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Unredlichkeit
wuerg, 08.04.2020 02:09
Die berühmte exponentielle Entwicklung kommt in der Natur vor allem fallend, also in der Form
y = a⋅e−λx = a⋅e−x/τ = a⋅2−x/h = a⋅bx = a⋅(1−z)x (a,λ>0)
mit der Zerfallskonstanten λ vor. Das Paradebeispiel ist der radioaktive Zerfall, in dem x für die Zeit steht. Jedes noch nicht zerfallene Teilchen kann mit einer weiteren Lebenszeit von τ=1/λ rechnen. Innerhalb dieser Spanne reduziert sich ihre Anzahl um den Faktor e auf einen Anteil von 1/e≈0,36788, also auf etwa ein Drittel. Eine Halbierung findet in der Halbwertszeit h=τ⋅ln2≈0,69⋅τ statt. Sind x und λ dimenensionslos, so kann man b=1/e^λ bilden. Das ist der Faktor, mit dem sich y von Schritt zu Schritt (Δx=1) ändert. Er unterschreitet 1 um den relativen Verlust z=1-b.
Theoretisch gibt es auch das exponentielle Wachstum, in der Praxis zumeist nur näherungsweise oder für eine kurze Zeit.
y = a⋅eλx = a⋅ex/τ = a⋅2x/d = a⋅bx = a⋅(1+z)x (a,λ>0)
Jetzt ist λ die Wachstumskonstante. An die Stelle der Halbwertszeit tritt die Verdoppelungszeit d=ln2/λ≈0,69/λ. Für τ=1/λ fällt mir keine griffige allgemeine Bezeichnung ein. Ist jedoch y eine mit der Zeit x wachsende Menge neu erschaffener Objekte, so wäre τ deren durchschnittliches Alter. Es ist die Zeitspannne, in der ein Wachstum um den Faktor e eintritt. Ist x dimensionslos, kann man wieder einen Faktor b=e^λ bilden, der das Wachstum innerhalb eines Schrittes beschreibt. Diesmal ist z=b−1 die zugehörige relative Zunahme.
Im weniger realen Leben der Schule kommt auch ein sehr langatmiges exponentielles Wachstum vor. Gerne in der Aufgabe: Hätte Jesus einen Euro zur Bank gebracht, der jährlich mit 3 Prozent verzinst worden wäre, wieviel Geld hätte er heute? Nehmen wir an, er hätte den Euro vor genau x=2000 Jahren eingezahlt. Bei einem Zinssatz z=0,03 pro Jahr wäre er bei vierteljährlicher Verzinsung dank einer Verdoppelungszeit von 23 Jahren heute stolzer Besitzer von (1+0,03/4)^(2000⋅4), etwa 91 Quadrillionen Euro und könnte jeden Rettungsschirm aufspannen.
Für die kleine Virologenschule geeignet wäre auch die folgende Aufgabe: Am 6. April waren 99.225 Personen infiziert, am 27. März 42.547 und am 28. März 48.582. Bestimmen Sie die Verdoppelungszeit d auf einen halben Tag genau unter der Annahme einer exponentiellen Entwicklung. Nehmen Sie weiterhin an, jeder am Tag t neu Infizierte würde genau am Tage t+Δt weitere R₀=1,5 Personen infizieren. Wie lang ist diese Inkubationszeit Δt? Antwort: Die Verdoppelungszeit beträgt d=9,5 Tage. In Δt Tagen tritt ein Wachstum von 1,5=R₀=2^(Δt/d) ein. Daraus ergibt sich eine Inkubationszeit von Δt=5,5 Tagen.
Stimmt also, was uns heute erzählt wurde? Liegt der berühmte R₀‑Faktor tatsächlich wie behauptet zwischen 1,2 und 1,5? Ist die Inkubationszeit wegen d=9,5 wirklich nur 2,5 bis 5,5 Tage? Oder ist sie länger und der R₀‑Faktor entsprechend höher? Werden wir am Ostersonntag 165.000 Infizierte haben, die auf Ostermontag um mehr als 11.000 anwachsen? Nein! Alles Quatsch! Von Institutsleitern nachgeplapperte Pseudoanalyse! Doch warum stimmt das nicht, was ist falsch an der obenstehenden Rechnung? Ganz einfach! Es liegt keine exponentielle Entwicklung vor, noch nicht einmal näherungsweise für einen angemessenen Zeitraum! Die Rechnung ist nicht falsch, ihre Voraussetzungen modellieren einfach nicht die Realität!
Wenn es keine Lügen sind, dann unermeßliche Unfähigkeit. Anderes erwarte ich auch gar nicht von den meisten Experten, die sicherlich gute Virologen, Mikrobilogen und Mediziner sind, sei es für Mensch oder Tier. In ihrer Welt kommen ordentliche Statistiken kaum vor, sie haben Medizin studiert, um den Menschen zu helfen und das Rechnen zu vermeiden. Gleich den Geisteswissenschaftlern haben sie sich durch die Prüfungen zur Statistik gequält. Aber sie fertigen Studie um Studie auf Basis magerer Zahlen an. Ihre öffentlichen Äußerungen sind weit von Six-Sigma entfernt.
Ich halte es für wissenschaftlich unredlich, eine Verdoppelungszeit von 9,5 Tagen zum Anlaß für die Behauptung zu nehmen, wir seien noch nicht über den Berg und der R₀‑Faktor nicht unter 1,2. Ganz häßlich ist es, sich auf Sterberaten rauszureden. Die werden nach Ostern fallen, wie es die Neuinfektionen schon seit einer Woche tun. Gar nicht ausstehen kann ich das Gefasel von der Verdoppelungszeit, die bis zu Ostern selbst dann nicht über 16 Tage steigen kann, wenn sich überhaupt keiner mehr ansteckt. Es ist unanständig, die Verdoppelungszeit einer nicht gegebenen exponentiellen Entwicklung gleichzusetzen mit der Anzahl von Tagen in die Vergangenheit, da nur die Hälfte infiziert war.
Was ist das Motiv, jetzt gegen Ende der Epidemie die Verdoppelungszeit zu betonen? Ich unterstelle einfach, daß die Politik aus heutiger Sicht die derzeitigen Maßnahmen nicht vor Führers Geburtstag lockern und die Bevölkerung auf eine Fortsetzung einstimmen oder vorbereiten möchte. Da ist es natürlich günstig einen R₀‑Faktor deutlich über 1 zu postulieren und Verdoppelungszeiten unterhalb von zwei Wochen in den Raum zu stellen. Denn eines haben die Menschen von Leuten wie Herrn Lanz gelernt: Heute 100.000, in zwei Wochen 200.000 und in einem halben Jahr 8 Millionen. Vielleicht ist es entgegen meiner Kritik aber richtig, von einem Monster im See zu erzählen, damit die kleinen Kinder nicht ertrinken.
Disziplinlosigkeit | Virologenschnack | Prognose | Lebenswert | Ethikraten | Herdenimmunität | Reproduktion | Tote | Rattenschwanz | Unredlichkeit | Nationalstaaten | Förderalismus | Unterleben | Zweite Welle
y = a⋅e−λx = a⋅e−x/τ = a⋅2−x/h = a⋅bx = a⋅(1−z)x (a,λ>0)
mit der Zerfallskonstanten λ vor. Das Paradebeispiel ist der radioaktive Zerfall, in dem x für die Zeit steht. Jedes noch nicht zerfallene Teilchen kann mit einer weiteren Lebenszeit von τ=1/λ rechnen. Innerhalb dieser Spanne reduziert sich ihre Anzahl um den Faktor e auf einen Anteil von 1/e≈0,36788, also auf etwa ein Drittel. Eine Halbierung findet in der Halbwertszeit h=τ⋅ln2≈0,69⋅τ statt. Sind x und λ dimenensionslos, so kann man b=1/e^λ bilden. Das ist der Faktor, mit dem sich y von Schritt zu Schritt (Δx=1) ändert. Er unterschreitet 1 um den relativen Verlust z=1-b.
Theoretisch gibt es auch das exponentielle Wachstum, in der Praxis zumeist nur näherungsweise oder für eine kurze Zeit.
y = a⋅eλx = a⋅ex/τ = a⋅2x/d = a⋅bx = a⋅(1+z)x (a,λ>0)
Jetzt ist λ die Wachstumskonstante. An die Stelle der Halbwertszeit tritt die Verdoppelungszeit d=ln2/λ≈0,69/λ. Für τ=1/λ fällt mir keine griffige allgemeine Bezeichnung ein. Ist jedoch y eine mit der Zeit x wachsende Menge neu erschaffener Objekte, so wäre τ deren durchschnittliches Alter. Es ist die Zeitspannne, in der ein Wachstum um den Faktor e eintritt. Ist x dimensionslos, kann man wieder einen Faktor b=e^λ bilden, der das Wachstum innerhalb eines Schrittes beschreibt. Diesmal ist z=b−1 die zugehörige relative Zunahme.
Im weniger realen Leben der Schule kommt auch ein sehr langatmiges exponentielles Wachstum vor. Gerne in der Aufgabe: Hätte Jesus einen Euro zur Bank gebracht, der jährlich mit 3 Prozent verzinst worden wäre, wieviel Geld hätte er heute? Nehmen wir an, er hätte den Euro vor genau x=2000 Jahren eingezahlt. Bei einem Zinssatz z=0,03 pro Jahr wäre er bei vierteljährlicher Verzinsung dank einer Verdoppelungszeit von 23 Jahren heute stolzer Besitzer von (1+0,03/4)^(2000⋅4), etwa 91 Quadrillionen Euro und könnte jeden Rettungsschirm aufspannen.
Für die kleine Virologenschule geeignet wäre auch die folgende Aufgabe: Am 6. April waren 99.225 Personen infiziert, am 27. März 42.547 und am 28. März 48.582. Bestimmen Sie die Verdoppelungszeit d auf einen halben Tag genau unter der Annahme einer exponentiellen Entwicklung. Nehmen Sie weiterhin an, jeder am Tag t neu Infizierte würde genau am Tage t+Δt weitere R₀=1,5 Personen infizieren. Wie lang ist diese Inkubationszeit Δt? Antwort: Die Verdoppelungszeit beträgt d=9,5 Tage. In Δt Tagen tritt ein Wachstum von 1,5=R₀=2^(Δt/d) ein. Daraus ergibt sich eine Inkubationszeit von Δt=5,5 Tagen.
Stimmt also, was uns heute erzählt wurde? Liegt der berühmte R₀‑Faktor tatsächlich wie behauptet zwischen 1,2 und 1,5? Ist die Inkubationszeit wegen d=9,5 wirklich nur 2,5 bis 5,5 Tage? Oder ist sie länger und der R₀‑Faktor entsprechend höher? Werden wir am Ostersonntag 165.000 Infizierte haben, die auf Ostermontag um mehr als 11.000 anwachsen? Nein! Alles Quatsch! Von Institutsleitern nachgeplapperte Pseudoanalyse! Doch warum stimmt das nicht, was ist falsch an der obenstehenden Rechnung? Ganz einfach! Es liegt keine exponentielle Entwicklung vor, noch nicht einmal näherungsweise für einen angemessenen Zeitraum! Die Rechnung ist nicht falsch, ihre Voraussetzungen modellieren einfach nicht die Realität!
Wenn es keine Lügen sind, dann unermeßliche Unfähigkeit. Anderes erwarte ich auch gar nicht von den meisten Experten, die sicherlich gute Virologen, Mikrobilogen und Mediziner sind, sei es für Mensch oder Tier. In ihrer Welt kommen ordentliche Statistiken kaum vor, sie haben Medizin studiert, um den Menschen zu helfen und das Rechnen zu vermeiden. Gleich den Geisteswissenschaftlern haben sie sich durch die Prüfungen zur Statistik gequält. Aber sie fertigen Studie um Studie auf Basis magerer Zahlen an. Ihre öffentlichen Äußerungen sind weit von Six-Sigma entfernt.
Ich halte es für wissenschaftlich unredlich, eine Verdoppelungszeit von 9,5 Tagen zum Anlaß für die Behauptung zu nehmen, wir seien noch nicht über den Berg und der R₀‑Faktor nicht unter 1,2. Ganz häßlich ist es, sich auf Sterberaten rauszureden. Die werden nach Ostern fallen, wie es die Neuinfektionen schon seit einer Woche tun. Gar nicht ausstehen kann ich das Gefasel von der Verdoppelungszeit, die bis zu Ostern selbst dann nicht über 16 Tage steigen kann, wenn sich überhaupt keiner mehr ansteckt. Es ist unanständig, die Verdoppelungszeit einer nicht gegebenen exponentiellen Entwicklung gleichzusetzen mit der Anzahl von Tagen in die Vergangenheit, da nur die Hälfte infiziert war.
Was ist das Motiv, jetzt gegen Ende der Epidemie die Verdoppelungszeit zu betonen? Ich unterstelle einfach, daß die Politik aus heutiger Sicht die derzeitigen Maßnahmen nicht vor Führers Geburtstag lockern und die Bevölkerung auf eine Fortsetzung einstimmen oder vorbereiten möchte. Da ist es natürlich günstig einen R₀‑Faktor deutlich über 1 zu postulieren und Verdoppelungszeiten unterhalb von zwei Wochen in den Raum zu stellen. Denn eines haben die Menschen von Leuten wie Herrn Lanz gelernt: Heute 100.000, in zwei Wochen 200.000 und in einem halben Jahr 8 Millionen. Vielleicht ist es entgegen meiner Kritik aber richtig, von einem Monster im See zu erzählen, damit die kleinen Kinder nicht ertrinken.
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