Differenzenfolge
Zu jeder Zahlenfolge a(1), a(2), a(3), ... kann man die Folge der Diffe­renzen d(1), d(2), d(3), ... be­trach­ten, die durch

d(n) = a(n+1) - a(n)

defi­niert ist. [1] Diese Diffe­renzen sind oftmals nütz­lich, um auf das in einer Folge steckende Bil­dung­sgesetz zu schließen. Hat man zum Bei­spiel das Anfangs­stück 1, 7, 19, 37, 61, 91, ... vor­liegen und sucht eine geschlos­sene Formel, so kann man die Diffe­renzen bilden und ggf. auch davon aber­mals die Diffe­renzen
Index n                        1   2  3    4   5   6  ...
Folge a(n)                     1   7  19  37  61  91  ...
Differenzen d(n)=a(n+1)-a(n)   6  12  18  24  30  36  ...
Differenzen 2. Ordnung         6   6   6   6   6   6  ...
Differenzen 3. Ordnung         0   0   0   0   0   0  ...
Man erkennt sofort, daß die Diffe­renzen zweiter Ord­nung konstant sind, die Diffe­renzen erster Ordnung also linear anwach­sen und die Ori­ginal­folge damit quadra­tisch. Ein Ansatz a(n)=x·n²+y·n+z sollte also zum Erfolg führen. Man pickt sich einfach drei Werte heraus und erhält drei Glei­chungen mit drei Unbe­kannten. Der Einfach­heit halber für die ersten drei:
n=1:   x +  y + z = 1
n=2:  4x + 2y + z = 7
n=3:  9x + 3y + z = 19
Die Lösung x=3, y=-3, z=1 führt auf a(n)=3·n²-3·n+1=1+3n(n-1). Das sind die zen­trier­ten Sechs­eck­zahlen.

Da Mathematiker nicht dauernd Glei­chungs­systeme lösen möchten, danken sie Newton für seine Formel

a(n) = a(0) + n·d(0) + C(n,2)·d2(0) + C(n,3)·d3(0) + ....        (1)

Darin ist dₖ die k-fach iterierte Diffe­renzen­folge und C(n,k) der Binomial­koeffi­zient n über k. Tut man so, als habe das erste Folge­glied nicht den Index n=1, son­dern 0, so liefert die Formel mit a(0)=1, d(0)=6, d₂(0)=6 und d&#8342(0)=0 für k>2 als Ergebnis

a(n)= 1 + n·6 + (n(n-1)/2)·6 = 1+3n(n+1)

Wegen des Beginns mit n=1 statt n=0 ist auf der rechten Seite n durch n-1 zu ersetzen. Das ergibt wie bereits ermit­telt a(n)=1+3n(n-1).

Das alles mag als nur in ein­fachen Fällen erfolg­verspre­chend erschei­nen, doch mamchmal kann damit auch aus einem undurch­sichti­gerem mit der Hand oder dem Com­puter erstell­ten Anfangs­stück einer Folge auf ein Bil­dungs­gesetz geschlos­sen werden. Zur Zahl 20 habe ich zum Bei­spiel von den 20 mögli­chen Ketten mit 4 roten und 7 weißen Perlen berich­tet. Für 4 rote und n weiße erhält man die Folge 1, 3, 4, 8, 10, 16, 20, 29, 35, ..., für die Diffe­renzen­bildung zunächst wenig hilf­reich erscheint:
Index n                        1   2   3   4   5   6   7   8   9  ...
Folge a(n)                     1   3   4   8  10  16  20  29  35  ...
Differenzen d(n)=a(n+1)-a(n)   2   1   4   2   6   4   9   6  12  ...
Differenzen 2.Ordnung         -1   3  -2   4  -2   5  -3   7  -4  ...
Betrachtet man aber nur die ungeraden Folge­glieder, so sieht die Welt schon besser aus:
Index n                        1   3   5   7   9  11  13  ...
Folge a(n)                     1   4  10  20  35  56  84  ...
Differenzen d(n)=a(n+2)-a(n)   3   6  10  15  21  28  36  ...
Differenzen 2. Ordnung         3   4   5   6   7   8   9  ...
Das führt auf die für ungerade n vermut­lich rich­tigen Tetra­eder­zahlen a(n)=(n+1)(n+3)(n+5)/48. Für gerade n muß man jedoch Korrek­turen anbrin­gen. Wieder hilft der gleiche Trick. Für gerade, doch nicht durch 4 teil­­bare (einfach ge­rade) n ergibt sich ein Zuschlag von (9n+21)/48. Wird er für alle geraden Indizes berück­sichtigt, bleibt nur noch für alle durch 4 teil­baren (doppelt ge­raden) n ein Rest von 1/4. Die vermu­tete Formel lautet also
a(n) = (n+1)(n+3)(n+5)/48
     + (9n+21)/48         falls n gerade
     + 12/48              falls n doppelt gerade
Ein Beispiel für n=8:
a(8) = [(8+1)(8+3)(8+5) + (9·8+21) + 12] / 48
     = [9·11·13+72+21+12]/48 = 1392/48 = 29 (stimmt!)
Natürlich müßte diese vermutete Formel noch als wirk­lich für alle n gültig über­prüft werden. Aber das kann man nur, wenn man sie auch kennt.

In modernen Zeiten gibt es zumeist ein­fachere Metho­den. Man kann in einer Bib­lio­thek für Zahlen­folgen nach­schlagen und findet heraus, daß man nicht der erste mit dieser Folge ist. [2] Im obigen Bei­spiel reicht es auch, das Aus­gangs­problem mit den Ketten ver­standen zu haben und dann in der Lage zu sein, mit Hilfe der von Polya ent­wickel­ten Methode die Formel aus der Problem­stellung abzu­leiten.

[1] Ich hatte in einer vorange­henden Version dieses Bei­trages d(n)=a(n)-a(n-1) mit a(0)=0 definiert, weil damit keine Infor­mation verloren geht und sowohl die Summen­folge der Diffe­renzen­folge als auch umgekehrt wieder das Ori­ginal ergibt. Doch der erste Wert d(1)=a(1) ist unnatür­lich, was dann dumm auffällt, wenn eine Fort­setzung ins Nega­tive von a(0)=0 abweicht. Außerdem ist es sinn­voll, nicht ohne Not von der allge­meinen Konven­tion abzu­weichen. Schon die Formel von Newton (1) macht deutlich, daß sie wohl die bessere Wahl ist und man Folgen möglichst mit dem Index n=0 beginnen sollte.
[2] The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences. A005232

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