Titanic 2
Einmal wurde ein von mir eingereichter Text zu einem Brief an die Leser verar­beitet: "Der Kontroll­ausschuß besteht aus einem bzw. einer Vorsit­zenden, seinem Stell­vertreter bzw. seiner Stellver­treterin bzw. ihrem Stell­vertreter bzw. ihrer Stellver­treterin und drei Beisit­zern bzw. Beisit­zerinnen."

Diese Satzungsänderung der IG Metall wurde nicht von einer durch­geknallten Frauen­gruppe vorge­schlagen, sondern vom Vorstand. Sie entstand aus dem Bemühen eines Mannes, geschlechts­neutral oder -über­greifend zu formu­lieren und dabei Schreib­weisen mit großem I oder Schräg­strich zu vermeiden. Eine völlig analoge Formu­lierung habe ich auch an anderer Stelle gehört.

Ich weiß nicht, ob der Antrag unverändert durchging. Irgend­wann aber wurde der Abschnitt geändert, die Zahl der Beisitzer erhöht und das Eszet zu einem Doppel-S gemacht, denn heute heißt es kürzer aber dafür falsch: "Der Kontroll­ausschuss besteht aus einem bzw. einer Vorsit­zenden, seinem Stell­vertreter bzw. ihrer Stellver­treterin und fünf Beisit­zern bzw. Beisit­zerinnen."

Welch ein Glück, daß Vorsitzende für beide Geschlechter gleich lautet, auch im Dativ. Eigent­lich sind weitere Geschlechter zu berück­sichtigen, zumal es statt einer Frauen­abteilung nur noch eine Gruppe Gender Main­streaming gibt. Diese Namens­gebung ist Anpas­sung an den Zeit­geist, denn es geht einer Gewerkschaft als Vertei­digerin [1] sozialer Gerech­tigkeit um mehr.

[1] Gendersprache für die Öffentlich­keitsarbeit - Texte - Bilder - Veran­staltungen. IG Metall Vorstand, 2008. Die "Vertei­digerin" klingt ungewohnt, erscheint auf den zweiten Blick korrekt, auf den dritten aber würde ich als Mensch (m) und Person (w) beim generischen Geschlecht bleiben. Die Bro­schüre beschäf­tigt sich auch mit prakti­scheren Fragen: "Liegen die Zeiten so, dass Frauen und Männer mit Familien­pflichten teil­nehmen können?" Sie wendet sich auch gegen Schräg­striche, kann sich aber "und/oder" nicht verkneifen. Neutraler Schwach­sinn sitzt tief, auch in Frauen­köpfen.

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Titanic 1
Früher hatte ich Titanic nicht nur gerne, sondern auch regel­mäßig und einiger­maßen voll­ständig gelesen. Dann geriet ich an einen Partner, der wie alle Frauen an Männern mehr den Humor denn die Größe schätzte und mein Niveau weit über dem der Titanic ansie­delte. So habe ich mir die 6 Mark gespart und die alten Exem­plare in den Keller verbracht. Nach mehreren Umzügen sind fast alle verloren. Auch das von mir noch recht­zeitig bestellte Plakat "Ich war eine Dose" mit Madonna Klinsmann Thomalla Jesus am Kreuz. Schon damals war der Humor ungleich­mäßig verteilt. Die Kirchen grum­melten, doch die Weiß­blech-Industrie sah ihre Dosen durch den aus ihnen gefer­tigten Jesus verhöhnt. Eine Klage erbrachte ein Verbot in Bayern. Gleich werde ich mich vom Bild­schirm erheben und gucken, ob im Schreib­waren­laden einem weißen Mann das aktu­elle Titanic-Heft verkauft werden kann. Schließ­lich haben sie es mit Charlie Hebdo ja auch zwei Jahre ohne Angst versucht.

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