Zehn
Die Zahl Zehn ist sicher­lich bedeu­tend, doch im wesent­lichen nur wegen eines ein­zigen Umstan­des, näm­lich der übli­chen Dar­stel­lung der Zahlen mit zehn Zif­fern, dem Dezi­mal­system. Bevor man eine Zahl wegen einer Eigen­schaft rühmt, die sich allein aus ihrer Dezimal­dar­stel­lung ergibt, sollte man sich immer fragen, ob ver­gleich­bare Bedeu­tung nicht einer ganzen Reihe ande­rer Zahlen zu ande­ren Basen eben­falls zukommt. Es ist sicher­lich ein guter Sport, Beson­der­hei­ten der Basis 10 zu finden, um sie unter ande­ren heraus­zuhe­ben. Nur sollten sie nicht kon­stru­iert, sondern schlicht und einfach sein. Fünf Finger an jeder Hand sind allen­falls eine gute Erklä­rung für unsere Ent­schei­dung, mehr nicht.

Der für Vollkommen­heit stehen­den Zah­len ist kein Ende. Nach acht und neun nun auch zehn. Nicht zuletzt wegen der zehn Gebote, wovon nach Luther die ersten drei auf der einen und die letz­ten sieben auf der ande­ren Tafel stehen sollen. Das bestärkt die Heilig­keit der 10=3+7 als Summe zweier ande­rer hei­liger Zahlen, kann aber auch rein­inter­pre­tiert sein, zumal Reihen­folge und Zusam­men­fas­sung sich nach Glau­bens­rich­tung unter­schei­den. Schon in der Bibel gibt es mehrere Versi­onen, die nicht durch­nume­riert sind. Deshalb ist es wohl umge­kehrt: Es gibt nicht zwölf Gebote gemäß den Stäm­men Israels, sondern nur zehn, weil wir dezi­mal denken und uns ein Deka­log gut in den Kram paßt.

Als Summe der ersten vier Zahlen ist 1+2+3+4=10 die vierte Drei­ecks­zahl, eine Tetrak­tys genannte Vier­heit, die natur­gemäß gerne wie die Kegel beim Bow­ling als Dreieck darge­stellt wird. Das zeigt die zweite Figur im nach­ste­henden Bild. Die erste ver­sucht eine Veran­schau­lichung von 10=1+3+6 als drit­ter zen­trier­ter Drei­ecks­zahl. Um den blauen Mitten­punkt herum liegt ein grünes Dreieck mit zwei Punkten auf der Kante, darum ein rotes mit dreien. Man kann darin auch einen Tetra­eder mit blauer Spitze und roter Basis sehen. Deshalb ist zehn zugleich auch dritte Tetra­eder­zahl. [1]

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Zehn als Tetraeder- und Dreieckszahl, 8+2 Möglichkeiten für fünf Damen
auf dem 5×5‑Schach­brett und der 2‑aus‑5-​Code (png)

Die beiden Schach­bret­ter des nun­mehr vorste­hen­den Bildes zeigen die zehn Mög­lich­kei­ten, fünf sich nicht schla­gende Damen auf ein Schach­brett der Grö­ße 5×5 zu stel­len. [2] Das linke reprä­sen­tiert 8 durch Dre­hung und Spiege­lung entste­hende Mög­lich­kei­ten, das rechte ergibt unter reinen Rota­tionen keine neue Stel­lung, steht also nur für zwei Lösun­gen. Und die letz­ten beiden Spal­ten zeigen den 2‑aus‑5-Code, den Urvater vieler Strich­codes. Die ange­gebene Zuord­nung der zehn Zif­fern auf die Fünfer­ketten ist zwar grund­sätz­lich belie­big, folgt hier jedoch der gängi­gen Vor­stel­lung, daß den fünf Stel­len die Gewichte 6, 3, 2, 1 und 0 zukom­men. Nur auf die 0 trifft das nicht zu.

Was gibt es sonst noch? Nicht nur zehn Gebote, auch zehn Plagen, zehn kleine Neger­lein und die zehn Zweige des Lebens­baumes Sephi­rot, der die Zahlen von 1 bis 10 mit den 22 Buch­staben des hebrä­ischen Alpha­betes verwur­stelt. Eigent­lich nichts von eige­nem Wert, nur Aus­schmückung unseres Dezi­mal­systems, durch das es den Zehn­ten, Dezi­meter für zehn­tel Meter [3] und für Öster­rei­cher auch Deka­gramm gibt. Ein Dime zu 10 Cent umfaßt den zehn­ten Teil eines Dol­lars, Renn­fahrer geben nicht 100 Pro­zent, sondern ten tenths, der eng­li­sche Pre­mier­mini­ster wohnt in Num­ber Ten, mit zehn Jah­ren wird man Teen­ager, und das Zehn­fache wird gerne eine Größen­ord­nung oder Magni­tude genannt. [4] Ein Bel bezeich­net eine solche Ver­zehn­fachung. Fünf Dezibel, also die Wurzel aus 10 liegen mit 3,16 bemer­kens­wert nahe an der Kreis­zahl π. [5]

[1] Doch Vorsicht! Die vierte zen­trierte Dre­iecks­zahl 1+3+6+9=19 bildet keinen Tetra­eder 1+3+6+10=20, weil in der vier­ten Schicht ein Punkt unter dem blauen zu lie­gen kommt. Es kann ja auch nicht über n=1,2,3 hinaus für alle n Gleich­heit herr­schen, da die ebenen Drei­ecks­zah­len nur qua­dra­tisch wachsen, das Volu­men des Tetra­eders aber mit der drit­ten Potenz zunimmt. Von Bedeu­tung sind die drei Schich­ten (blau, grün, rot) nicht nur beim Sta­peln von Apfel­sinen, sondern auch in Kri­stal­len, in denen die Far­ben zwar von Schicht zu Schicht wech­seln müssen, doch nicht unbe­dingt in stets der glei­chen Abfolge.

[2] Ich weiß, es gibt 53130 (25 über 5) Mög­lich­kei­ten, weil nur Figuren fremder Farbe geschla­gen wer­den kön­nen. Und ein Schach­brett hat nicht 5x5, sondern 8x8 Fel­der. Doch dafür muß auf die 12, wenn nicht 92 gewar­tet werden.

[3] Früher war man humaner und dezi­mierte nicht auf den zehn­ten Teil, son­dern nur einen von Zehnen.

[4] Irgend­wie hatte ich im Klein­hirn, daß der Loga­rith­mus aus Magni­tude vor und Man­tisse nach dem Komma besteht. Zumin­dest letz­teres ist rich­tig. Bei Erd­beben und Stern­hellig­keiten steht eine Magni­tude auch für einen solchen Zusam­men­hang, nur mit einem ande­ren Faktor als 10. Bei Beben wohl die etwa dreißig­fache Ener­gie, bei Ster­nen geht es sogar nach unten, etwa um den Fak­tor 2,51 in der Hellig­keit.

[5] Da π2 im tägli­chen Leben kaum vor­kommt, wäre das von wenig Nutzen, wenn es nicht auf guten Rechen­schie­bern auch π‑versetzte Skalen gäbe, nicht (nur) um die Multi­pli­kation mit und Divi­sion durch π zu verein­fachen, sondern weil damit die Eins ziem­lich genau in der Skalen­mitte liegt. Das erweist sich als prak­tisch, weil durch diese Skalen mögli­cher­weise ein starker Auszug oder ein Umsetzen der Zunge vermieden werden kann.

9 | 11 | Dreieckszahlen | Logarithmentafel | Rechenschieber

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