Zwei
Wie null für nichts, eins für das Indivi­duum, so steht zwei für ein Paar, wie es allent­halben vorkommt, insbe­sondere als Gegen­satz wie Gut und Böse, Mann und Frau, Kaffee und Tee. Zu zweit ist die Welt noch über­schaubar, das Zwei-​Körper-​Problem ist noch lösbar. Mehr gibt es kaum zu sagen, lebten wir nicht zuneh­mend in einer Zeit, da man zur Effekt­hascherei neigt, aus bil­ligem Eigen­inter­esse alles infrage stellt und in der Zwei über­holtes binäres Denken sieht. Wenn nicht eine Schub­lade zuviel, dann deut­lich zuwenig. Deshalb erlaube ich mir ein paar Abschwei­fungen:

Eins und eins ist zwei. So haben wir es in der vom weißen Mann domi­nierten Schule gelernt. Wenn in einer anderen Ethnie null *, eins $, plus ? und gleich 7 wäre und das Ergebnis nicht nur münd­lich von Gene­ration zu Gene­ration über­liefert oder in eine Fels­wand gehauen, sondern auf Papier links neben die Rechen­vor­schrift in umge­kehrter polni­scher Nota­tion geschrie­ben oder wie in diesem HTML-​File an einer geeignet klei­neren Adresse gespei­chert würde, dann könnte zwei als % geschrie­ben oder durch $$$***$*$**$$*$*$*$**$** kodiert sein und im Ein­klang mit der Gefühls­welt des Schrei­ben­den $$?7% gelten. Wenn die Befind­lich­keit zusätz­lich *7$$? und/oder %7* erfordert, darf das zu keiner Kritik Anlaß geben: Man verbietet einfach die Divi­sion des weißen Mannes oder töpfert sich eine neue, die auch durch * geht. [1]

Was kann man sonst noch zur Zwei berichten? Die Wiki­pedia erwähnt ihre Lage zwischen eins und drei. Außer­dem sei sie nicht nur die kleinste, sondern auch noch die einzige gerade Primzahl. Keiner anderen folgt sofort eine weitere. Und jetzt kommt es: „Alle geraden Zahlen sind durch zwei teilbar.“ [2] Würde ab der 0 oder 3 jede dritte Zahl terade heißen, dann wären alle teraden Zahlen durch 3 teilbar und 3 die einzige terade Primzahl. Ich gebe aber zu, daß gerade im Ver­gleich zu terade die wich­tigere Eigen­schaft und deshalb keine von mir erfun­dene Bezeich­nung ist, denn Divi­sionen durch 2 kommen wesent­lich häu­figer vor als solche durch 3. Zum Beispiel bei der Mittel­wert­bildung (x+y)/2. Dann sollte 2 ungleich 0 sein. Andern­falls muß man die Charak­teri­stik 2 außen vor lassen.

Im Anschluß geht es in der Wikipedia nur noch um Herkunft, Sprache und Zwei­heiten: Himmel und Hölle, gut und böse, Yin und Yang, Pola­rität, Dual, Pluralia­tantum, beide, Paare, Sekunden, Zwieback und die geschlechts­spezi­fische Dekli­nation: Zween Männer, zwo Frauen, zwei Kin­der. [3] Viel­leicht sollten Femi­nist(en/in­nen) die zwo aus einer Zeit, da man noch Telefon­nummern memo­rierte, für sich ent­decken und für alle verbind­lich vor­schreiben, solange die neuzeit­liche Vorstel­lung zweier (nicht zweener oder zwoer) Ge­schlech­ter nicht dekon­stru­iert ist. [4] Bis dahin muß man sich nicht ent­scheiden, kann beides haben: Elektro und Benzin, be hybrid!

Tag und Nacht, Sommer und Winter, Auf- und Unter­gang, Ost und West vermerkt die Wiki­pedia unter der Rubrik Astro­nomie. Zur Physik gilt es nur die magische Zahl 2 zu vermelden. Aber immerhin wird Symme­trie nicht nur im Men­schen, sondern in allen Wirbel­tieren, ja allen Bila­teria gesehen. Gibt es die nicht exakter auch anderswo? Und warum vertauscht der Spiegel links und rechts, nicht aber oben und unten?

Das Binärsystem sei von Leibniz erfunden worden. Und wo wurde das Dezimal­system entdeckt? Das ist zumindest rudi­mentär seit Jahr­tau­senden bekannt. Irgendwann nahm es mit den zehn Ziffern die heutige Gestalt an, ob mit Dezimal­komma oder -punkt. Einen Erfinder wird es nicht gegeben haben. Auch das Binär­system ist als Grund­gedanke sicher­lich älter als Tri- oder Hexa­gramme oder die mögli­cher­weise erste bekannte Beschrei­bung durch Pingala im alten Indien. Zwei­tei­lung und Ver­doppe­lung waren schon lange üblich, besonders bei Maßen und Gewichten. Schon vor 5000 Ja­hren hatte der Fuß 16 Fin­ger. [5]

In der Wikipedia unerwähnt bleiben so schöne Wörter wie andert­halb. Wie die für Esoteriker weib­liche Zwei aus der männ­lichen Eins entsteht, indem Adam eine Eva aus den Rippen geschnit­ten wurde, so ist bei vielen Paaren klar, wer die erste, das eine und wer der zweite, die andere ist: Anfang und Ende, Mann und Frau, Kind und Kegel, Geld oder Leben, Kopf oder Zahl, Dick und Dünn, alt und neu, auf und ab, aber ab und zu, hin und her, cis und trans, Dur und moll, ich und mein Alter. Benö­tigt man vom ersten nur die Hälfte, ist es ein­halb. Ist auch vom zweiten die Hälfte erfor­der­lich, heißt es andert­halb, nicht zwei­halb oder zweit­halb. [6] Der andere erlebt gerade seine Blüte und neigt zu über­hebli­cher Groß­schreibung. [7] Anders­sein ist ganz wichtig, für unge­trübte Zweisam­keit gibt es keine Opfer­punkte.

Beinahe hätte ich auch Tag und Nacht, links und rechts sowie wahr und falsch gelistet. Doch legen andere Völker und Reli­gionen den Abend und die Nacht vor den Tag, wovon uns nur die Vor­abende Hallo­ween, Heilig­abend und Silve­ster geblieben sind. Auch schreiben viele Menschen von rechts nach links, wenn nicht von oben nach unten. Und mein Beitrag zur Dekon­struk­tion des Binären: Falsch ist nicht der duale Partner von wahr. Die Logik kennt nur wahre Aussagen. Alle anderen sind unsinnig, unent­scheid­bar und werden falsch genannt, wenn ihre Nega­tion wahr ist. Eine falsche Aussage A wird nie als A sondern immer als „nicht A“, non A, ¬A, A [8] oder „A ist falsch“ notiert. Eine Dualität ist nicht durch­gängig vorhanden, kann aber zur Grund­lage weißen Mannes­denkens stili­siert selbst dann der Non-​Binär-​Mafia noch Nah­rung geben, wenn Geschlech­ter und Ehe schon lange ver­schwunden sind.

[1] Der rassismusfrei, aber dennoch stringent denkende Leser wird hoffent­lich mit mir, einem alten weißen cis‑Mann über­ein­stimmen und sagen: Dieser Alien-​Kram ist zwar schwer zu lesen und zu verstehen, doch mit leichten Vorkennt­nissen und Geduld geht es, und es kommt heraus, was wir immer schon wußten: Eins und eins ist zwei.

[2] Ich kann mir vorstellen, daß in allge­meineren Struk­turen, unter Außer­irdi­schen oder fremden Ethnien bereits in der dritten Klasse allge­meiner defi­niert wird und die Aussage, alle geraden Zahlen seien durch zwei teilbar, keine Wieder­holung der Defini­tion, sondern ein tief­lie­gender Satz ist. Mehr noch: Alle unge­raden Zahlen sind nicht durch zwei teilbar. Und auch die Umkeh­rungen gelten: Alle (nicht) durch zwei teil­baren Zahlen sind (un)gerade.

[3] Was ein Deklinationsaufwand aus einer Zeit, da es weder lecker Salat, noch lecker Suppe oder lecker Schnitzel gab.

[4] Was ein Glück für die Männer, daß die normalen bestimmten sub­stanti­vierten Ordinal­zahl­wörter weib­lich sind. Der Null würde das abrunden.

[5] Noch heute: digit–palm–shaftment–foot, inch–stick–hand, nail–span–cubit–yard–fathom.

[6] Für schlichte Gemüter auch eineinhalb. Dritt­halb, viert­halb usw. sagt man leider nicht mehr, aber immer noch drei­viertel Sechs und halb Zwei, nicht halb Ander, weil es ja weiter­geht, nicht mit der zweiten Stunde endet.

[7] Leider wird der einzelne nicht mehr klein geschrieben. Das bedeutet nichts für den anderen, allenfalls für den Ander­nen, Zuzweit­nen oder Paar­weis­nen, weckt aber Begehr­lich­keiten. Und Manche werden nicht ruhen, bis nur noch der eine oder Andere der alten Recht­schrei­bung anhängt.

[8] Fehlt der Strich über dem A, so hat die Text-​Dekoration wohl nicht versagt, sondern wurde einfach ignoriert.

1 | 3 | 128 | Zahlgeschlecht | Symmeterieargument | Ethnomathematik

... comment

 
Ich gebe zu: Nach einem metonischen Zyklus konnte ich die Zeichen­kette $$$***$*​$**$$*$*​$*$**$** auch nicht mehr sofort ent­schlüs­seln, zumal hinten ein nunmehr gestri­che­nes $ zuviel stand. Korri­giert und * durch 0 sowie $ durch 1 ersetzt ent­steht 11100010 10011010 10100100. In UTF‑8 steht dies für das Uni­code-​Zeichen mit der binä­ren Nummer 0010 0110 1010 0100 (fette Bits weg­lassen). Das ist hexa­dezi­mal 26A4, weshalb seine Bezeich­nung U+26A4 lautet. Es heißt „Inter­locked Female and Male Sign“ und sollte hier als ⚤ hoffent­lich richtig darge­stellt sein.

Das ist nicht selbst­verständ­lich, zumal blogger.de hexa­dezimal darge­stellte Unicode­zei­chen munter igno­riert, aber wenig­stens deren dezimale Darstel­lung umzu­setzen ver­sucht. Auch der Umbruch der 24 Zei­chen langen Kette zu Beginn konnte nicht wie erwartet mit <wbr> erreicht werden. Ich sah mich zu &#8203; genötigt. Im umge­kehrten Fall ist es nicht besser, wenn man meint, durch <nobr> einen Umbruch ver­hin­dern zu können.

... link  


... comment