Megalithisches Yard
Archäologen graben nicht nur Scherben und Steine aus, sie wollen auch alte Schriften lesen und fragen sich, was unsere Vor­fahren mit welchen Methoden und aus welchem Antrieb heraus gemacht haben. Nicht immer sind sie mit den Ant­worten zufrie­den, schon gar nicht mit denen der zahl­losen Spinti­sierer, die sich auf diesem Gebiet tummeln. Als Alexan­der Thom meinte, eine urzeit­liche Maßein­heit gefunden zu haben, stieß er ver­ständ­licher­weise nicht nur auf Zustim­mung. [1] Er meinte, sie sei 2,715 eng­lische Fuß lang, denn die in sehr alten Bau­werken gefun­denen Abmes­sungen gingen angeb­lich aus diesem megali­thischen Yard [2] durch Verviel­fachung und Halbie­rung hervor.

Es mag eine solche Einheit wirklich schon mehrere Jahrtau­sende gegeben haben. Und es ist nicht unplau­sibel, daß sie Grund­lage der Nippur­elle wurde. Die Wiki­pedia nennt 8/5 dieser Elle. Das sieht unschön aus. Da aber eine Elle 30 und ein Fuß 16 Fin­ger maß, waren es ein­fach drei Fuß, im besten Sinne also ein Yard. Natür­lich kann man sich über die genaue Länge streiten:

1. 82,55707 cm ‒ von 366-Jüngern aus dem Pendel abgeleitet
2. 82,75320 cm ‒ 2,715′ nach Thom (halbes Klafter von 5,43′)
3. 82,90560 cm ‒ 2,72′ als grobe Näherung
4. 82,93600 cm ‒ 8/5 des Bestwertes der Nippurelle von 51,835 cm
5. 82,96256 cm ‒ von 366-Jüngern aus dem Erdumfang abgeleitet
6. 82,96656 cm ‒ 2,722′ dank verbesserter Statistik
7. 82,97856 cm ‒ 8/5 der 7-glatten Nippurelle von 518616 μm
8. 82,97956 cm ‒ Erdumfang zu 360⋅360⋅1000 kyrenaische Fuß

Thom hatte ursprüng­lich das megali­thische Klafter mit 5,43 engli­schen Fuß gemit­telt. Das sind 1,655064 Meter. Die Hälfte davon ist das megali­thische Yard mit 82,75320 cm (2). Vielleicht aus esote­rischen Gründen (e=2,72) wurde auf 2,72′ erhöht. Das sind 829056=2⁷⋅3⋅17⋅127 Mikro­meter (3), die gut zu hal­bieren sind und metro­logi­sche Berech­nungen erleich­tern, denn ein Finger von genau 2³⋅17⋅127=17273 Mikro­metern macht alle übrigen Maße eben­falls ganz­zahlig. Durch verbes­serte Statistik wurde auf 2,722′ erhöht, woraus sich 82,96656 cm erga­ben (6). Die metro­logi­sche Nähe­rung ist eine 7‑glatte Zahl von 518616=2³⋅3³⋅7⁴ Mikro­metern für die Nippur­elle. Sie liegt genü­gend nahe an der ‚Rea­lität‘ und ergibt mit 8/5 multi­pliziert die 82,97856 cm des metrolo­gischen megali­thi­schen Yard (7). Das mag hoch erschei­nen, weil die eine Nippur­elle aus dem Archäo­logi­schen Museum in Istanbul auf nur 51,845 cm ver­messen wurde (4).

Natürlich ruft ein derart altes Maß auch die Esote­riker auf den Plan, die gerne irgend­wie gear­tete Ablei­tungen aus der Natur oder gott­gege­benen Dingen von sich geben, auch wenn es unmög­lich scheint, daß in der Bronze­zeit derar­tige Über­legungen möglich waren oder gar durch­geführt wurden. Egal, ob damals bereits erkannt, erst später bemerkt oder ange­dichtet: Der Erdum­fang mißt ziem­lich genau 360·360·1000 kyre­naische Fuß. Wäre das für den Polum­fang von 40.008 km exakt, hätte ein kyrena­ischer Fuß eine Länge von 30,87 cm, ein megali­thisches Yard aus 336/125 kyre­naischen Fuß demnach 82,979555 cm (8). Diese 1000 kyrena­ische Fuß ent­sprechen recht genau 372 megali­thi­schen Yard, der Erdum­fang also 360⋅360⋅372 davon. Das lädt Esote­riker gera­dezu ein, 360 und 372 auf zweimal 366 zu ver­tei­len und einen Erd­umfang von 360⋅366⋅366 megali­thi­schen Yard zu postu­lieren. Bei einem Polumfang von 40.008 km erge­ben sich 82,96256 cm (5). Turbe­ville [3] rechnet mit 82,966 und rundet auf 82,9 cm, da 83 zu plump und ungenau ausge­sehen hätte oder sein Taschen­rechner immer abrundet.

Es ist wohl gesichert, daß Gudea vor mehr als 4000 Jahren von seinen Metro­logen bereits wußte, daß die Pendel­längen nicht mit den Längen­maßen im Einklang standen. Er paßte letztere einfach an. Diese Macht haben neuzeit­liche Esote­riker glück­licher­weise nicht. Sie müssen sich irgend­etwas zusam­men­dichten, einen gehei­men Zusam­men­hang suchen. Da kamen ihnen die 366 erneut gelegen. [4] Ein Pendel von einem megali­thi­schen Yard führe 366⋅366 Halb­schwin­gungen am Tage aus. Dann müßte es nach meinen Berech­nungen eine Länge (86400/366²)²⋅s=82,55707 cm (1) haben, worin ich meinen Wert von s=99,225 cm für die Länge des Sekunden­pendels einge­setzt habe, denn Turbe­ville schweigt sich über die Erdbe­schleu­nigung im heu­tigen Irak aus.

Zusammenfassend könnten alle damit zufrieden sein: Vor mehr als 4000 Jahren verbrei­tete sich ein Maß von etwa 83 Zen­timetern auf die gesamte alte Welt. Das verwun­dert nicht, denn auch damals konnte man Stäbe auf einen Milli­meter genau kopieren und hatte Jahr­hun­derte Zeit, sie auch mit weit ent­fernten Kulturen abzu­gleichen.

Spätere Abbildungen zeigen Herr­scher und Götter mit einem Stab und einem Ring, der wohl aus einem aufge­wickelten Seil besteht. [5] Manchmal sieht es aus, als sei der Stab ein Nagel. Dessen Verwen­dung zur Entfer­nungs­messung liegt auf der Hand. Doch könnte alles auch wich­tigere, selbst Göttern nütz­liche Funk­tionen gehabt haben. Zu sehen ist auch ein riesiges Gewicht an einem Seil. Es bleibt aller­dings die Frage nach den genauen Abmes­sungen und der sich daraus erge­benden Pendel­zeit.

[1] Chris Witcombe: Alexander Thom. Leider nur noch unter archive.org gefunden.

[2] Es ist nicht abwegig, die Elle für das ursprüng­liche Maß zu halten. Nur wurde sie unter­schied­lich geteilt, um daraus Fuß- und andere Maße abzu­leiten. So änderte sich auch der Yard zu drei Fuß, der im Altertum wohl ungebräuchlich war, weshalb es sich beim megali­thi­schen Yard wahr­schein­lich nicht um die antike Basis­größe handelt und eher aus einer anderen abgeleitet ist. Zum Beispiel als halbes megalitisches Klafter.

[3] J. Turbeville: The Tradi­tional System of 360 & The Megali­thic System of 366. Leider nur noch unter archive.org gefunden. Neben der genann­ten Ablei­tung auch noch die des engli­schen Fußes als dem Äqua­torial­umfang von 40.075 km wieder geteilt durch 360 und 1000, aber nur durch die 365,2422 Tage des tropi­schen Jahres. Es ergeben sich 30,478 cm. Heutzutage mißt der englische Fuß exakt 30,48 cm. Dazu eine aben­teuer­liche Verbin­dung von Monats­länge (29,53d) Diffe­renz von Sonnen- und Mondjahr (10,87d) mit dem engli­schen Fuß (MY=2,72′) gemäß 29,53/10,87=2,72.

[4] Robert Lomas: The Mystery of the Megali­thic Yard Revealed. Darin eine aben­teuer­liche Beschrei­bung, wie Steine aufge­stellt werden können, um ein eigenes megali­thisches Yard herzu­stellen.

[5] Tafel von Shamash. Wikipedia. Da neigte sich die Bronze­zeit bereits ihrem Ende zu.

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