Apriori
wuerg, 13.07.2020 20:30
Schön am Leben eines alternden Bloggers ist, anhand aktueller Ereignisse und Diskussionen immer wieder an Details aus jungen Jahren erinnert zu werden, die nicht auf der Müllhalde aus Belanglosigkeiten vergessen wurden. Dazu gehört auch eine Begründung der Apriori-Wahrscheinlichkeit abseits philosophischen Geschwafels: Wenn man von einer Wahrscheinlichkeit im engeren Sinne nicht sprechen kann, weil sie nicht durch eine Annahme oder zwingende Eigenschaft bestimmt ist und auch nicht durch ständige Wiederholung (a posteriori) immer genauer bestimmt werden kann, so darf man dennoch sagen, daß irgendein Ereignis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (a priori) eintritt. [1]
Je nach Umstand, Geschmack, Etikette, Verblendung, Wunschdenken, aber auch gemäß ihrer Entfernung von einer realistischen Einschätzung wird eine Apriori-Wahrscheinlichkeits-Behauptung empört als dumpfes Vorurteil abgelehnt oder stillschweigend ohne jedes Wimpernzucken akzeptiert. Wenn der Wetterfrosch im Fernsehen behauptet, es regne morgen mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent, dann nehmen wir es ihm ab, ohne sofort einen Facebook-Beitrag abzulassen: Du Spast, es regnet morgen gar nicht oder zu 100 Prozent. Auch kann nicht jeder Tropfen gleich Regen genannt werden, der zudem von Dir als minderwertig diffamiert wird.
Natürlich besteht immer der Verdacht, die Wahrscheinlichkeiten seien nur so dahingesagt oder zu grob geraten. Im Beispiel könnte die Aussage durch die Bereitschaft erhärtet werden, 7 zu 3 auf Regen oder 3 zu 7 dagegen zu wetten. Ich würde es nicht machen, denn ich bin kein Lottospieler und fürchte, am nächsten Tag darüber diskutieren zu müssen, was ein Regen sei. Außerdem könnte ein anderer mehr Kenntnis erlangt haben und vermuten, daß umgekehrt 30 Prozent eher zutreffen. Wenn ich aber an einer Wette nicht vorbeikomme, dann würde ich zumindest 1 zu 1 einen hohen Betrag auf Regen setzen. Und ist der andere wirklich von seiner Gegenbehauptung überzeugt, wird er die Wette annehmen.
Gute Vorurteile sind Apriori-Einschätzungen, die vorhandene Informationen angemessen berücksichtigen. Von naiven Menschen werden sie trotzdem gerne als negative Voreingenommenheit gewertet, sofern sie nicht in den Kram passen, selbst wenn sie sich mit der Zeit bewahrheiten. Mir aber kommt es mehr auf Wahrheit und begründete Überzeugung als Gesinnung an. Deshalb mußte ich auch das ein oder andere meiner Vorurteile korrigieren oder vergessen, auch wenn das mit dem Alter nicht nur wegen zunehmenden Starrsinnes immer seltener erforderlich wird, denn Erfahrung macht auch das Vorurteil treffsicherer. Zumindest bekomme ich keine Magengeschwüre, weil ich in mir spontan hochkommende Vorurteile verschweige oder gar verdränge.
Der geneigte Leser wird schon ahnen, worauf es hinausläuft: Auf Rassen, Frauen, Juden, Zigeuner, Ausländer, Vandalen, Proleten, Säufer, Motorradfahrer, Tätowierte, Kriminelle, Angeber, Reiche, Polizisten, Politiker, Virologen. Vielleicht wäre es einfacher, diese Modegruppen zu ignorieren, mir kein Vorurteil oder gar rechtskräftiges Urteil anzumaßen. Doch leider geht das nicht in einer Zeit, da nicht nur korrekte Meinung, sondern auch Haltung gefordert ist, überall die heilige Vielfalt lauert und man durch jedes unbedachte oder lockere Wort als vorurteilsbeladen klassifiziert und beschimpft werden kann. [2]
[1] Dazu muß das Ereignis nicht unbedingt in der Zukunft liegen. Es gilt auch für vergangene oder gar zeitlose Angelegenheiten, deren Kenntnis noch unvollständig, evtl. auch nie zu erlangen ist. Ein Beispiel: Wahrscheinlich (also zu 100 Prozent, aber nicht sicher) gibt es keine ungerade vollkomene Zahl. Sollte irgendwann eine gefunden werden, wäre das ausgesprochenes Pech und zugleich übergroßes Glück.
[2] Glücklicherweise ist die Rente sicher und ich muß mein Geld nicht durch Meinungsäußerung oder gar Satire verdienen. Immer weniger vermögen Ernst von Spaß, Satire von Hetze zu unterscheiden. Einige wollen es auch nicht. Sie ereilt eine dem frommen Bibelausleger analoge Strafe: Sie können mit der Zeit normale oder gar blumenreiche Sprache nicht mehr verstehen.
Symmetrie | Hassan Dabbagh | M-Wörter | Prekarioten | 46664 | Nafri | Sawsan Chebli | Hengameh Yaghoobifarah | Kartoffeln | Höher scheißen | Es reicht | Mimosen | Halbfinale | Deutsche sollen aussterben | 420 | N-Wort mit Gazelle | K-M-Wort | K-Wörter | Unser Deniz | Rotbart | Medaillenspiegel | Die Mannschaft | Personalausweis | Kofi Annan | Seicht aber unfair | Hetzjagd | Riesenküsse | Tag der Einfalt | Xenozentrismus
Je nach Umstand, Geschmack, Etikette, Verblendung, Wunschdenken, aber auch gemäß ihrer Entfernung von einer realistischen Einschätzung wird eine Apriori-Wahrscheinlichkeits-Behauptung empört als dumpfes Vorurteil abgelehnt oder stillschweigend ohne jedes Wimpernzucken akzeptiert. Wenn der Wetterfrosch im Fernsehen behauptet, es regne morgen mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent, dann nehmen wir es ihm ab, ohne sofort einen Facebook-Beitrag abzulassen: Du Spast, es regnet morgen gar nicht oder zu 100 Prozent. Auch kann nicht jeder Tropfen gleich Regen genannt werden, der zudem von Dir als minderwertig diffamiert wird.
Natürlich besteht immer der Verdacht, die Wahrscheinlichkeiten seien nur so dahingesagt oder zu grob geraten. Im Beispiel könnte die Aussage durch die Bereitschaft erhärtet werden, 7 zu 3 auf Regen oder 3 zu 7 dagegen zu wetten. Ich würde es nicht machen, denn ich bin kein Lottospieler und fürchte, am nächsten Tag darüber diskutieren zu müssen, was ein Regen sei. Außerdem könnte ein anderer mehr Kenntnis erlangt haben und vermuten, daß umgekehrt 30 Prozent eher zutreffen. Wenn ich aber an einer Wette nicht vorbeikomme, dann würde ich zumindest 1 zu 1 einen hohen Betrag auf Regen setzen. Und ist der andere wirklich von seiner Gegenbehauptung überzeugt, wird er die Wette annehmen.
Gute Vorurteile sind Apriori-Einschätzungen, die vorhandene Informationen angemessen berücksichtigen. Von naiven Menschen werden sie trotzdem gerne als negative Voreingenommenheit gewertet, sofern sie nicht in den Kram passen, selbst wenn sie sich mit der Zeit bewahrheiten. Mir aber kommt es mehr auf Wahrheit und begründete Überzeugung als Gesinnung an. Deshalb mußte ich auch das ein oder andere meiner Vorurteile korrigieren oder vergessen, auch wenn das mit dem Alter nicht nur wegen zunehmenden Starrsinnes immer seltener erforderlich wird, denn Erfahrung macht auch das Vorurteil treffsicherer. Zumindest bekomme ich keine Magengeschwüre, weil ich in mir spontan hochkommende Vorurteile verschweige oder gar verdränge.
Der geneigte Leser wird schon ahnen, worauf es hinausläuft: Auf Rassen, Frauen, Juden, Zigeuner, Ausländer, Vandalen, Proleten, Säufer, Motorradfahrer, Tätowierte, Kriminelle, Angeber, Reiche, Polizisten, Politiker, Virologen. Vielleicht wäre es einfacher, diese Modegruppen zu ignorieren, mir kein Vorurteil oder gar rechtskräftiges Urteil anzumaßen. Doch leider geht das nicht in einer Zeit, da nicht nur korrekte Meinung, sondern auch Haltung gefordert ist, überall die heilige Vielfalt lauert und man durch jedes unbedachte oder lockere Wort als vorurteilsbeladen klassifiziert und beschimpft werden kann. [2]
[1] Dazu muß das Ereignis nicht unbedingt in der Zukunft liegen. Es gilt auch für vergangene oder gar zeitlose Angelegenheiten, deren Kenntnis noch unvollständig, evtl. auch nie zu erlangen ist. Ein Beispiel: Wahrscheinlich (also zu 100 Prozent, aber nicht sicher) gibt es keine ungerade vollkomene Zahl. Sollte irgendwann eine gefunden werden, wäre das ausgesprochenes Pech und zugleich übergroßes Glück.
[2] Glücklicherweise ist die Rente sicher und ich muß mein Geld nicht durch Meinungsäußerung oder gar Satire verdienen. Immer weniger vermögen Ernst von Spaß, Satire von Hetze zu unterscheiden. Einige wollen es auch nicht. Sie ereilt eine dem frommen Bibelausleger analoge Strafe: Sie können mit der Zeit normale oder gar blumenreiche Sprache nicht mehr verstehen.
Symmetrie | Hassan Dabbagh | M-Wörter | Prekarioten | 46664 | Nafri | Sawsan Chebli | Hengameh Yaghoobifarah | Kartoffeln | Höher scheißen | Es reicht | Mimosen | Halbfinale | Deutsche sollen aussterben | 420 | N-Wort mit Gazelle | K-M-Wort | K-Wörter | Unser Deniz | Rotbart | Medaillenspiegel | Die Mannschaft | Personalausweis | Kofi Annan | Seicht aber unfair | Hetzjagd | Riesenküsse | Tag der Einfalt | Xenozentrismus
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