Lise Meitner
Viele Menschen wurden und werden als Frau oder homo­sexuell, wegen ihres Aussehens oder Herkunft benach­teiligt. Hinzu kommen widrige Umstände, die jedem wider­fahren können. Auch sie können als Diskri­minie­rung ausgeben werden, wenn man nicht gerade cis-hetero­sexueller weißer Mann ist. Wer anhand von Einzel­schick­salen eine Lanze für Frauen brechen will, kann schlecht zu uninter­essanten, unbedeu­tenden oder gar unbe­kannten Beispie­len greifen. Da müssen auch Wissen­schaft­lerinnen her, an denen wie an so manchem Mann der Nobel­preis vorbei­ging, weil sie in Erman­gelung weiterer Frauen von Männern einge­heimst wurden, die weib­liche Leistun­gen vorsätz­lich verschwie­gen.

Bereits zweimal zitierte ich einen Artikel [1] dieser Kategorie. Zum einen zu Chien-Shiung Wu auf Platz 7, die leider nur experi­mentell nachwies, was andere zuvor zumindest für möglich hielten. Zum anderen Rosa­lind Franklin auf Platz 1, die durch eine Röntgen­aufnahme zur Verbes­serung einer mit dem Nobelpreis ausge­zeich­neten Theorie beitrug. In beiden Fällen hätte es sich gehört, den Anteil dieser Frauen für jederman hörbar zu würdigen. Das versäumt zu haben, kann den durch die Nobel­preise berühmten Männern vorge­worfen werden. Man kann aber auch den Allmäch­tigen anklagen, Rosa­lind Franklin bereits im Alter von 37 Jahren abbe­rufen zu haben.

Mit Lise Meitner auf Platz 5 ist es ganz anders. Sie hat über zwei Welt­kriege hinweg mit Otto Hahn gearbeitet. Er verhalf im Som­mer 1938 der Prote­stantin jüdischer Eltern zur Flucht nach Schweden. Ein halbes Jahr später entdeckte er zusammen mit Fritz Straß­mann die Kern­spaltung. Zunächst infor­mierte er nur Lise Meitner, ein nicht ungefähr­liches Unter­fangen. [2] Sie lieferte sofort eine Erklä­rung. [3] Den Nobel­preis für Chemie des Jahres 1944 erhielt nur Otto Hahn. Nicht nur Lise Meitner und ihr Neffe und Mitar­beiter Otto Frisch gingen leer aus, auch Fritz Straß­mann und erneut ein fünftes Rad am Wagen: Die Chemi­kerin Ida Noddack, die bereits 1934 die falsche Ent­deckung von Trans­uranen bezwei­felte und gegen den Zeit­geist eine Kernspal­tung für möglich hielt.

Was den Nobelpreis betrifft hatte Lise Meitner trotz vieler Nominie­rungen Pech gehabt, führte aber ein langes und zufrie­denes Leben in Freund­schaft mit Otto Hahn. In der Wiki­pedia kann man nach­lesen, daß sie nie mit der Entschei­dung des Nobel­preis­komitees haderte. Ohne ihre Flucht hätte sie nach dem Krieg zusammen mit Otto Hahn den Nobel­preis entgegen­nehmen oder im Konzen­trations­lager enden können. Die Mär von der jüdi­schen Pazi­fistin, die durch einen Nazi um ihren Ruhm gebracht wurde, ist eine verbrei­tete und auch in [1] wieder einmal abge­schrie­bene femini­stische Lüge. Die Über­schrift "Lise Meitner entdeckte die Kern­spaltung" setzt noch einen drauf. Das ist grotten­falsch. Sie hatte aber einen vorberei­tenden Anteil an der Entdeckung und erklärte die Kern­spaltung, mit der ihr Name auf ewig verbunden bleiben wird.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018.
[2] Otto Hahn und Fritz Straßmann: Über den Nachweis und das Verhal­ten der bei der Bestrah­lung des Urans mittels Neutronen entste­henden Erdalkali­metalle. Natur­wissen­schaften 27:11, 1939. Zitiert nach [3], S. 346 schrieb Hahn an Meitner: "Ich habe mit Strass­mann verab­redet, dass wir vorerst nur Dir dies sagen wollen. Viel­leicht kannst Du irgend­eine phanta­stische Erklä­rung vor­schlagen."
[3] Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Springer Spektrum, 2. Auflage 2013. Seite 346: "Meitner (mit O. Frisch) gelang es inner­halb von zwei Wochen, aus dem kurz vorher ent­deckten Tröpf­chen-Modell die noch heute gültige Deutung zu ent­wickeln."

Chien-Shiung Wu | Rosalind Franklin

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