Hallalabad
Frei-, Fahrten- und Jugendschwimmen bewahrten mich vor einer Fünf im Sport und erlaubten mir ein Abzeichen an der Badehose, ohne das man als Kind im Schwimmer­becken nichts verloren hatte. Auch wer sinnlos rumpad­delte oder mehr als einmal vom Becken­rand sprang, sah sich bald im Plansch­becken oder vor der Tür. Ohne Badekappe, die Haare in der Umwälz­anlage verhindern sollte, konnte man wieder nach Hause gehen.

Außerhalb des Schwimmunterrichtes kam ich nur selten in ein Frei- oder gar Hallenbad. Wir gingen zu Fuß zum Bagger­loch, wo es keine Bade­meister, aber auch keine Imbiß­buden gab. Ab und zu soff natür­lich einer ab, denn das Wasser konnte schnell sehr tief, kalt und strudelig werden. Wenn ich die aktuellen Meldungen lese, so scheint das wieder so zu sein.

Warum meiden die Menschen die zwischenzeitlich gebauten Hallen-, Frei-, Spaß- und Erlebnis­bäder mit ihren Wasser­rutschen, lauschigen Ecken, Sauna­anlagen, Wirlpoolen und Vollbe­wirtung? Die einen sind zu teuer, andere defekt oder geschlossen und alle durch­setzt mit allerlei Volks, das einem um ein mehr­faches stärker auf die Nerven geht als seiner­zeit die Radio­hörer mit den drei Tran­sistoren.

Erst wurden die Bäder geschlossen, weil sie marode wurden und kein Geld zur Verfügung stand, jetzt sind sie nur noch unter erheb­lichem Aufwand zu betreiben: Mehr und geschultes Personal, reich gebil­derte Hinweis­tafeln, Sicher­heitsleute und Müll­männer, die dank Disziplin­losigkeit und Gewalt­bereit­schaft gut zu tun haben. Und die Wasser­reinigung muß nicht nur mit Haaren und ungewa­schenen Bade­gästen, sondern auch mit deren Straßen­kleidung fertig werden. Beim Frauen­schwimmen gelegent­lich mit mehr.

Übergriffe, Lärm, Müll, Pöbeleien, Disziplin­losigkeit, Deutschen- und Frem­denhaß halten auch Leute fern, die sich ein Spaßbad leisten können. Sie ersaufen lieber hinter der Staustufe. Das könnte man den Dauer­meldungen der letzten Tage entnehmen, die trotz ihrer Vielfalt gar nicht für eine erhöhte Risko­bereit­schaft sprechen müssen, sondern nur einen letzter Versuch der Zeitungen darstellen könnten, sich mit Bade­unfällen über Wasser zu halten.

Ein Hallalabad [1] ist praktisch nur noch erträglich und seinen Preis wert, wenn man dank einer Jahres­karte regel­mäßig seine hundert Bahnen zieht und sich dann wieder aus dem Staub macht. Für Kinder und Frauen ist es wenig geeignet. Ob man als Mann mit seiner Tochter noch durch die Wasch­räume gehen sollte, weiß ich in Erman­gelung von Enkelinnen nicht. Früher mußte man mit ihnen nur an schwulen Rücken­duschern vorbei. Heute sollte man viel­leicht aufmerk­samer und abwehr­bereiter sein.

[1] Es gibt gewisse Flachwitze, die man sich ein Lebtag merkt: Wie heißt der chine­sische Polizei­hund? Langfing­fangwau! Wo gehen Moslems schwimmen? Im Hallalabad! Ein Witz aus der Zeit, da das Fremd­wort halal noch nicht in die deutsche Sprache einge­drungen war.

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Personalausweis
Im Laufe meines langen Lebens bat mich die Polizei nur selten, einen Personal­ausweis vorzu­zeigen. Den hatte ich obrig­keitstreu auch immer dabei und nicht von der Aida während einer Kreuz­fahrt ins Mittel­meer geworfen oder unter der Matratze versteckt. In meinen jungen Jahren waren es die Kontrollen des Schweine­systems. Nur weil ich lange Haare trug und Volvo fuhr, wurde ich ange­halten. Das war hair and car profiling und wurde damals wegen mangelnder Englisch­kenntnisse auch Raster­fahndung genannt.

Später war ich einmal Zeuge eines Verkehrs­unfalles und konnte natürlich meinen Personal­ausweis vorzeigen, obgleich es eine Kranken­kassen­karte wohl auch getan hätte. Den Ausweis sehen wollen weniger Polizisten, mehr Bankange­stellte und People of Color, die Post­schalter frei­schaffend verwesen. Zwar habe ich für eine sichere Authenti­fizierung und die ausge­bliebenen Segnungen der Digitali­sierung meinen Finger­abdruck speichern lassen, doch wegen Nutz­losigkeit das Paßwort vergessen.

Sollte ich einmal versehent­lich schwarz fahren, dann zeige ich meinen Ausweis vor und reiche für 7 Euro meine Fahr­karte nach. Besitze ich keine, bedankt sich der Kontrolleur ohne jede Über­prüfung für die über­reichten 60 Euro. Wenn man aber nicht bereit ist, irgend­etwas nachzu­weisen oder zu zahlen und sich dem Hausrecht wider­setzt, dann kann man schon einmal mit Gewalt auf den Bahn­steig verbracht werden. Früher ist man gerne wegge­laufen und hat sich späte­stens vor der Haustür freundlich von den Kontrol­leuren verab­schiedet.

Leider bin ich ein alter weißer Mann und werde keine Berühmt­heit erlangen, weil ich von Gutmen­schen wider­rechtlich gefilmt werde, während mich dunkel­häutige Kontrol­leure aus der Bahn zerren. Umgekehrt sieht das anders aus. Kontrol­leure sind gut beraten, reni­tente POCs einfach gewähren zu lassen. Von ihnen gibt es wie von Pennern so und so kein Geld, und im Gegen­satz zu letz­teren droht ihnen auch keine Geld­strafe oder gar Gefängnis.

Polizisten sind so und so vorsichtig bei der Kontrolle von POCs, verlieren sie am besten aus den Augen und damit auch aus dem Sinn. Das löst ihr Problem mit den Vorge­setzten, wenn sie wieder einmal die Kriminali­tätsrate viel­fältiger Gruppen durch über­fällige Kontrollen oder gar Anzeige von Beamten­beleidi­gungen in die Höhe treiben und dadurch das politisch vorge­gebene Maß zu überschreiten drohen, das durch Schwer­krimi­nelle bereits gut ausge­schöpft ist. "Sie sind nur dann auf der sicheren Seite, wenn sie wegschauen und nichts tun." [1] Nicht nur Diskri­mierung sieht anders aus, auch Gleich­behandlung.

[1] Polizisten stehen unter Rassis­mus-Ver­dacht. Freie Welt, 10.08.2018.

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Frauenärztinnen
Wir wissen, daß Frauen die besseren Auto­fahrerinnen sind. Möglicher­weise sind auch Frauen­ärztinnen die besseren Frauen­ärzte, denn ist der Arzt eine Frau, überleben mehr Kranke, vor allem Frauen. [1] Möglicher­weise war es nur eine Übung von Studenten der Wirtschafts­wissen­schaften, die ihre Statistik­künste unter Berück­sichtigung persön­licher Vorlieben ihrer Profes­sorin [2] auf medizi­nischem Gebiet probieren durften. Ich will nicht bezweifeln, daß den Männern mehr wegsterben und Frauen eher einem Herz­infarkt erliegen. Möglicherweise haben die männlichen Ärzte tatsächlich Probleme mit kranken Frauen, die häufiger "untypische Symptome" zeigen. Sind Männer für diese Symptome blind? Tragen sie zu der insgesamt hohen Frauen­sterb­lichkeit bei?

Die Ärtzezeitung [3] vermeidet Abartig­keiten in der Über­schrift und nennt etwas mehr Zahlen über die Aussichten der als Notfall mit der Diagnose Herz­infarkt einge­lieferten Patienten, die Klinik nur tot zu verlassen:
          Sterberate   Modell aus
          in Prozent   4 Faktoren
Arzt:     Mann  Frau   Mann  Frau
Männer:   12,6  11,8    rs    qr 
Frauen:   13,3  12,0    pr   pqrs
Der Wert p=1,036 steht für eine um 3 bis 4 Pro­zent höhere Sterb­lichkeit der Frauen im Vergleich zu Männern, q=0,919 be­deuten fast 9 Pro­zent höhere Über­lebens­chancen in der Obhut von Frauen, und s=0,982 lassen einen Gleich­geschlecht­lichkeits­bonus von 2 Pro­zent erkennen. Eine Frau hat bei einer Ärztin also mehr als 10 Pro­zent bessere Aussichten als bei einem männ­lichen Arzt.

Immerhin gibt das Ärzteblatt zu bedenken, daß Männer sich möglicher­weise mit den schweren Fällen rumschlagen müssen und ihnen deshalb mehr wegsterben. Es bleibt dann aber bei einem kleinen Gleich­geschlecht­lichkeits­bonus, der geradezu menschlich ist und nochmals verdeutlicht, daß es doch einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Aber warum sterben Frauen ganz allgemein leichter an einem Herz­infarkt? Weil sie im Mittel älter werden und mit Herz­infarkt wohl auch sind? Weil Männer in jungen Jahren von Säufer­leber oder Arbeits­unfall dahin­gerafft wurden? Weil Frauen leichte Infarkte als etwas anderes ausgelegt werden? Aber das sind Fragen, die sich allein mit Statistik für Wirtschafts­wissen­schaftler nicht beant­worten lassen.

[1] Ist der Arzt eine Frau, überleben mehr Frauen einen Herz­infarkt. Neue Zürcher Zeitung, 07.08.2018.
[2] Schön für Laura Huang, daß sie als Asiatin in Harvard lehren darf und sich auch für #equality anderer stark macht. Gerne kann sie auch den bei der Rettung der Fußball­jungen verstor­benen (Landsmann?) Saman Gunan als strah­lenden Helden feiern. Leider sind die statistischen Zahlen zu mager für eine Bachelo­rarbeit: Von einem Dutzend Tauchern ist einer gestorben und einer war ein Thai. Besteht ein Zusammen­hang?
[3] Frauen überleben Herzinfarkt häufiger, wenn sie von einer Ärztin behandelt werden. Ärzte­blatt, 07.08.2018. Sie ordnen dem Artikel die Kate­gorien Herz­infarkt und Gender­medzin zu!

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Partei, Kirche, Gewerkschaft
Den größten Teil meines Lebens war ich Mitglied der SPD, der evange­lischen Kirche und der größten Gewerk­schaft der freien west­lichen Welt. Aus der SPD bin ich nach 50 Jah­ren ausge­treten, und wollte heute meine Glaubens­gemein­schaft folgen lassen. Sie war jahr­zehnte­lang der teuerste der drei Vereine, hat mein Geld genommen und sich dem Islam ange­biedert.

Als ich vor vierzig Jahren in einem kirch­lichen Freizeit­heim zwei muslime Studenten des Weinbaus sah, glaubte ich tatsäch­lich, wir seien Anhänger des gleichen Gottes und Moslems stünden mir näher als Athe­isten. Ich kannte den Koran nicht, die unselige Entwick­lung war kaum zu erkennen und Khomeini befand sich noch im Exil. Heute habe ich einen realisti­scheren Blick und erwarte ihn durch Güte, Weisheit und Kenntnis geläutert auch vom Rats­vorsit­zenden meiner Kirche.

Doch was eine gequirle [1] muß ich heute lesen: Bedford-Strohm hält die Trauer­rede für die von einem marok­kanischen Lastwagen­fahrer ermordete Sophia L. und schwurbelt zwei Sätze heraus: "Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn sie aus dem Mißtrauen gelebt hätte. Aber wäre das das bessere Leben gewesen?" [2] Ja und ja! Auch für den Marok­kaner. Egal, ob sie aus Naivität einstieg oder ein gemein­sames Schlepper­geschäft durch­ziehen wollte.

Wer seinen Schafen empfiehlt, sich derart zum Fraße vorzu­werfen, der mag noch auf dem Boden des Christen­tums stehen, zu dem auch Menschen gehören, die sich freudig in die Verfol­gung begeben. Aber nur am äußer­sten Rande. Der normale Christ benötigt keine Geist­lichen, die vor dem Islam einknicken und ihr Kreuz verstecken.

Beinahe wäre ich heute ausge­treten, obwohl ich als Rentner mit zwei Kinder­freibe­trägen derzeit keine Kirchen­steuer zahle. Wegen Martin Luther und dem ewigen Leben aber bleibe ich. Viel­leicht kommt etwas Besseres nach. Ein vernünf­tiger Mensch wie der Vorgänger Nikolaus Schneider.

[1] "Wäre es das bessere Leben gewesen?" Cicero, 03.08.2018.
[2] Dushan Wegner: Bedford-Strohm und das Leben der Anderen. Achgut, 03.08.2018.

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Seemeile
Fast jedermann weiß, daß eine Seemeile einer Winkel­minute entspricht, nicht nur auf hoher See, auch auf dem Land. Sie wurde immer wieder neu definiert, zumal sie sich nur schlecht in Maßsysteme einfügt. Es ist auch nicht klar, wie lang denn eine Winkel­minute wirklich ist. Heute sehen wir die Erdge­stalt als ein Rotations­ellipsoid mit einem Äqua­tor­radius von 6378,137 Ki­lo­metern. Der Abstand der Pole vom Erd­mittel­punkt ist mit 6356,752 Ki­lo­metern etwa um ein Drei­hundert­stel kleiner. Wenig von Bedeutung ist dabei, daß ein Schiff nicht immer auf "Normalnull" die Meere kreuzt.
1842,90460 m - geographische Breitenminute am Äquator
1849,10429 m - geozentrische Breitenminute an den Polen
1851,5842  m - frz. Seemeile - 5700 Pariser Fuß
1851,85185 m - 40.000 km geteilt durch 21.600
1852       m - neue internationale nautische Meile
1852,01    m - alte internationale nautische Meile
1852,21593 m - Meridianlänge geteilt durch 54.000
1853,184   m - engl. Seemeile - 6080 imperial foot
1853,24867 m - amer. Seemeile - 6080,2 survey foot 
1853,24901 m - Winkelminute auf volumengleicher Kugel
1855,32485 m - geozentrische Winkelminute am Äquator
1855,46    m - alte Winkelmininute am Äquator - Landmeile
1861,56633 m - geographische Breitenminute an den Polen
Konfusionen sind vorpro­grammiert, wenn man andere Meilen in ähnlicher Größen­ordnung benutzt oder durch Teilung der Seemeile in die Nähe anderer Maße kommt. [1] Zum Beispiel im Bereich der Kabel­länge von etwa einer zehntel See­meile:
182,88     m - imperial cable length - 600 imperial foot
185,2      m - internationale Kabellänge - 1/10 Seemeile
185,22     m - Stadion zu 600 kyrenaische Fuß
185,3184   m - GB cable length - 608 imperial foot
194,9036   m - Encablure - 600 Pariser Fuß
200        m - metrische Kabellänge
219,456444 m - US cable length - 720 survey foot
Sehr unangenehm ist auch die Ähnlich­keit des Klafters mit einer tausend­stel Seemeile:
1,624176   m - Brasse - franz. Faden - 5 Pariser Fuß
1,8288     m - Fathom - engl. Klafter - 6 imperial foot
1,829      m - Fathom nach EG-Richtlinie gerundet
1,852      m - Faden als 1/1000 int. nautische Meile 
1,88312    m - preußischer Faden - preußisches Klafter
1,949036   m - Toise - franz. Klafter zu 6 Pariser Fuß
Die bemerkenswerte Überein­stimmung von Kalbel­länge und Stadion führt auf 216.000 Sta­dien für den Erd­umfang. Laut Wiki­pedia soll Erato­sthenes ihn mit 250.000 ge­mes­sen und auf 252.000 kor­ri­giert haben. Unklar ist, ob er grob daneben lag oder seine Stadien deutlich kürzer waren. Ich gehe von letz­terem aus. Und seine Korrektur mag darauf beruhen, daß er in den Biblio­theken genauere als seine Werte fand: 600 reale Gudea-Fuß zu metro­logischen 26,46 Zen­ti­metern bilden eine chal­däische Stadie zu 158,76 Me­tern, 70 davon die chal­däische Para­sange zu 11,1132 Ki­lo­metern, von denen 3600 mit 40.008 Ki­lo­metern den Meridian­umfang auf 400 Meter genau treffen. [2,3,4]

Warum sollte der Erdumfang nicht schon 4000 Jahre bekannt sein? Dazu benötigt man nur einen genauen Winkel­messer, mit dem man die Höhe des Polar­sternes an zwei Orten mißt, und fleißige Arbeiter zur Messung der Entfer­nung in Nord-Süd-Rich­tung. Erato­sthenes hat den Sonnen­stand vermessen, was wegen Größe und Bahn­schwan­kung der Sonne unge­nauer ist. Außerdem hätte jeder Flach­erdler gesagt, seine Messungen zeigten nur, daß die Sonne 6400 Kilometer über dem Erdboden schwebt. [5] Für Fixsterne zieht dieses Argument nicht, weil die Stern­bilder an jedem Ort die gleichen Propor­tionen zeigen, also sehr weit weg sein müssen.

Im Laufe der Jahrhunderte geriet dieses Wissen weit­gehend in Verges­senheit, weshalb noch heute viele annehmen, die Menschen hätten bis Koper­nikus die Erde als Scheibe geglaubt. Wohl nicht nur die Römer machten ihr Reich größer, indem sie den Erdumfang redu­zierten. Und Kolumbus meinte, in Indien gelandet zu sein, weil er von einer deut­lich zu kurzen Meile ausging. Hat es während seiner Reise­zeit eine genau vorher­gesagte Mond­finsternis gegeben, so hätte er seinen Irrtum erkennen können.

[1] Die Wikepedia nennt kontra­intuitiv 1843 Ki­lo­meter am Äquator und stolze 1862 an den Polen. Zu diesen Werten gelangt man, wenn der Winkel nicht vom Mittel­punkt der Erde, sondern von dem des Krümmungs­kreises gemessen wird. An die Stelle des geozentrischen Winkels tritt die geogra­phischen Breite, der Winkel zwischen Äquator­ebene und dem Lot auf die Ober­fläche des Erdellip­soides.
[2] Siegfried Schoppe: Heinrich der Seefahrer, Kolumbus und Magellan. Seite 140. Bei Google-Books zu lesen, URL ist mir aber zu lang.
[3] Natürlich liegt der Verdacht nahe, der reale Gudea-Fuß sei an den Erdumfang angepaßt worden, und zwar in der Neuzeit. Doch das wird den aktiken Maßen und insbe­sondere dem im Louvre zu besichti­genden Gudea-Fuß nicht gerecht. Und selbst wenn alles erfunden wäre: Der Erdumfang betrüge dann immer noch 151.200.000 er­fun­dene Füße, die wiederum 4/15 des Sekunden­pendels zu Babylon entspre­chen. Damit bilden 40.320.000 Se­kun­den­pendel den Erdum­fang. Auf den ersten Blick keine beson­dere Zahl, aber als 63 mal 64000 doch mit sehr kleinen Faktoren, also ein glück­licher Umstand.
[4] Möglicherweise ist der Faktor 7 in den 252.000 Sta­dien dafür verant­wortlich, daß der kyre­naische Fuß mit 30,87 Zen­ti­metern als 7/6 des realen Gudea-Fußes fest­gelegt wurde. Ein kyre­naisches Stadion mißt damit 185,22 Meter und ist so lang wie das Stadion zu Athen. Der Erdumfang beträgt dann 216000=60^3 dieser Stadien.
[5] Eric Dubay, 200 Beweise dass die Erde keine rotierende Kugel ist (German). Youtube, 14.12.2017. Wem diese zwei Stunden zuviel sind, der wird auch kürzere Filmchen finden. Keine Angst! Zwar sind solche abstrusen mit Nasa-Ver­schwö­rungen verbun­denen Vorstel­lungen eher im rechten Spektrum zu finden, doch färbt deren Betrachtung nicht braun ab.

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518616
Die metrolo­gische Näherung von 518616 Mikrometern liegt im Vertrauens­bereich von einem Promille der empi­risch gefun­denen Länge der mesopo­tamischen Nippur­elle von 0,51835 Metern. Zur Begrün­dung wird angegeben, daß n=0,518616 eine 7-glatte Zahl sei. Das stimmt, ist aber nicht die ganze Wahrheit, denn von einer solchen Zahl ist noch mehr zu fordern oder zu wünschen.

Eine Zahl heißt p-glatt, wenn sie sich als Produkt aus Potenzen von Prim­zahlen bis p darstellen läßt. [1] Nur die Zweier­potenzen ..., 1/4, 1/2, 1, 2, 4, ... sind 2-glatt. Dagegen kann jede positive Zahl beliebig genau durch eine 3-glatte genähert werden. Weniger syste­matisch, dafür aber musika­lisch gelangt man zu einer 3-glatten Näherung von e=0,51835:
(1)  5 Quinten ≈  3 Oktaven:  2^8/3^5  = 1 + 0,0535
(2) 12 Quinten ≈  7 Oktaven: 2^19/3^12 = 1 - 0,0135
(3) 53 Quinten ≈ 31 Oktaven: 2^84/3^53 = 1 - 0,0021
Als 0. Näherung von e=0,51835 kann e0=1/2 gewählt werden. Es ist e=e0·(1+0,0367). Diese Abwei­chung korri­giert man gut durch die Kombi­nation von (1) und (2). Damit wird die 1. Nähe­rung e1 erreicht:
e1 = e0·(2^8/3^5)·(2^19/3^12) = 2^26/3^17 = 0,51966
 e = (2^26/3^17)·(1-0,0025)
Die Abweichung von zu großen 2,5 Promille kann größten­teils durch (3) beseitigt werden:
e2 = e1·(2^84/3^53) = 2^110/3^70 = 0,51858
 e = (2^110/3^70)·(1-0,0004)
Mit e2 ist also eine hinrei­chend genaue Näherung durch eine 3-glatte Zahl erreicht. [2]

Das ist aber nicht, was der Metro­loge sich wünscht. Da bei der Ablei­tung antiker Maße oftmals durch 7 zu teilen ist, beschränkt er sich auf 7-Glatt­heit. Dafür soll es sich aber um eine Dezimal­zahl mit möglichst wenig Stellen handeln, die mehr­fach durch 7 und auch 3 zu teilen ist, um Periodi­zitäten in der Dezimal­darstellung zu vermeiden. Also Zahlen der beiden Formen:
n = z / 10^d = 2^a·3^b·7^c·x / 10^d
n = z / 10^d = 5^a·3^b·7^c·x / 10^d
Die Exponenten dürfen nicht negativ sein, b und c sollten mindestens 2, besser noch größer sein. Der Faktor x ist ein nicht durch 2, 5 und 7 teilbarer mitzu­schlep­pender ganz­zahliger Rest, der am besten ein­fach 1 ist.

Für den im Rahmen der Genauig­keit kleinsten Exponen­ten d=3 ist nur z=518=2·7·37 möglich. Zwar mit Glück ein Faktor 7, doch leider nicht durch 3 teilbar. Außerdem ist ein nutz­loser Faktor 37 mitzu­schleppen. Für d=4 darf z von 5183,5 höch­stens um 5,2 abwei­chen. Verlangt man Teilbar­keit durch 7, so kann y=z/7 nur 740 oder 741 sein. Im ersten Falle erhält man nichts neues gegen­über d=3. Und 741=3·247 ist nicht besser, zumal ein Faktor 247 mitge­schleppt werden muß. Für d=5 darf z von 51835 nur um 52 abwei­chen. Verlangt man zwei­fache Teilbar­keit durch 7, so kann y=z/49 nur 1057 oder 1058 sein, bei leichter Grenz­über­schrei­tung auch 1059. In allen drei Fällen ergeben sich zu große mitzu­schleppende Faktoren 151, 529 bzw. 353. Deshalb nun d=6 mit z im Bereich von 517832 bis 518868. Bei drei­facher Teilbar­keit durch 7 ergeben sich für y=z/343 die Werte 1510, 1511 und 1512. Der erste ist durch 10 teilbar, also schon bei d=5 berück­sichtigt, der zweite enthält leider keinen Faktor 2, 3, 5 oder 7. Doch y=1512=2·2·2·3·3·3·7 erweist sich als perfekt:
z = 7^3·y = 343·1512 = 518616 = 2·2·2·3·3·3·7·7·7·7
Deshalb gilt 0,518616 Meter als der metrolo­gische Wert der Nippurelle. Er ist nur ein halbes Promille größer als der mitt­lere Wert und liegt deutlich im Rahmen der Meßge­nauig­keit. [3] Wegen der vielen Teilbar­keiten ergeben sich für fast alle antiken Maße in Metern endliche Dezimal­zahlen: Drei 7er-Potenzen verbrät der ägyp­tische Königsfuß von 200/343 Nippur­ellen, metro­logisch exakt 0,3024m. Der reale Gudea­fuß benötigt mit 0,2646m eben­falls nur 4 Nach­komma­stellen. Beim römi­schen Fuß bleibt es mit 0,296352m bei sechs Stellen.

[1] Sloane: A002473. Liste der ersten 10000 humble numbers, also 7-glatte natürliche Zahlen. Ich lasse für glatte Verhältnisse auch negative Exponenten, also rationale Zahlen mit glattem Nenner und Zähler zu.
[2] Man mag nun einwenden, es ginge auch mit kleineren Exponenten, denn 5184=2^6·3^4. Doch 0,5184=2^2·3^4/5^4 ist keine 3-glatte Zahl, sie ist ledig­lich 5-glatt. Wenn es einem nur um die Dezimal­ziffern­folge geht, dann darf man wegen 10=2·5 nicht unter 5-glatt gehen.
[3] Ebenfalls 7-glatt mit maximal einem Promille Abwei­chung von 518350 ist 518400, die nicht gefunden wurde, weil aus metrolo­gischer Sicht Teil­barkeit durch 7 gefordert war. Andere gibt es nicht. Laut [1] ist die 1080. ganze 7-glatte Zahl 516096 zu klein und die 1083. mit 524288 zu groß. Dieser Tabelle ist auch zu entnehmen, daß eine Dezimal­stelle mehr (d=7) nichts bringt. Mit einer weiteren Dezimalen liegt die 3020. Zahl 51883209=3^2·7^8 gerade noch im Vertrauens­bereich von 5183500. Doch jede in der Antike so beliebte Zwei­teilung lieferte noch eine Stelle mehr. Und nur der Vollstän­digkeit halber: Die 6831. Zahl lautet 5184974592=2^8·3^10·7^3, eine 11. Dezi­male bringt nichts mehr.

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Sekundenpendel
Wenn man dem vernünf­tigen Gedanken folgt, daß neuere antike Maße in vorwie­gend ratio­nalen Verhält­nissen auf älteren aufbau­ten [1], dann liegen sehr viele verwert­bare Arte­fakte vor, die zu einer Nippur­elle von 0,51835m führen, wovon der "wahre" [2] Wert nur um ein Promille abwei­chen sollte. Ich benutze im folgen­den den etwas größeren, dafür aber sieben-​glatten metro­logi­schen Wert e=0,518616m.

Alexander Thom will in noch älteren Bauwerken und Orna­menten ein steinzeit­liches Maß von 2,715 eng­lische Fuß, also 0,827532m gefunden haben, das er megali­thisches Yard nannte. [3] Wenn man ihm folgt, sollte die Nippur­elle daraus hervor­gegangen sein. [4] Die Abweichung vom Verhält­nis 5:8 beträgt nur zwei Promille. Da die Messungen nur auf ein Prozent genau waren, darf ich von einem metrolo­gischen megali­thischen Yard von m=8e/5=0,8297856m ausgehen. Das liegt wenig über 2,72 eng­lische Fuß.

Numerologen benutzen diese dreistellige Zahl für akroba­tische Ablei­tun­gen. [5] Andere glauben, man habe schon in der Steinzeit die Maße aus vermeint­lichen Natur­konstanten, also gött­lichen Gegeben­heiten abge­leitet. Beliebt sind Teilungen des Erdum­fanges, die eben falls in [5] zu bewundern sind, aber meines Erachtens vor mehr als 4000 Jah­ren nicht möglich waren. Bleibt das Pendel, das weit­gehend unab­hängig vom Gewicht bei gleicher Länge für jede Schwingung immer die gleiche Zeit benötigt.

Die Länge eines idealen Pendels mit einer Halbschwin­gungs­zeit T=1s heißt Sekunden­pendel. Bei einer Erdbe­schleuni­gung g=9,793m/s^2 knapp unter­halb des 30. Brei­tengra­des [6] ergibt sich s=g·(T/π)^2=0,99225m=375e/196 als metrolo­gischer Wert. [7] Um davon nennes­wert abzu­weichen, muß man schon auf einen hohen Berg steigen oder nach Skandi­navien reisen. Mit diesem Sekunden­pendel ergibt sich für ein idelaes Pendel der Länge l eine Halb­schwin­gungs­zeit von Sqrt(l/s) Se­kunden.

Aus m=8e/5 und s=375e/196 ergibt sich m/s=1568/1875 und damit für ein ideales Pendel von einem megali­thischen Yard eine Halb­schwin­gungs­zeit von Sqrt(1568/1875)=0,914476 Se­kunden. Das sind 94480 Schläge an Tag. Die 366-Eso­teriker [8] haben die Pendel­länge halbiert, wodurch sich 133615 Schläge ergeben, was nahe 366·366=133956 liegt. [9] Ein ideales Pendel, das 366 mal 366 mal am Tag schwingt, hat die Länge 0,412785m. Damit ist das esoterische megalithische Yard nur 0,82557m lang, also um zwei bis vier Millimeter kürzer als alle anderen Annahmen und Messungen.

In solchen Fällen versuchen Spinti­sierer gerne Anpas­sungen, die hier aber weit­gehend versagen. Man könnte ein kleineres Sekunden­pendel annehmen, müßte dazu aber auf einen hohen Berg steigen oder Rich­tung Äquator die Hoch­kultur verlassen. Nimmt man statt des synodi­schen Tages den sideri­schen, wird es nur schlimmer. Das gilt auch für die Vermu­tung, unsere Vorfahren hätten mit realen Pendeln die Länge und damit alle ihre Maße zu hoch ange­setzt. Aber leider steigt die Pendel­zeit mit ausge­dehnten Gewichten oder zu großen Aus­schlägen. Sie hätte also zu kurz, nicht zu lang gemessen.

Bleibt die Antwort auf den Einwand des aufmerk­samen Lesers: Es gab damals keine Sekunde und damit wohl auch kein Sekunden­pendel. Das ist aber nicht drama­tisch: Auch wenn ein anderes Zeit­intervall zugrunde­liegt, bleibt doch die Beziehung bestehen. Ein Beispiel auf der Basis der uralten Teilung des Tages in 360 Teile: Um in diesen 240 Se­kun­den genau 360 Schläge zu bekommen, kann ein Stab der Länge l=2s/3 pendeln. Wenn Gudea sein ideales Maß zu seinem realen ange­paßt hat, indem er dieses l in 40 Finger teilte, wäre das gleiche heraus­gekommen wie aus der Über­legung mit dem Sekunden­pendel. [10]

[1] Rolf C. A. Rottländer: Ableitung der alten Längen­einheiten und deren rechne­risches Verhältnis.
[2] Einen "wahren" Wert gibt es nicht, auch wenn unsere Vorfahren sich einen vorge­stellt haben mögen. In jedem Falle konnten sie ihn nicht so genau defi­nieren oder dar­stellen, daß jemals ent­schieden werden kann, ob rati­onale Verhält­nisse wirk­lich gegeben sind. Bemerkens­wert bleibt in jedem Falle die Genauig­keit trotz mehr­stufiger Ableitung aus den Urmaßen.
[3] Die Bezeichnung Yard ist nicht nur der Länge von etwa einem engli­schen Yard geschuldet. Vielmehr teilte sich eine Nippur­elle in 30 Finger, von denen 16 einen Fuß von 27,6 Zen­time­tern bildeten. Ein megali­thisches Yard maß damit wie das engliche drei Fuß.
[4] Man muß ihm nicht folgen, vor allem nicht den Jüngern, die in der ganzen Welt bis in graue Urzeiten dieses megali­thische Yard zu sehen glauben. Es ist aber durchaus plausibel, daß sich über die Jahr­tausende ein weit­gehend einheit­liches Grundmaß ausbrei­ten konnte.
[5] The Megalithic System. Darin eine abstruse Verbin­dung von Monats­länge (29,53d), Diffe­renz von Sonnen- und Mondjahr (10,87d) mit dem engli­schen Fuß (2,72') gemäß 29,53/10,87=2,72.
[6] Wilfried Korth: Geodynamik und Erdmessung. Meine Berech­nungen folgen der Schwerefor­mel 1967 auf Seite 33.
[7] Das metrologische Verhältnis 375:392 von Nippur­elle und Sekunden­pendel mutet nicht schön an, ist aber 7-glatt und beruht auf der Annahme, daß Gudea die Elle auf ein halbes Sekunden­pendel verkürzte und damit die nubische Königs­elle von (15/16)(50/49)e traf. Kleinzah­liger und genügend genau wären 44:23, 23:12 und 21:11, doch leider mit Primzahlen 11 oder 23.
[8] Robert Lomas: The Mystery of the Megalithic Yard Revealed. Darin eine aben­teuer­liche Beschrei­bung, wie Steine aufge­stellt werden können, um ein eigenes megali­tisches Yard auf der Basis von 366 herzu­stellen, obwohl es keinen Beleg für eine steinzeitliche Teilung des Kreises in 366 Teile gibt. Verschwiegen wird, was dabei besten­falls heraus­kommt, nämlich eine zu kleine Länge, die ich nirgendwo gefunden haben. Alle schreiben vonein­ander ab und schämen sich wohl der Ergeb­nisse aus ihren eigenen Behaup­tungen.
[9] Nur 2,5 Promille Unterschied, der aber durch Quadratur zu 5 Pro­mille in der Länge wird. In Ordnung, wenn man mit einem unge­nauen megali­thischen Yard auf der Basis der Messungen zufrieden ist. Aber zuviel, wenn man das Verhält­nis 8:5 vom megali­thischem Yard zur Nippur­elle unter­stellt, weil dann nur ein Promille Abweichung tragbar ist.
[10] Gudea meinte, ein Klafter müsse 100 statt 96 Fin­ger haben und verklei­nerte die Nippurelle um den Fak­tor 24/25 zur idealen Gudea-Elle. Für l und s ergaben sich 39,9 und 59,8 Fin­ger, knapp an zwei Pygon (Fuß zu 20 Fin­ger) bzw. zwei Ellen vorbei. Er verkürzte deshalb auf das reale Gudea-Maß und erhielt den Fuß zu 20, die Elle zu 30, die Länge des Stabpendels zu 40 und ein Sekundenpendel zu 60 Fin­ger, falls er letzteres gekannt haben sollte. Nippur­elle und megali­thisches Yard waren für ihn bereits veraltet und zwei Reformen zurück. In Konse­quenz seiner Anpas­sungen an das Pendel maßen sie krumme 31,4 bzw. 50,2 Finger.

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