Theorie und Praxis
Als Kind wollte ich unbedingt einen Schachtel­satz finden, der sich mit jeder Itera­tion nicht nur um ein Stück verlän­gert, sondern seine Länge verdoppelt. Beginnt man mit

Theorie muß in Praxis, Praxis in Theorie umge­setzt werden.

und ersetzt mehrfach die kursiven Wörter gemäß

Theorie --> die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen,
Praxis --> die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen,

so erhält man

(1) Die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, muß in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umge­setzt werden.

(2) Die Theorie, die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, muß in Praxis, die Praxis, die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, in Theorie umge­setzt werden.

(3) Die Theorie, die Theorie, die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, muß in Praxis, die Praxis, die Theorie, die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, die Theorie, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Praxis, die Praxis, Theorie in Praxis, Praxis in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, in Theorie umzu­setzen, in Theorie umge­setzt werden.

und so weiter, nachdem man den kursiven Text gerade und den ersten Buch­staben groß geschrie­ben hat. Schachtel­sätze, die sich nur am Ende um ein immer gleiches Stück verlän­gern, sind überschau­barer, doch nicht so inter­essant. Aber man kann einfache Ausgangs­sätze wie

Ein Mann traf letztes Jahr einen Mann, der sagte, ein Mann traf letztes Jahr einen Mann, der sagte, ein Mann traf letztes Jahr einen Mann, der sagte, ein Mann ...

aufmotzen, indem man jeden zweiten Mann zur Frau macht oder noch besser jedes zweite Teil­stück in einer fremden Sprache schreibt. Wenn man dann jede Doppel­periode auf ein Möbius­band schreibt, so enthält es nicht nur den unend­lichen Satz, sondern auf der Rückseite auch die Über­setzung. Das hat Clifford Stoll unter [1] demon­striert.

Ansatzweise kommen solche Schachtel­sätze nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis vor:

Darf man heute noch Neger sagen? [2]
Darf man heute noch 'Darf man heute noch Neger sagen?' sagen?
Darf man heute noch "Darf man heute noch 'Darf man heute noch Neger sagen?' sagen?" sagen?

Die Antworten lauten "nein", "nein, nein" und "nein, nein, nein".

[1] Clifford Stoll: The Never­ending Story (and Droste Effect) - Number­phile. Youtube, Number­phile, 16.09.2017.
[2] "Darf man heute noch Neger sagen?": MDR Sachsens setzt Radio­sendung über poli­tische Korrekt­heit nach Kritik ab. Meedia, 18.04.2018.

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