmen vom Jahres­beginn so genannt werden darf. Und Herr Ramelow erzählt nun viel über inter­galak­tische Pro­bleme und Impf­stoff-​Mengen. Statt zuzugeben, daß seine reni­tente Bevöl­kerung fort­setzt, was in Sachsen begann, faselt er von Tsche­chien und Muta­tionen. Na und: Sie mögen von dort gekommen sein, verbreitet haben sie aber die Zonis selbst.

Nun sind drei Wochen vergangen, und Angela Merkel scheint in Erwägung zu ziehen, was ich schon lange erwartet hätte, nämlich ein Gesetz, das bei Über­schrei­tung defi­nierter Werte verbind­lich zu ergrei­fende Maß­nahmen fest­legt. Das zügig auch durch den Bundes­rat zu bringen, muß sie kurz vor dem Ende ihrer Kanzler­schaft kein Mittel scheuen. Es geht nicht mehr darum, reni­tenten Minder­heiten und dem Zeit­geist zu gefallen, sondern um eine Würdi­gung in den Geschichts­büchern. Mit Glück bringt es die Union auch aus ihrem Umfrage­tief. [4]

[1] Heute 2.629.750, letzte Woche 2.545.781. Bei einer Differenz von 83.969 muß ich nicht lange rechnen: Das sind ein Promille der Gesam­tbevöl­kerung. Und seit fast einem Jahr kann man wissen: Ein Pro­mille sind 100 pcm, also 100 auf 100.000. Die 96 des RKI beruhen nicht auf einer alle Ille­galen und Besucher berück­sichti­genden Per­sonen­zahl auf deut­schem Boden. Viel­mehr liegen ihnen ver­pfuschte 79.476 In­fi­zierte zugrunde.

[2] Auch damals ließ man den Zug mit Abweichungen bis zum Doppelten der Grenz­werte auf die Strecke. Wem will man das vo­rwerfen? Nicht nur aus wirt­schaft­lichem Inter­esse warten wir gerne auf singu­läre medial aufberei­tete Kata­strophen.

[3] Vielleicht auf Corona-​Partys, wo man seine Kinder infi­ziert, solange sie noch eine sehr hohe Über­lebens­chance haben. Schließ­lich habe ich auch Masern und Wind­pocken über­standen.

[4] Hat nicht geklappt.

100 | Disziplinlosigkeit | Virologenschnack | Prognose | Lebenswert | Ethikraten | Herdenimmunität | Unredlichkeit | Tote | Nationalstaaten | Erste Welle | Rattenschwanz | Förderalismus | Unterleben | Reproduktion | Siebentage‑R | Zweite Welle

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43
Zu den natürlichen Zahlen 1 bis 42 schrieb ich bereits vor Jahren etwas. Nun ist 43 dran, ein Kan­didat für die klein­ste unin­teres­sante Zahl. Was ver­meldet uns die Wiki­pedia? Sie ist die Ordnungs­zahl des leich­testen Elemen­tes ohne sta­biles Iso­top [1] und die größte Zahl von McNuggets, die man mit den gän­gigen Größen 6, 9 und 20 nicht ohne Rest zusammen­stel­len kann. [2] Die Über­legung ist ein­fach: Mit 6 und 9 allein kann man alle durch 3 teil­baren Zahlen errei­chen, außer 3 selbst. Mit kein-, ein- oder zwei­mal 20 sind deshalb alle Anzah­len n=3k, n=20+3k und n=40+3k für k>1 mög­lich, darun­ter alle n≥40+3·2=46. Auch 45=5·9 und 44=20+4·6 gehen, nicht jedoch 43, denn mit einer oder keiner Zwan­ziger-​Packung müßte 43−1·20=23 bzw. 43−0·20=43 durch 3 teilbar sein. Bleiben zweimal 20. Der Rest 43−2·20=3 ist jedoch unmög­lich. So einfach ist es im allge­meinen nicht und das Problem für mehr als drei Porti­onen wohl ungelöst. [3]

Die Zahl 43 ist nicht nur eine Primzahl, sondern zusammen mit 41 auch ein Prim­zahl­zwilling. Daß es 18 Posi­tionen weiter mit 59 und 61 einen wei­teren gibt, ist nicht verwunder­lich. Es kommt aber gelegen, daß Prome­thium mit der Ord­nungs­zahl 61 nach Techne­tium mit 43 das zweite insta­bile Element ist. Peter Plichta zählt wie die Römer in Musiker­manier 19 Ele­mente von 43 bis 61, und schon ist er in seinem Denk­raster von Prim­zahlen und 19.

Ansonsten muß man 43 schon suchen. Um sie als ordent­liche Figur aus Punkten zu malen, sollte man sie irgendwo unter den figu­rierten Zahlen finden. Doch macht sie sich rar. Zu den nor­malen Poly­gonal- und Pyra­miden­zahlen gehört sie nicht. Um sie als zen­trierte Poly­gonal­zahl zu finden, muß 43−1=42 Viel­faches einer Dreiecks­zahl sein. Tatsäch­lich ist 42=7·6=7·D₄₋₁ und 43 damit vierte Sieben­eck­zahl. Auch wegen 42=2·21=2·D₇₋₁ siebte Zwei­ecks­zahl. Die Figur vom Zweieck will keiner sehen und ein Sieben­eck paßt auch schlecht ins Zeilen­raster:

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43 als vierte zentrierte Heptagonalzahl (png)

Die Sylvester-Folge [4] erhält man mit 1 begin­nend, indem alle voran­gehen­den Folge­glieder multi­pli­ziert werden und eins addiert wird, also a₀=1 und aₙ₊₁=a₀·a₁·…·aₙ₋₁+1. So ergeben sich a₁=1+1=2, a₂=1·2+1=3, a₃=1·2·3+1=7 und bereits als vierte Zahl a₄=1·2·3·7+1=43. Es folgen 1807 und 3263443. Danach werden die Zahlen schnell sehr groß. Daß die ersten Folge­glieder alle­samt nicht zusam­men­gesetzt sind, sollte nicht dazu verleiten anzu­nehmen, es folgten nur Prim­zahlen, denn schon 1807=13·139 ist keine mehr.

[1] The 43 Peculi­arity. The Big Bang Theory, Fernseh­serie, Staffel 6, Folge 8. Text. Sheldon hat 43 groß auf eine Tafel geschrieben. Die Bedeu­tung bleibt bis zum Schluß unklar. Eine Vermu­tung war Tech­netium.

[2] The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences. Liste A214777 der McNugget-​Zahlen. Oberhalb von 43 sind alle dabei, weshalb es gerecht­fertigt ist, 43  „die“ McNugget-​Zahl zu nennen.

[3] Wolfram Mathworld. Coin Problem. Dort wird berich­tet, daß es nicht einfach, aber ein Lösungs­weg für drei Münzen (hier 6,9,20) bekannt ist.

[4] The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences. A129871. Auch A000058 ohne a₀ mit der Rekursion aₙ₊₁=aₙ(aₙ−1)+1. Lustiger­weise könnte man a₀=Φ oder a₀=-φ wählen.

42 | 44 | Isotope | uninteressante Zahlen

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Dritte Welle
Kaum steigt die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle um 5.000 auf knapp 15.000, und schon ist von einer dritten Welle zu lesen. [1] Redli­cher wäre es, eine dritte Welle zu befürch­ten oder schon seit zwei Wochen Anzei­chen dafür zu sehen. Eigent­lich ist es ganz einfach: Mit Beginn des Jahres sinkt die Zahl der Toten bestän­dig, zunächst syn­chron zu den Infi­zierten zwei Wochen zuvor, nun wohl wegen der Impfun­gen, in deren Schatten sich die Bevöl­kerung dem Leicht­sinn hingibt. Die neue Not­bremse wird nicht ernster genommen als die alte. Glück­licher­weise ist das nun egal. Bei einem Rₜ-Wert von knapp über eins [2] werden sich solange mehr und mehr infi­zieren, bis die Herden­immu­nität erreicht ist. Eine dritte Welle möchte ich das nicht nennen, weil immer weniger sterben, in einem halben Jahr fast nur noch Unge­impfte. [3]

[1] Da spielt es auch keine Rolle, daß aus Hamburg 200 von vor­gestern erst heute gemeldet wurden.

[2] Zu Beginn interessierte man sich noch für den sog. R₀-Wert. Den möchte nun keiner mehr hören, denn bei minde­stens fünf Prozent Geimpf­ten und Gene­senen samt einer unbe­kannten Zahl unem­pfäng­licher Menschen wird er derzeit über 1,1 liegen.

[3] Die Impfmuffel klopfen gerne Grundrechte, insbesondere Gleich­behand­lung. Das könnte sich legen, wenn weit­gehend alles für alle erlaubt sein wird. Dann bedeutet Gerech­tig­keit: Wer ohne Grund unge­impft ist, bezahlt seine Behand­lung selbst! Eigent­lich sogar: Ver­suchter Totschlag für jede An­steckung eines unver­schuldet Schutz­losen durch einen Verwei­gerer.

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Pro-Sieben-Frauentag
Dank meines IG-Metall-Taschenkalenders bin ich auf den Frauentag vorbe­reitet, sonst hätten mich die Werbe­spots über­rascht, mit denen sich Pro Sieben einen magenta­farbenen Anstrich verleihen möchte. Einer: 1903 gewann Marie Curie als erste Frau den Physik-​Nobel­preis. Bis heute gab es nur 3 wei­tere Preis­träge­rinnen im Bereich der Physik - in 118 Jahren.

Abgesehen davon, daß man auch auf 120 Jahre hätte erhöhen können und der Nobel­preis verliehen und nicht wie eine Pro-​Sieben-​Quizshow gewon­nen [1] wird, ist es leider richtig. Man hätte aber auch sagen können, daß es in der Chemie sechs nach Madame Curie waren [2], sie die/der erste Frau/Mann war, die/der einen Nobel­preis zweimal erhielt und mit zuneh­mender Weich­heit (Medizin, Frieden und Literatur) Frauen stärker, doch immer noch zu gering vertreten sind.

Woanders ist es viel härter. So hätte ich es gerne gesehen, wenn die zwölf­fache Snooker-​Frauen­welt­mei­sterin Reanne Evans dauer­haft auf die sog. Main Tour der 128 besten Spieler­*innen käme. Nicht nur für Frauen, auch für Deutsche gilt: Interes­sieren sich genü­gend, wird es auch was mit den vor­deren Plätzen. Die Chines­*innen haben das erreicht, zumindest die Männer unter ihnen. [3]

[1] Eben sagt Stephen Hawking zu Sheldon Cooper bei Pro Sieben, daß er noch (nunmehr sicher) keinen Nobel­preis „gewonnen“ habe, dafür aber bei Star Trek auf­treten durfte.
[2] Darunter die Frauenrechtlerin Irene Joliot-Curie, eine Tochter von Marie Curie.
[3] Und schon lese ich: Reanne Evans und Ng On Yee sind zum Frauentag in die Main Tour aufgenommen worden. Nun ist es ihre Aufgabe, darin zu verbleiben und Frauen für diesen Sport zu begei­stern. Glei­ches gilt für Deut­sche aller Geschlechter.

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HRH Meghan, geb. Merkle
Pünktlich zum Frauentag erfahre ich, daß Meghan ein Poc ist und Opfer unbe­dachter Bemer­kungen des engli­schen Königs­hauses wurde, die ihr nicht gefielen, und darauf kommt es ja an, darauf ist Rück­sicht zu nehmen, alles andere ist Ras­sismus. Ich traue mich schon gar nicht zu schreiben, daß ich die korrekte Stel­lung des kleinen H im Namen googeln mußte. So erfuhr ich auch ihren Geburts­namen, nun scheint sie nach­namenlos.

Das wäre an mir vorübergezogen, hätte ich als Fußgänger auf dem Super­markt­park­platz nicht einem Trans­porter den Vortritt gelassen. Als ich den Poc am Steuer sah, dachte ich: Was ein Glück, wäre ich etwas zügiger gegangen, dann hätte er viel­leicht bremsen müssen und denken können, ich habe mich zu forsch bewegt, und darauf kommt es ja an, darauf ist Rück­sicht zu nehmen, alles andere ist Ras­sismus.

Als ich wieder zu mir kam, fand ich allein diesen Gedanken rassi­stisch, denn ich lasse auch weiße alte Auto­fah­rer*in­nen aus der Tank­stellen­ausfahrt, die ja gar nicht wissen können, daß ich keinen Migra­tions­hinter­grund habe und mir andern­falls den Vortritt lassen müßten. Und als Opfer des weißen These-​Anti­these-​Deutsch­aufsatz-​Faschis­mus dauerte es nicht lange, und ich zog in Erwägung, mein Unter­bewußt­sein hätte seine Haupt­farbe eine Sekunde früher wahr­genommen und meinen Beinen signali­siert: Vorsicht, fährt wie wie eine besengte Sau.

Nachtrag: Eben höre ich aus dem Munde einer Adelsexpertin, Rasssimus sei der schwerste Vorwurf, den man machen könne. Wie steht es um Mord und Totschlag?

Nun ist der Witzbold Philip tot. Spontan dachte ich, er habe sich elegant einer Klage wegen Rassis­mus entzogen. Googeln aber verriet, er und die Köni­gin selbst seien expli­zit frei­gespro­chen worden, nicht von den Anklä­gern selbst, sondern von einer Kom­plizin namens Oprah, die nicht zu kennen ich bis vor einem Monat das Ver­gnügen hatte.

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Zack! Peng!
Smudo schildert bei Anne Will seine Luca-App: Man geht ins Restau­rant ‒ zack! Man geht ins Stadion ‒ peng! Man steigt in die Straßen­bahn ‒ piep, piep! So einfach geht es mit Corona-​Verfol­gungs-​Appli­kati­onen aus privater Hand. Doch leider ist es nun zu spät, und die Verbrei­tung wird aus­bleiben, weil der normale Mensch sie nicht benö­tigt. [1]

Natürlich wird wieder über Daten­schutz geredet. Und dazu kann ich eigent­lich nur wieder­holen: Es ist seit vielen Jahr­zehnten nicht gelungen, ein ordent­liches System der Verschlüs­selung und Authen­tifi­zie­rung zu eta­blieren. Ich laufe mit einem Finger­abdruck im Personal­ausweis herum, den ich nie benut­zen konnte. Vor einem Jahr hätte man schnell etwas hinpfu­schen können, nun ist es zu spät.

Bei aller Kritik: Ich habe bei der Corona-App nicht mit mehr gerechnet, denn wir sind ein Volk, daß jeden Scheiß teilt, für ein halbes Prozent Rabatt jeden Einkauf regi­strieren läßt, aber im Wohn­zimmer einen Frei­raum für Krimina­lität sieht, vor der Obrig­keit alles, nicht nur die Ein­künfte verheim­lichen möchte und deshalb den Daten­schutz groß­maulig hoch­hält. Was sollen Ent­wickler da machen? Ich habe einmal ein Projekt aufge­geben, weil sich Daten­schützer wichtig machten und die Umset­zung ihrer Forde­rungen mir mit vertret­barem Aufwand nicht mehr möglich war. Und da ging es noch nicht einmal um personen­bezogene Daten Fremder, sondern nur um Schutz, Abschot­tung und Privi­legie­rung der ange­stellten Benutzer.

[1] Nun ist ein halbes Jahr um und ich muß leider sehen, daß die Hedo­nisten Corona noch einmal einen ordent­lichen Schub verpaß­ten, um mit ihrer Luca-​App schnel­len und unkon­trol­lierten Zutritt in ihre Vergnü­gungs­tempel zu erlangen.

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Ethnomathematik
Gestern las ich in in einer Mathematik-Gruppe etwas zur Frage, ob Mathe­matik rassi­stisch sein kann. Natürlich ging es gleich um 1+1=3 und sofort waren Charak­teri­stik 2 und andere Spaß­bei­träge nicht weit. Was soll man sonst auch dazu sagen? Und prompt bietet Google-​News mir heute einen Artikel über Ethno­mathe­matik zum Kauf an. Deshalb habe ich die allwis­sende Müllhalde bemüht und gelesen, daß es schon ein halbes Jahr­hundert Ethno­mathe­matik gibt. Es hätten wie bei Erbbio­logie und Rassen­hygiene auch mehr als hundert Jahre sein können, wenn man schon früher das Bedürfnis verspürt hätte, sich wichtig zu machen, Lehr­stühle zu besetzen und einen eigenen Wissen­schafts­zweig zu begründen.

Gegen ein Oberseminar zu ethni­schen Aspekten im Rahmen der Geschichte der Mathe­matik ist nichts einzu­wenden, wenn ich auch das Wort "ethnisch" weg­lassen würde, da es darauf abhebt, Art und Umfang der Mathematik hinge von der Ethnie oder gar der Rasse ab, nicht vom Wissens­stand, den reli­giösen und poli­tischen Rahmen­bedin­gungen, den Lebens­umständen, dem Wohlstand, der Muße und anderen Feldern der Erkennt­nis. Es sind doch gerade Mathe­matiker, die sich für Zahlen, Rech­nereien, Geome­trie, Kalender und Astro­nomie unserer Vorfahren interes­sieren und ihre Leistun­gen würdigen, wozu viele Weiß­seins­forscher gar nicht in der Lage sind.

Wenn man als Blödmann der Meinung ist, es gebe unter fremden Völkern eine andere Mathe­matik zu entdecken, so ist das seinem naiven Verständ­nis von anders oder seinem unbän­digen Ver­langen nach über­legener Anders­artig­keit geschul­det. Es mag eine andere Art, eine andere Sicht­weise, eine andere Vorstel­lung, eine andere vermu­tete Verbin­dung der Zahlen mit der Welt vorlie­gen, aber keine andere Mathe­matik. Sie ist für alle Menschen und Außer­irdische gleich, auch wenn sie eine andere Tiefe, andere Schwer­punkte hat, in anderer Darstel­lung und Nota­tion erscheint. Ich bin nie auf die Idee gekommen, russi­sche Mathe­matik sei schlechter, weil ich mit deren Lite­ratur in DDR-Über­set­zung Schwierig­keiten hatte.

Ein bißchen erinnert mich die Ethno­mathe­matik an die Blüte der weichen W-Wissen­schaften, darunter auch die Wirt­schafts­mathe­matik. Gerne darf man sie so nennen, wenn darin mathe­mati­sche Methoden zum Ver­ständnis der Wirt­schaft genutzt werden. Auch wenn umge­kehrt versucht wird, mathema­tische Methoden speziell für die Wirt­schaft zu ent­wickeln, meinet­wegen auch in der Mathe­matik wirt­schaft­lich zu denken. Letz­teres ist ja auch gut gelungen, weil man durch den W-Präfix an Gelder gekommen ist, die man im Fach­bereich Wahr­schein­lich­keits­theorie gerne genommen hat. Es ist natür­lich eine Ver­suchung, wenn man für Ethno­mathe­matik, kriti­sche Zahlen­theorie, Moral-Infor­matik, Computer-Hygiene, abstrakte Haltungs­theorie und Exo-Geome­trie, Geld, Lehr­stühle, Ruhm oder gar Nobel­preise bekommen kann.

Immer mehr Saubermänner wollen nicht nur die Mathe­matik vom Rassis­mus befreien, sondern die gesamte Welt, Wissen­schaft und Technik, insbe­sondere die Raum­fahrt. So wollte die Tages­schau anläßlich der Landung der letzten Mars­sonde Viel­falt zeigen und wies darauf hin, daß es nun auch eine „islami­sche Rakete“ gäbe. Gemeint war wohl die Sonde der Arabi­schen Emirate, die von einer japani­schen Rakete in eine Mars-​Umlauf­bahn gebracht wurde. Die ist so isla­misch wie der Burj Kha­lifa. Wer sich für poli­tisch korrekt hält, die Haupt­stadt von Portu­gal Lizha­bon nennt und Studie­rende demon­strieren sieht, sollte Nach­richten vor ihrer Ver­lesung viel­fältiger prüfen.

Ich bin ein alter weißer politsch inkorrekter cis-Mann, nenne Haupt­stadt von Por­tugal Lissabon, habe noch einen Studen­ten­ausweis und hatte „Mathe­matik in den Ländern des Islam“ [1] vertei­digt, gleich­wohl mit der griechi­schen, äypti­schen, mittel­alter­lichen Mathe­matik etwas korrekter von Völkern und Zeit­altern die Rede ist. Die Griechen litten unter einer mise­rablen Zahl­schreib­weise und malten gerne Bilder. Das sollten Moslems meiden und wurden große Rechen­künstler. Alle arbei­teten unter verschie­denen Voraus­setzungen, erzielten andere und früher auch weniger tief­liegende Ergeb­nisse. Doch eine andere Mathe­matik wegen einer abweichen­den Ethnie gab und gibt es nicht.

Die gegenwärtige Betonung von Ethno­mathe­matik ist für mich ein Zeichen zeit­geist­lichen Kampfes gegen den von uns Weißen versprühten Mikro­rassis­mus, der auch die mathema­tischen Leistun­gen fremder Völker gering­schätzt. Gerne kann dieser Verdacht unter­sucht und erhär­tet werden, doch ist das für mich keine Ethno­mathe­matik, weil es sich nicht um Mathe­matik handelt. Es würde mich nicht wundern, wenn diese Diszi­plin eines Tages auch die Aner­kennung fehler­hafter Ergeb­nisse verlangt, sofern sie aus exoti­scher Feder stammen. [2]

[1] Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Band 1, Springer, Berlin, Heidel­berg, 2008. Seite 41ff.
[2] Mohammed-Reza Mehdinia: The Correct Value for π. Nicht mehr im Netz, aber als Buch. Nicht kaufen!

Mathematik des Islam | Geburtstag

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