1 von 25
Ich meine vor knapp einem halben Jahrhundert im Spiegel gelesen zu haben, daß einer von 25 homo­sexuell sei. Das ging wohl auf die von Kinsey genann­ten vier Prozent zurück. Meine Suche in der allwis­senden Müll­halde för­derte nur einen Bericht über eine Schwulen­gruppe zutage, deren Grün­dungs­flug­blatt aus dem Jahre 1972 mit "1 von 25!" über­schrieben war. [1] In meinem Hirn setzte sich diese Quote fest, weil sie beglei­tet war von der Behaup­tung, die Zahl der Lesben über­steige die der Schwu­len um den Faktor drei. Sofort hatte ich gerech­net: Zwei Prozent Männer, sechs Prozent Frauen.

Bis heute hat sich am Verhältnis 1:24 wohl nicht viel geändert. Es gibt aller­dings zwischen den ausge­sprochen homo- und hetero­sexuellen Menschen recht viele, die sich bis­exuell oder noch anders ein­stufen. Ob diese Gruppe vor vierzig Jahren auch so mächtig war, weiß zumin­dest ich nicht. Offen­sicht­lich ist kaum einer dank der Straf­freiheit homo­sexuell, die somit auch nicht die hohe Frauen­quote erklärt. Ich glaube vielmehr, daß die Mehrheit der Jahr­tausende vorherr­schenden Männer sich zwei Frauen gut vor­stellen konnte, gleich­wohl sie grund­sätzlich auch der Tod­sünde Unkeusch­heit anheim fielen.

Schneller als Verhaltens­änderung und Reformen ist das das Ver­gessen. Heu­tige Jugend­liche wissen nicht mehr, was mit 175 gemeint ist, gleich­wohl dieser Para­graph erst 1994 aus dem Straf­gesetz­buch end­gültig gestri­chen wurde. Zuvor wurde er mehr­fach abge­schwächt, was ich beson­ders interes­sant und lustig finde, weil es in der Folge viele Aspekte zu berück­sich­tigen galt: War der Verkehr einver­nehmlich? War der Ver­führer bereits 18 oder 21 Jahre alt? Hatte der Ver­führte oder Dienstleister das 14., 18. oder 21. Lebens­jahr noch nicht voll­endet? Erst die Herab­setzung der Voll­jährig­keit im Jahre 1975 von 21 auf 18 Jahre verein­fachte die Lage. [2]

Auch evangelikale und radikale Christen sind heut­zutage aufge­schlos­sener, menschen­freund­licher, ange­paßter und aner­kennen jeden als Geschöpf Gottes, das in den Himmel kommen kann, sofern er sich zu Jesus bekennt. Sie drohen Homo­sexu­ellen nicht mehr mit Höllen­strafen und persön­licher Verach­tung, sondern bieten Heilung von ihrer Erkran­kung an. Ein Christ muß nicht seine Veran­lagung ändern, sondern nur von unkeu­schen Hand­lungen, mög­lichst auch Gedan­ken Abstand nehmen. Ein derart frommer Bekann­ter war sehr ent­täuscht, weil ein "Angebot" seiner Gemeinde abgesagt werden mußte, nachdem Schwulen-Vetreter protes­tierten.

[1] Wolfgang Jung: " Outet Euch! Outet Euch!" Mainpost, 18.05.2012.
[2] Auch ein Anachro­nismus dieser Zeit: Meine Schwester durfte mit 17 Jahren heiraten, ihr Mann benö­tigte mit 19 Jahren eine Voll­jährig­keits­erklärung.

Me2weihnacht | Das andere Ufer

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