Halbfinale
Zum Zwecke der Rückgewinnung von AfD-Wählern drücken sich einige Poli­tiker drastisch aus und nutzen die sich zuneh­mende Entlar­vung des Wunsch­denkens im Bereich Zuwan­derung, Aus­länder und Inte­gration. Sie müssen nicht direkt ausfal­lend oder diffa­mierend werden. Dank ausge­prägter Assozia­tionsgabe einiger geht das ganz einfach durch die Nutzung inter­preta­tions­freudiger Wörter wie halb oder final.

So hat Jens Maier von der AfD den Sprößling Noah Becker unseres Tennis­idols einen kleinen Halb­neger genannt. Das soll ihn natür­lich treffen und geht unter die Gürtel­linie, nachdem Noah Becker zu einem Rund­umschlag ausgeholt hatte. Merk­würdiger­weise stört sich keiner an dem Wort Neger, über das man sich ebenso aufregen könnte wie über Mulatte. Ich hatte Halb­neger spontan inter­pretiert als: Ist noch nicht einmal ein ganzer Neger. Da aber die Nazi­keule so schön schwingt, kommt man schnell auf den Halb­juden.

Ich lasse mir weder von rechts­radikalen Formu­lierungen, noch von der Sprach­polizei das Wort halb versauen. Ich muß es auch nicht als demi oder semi tarnen. Ohne Halb­leiter kein Handy. Eine Gruppe ist eine Halb­gruppe mit neutra­lem Element und Invertier­barkeit. Meine Kinder sind teil­weise Halb­geschwister. Belei­digungen haben eine kurze Halb­werts­zeit, entschuldigt man sich nach drei Tagen, ist kaum etwas übrig.

Ich kenne Noah Becker nur aus einem Bericht über sein Fehl­verhalten während einer Koch-Show. Deshalb glaube ich Herrn Maier, daß er Noah Becker noch weniger kannte als Gauland Boateng. Wenn man sich aber mit Hilfe anderer in den sozialen Medien breit macht, dann sollte man diese Leute gut aussuchen, sich nicht hinter ihnen verstecken und auch noch die Schuld zuschieben. Man könnte auch wissen, daß Noah Becker recht groß, also beileibe kein kleiner Hal­bneger ist.

Etwas weiter links erhofft sich der CSU-Politiker Manfred Weber die finale Lösung der Flücht­lings­frage als zentrales Thema nicht nur in Deutsch­land, sondern in ganz Europa. Gewiß ist das Wort final vorsätz­lich als Provo­kaltion eingefügt. Ich verstehe darunter zunächst den Wunsch, die Flücht­lings­frage endgültig zu regeln. Und meine erste Asso­ziation war eher der finale Rettungs­schuß, denn die End­lösung der Juden­frage. Auf die kann man zwar kommen, auch wenn man nicht die englische Über­setzung kennt, doch ist das eher eine sport­liche Übung für Menschen, die grund­sätzlich jede miß­liebige Äußerung mit dem Nationa­lsozia­lismus verbinden wollen.

Auch das Wort final lasse ich mir nicht von der Sprach­polizei nehmen, gleichwohl ich es dank schönerer Wörter nicht benutze, auch wenn der Duden final noch als bildungs­sprachlich einordnet. Die Physik wimmelt von Indizes i und f wie initial und final. Für Amerikaner ist alles und jedes final, auch der letzte Tag im Kindergarten. Deshalb ist final ein Wort für Leute, die ameri­kanische Serien nur im Original sehen oder Jens Spahn auf englisch anquat­schen. Für mich ist es einfach nur das letzte.

Islam

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(...) doch ist das eher eine sport­liche Übung für Menschen, die grund­sätzlich jede miß­liebige Äußerung mit dem Nationa­lsozia­lismus verbinden wollen.

Den Schuh ziehe ich mir nicht an, gleichwohl ist mir die sprachliche Nähe zur Endlösung schon sehr aufgestoßen. Und gerade bei einem so heiklen Thema wie der Flüchtlingsfrage, da fragt man sich schon, wie instinktlos kann ein Politiker sein? Das war doch klar, dass ihm das um die Ohren gehauen wird.

Und von den sprachlichen Empfindlichkeiten mal abgesehen: Eine finale Lösung des Problems auf europäischer Ebene halte ich mittelfristig für nicht sonderlich realistisch.

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Ich stimme Herrn Mark in allen Punkten zu.

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Da man normalerweise "den Schuh ziehe ich mir nicht an" sagt, nachdem man dazu aufge­fordert oder es einem unter­stellt wurde, meine Frage, was Sie damit meinen. Etwa, daß Sie wie ich natürlich die End­lösung mit­schwin­gen hören, das aber nicht Ergebnis einer perma­nenten Suche nach Nazi-Bezügen ist?

Ich wollte mich auf halb und final beschränken, sonst hätte ich natür­lich auch erwähnt, daß vor allem das Wort Flücht­lings­frage an die Juden­frage erinnert. Insofern ist die "final solution" nur eine Verstärkung.

Natürlich ist die Flüchtlings­problematik nicht in 2018 zu lösen, schon gar nicht endgültig. Und wenn ich auch der Meinung bin, daß daran ernst­haft gear­beitet werden muß, kann natür­lich keine Wannsee-Konferenz einbe­rufen werden, die das Problem mit äußer­ster Bruta­lität vom Tisch schafft. Mit den Folgen unseres Dusels müssen wir eine Weile leben.

Und was die Äußerungen selbst betrifft: Sie sollen Aufmerk­samkeit erregen und vor­sätzlich Nazi-Assozia­tionen wecken, wenn die gewählte Ausdrucks­weise nicht bereits verinner­licht ist und sich von selbst Bahn bricht. Es ist nur doof, wenn man über­treibt und von den eigenen Partei­gängern kriti­siert wird. Daß regel­mäßig eine finale halb­herzige Entschul­digung fällig wird, scheint einigen auch nicht peinlich zu sein.

Ich stelle mir vor, ich sei der Halbneger oder ein Flücht­ling. Das würde mich doch nicht beein­drucken. Mich interessiert deshalb mehr, warum und wie Halb­sätze solche Wellen schlagen können, wobei es mir auch mehr um Wörter als Inhalte geht.

So fiel mir auch die Sprache von Claudia Roth in der Entschul­digung auf: "dass es 2018 eine gemein­same euro­päische Lösung im Sinne der Hilfe für Menschen in Not braucht." Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.

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(...) Etwa, daß Sie wie ich natürlich die End­lösung mit­schwin­gen hören, das aber nicht Ergebnis einer perma­nenten Suche nach Nazi-Bezügen ist?

Exakt.

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Mich interessiert deshalb mehr, warum und wie Halb­sätze solche Wellen schlagen können, wobei es mir auch mehr um Wörter als Inhalte geht.

Manchmal geht es nicht mal um Wörter, sondern um Zungenschlag und Tonfall. Dieser Tage starb Phillip Jenninger, dessen Rede zur Reichspogromnacht seinerzeit für einen Eklat sorgte. Ignaz Bubis hat später weite Teile dieser Rede in einem eigenen Beitrag recycelt, was dann keine Sau gejuckt hat. Es macht also nicht nur einen Unterschied, wie etwas gesagt wird, sondern auch von wem.

Aber zurück zum Thema NS-Sprache: In meinem Germanistik-Studium bildete lingua tertii imperii keinen Schwerpunkt. Und so schrieb ich neulich selber von Systemmedien, woraufhin mich Frau Arboretum freundlicherweise darauf hinwies, dass die Nazis nahezu alles, was sie am politischen System der Weimarer Republik als kritikwürdig betrachteten, mit dem Wort System-*** kombinierten, also u.a. auch die Systempresse.

Ich selber hatte das System in meinem Kontext ja mehr so deskriptiv im Luhmannschen Sinne gemeint. Nun ist halt die Frage, kann ich den Begriff sozusagen reclaimen, so dass er in meinem wertneutraleren Sinn verstanden wird - oder begebe ich mich mit so einem vorbelasteten Begriff in Gesellschaft, mit der ich nicht so gern zusammen gesehen werde und der ich mich auch nicht zugehörig fühle?

Dass muss man im Einzelfall entscheiden, und manchmal hilft es bei der Entscheidungsfindung, eine Google-Suche zu bemühen.

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Da haben die Aufregungen doch noch einen Nutzen. Erinnern sie mich durch Sie an Bubis, den jüdi­schen Speku­lanten und FDP-Mit­glied, die Haß­figur aller Linken im Frank­furter Häuser­kampf, der sogar ein Theater­stück verbieten lassen wollte und sich später als Vorsit­zender des Zentral­rates der Juden rehabili­tieren konnte.

Wie es der Zufall so will, ist vor drei Tagen der "Ex-Bundes­präsi­dent" (Intouch) Philipp Jenninger gestorben, der nach einer äußerst unge­schickten Rede zurücktrat. Daß Bubis seine Worte in eine eigene Rede einfließen ließ und es keinen Protest gab, ist nicht verwun­derlich. Viele werden das Original noch in den Ohren gehabt haben, ein Jude darf Fehlein­schät­zungen seiner Glaubens­brüder benennen, und sein Publikum war im wohler gesonnen als die Abgeord­neten Jenninger.

Wenn man sich mit der Sprache, der Politik oder sonstwas des Dritten Reiches ausein­andersetzt und die Ergeb­nisse auch noch veröf­fentlicht, kann man nach wie vor nur hoffen, daß die Kritiker nicht gewalt­tätig werden. Die Legende vom verführten Volk muß man nicht mehr verbreiten, da es weit­gehend verstorben ist. Auch System darf man wieder sagen, zumal die System­kritiker gerade ihr fünfzig­jähriges Jubiläum feiern.

Ich lasse meine Äußerungen vor einer Veröffent­lichnug nicht durch einen nazi speech analyser laufen, auch googele ich nicht nach Nazi-Bezügen. Die Gefahr ist sehr gering, da mir anders als Jens Meier und Manfred Weber nicht einfach rechts­radikale Gedanken raus­rutschen. Wer dennoch welche sieht, ist doof oder dem Zeit­geist verfallen.

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Eigentlich sollte ich sagen: Wer ist Jens Maier, wer Manfred Weber, wer Noah Becker? Bis vor ein paar Monaten kannte ich keinen. Und nun muß ich mich infor­mieren. Und das aller­schlimmste, was ich in diesem Zusammen­hang lesen mußte, war ein Inter­view von Bärbel Schäfer mit Noah Becker, dem die mageren Sätze entnommen sind, die zu der Aufregung führten. Sie sind einge­bettet in ellen­langes Künstler­gesülze. Wie konnte davon etwas in die freie Welt entkommen? Liest der Mitar­beiter von Hans Maier etwa Frauen­zeit­schriften? Oder ist er eine Frau, die sich dort "Inspira­tionen und Impulse für selbst­bestimmte Frauen" holt? [1]

Ich weiß nicht, welche negativen Erfahrungen Noah Becker als people of color mit der Berliner Weiße gemacht hat. Dazu müßte er sie genauer schildern, nicht daß nur eine Frau seinet­wegen die Straßen­seite wechselte. Das muß nämlich nicht Rassismus sein. Auch hair shaming oder einfache Angst vor Leuten seines Ausse­hens wären eine gute Erklä­rung. Das legt ein ebenfalls nicht weißer Youtuber aus Dresden sehr klar dar: Es gibt natür­lich Rassismus einzelner, aber nicht immer ist er die Erklä­rung für unange­nehmes Ver­halten. Es wird oft auch Weißen gegen­über an den Tag gelegt, geschieht aus Unsicher­heit oder eben aus Angst. Und für die hat er mit Blick auf ihm ähnlich sehende Menschen Verständnis. [2]

Lustig ist auch sein Auftritt im Fernsehen. Die Modera­torin geht gerne auf seine Wortmeldung ein, da er ja wie ein Zuwan­derer aussieht. Sie fragt nach seinem Migra­tions­hinter­grund, und er sagt, er käme aus Dresden, ursprüng­lich aus Frankfurt. Das Publikum lacht, die Modera­torin erklärt es dem kleinen Kind und fragt nach den Eltern. Sie kommen aus Pakistan. Doch dann beklagt er nicht Diskri­minierung, sondern lasche Justiz, wodurch Straf­täter frei rum­laufen und Angst vor Fremden erzeugen. [3]

[1] Bärbel Schäfer: Noah Becker über Wut. Emotion, 04.01.2018.
[2] Ferz Khan: Als Migrantenkind in Sachsen | Moritz Neumeier | Racial Pro­filing. Youtube, "achse:ostwest", 08.10.2017.
[3] Ferz Khan: Mein Auftritt beim WDR #IhreMeinung - "Sind Flücht­linge noch will­kommen?" Youtube, "achse:ostwest", 08.10.2017.

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Erst wollte Noah Becker nicht wieder seiner guten Wut Luft machen und cool bleiben. Dann erkannte er die Publi­zität, die in einer Klage steckt, und inzwi­schen darf Jens Maier seine oder ähnliche Aus­sagen nicht unge­straft wieder­holen. Das Urteil verwun­dert nicht, hat er doch eine Einzel­person beleidigt. Da kommt es wenig darauf an, ob es zutrifft oder nicht. Schließ­lich ist Halb­neger eine Über­treibung, denn sein Vater ist Weißer und seine Mutter bereits ein Mischling.

Sein Vater Boris Becker hat eben­falls die Gunst der Stunde genutzt und nochmals darauf hinge­wiesen, wie schlimm Rassis­mus ist, und dabei auch nicht den neuesten Vorfall ausge­lassen: H&M hat einen far­bigen Jungen in ein Kapuzen­teil mit der der Auf­schrift "Coolest monkey in the jungle" gesteckt. Schon ein normaler Text ist ein Angriff auf den guten Geschmack. Das kann ein Foto­modell trauma­tisieren. Besonders mit einem Folge­vertrag in Milli­onen­höhe.

Daß Boris Becker nicht nur alle Menschen gleich behandelt, sondern auch pünktlich seine Steuern zahlt, glaube ich gerne. Auch sind alle Katzen gleich grau in der Besen­kammer, in der nichts pas­siert ist. Nach Beckers eigenen Worten hat er seiner Frau den nötigen Respekt auf einer Treppe gezollt, auf der er eine Russin so sehr berei­cherte, daß sie ihm später eine Tochter schenkte. Ich sehe ihm aber alles nach, denn er hat viel gelei­stet, auch wenn mich Tennis nie inter­essiert hat.

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So wie man bei der Kika-Liebesgeschichte zwischen einer minder­jährigen Deut­schen und einem erwach­senen Syrer Mord­drohungen von Spinnern und Rechts­radi­kalen erwartet, dann aber doch Isla­misten dabei sind, die ihren Sympathi­santen als zu nach­giebig einstufen und ihm vorwerfen, sich mit einer Schlampe abzu­geben, so erhält die sicherlich auch schwarze Mutter des schwarzen Jungen im Affen-Pullover nun Drohungen von Leuten, die ihr Rassismus vorwerfen, weil sie ihren Sohn verkauft habe.

Natürlich kann man allen Eltern von in Kleidungs­katalogen abgebil­deten Kindern einen Vorwurf machen, doch sieht der Junge nicht unglück­lich und unbe­gabt aus, soll auch mit anderen Über­würfen abge­lichtet worden sein, hat mit fünf Jahren die Aufschrift wohl gar nicht lesen können und hätte sie sicher­lich lustig gefunden, wäre sie ihm vorge­lesen worden. Weiterhin bin ich sicher: Ohne den Skandal wäre es ein Verkaufs­schlager geworden. Zumindest unter den schwarz­afrika­nischen Jungen in Südafrika, die nun vor verwü­steten Läden stehen.

Kika

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Die als "finale Staffel" beworbene dritte Staffel der Serie Zoo mit dem Titel "Zoo - The Final Battle" hat diese Woche begonnen.

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GMX begrüßt mich mit "final sale". Bei den Nazis war es der Winter­schluß­verkauf, der aber weder von ihnen erfunden noch beerdigt wurde.

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Heute bei SAT-1: Harry Potter und der Halbblutprinz.

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Anne Will hat heute zeigen lassen, daß die Residenz­pflicht und das Sach­leistungs­prinzip aus dem Sondie­rungs­papier von CDU/CSU und SPD wieder gestrichen wurden. Es trägt den Zusatz "Finale Fassung".

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Vor wenigen Tagen meldete der sog. News-Ticker von Focus Online zu Oprah Winfrey: "Sie habe sich aber noch nicht final entschieden, hieß es."

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