Zwölf
Die Zwölf ist sicherlich bedeu­tend, nicht nur als Pro­dukt der beiden hei­ligen Zahlen drei und vier, zu deren Summe 7=3+4 die bekannte musika­li­sche Bezie­hung besteht, daß zwölf Quin­ten recht genau sie­ben Okta­ven umfas­sen. Das liegt daran, daß 3¹²=531441 nur knapp über 2¹²⁺⁷=524288 liegt, wes­halb die gleich­stufige Quinte gegen­über der reinen nur um einen hun­dert­stel Ganz­ton zu klein ist.

Duodezimal­zahlen zur Basis zwölf wären zu unse­ren Dezimal­zah­len eine ernst­hafte Alter­na­tive gewe­sen, weil zwölf viele Teiler hat. Es gab eine Zeit, da man sich von der 16 verab­schie­dete und der 12 zuwandte, den Fuß nicht mehr in 16 Fin­ger, son­dern in 12 Zoll teilte. Jahr­hun­derte hielt sich auch das Lsd-​System [1] mit einer Libra (Pfund) zu 20 So­lidi (Schil­ling), jeder geteilt in 12 De­nari (Pence), wie ich es noch aus Eng­land kenne. Von wenigen rück­stän­digen Staa­ten abge­sehen hat sich aber das Dezi­mal­system nicht nur bei den Zah­len, son­dern im gesam­ten Leben durch­gesetzt. Geblie­ben sind die zwölf Sterne auf der Europa­flagge, die zwölf Stunden der Uhr und das Dut­zend. [2]

Wie kam es parallel zum Dezimal­system zu den vielen Zwölf­tei­lun­gen, nicht nur des Tages, auch der Himmels­rich­tungen und Isra­elis? Ich glaube nicht, daß es an 36 Ster­nen lag, die den Ägyptern zur Zeit- oder Winkel­mes­sung gedient haben sollen. Plau­sibler finde ich die Herlei­tung aus den natür­lich vorhan­denen zwölf Mona­ten im Jahr, die zu zwölf Tier­kreis­zei­chen Anlaß gaben. Wenn man sie des nachts zur Zeit­mes­sung verwen­dete, lagen zwölf Stun­den pro Tag nahe, die baby­loni­schen Doppel­stun­den. [3] Halbie­rung ergab 24 Stun­den. Es hätten aber auch 48 werden können. Die Teilung von Tag und Nacht in jeweils zwölf zunächst nach Jahres­zeit unglei­che Stun­den führte letzt­lich zur sog. klei­nen Uhr mit zwei Umdre­hungen des Stunden­zeigers pro Tag. [4]

Zwölf ist die dreidimen­sio­nale Kuß­zahl, denn es lassen sich an eine Kugel bis zu zwölf glei­cher Größe anlegen, eine drei­zehnte geht nicht, soviel es auch pro­biert wurde. Anders als in zwei Dimen­sio­nen, wo sechs Kreise an einem ohne zu wackeln anlie­gen und sieben offen­sicht­lich zuviel sind, lassen die zwölf Kugeln genü­gend Luft für eine drei­zehnte. Daß es bei 12 bleibt, bewiesen erst 1953 Kurt Schütte und Bartel Leen­dert van der Waerden, dessen berühmte Lehr­bücher der Alge­bra einfach „van der Waerden I und II“ heißen. [5]

Der Dodekaeder wird aus zwölf Fünf­ecken gebildet, entspre­chend hat der Iko­saeder zwölf Ecken. Der Würfel hat zwölf Kan­ten, damit auch der Okta­eder. Die Wurzel aus zwei wird durch 17/12=​1,417 besser genä­hert als durch 7/5 oder 10/7, kann aber gegen die 11‑glatte 99/70=​1,41429 nicht anstin­ken. Blei­ben die zif­fern­ver­tausch­ten Qua­drate 144 und 441 der ziffern­ver­tausch­ten 12 bzw. 21, was aber ein­fach den sehr klei­nen Zif­fern 1 und 2 geschul­det ist. Und nicht zu ver­ges­sen die durch Shel­don Coo­per bekannte Tat­sache, daß 37 und 73 die 12. bzw. 21. Prim­zahl sind.

Zwölf ist der kleinste Teiler­protz, denn die Summe 1+2+3+4+6=16 ihrer Teiler ist größer als 12 selbst. [6] Sie ist auch die klein­ste Zahl mit mehr als vier Tei­lern. Es sind sogar sechs. Und weil sowohl Teiler­anzahl 6 als auch Teiler­summe 28 voll­kommen sind, hat sich irgend­wer dafür die Bezeich­nung erha­ben ausge­dacht, um so an sehr sel­tene Zah­len zu kommen, von denen zwölf die klein­ste ist. Eine wei­tere mit 76 Stel­len ist bekannt, sonst nix.

    ●          ●        ●
  ○   ○       ○ ●      ● ●       ○ ○ ○
●  ○ ○  ●    ● ○ ●    ○ ○ ○     ● ○ ○ ●
 ●     ●     ○ ○ ●    ○ ○ ○    ● ● ○ ● ●
  ● ● ●      ● ● ●    ○ ○ ○
Zwölf als dritte Fünfeckzahl (png)

Zwölf ist die dritte Fünf­eck­zahl. Die erste Figur des vorste­henden Bil­des zeigt ihre Entste­hung nach dem Bil­dungs­gesetz 1+4+7=12. Die zweite formt dieses Gebilde zu einer kom­pak­ten Figur in Form eines Hau­ses, dem man in der drit­ten die für alle Fünf­eck­zahlen mög­liche Zusammen­set­zung aus Qua­drat und Drei­eck ent­nehmen kann. Wem es gefällt, kann die ebenso allge­meine Zerle­gung in ein gro­ßes und zwei klei­nere Drei­ecke bevor­zugen.

Unter den vielen pytha­gorei­schen Tri­peln, also den Lösungen von x²+y²=z² gibt es nur eines mit aufein­ander­fol­genden natür­lichen Zahlen, das all­seits bekannte 3²+4²=5². Doch wie steht es mit fünf auf­ein­ander­fol­genden Zah­len, mit drei links und zwei rechts vom Gleich­heits­zei­chen? Auch diese ein­zige Lösung kann man schnell finden: 10²+11²+12²=​13²+14². Die Summe ist übri­gens so groß wie das Jahr Tage hat, nämlich 365. Ich erwähne diese Bezie­hung hier, weil 12 die mitt­lere der fünf Zahlen ist. Verall­gemei­nert man auf k+1 Sum­man­den links und k rechts, so ergibt sich für die mitt­lere Zahl das Vier­fache der k‑ten Drei­ecks­zahl. Im Falle k=2 also 4·D(2)=4·3=12.

Ich verzichte hier darauf, die bis auf Drehung und Spiege­lung 12 der insge­samt 92 Mög­lich­keiten darzu­stellen, acht Damen derart auf ein Schach­brett zu stellen, daß sie sich nicht gegen­seitig schlagen. Ich lasse es als eine nette Aufgabe, die eine von den zwöl­fen zu finden, die unter Rota­tion um 180 Grad in sich selbst über­geht. Ihret­wegen sind es insge­samt 11·8+1·4=92 und nicht 96 Lö­sun­gen. Ist es zu mühsam, einfach in der Wiki­pedia unter Damen­problem nach­sehen.

Bleibt die Bibel. Gerhard Kringe [7] schreibt: „Die Zahl ‚12‘ spielt in Verbin­dung mit Israel eine große Rolle. Da diese Zahl für den Kosmos steht, ist es ein Hin­weis, daß Israel seine Auf­ga­ben im Kosmos, bzw. auf dieser Erde hat.“ Ohne gerade als Deut­scher die Rolle Isra­els schmä­lern zu wol­len, ist es doch eher umge­kehrt: Zwölf war und ist den Juden wich­tig und steht des­halb man­chem für den Kos­mos. Und weiter: „Diese Zahl zieht sich durch die ganze Bibel. Es ist die Zahl der Monate (Monde) und der Tier­kreis­zei­chen […] Israel 12 Stämme hat, daß Jesus 12 Jün­ger […] im neuen Jeru­salem sind die 12 Tore aus 12 Perlen gemacht. Die Bäume des Lebens tragen 12 mal Frucht im Jahr.“ Unbe­strit­ten spielt die Zwölf im Leben der Men­schen noch heute eine große Rolle, doch wird sie ein­fach hinge­nom­men, ohne einen Gedan­ken an ko(s)mi­sche Bezie­hun­gen zu ver­schwen­den: „In dieser Zahl 12 ist 2 mal die Zahl des Men­schen enthal­ten (6) […] finden wir in den 24 Äl­te­sten 2 mal die Zahl 12. Bei dieser Zahl 24 geht es um Voll­macht und Voll­en­dung.“

[1] Normalerweise wird das L als Pfund­zeichen £ geschrie­ben, am schönsten kursiv £sd. 2005 hatte ich mich ent­schlos­sen, auf sel­tene Sonder­zei­chen im Text weit­ge­hend zu ver­zich­ten, die wie in den Anfän­gen der Daten­verar­bei­tung immer noch nicht über­all korrekt darge­stellt wurden, insbesondere auf meinem Mobiltelefon. Doch inzwischen (2023) sind viele Jahre vergangen, und wir haben uns neben URL mitten im Text an alleilei Fürze wie Smileys und sog. Hashtags gewöhnt. Hier belasse ich das L.

[2] Vergessen sind Stiege (20 oder 24), Schock (60), groß Hun­dert (120), Gros (144) und groß Gros (1728).

[3] Trotz des Sexagesimal­systems wurden die Doppel­stun­den in nur 30 ‚Minuten‘ geglie­dert, was wohl dem Monat zu 30 Tagen nach­empfun­den war. Dadurch ent­sprach ein Tag im Jahr etwa einer ‚Minute‘ des Tages. Bei aber­maliger Tei­lung in 360 ‚Sekun­den‘ wären diese 2/3 heu­tige Sekun­den lang. Ein Stab­pen­del von 0,6615 Me­tern benö­tigt auf dem 30. Brei­ten­grad diese Zeit für eine Halb­schwin­gung. Das sind genau zwei reale Gudea­fuß. Es ist also plau­si­bel, daß Gudea sein reales Längen­maß vom Sekunden­pen­del ablei­tete, ohne die moderne Sekunde zu ken­nen.

[4] Wenn man nur bis zwölf schlägt, ist es nahe­liegend und mecha­nisch von Vorteil, zwei­mal umlau­fen zu lassen. Ein Nach­teil besteht darin, daß Süden nicht ungefähr auf der Mittags­zeit (in Deutsch­land etwa 12:30 im Winter und 13:30 im Sommer) liegt, wenn man den Stunden­zeiger auf die Sonne richtet, son­dern auf der Winkel­halbie­renden zwi­schen Stunden­zeiger und Mittags­zeit. Das alles ist natür­lich kein Grund, die Uhrzeit zweimal von 1:00 bis 12:59 durch­zuzäh­len. Vor allem nicht 12:00pm auf 11:59am und 1:00am auf 12:59am folgen zu lassen. Und wel­cher Ameri­kaner weiß schon, daß noon mehr­heitlich 12:00pm und nicht 12:00am ist? Man komme ihm nicht mit Plau­sibi­lität, weil eine Sekunde nach Mittag ja 12:00:01pm sei.

[5] The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences. Mindestkußzahlen A002336. Nur für Dimen­sio­nen 1, 2, 3, 4, 8 und 24 als exakt bekannt.

[6] Das klingt schöner als: Eine Zahl n heißt Teiler­protz, wenn die Summe ihrer Teiler größer als 2n ist. Alter­nativ könnte man sagen, die Summe der echten Teiler muß größer als n selbst sein, muß sich aber fragen lassen, warum 1 mit­zählt.

[7] Gerhard Kringe: Die Zahl 12 und 13. Gedanken zur Heilsgeschichte Gottes.

3 | 4 | 7 | 11 | 13 | 196560 | Fünfeckzahlen | heilige Zahlen | Quinte | Sekundenpendel

... link (5 Kommentare)   ... comment