Lise Meitner
Viele Menschen wurden und werden als Frau oder homo­sexuell, wegen ihres Aussehens oder Herkunft benach­teiligt. Hinzu kommen widrige Umstände, die jedem wider­fahren können. Auch sie können als Diskri­minie­rung ausgeben werden, wenn man nicht gerade cis-hetero­sexueller weißer Mann ist. Wer anhand von Einzel­schick­salen eine Lanze für Frauen brechen will, kann schlecht zu uninter­essanten, unbedeu­tenden oder gar unbe­kannten Beispie­len greifen. Da müssen auch Wissen­schaft­lerinnen her, an denen wie an so manchem Mann der Nobel­preis vorbei­ging, weil sie in Erman­gelung weiterer Frauen von Männern einge­heimst wurden, die weib­liche Leistun­gen vorsätz­lich verschwie­gen.

Bereits zweimal zitierte ich einen Artikel [1] dieser Kategorie. Zum einen zu Chien-​Shiung Wu auf Platz 7, die leider nur experi­mentell nachwies, was andere zuvor zumindest für möglich hielten. Zum anderen Rosa­lind Franklin auf Platz 1, die durch eine Röntgen­aufnahme zur Verbes­serung einer mit dem Nobelpreis ausge­zeich­neten Theorie beitrug. In beiden Fällen hätte es sich gehört, den Anteil dieser Frauen für jederman hörbar zu würdigen. Das versäumt zu haben, kann den durch die Nobel­preise berühmten Männern vorge­worfen werden. Man kann aber auch den Allmäch­tigen anklagen, Rosa­lind Franklin bereits im Alter von 37 Jahren abbe­rufen zu haben.

Mit Lise Meitner auf Platz 5 ist es ganz anders. Sie hat über zwei Welt­kriege hinweg mit Otto Hahn gear­beitet. Er verhalf im Som­mer 1938 der Prote­stantin jüdischer Eltern zur Flucht nach Schweden. Ein halbes Jahr später ent­deckte er zusammen mit Fritz Straß­mann die Kern­spaltung. Zunächst infor­mierte er nur Lise Meitner, ein nicht ungefähr­liches Unter­fangen. [2] Sie lieferte sofort eine Erklä­rung. [3] Den Nobel­preis für Chemie des Jahres 1944 erhielt Otto Hahn. Nicht nur Lise Meitner und ihr Neffe und Mitar­beiter Otto Frisch gingen leer aus, auch Fritz Straß­mann und erneut ein fünftes Rad am Wagen: Die Chemi­kerin Ida Noddack, die bereits 1934 die falsche Ent­deckung von Trans­uranen bezwei­felte und gegen den Zeit­geist eine Kernspal­tung für möglich hielt.

Was den Nobelpreis betrifft hatte Lise Meitner trotz vieler Nominie­rungen Pech gehabt, führte aber ein langes und zufrie­denes Leben in Freund­schaft mit Otto Hahn. In der Wiki­pedia kann man nach­lesen, daß sie nie mit der Entschei­dung des Nobel­preis­komitees haderte. Ohne ihre Flucht hätte sie nach dem Krieg zusammen mit Otto Hahn den Nobel­preis entgegen­nehmen oder im Konzen­trations­lager enden können. Die Mär von der jüdi­schen Pazi­fistin, die durch einen Nazi um ihren Ruhm gebracht wurde, ist eine verbrei­tete und auch in [1] wieder einmal abge­schrie­bene femini­stische Lüge. Die Über­schrift „Lise Meitner entdeckte die Kern­spaltung“ setzt noch einen drauf. Das ist grotten­falsch. Sie hatte aber einen vorberei­tenden Anteil an der Entdeckung und erklärte die Kern­spaltung, mit der ihr Name auf ewig verbunden bleiben wird.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.

[2] Otto Hahn und Fritz Straßmann: Über den Nachweis und das Verhal­ten der bei der Bestrah­lung des Urans mittels Neutronen entste­henden Erdalkali­metalle. Natur­wissen­schaften 27:11, 1939. Zitiert nach [3], S. 346 schrieb Hahn an Meitner: „Ich habe mit Strass­mann verab­redet, dass wir vorerst nur Dir dies sagen wollen. Viel­leicht kannst Du irgend­eine phanta­stische Erklä­rung vor­schlagen.“

[3] Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Springer Spektrum, 2. Auflage 2013. Seite 346: „Meitner (mit O. Frisch) gelang es inner­halb von zwei Wochen, aus dem kurz vorher ent­deckten Tröpf­chen-​Modell die noch heute gültige Deutung zu ent­wickeln.“

Jocelyn Bell Burnell | Rosalind Franklin | Chien‑Shiung Wu

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Altachtundsechziger
Wenn Höcke von versifften Altacht­undsech­zigern spricht, dann meint er damit nicht nur welt­fremde Linke der sechziger Jahre, die in gamme­liger Klei­dung umher­liefen und keinen produk­tiven Beitrag zu unserer Gesell­schaft leiste­ten. Wenn der mir auf den Wecker gehende Konstan­tin auf links­grünver­siffter altacht­undsech­ziger Gutmensch erhöht, obwohl es damals weder Grüne noch Gutmen­schen gab, dann entlarvt sich der Altacht­undsech­ziger als Wort­hülse. Und wenn dazu Slomka dem die konser­vative Revolu­tion ausru­fenden Dobrindt vorwirft, sich an den Altacht­undsech­zigern abzuar­beiten, dann fragt man sich schon, was ein Altacht­undsech­ziger denn ist, ob er vornehm­lich als Witz­figur taugt, die nur noch erinnert wird, weil der aktu­elle linke Main­stream bedeu­tungs­loser Neun­undacht­ziger ohne theore­tische Hinter­lassen­schaft geblieben ist.

Für mich ist ein Altacht­undsechs­ziger stets das gewesen, woran ich knapp vorbei­gerutscht bin. Er hat 1968 studiert, wurde also um 1945 geboren und glaubte an die Weltrevo­lution. Leider bin ich etwas jünger und war nur Lehr­ling. Ich darf mich aber ohne den Zusatz "alt" als Achtund­sechziger sehen, weil wir Seit an Seit mit den Studenten den Kampf gegen das Estab­lishment geführt haben und ich mich nicht scheue, die Umbrüche dieser Zeit nach dem Jahr 1968 zu bezeichnen. Manche mögen meinen, 67 sei richtiger, alles habe noch viel früher begonnen, Studenten­bewegung oder gar -revolte sei die bessere Bezeich­nung, wenn nicht mit Protest­bewegung auch den Prole­tariern Rech­nung getragen werden soll.

Wenn heute über die damaligen Zeiten gesprochen wird, dann zumeist von Leuten, die deut­lich jünger sind, eher aus der Genera­tion 89, die es eigent­lich nur wegen der 180-Grad-Dre­hung der 68 gibt. Sie bestehen aus minde­stens zwei Gruppen: Den sog. Rechten, die sich selbst als Pragma­tiker sehen, und den Linken mit dem Arsch an der Wand, denen es gewalt­bereit und ohne geistige Ergüsse eigent­lich nur um sich selbst ging. Beide haben den Marsch durch die Institu­tionen hinter sich. Einige wurden wie Dobrindt konser­vative Revolu­tionäre, andere sind vom Baumhaus an der Startbahn in eine Altbau­wohnung gezogen und bilden den linken Main­straem, die meisten blieben herzlich desinter­essiert. Mit der Gene­ration Prak­tikum wird nichts besseres nach­kommen.

Die Generation 89 ist gerechte Folge der Achtund­sechziger. Nach ihrem Jahr­zehnt des Protestes gegen den Vietnam­krieg, die Notstands­gesetze, das System, die Unter­drückung war der Geist der west­lichen Welt ein anderer. Doch schon nach einem weiteren Jahr­zehnt der Gewalt waren in den acht­ziger Jahren viele auf ihrem Marsch durch die Insti­tutionen angekommen und zogen eine Gene­ration von Hedo­nisten mit Tisch­tennis­abitur, Basis­note zwei und Golf heran. Die Mehrheit völlig unpo­litisch, eine linke Minder­heit selbst­verliebt und gewalt­bereit. Wer heute von seiner linken Vergan­genheit faselt, ist zumeist kein achtund­sechziger Besser­wisser im Renten­alter. Er muß noch zehn bis zwanzig Jahre arbeiten, und vergessen sind die Zeiten seines Wider­standes, den man heute eher Life­style nennen würde.

Ich bin froh, deutlich älter zu sein. Wir haben uns damals für vieles begei­stert, daran geglaubt und auch einiges verän­dert. Nicht alles wendete sich zum Guten. Wir haben den Schah von Persien verachtet. Es brachte uns Khomeini und den heutigen Iran. Wir hatten jede Woche im Spiegel verfolgt, was Che Guevara in den boli­viani­schen Wäldern voll­brachte. Heute wissen wir, es war nichts. Wir glaubten an das jugo­slawi­sche Modell. Heute wissen wir, daß es keine Jugo­slawen gibt. Wir schmierten Wände gegen die Notstand­gesetze voll. Und heute weiß keiner mehr, in welchem bedeu­tungs­losen Gesetz sie unter­kamen.

Auch damals mußte man nicht alles mit­machen, ich jeden­falls nicht. Als Biafra unab­hängig werden wollte, überwogen meine Zweifel an der Redlich­keit. Die sexu­elle Revolu­tion ging an mir vorüber und erbrachte über­zogene sexuelle Früh­erzie­hung bis hin zur Pädo­philie der Altgrünen, um den Zusatz "alt" wieder einmal abwer­tend zu verwenden. Und man mußte nicht Gewalt gut­heißen, die im Namen des Klassen­kampfes ausgeübt wurde, von klamm­heim­licher Freude ganz zu schweigen. Auch für gemeine Laden­diebe, die offen mit ihrer System­schädi­gung prahlten, hatte ich kein Verständ­nis. Sie waren nur zu feige, Kauf­häuser anzu­zünden, wie es in Frank­furt vor genau 50 Jahren am 2. April 1968 geschah.

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Rosalind Franklin
Vorgestern sah ich einen Artilel über elf Frauen, denen der Ruhm von Männern gestohlen wurde. [1] Nach der Physi­kerin Chien-Shiung Wu will ich mich nun der Nummer eins der Liste zuwenden, der Biochemikerin Rosalind Franklin. Meine Beweggründe sind ambivalent. Auf der einen Seite halte ich es für erfor­derlich, die wissen­schaft­lichen Leistungen von Frauen hervor­zuheben. Auf der anderen möchte ich für mich klären, inwiefern sie wirklich wegen ihres Geschlechtes Opfer von Männern oder einfach nur des Zeit­geistes wurden. Um das ganze Ausmaß und den durch Diskri­minie­rung der halben Bevöl­kerung entgan­genen Fort­schritt zu ermessen, müßte man vor allem etwas über Frauen wissen, die heute keiner mehr kennt.

Rosalind Franklin hatte viele Röntgen­aufnahmen gemacht, möglicher­weise auch die als Nr. 51 bekannt gewor­dene der DNA, die ohne ihr Wissen durch Maurice Wil­kins [2] in die Hände von James Watson und Francis Crick geriet, woraufhin die beiden ihre Theorie der DNA entschei­dend verbes­sern konnten und alle drei Männer 1970 den Nobel­preis erhiel­ten. Rosalind Franklin ging unnomi­niert leer aus und wurde in der Nobel­preis­rede nicht einmal erwähnt. Zwar war sie im Alter von nur 37 Jah­ren bereits verstorben, doch konnten damals auch Tote den Nobel­preis erhalten.

Ähnlich wie im Falle von Chien-Shiung Wu haben die männ­lichen Theo­retiker die Ehre einge­heimst. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, daß dies auf Kosten einer Frau geschah. Insbe­sondere im Falle des Jung­spundes Watson, der viel­leicht wirk­lich Angst vor erfolg­reichen Frauen hatte. Aber ihm ist es auch zu verdanken, im Laufe seines langen, noch andau­ernden Lebens mit der Wahrheit heraus­gerückt zu sein. Heute sind die Nobel­preise vergessen. [3] Nach Rosalind Franklin aber sind viele Einrich­tungen benannt, darunter eine Univer­sität.

Als fünftes Rad an Wagen richtig vergessen ist Raymond Gosling, ein Dokto­rand von Rosalind Franklin, der als eigent­licher Urheber der sagen­umwo­benen Aufnahme Nr. 51 gilt. Frau hin oder her, auch damals schon ernteten die Professor­*innen den Ruhm der Doktorand­*innen. Schaut man sich zu den fünf Namen die Google-​Treffer an, so gewinnt natürlich James Watson, weil er das Buch „Die Doppel­helix“ schrieb und als streit­barer Mensch das Inter­netzeit­alter ereichte. In Gegen­zuge ist der deutsche Wiki­pedia-​Eintrag zu Rosalind Franklin so lang wie die zu den vier Männern zusammen.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.

[2] Weniger die Angst vor Diebstahl, mehr die Torschluß­panik und die Repu­tation vieler Veröffent­lichungen verleitet Wissen­schaftler dazu, jeden Gedanken, jedes Meßer­gebnis zu publi­zieren, zumindest an zahl­reiche Kollegen zu versenden, wobei die Rest­angst bleibt, andere könnten darauf aufbauen, schneller oder besser sein und den Ruhm einheimsen. Wie eine Weiter­gabe von Ergeb­nissen zu bewerten ist, hängt auch von der Weiter­verar­beitung ab. So gilt Wilkins als Verräter, weil die Nutz­nießer ihre Quelle lange Zeit verschwiegen. Als Stephen Hawking starb, sah ich in einem Film, wie er Fred Hoyle scharf kriti­sieren konnte, weil Roger Penrose ihm vorab Einblick in dessen Vortrags­manu­skript gewährte. War das ebenfalls Verrat?

[3] Der Nobel­preis von Watson mag noch erinnert werden, weil seine Medaille als einzige zu Lebzeiten für mehrere Milli­onen verstei­gert wurde.

Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Chien‑Shiung Wu

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Chien-Shiung Wu
Wer sich über die Physikerin Chien-Shiung Wu infor­mieren will, kann ein Lexikon zur Hand nehmen oder in der Wiki­pedia lesen. Hier erwähne ich sie, weil sie in einem aktuellen Artikel als siebte von elf Frauen gelistet ist, deren Ruhm Männer ernteten. [1] Es soll nicht geleugnet werden, daß Frauen bis in die Gegen­wart benach­teiligt werden. Und ganz sicher sind viele vergessen, weil ihre Ent­deckun­gen von Männern publi­ziert, wieder­entdeckt, paten­tiert oder gestohlen wurden. Doch das haben sie nicht nur mit Frauen, auch mit anderen Männern gemacht. In der Wissen­schaft sind es weniger die Femi­nisten, sondern die Wissen­schaftler selbst, viel­leicht beson­ders die weib­lichen unter ihnen, die zur Würdi­gung vergan­gener und aktu­eller Lei­stungen beitragen. [2]

Im Falle von Chien-Shiung Wu besteht das Unrecht nur in der Verlei­hung des Nobel­preises im Jahre 1957 an Tsung-​Dao Lee und Chen Ning Yang, die eine Paritäts­verletzung für möglich hielten, die im Jahre 1956 von Chien-​Shiung Wu nachge­wiesen wurde. Mehr als heute ging damals ein Nobel­preis an die Theore­tiker, aber nur wenn ihre Theorie bestä­tigt wurde. So erhielt Stephen Hawkings keinen. Albert Einstein auch nicht für die Relati­vitäts­theorie. Das mag man der allge­meinen Ungerech­tigkeit des Nobel­komitees zurechnen, insbe­sondere gegen­über Frauen.

Es ist aber keines­wegs so, daß Chien-​Shiung Wu ver­gessen ist. Ich habe ein Buch über Elementar­teilchen aus dem Regal gezogen. [3] Auf Seite 543 ist zu lesen: „Yang und Lee konnten aber belegen, daß bei diesen Erfah­rungen bzw. Prüfungen auf Spiegel­symmetrie die Prozesse der Schwa­chen Wechsel­wirkung (v.a. die β‑Radioak­tivität) noch nie genauer betrachtet worden waren. Sie konnten auch reali­sierbare Experi­mente vor­schlagen, um diese Lücke zu schließen. Allein für diese quali­fizierte Anzwei­felung einer vermeint­lichen Selbst­verständ­lichkeit oder eines Denk­verbots erhielten die beiden schon 1957 den Nobel­preis ‒ gleich nachdem die Experi­mente von C.S. Wu ihnen Recht gegeben hatten.“

Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob Wu nur eines der von Lee und Yang vorge­schla­genen Experi­mente durchge­führt hat. In jedem Falle ist ihr Name in etwas geblieben, was weit mehr erinnert wird als ein Nobel­preis, nämlich dem Wu‑Expe­riment. Und so folgen der kurzen Erwähnung der Betei­ligten zwei volle Seiten unter der Über­schrift „Das Wu‑Expe­riment: β⁻‑Strah­len werden bevor­zugt entgegen der Spin­richtung ausge­sandt“.

Auch im geschicht­lichen Abschnitt zur Paritäts­verlet­zung habe ich nichts von deren Entdeckung bereits im Jahre 1928 gefunden. Die Wiki­pedia behauptet, dies sei damals als Meßfehler abgetan worden. Es wäre doch eine schöne Aufgabe der Gerechtig­keits­forschung, diese Behaup­tung genau zu beleuchten, wenn es nicht bereits geschehen ist. Wahr­schein­lich wurde hier ein Mann um die Würdi­gung seiner Leistungen gebracht, wie viele vor ihm, die etwas entdeckten, für das die Zeit noch nicht reif war oder was schlicht in Verges­senheit geriet. Die meisten kennen wir sicher­lich nicht.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft ‒ den Ruhm ernteten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.

[2] Wendland, Werner (Hrg.): Facettenreiche Mathematik. Vieweg+Teubner, 2011.

[3] Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Springer Spektrum, 2. Auflage 2013.

Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Rosalind Franklin

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Türkische Feinkost
Nach einem Streit an der Kasse gehe ich nicht mehr in den einzigen gamme­ligen Super­markt. Sofern ich nicht in die Stadt fahre, bleibt mir nur der türki­sche Gemüse­händler. Mit seiner räum­lichen Vergrö­ßerung, einem Besitzer­wechsel und der Außen­werbung "Feinkost" wurden Obst und Gemüse nicht frischer, auf die Fein­kost warte ich noch. Ich hätte gerne ein umfang­reicheres Angebot gesehen, auch einen höheren Umsatz, der verderb­licher Ware entgegen­kommt.

Da man mit immer dem gleichen Betreiber oder Besitzer mehr Worte wechselt als mit einer Kassie­rerin im Supermarkt, hätte ich gerne ein paar Hinweise aus deut­scher Sicht gegeben. Um Empfind­lich­keiten wissend habe ich zunächst nur gefragt, ob dies oder das denn umsonst sei, weil sich kein Preis­schild an der Ware befinde. Später habe ich dann auch darauf aufmerk­sam gemacht, daß Deutsche nach Preis­schild kaufen und Ware ohne Auszeich­nung meiden. Es hat sich etwas gebes­sert, obwohl ich nicht mehr nach­gehakt habe.

Als Zwetschgen ihre Zeit hatten, verkaufte er sie zu 1,99 das Pfund. Wieder vorsichtig fragte ich durch die Blume, wieviel denn ein türki­sches Pfund wiege. Natür­lich 500 Gramm war die Antwort. Irgend­wann habe ich mich zu dem Hinweis durch­gerungen, daß Pfund in Deutsch­land keine zuläs­sige Einheit mehr sei und dies bei einem Besuch der Gewerbe­aufsicht sofort bemerkt würde. Nach einer Weile wurde das Pfund zu 500 Gramm. Irgend­wann konnte ich der Tochter erklären, daß loses Obst in Kilo­gramm auszu­zeichnen sei.

Nicht daß der Eindruck entsteht, ich würde arme türkische Gemüse­händler durch deut­sche Nörgelei nerven. Er freut sich zumin­dest äußerlich, wenn ich bei ihm einkaufe und hat mir auch schon "warte alter Mann" hinter­herge­rufen, um mir noch einen Bonbon auf den Weg mitzu­geben. Deutsche Wurst­verkäufe­rinnen neigen mehr zu "junger Mann". Aber in der Türkei genießt der Alte ein höheres Ansehen.

Heute steht in der gähnenden Leere des immer noch nicht erwei­terten Ange­botes ein Ständer mit Strümpfen. Wieder vorsichtig fragte ich, ob es Feinkost­strümpfe seien. Nach leichtem Hin und Her von Mißver­ständ­nissen wurde er laut und wies darauf hin, daß andere Lebens­mittel­geschäfte ja auch alles mögliche verkaufen. Ich mußte ihn beru­higen. Mangelde Humor­erkennung auf deutsch allein kann es nicht gewesen sein. Ich glaube an eine tief­sitzende Empfind­lichkeit, die sich auch der Türken bemäch­tigt hat.

Nachdem ich mich heute beherrscht und aus Rück­sicht auf Fremde eine Kontro­verse vermieden habe, fühle ich mich derart unwohl, daß ich den ganzen Mist hier aufschrei­ben muß und mir überlege, ob ich die Besuche "beim Türken" einschrän­ken und auch seine Waren in der Stadt kaufen sollte. Viel­leicht verinner­licht er eines Tages, daß der Kunde König ist, man als Verkäu­fer nie laut wird, Waren vorschrifts­mäßig auszeich­net, verdor­benes Obst aus dem Regal nimmt und Fein­kost drinnen führt, wenn es draußen drauf­steht.

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Mathematik des Islam
Wenn man die Flutung Deutsch­lands mit großen­teils zivili­sations­fernen Menschen nicht vollum­fänglich für erforder­lich hält, infor­miert man sich zwangs­läufig auch dort, wo rechtes Gedan­kengut nicht gerade fern ist. Neben den Verschwö­rungs­theorien trifft man auf die tradi­tionelle Europa­feind­lichkeit. Es gibt keinen Klima­wandel, Auto­abgase schaden nicht, Trump ist gut für die Welt. Die Achse des Guten halte ich in diesem Spektrum für einiger­maßen moderat. Daß auch sie die gegen­wärtige aggres­sive und von sehr vielen Moslems gelebte Ausprä­gung des Islam als Haupt­quelle des Übels erkannt hat, berechtigt aber nicht, alles gering zu schätzen, was mit dem Islam im Zusammen­hang steht.

Dort wider­spricht Paul Nellen [1] der gängigen Auffas­sung, der Islam hätte die antike Kultur über das Mittel­alter gerettet. Zurecht rüttelt er an der schön­geistigen Vorstel­lung, der Islam habe aus sich heraus in seinem ersten Jahr­tausend im Rahmen einer Hoch­kultur auch das Wissen der Antike bewahrt und fortent­wickelt, denn in Wirklich­keit hat er nur große Teile der Welt erobert [2] und in diesem Rahmen wie jede andere Groß­macht auch große kultu­relle Leistun­gen hervor­gebracht. Die Römer waren nicht fried­licher und auch keine großen Geister. Trotzdem oder deshalb blicken wir heute auf ihre Bauwerke, nicht auf die eines kleinen galli­schen Dorfes.

Natürlich wäre ohne den Islam die Antike eben­falls bewahrt worden, selbst von Katho­liken des Mittel­alters, die vieles nur unter Verschluß hielten. Auch mögen fromme Moslems ganze Biblio­theken nieder­gebrannt haben. Doch haben sie auch viel Gedan­kengut erobert und käuf­lich erworben. Anderes ist in ihrem großen Reich einfach nur gewandert, wie die arabi­schen Zahlen von Indien nach Europa und letzt­lich in die ganze Welt. Die eigenen Leistun­gen mögen aus heutiger Sicht nicht so berau­schend sein, aber das waren sie im Rest der Welt noch viel weniger.

Wie es um die Dicht­kunst, die Musik, die Malerei oder Kalli­grafie bestellt war, entzieht sich noch mehr meiner Kenntnis als die Geschichte der Natur­wissen­schaften vom Ende der Antike bis zum Beginn der Neuzeit. [3] Wirkliche Fortschritte waren mühsam. Was durch Nach­denken und ein­fache Natur­beobach­tung zu ergründen ist, war durch Euklid, Aristo­teles und andere mehr oder minder korrekt ausge­schöpft. Eine geeig­nete Sprache der Wissen­schaft gab es nicht. Alles wurde blumen­reich beschrieben, allge­meines Geschwur­bel über­deckte gute Gedanken. Glaube jedweder Art behin­derte, weniger durch Verfol­gung, mehr durch Vernebe­lung des Geistes. Er beförderte aber auch Erkennt­nisse und Fähig­keiten, die seiner Herrschaft förder­lich waren. Und mancher forschte auch zur Ehre Gottes.

Kurz: Es ist ungerecht, die unter islami­scher Herr­schaft erbrach­ten geisti­gen Leistun­gen klein zu reden, nur weil wir uns heute noch von der Unbarm­herzig­keit des Islam bedroht fühlen dürfen, der die Moslems zwingt, die Ungläu­bigen mit der gleichen Gnaden­losig­keit zu unter­werfen und auszu­rotten wie sie selbst ihrem Gott ausge­liefert sind und sich ihm ergeben müssen. Ohne sie wäre es anders, doch nicht unbe­dingt besser gekommen. Die frühen Moslems müßten wissen­schaft­lich noch nicht einmal dann hinter ihren Zeit­genossen ver­stecken, wenn sie nur erobert, gekauft, gesammelt, über­setzt und verbrei­tet hätten. Ihr Pech besteht darin, daß in der Renais­sance latei­nische Überset­zungen leichter zu lesen waren als ara­bische.

In seinem Buch zur Geschichte der Mathe­matik [4] über­schreibt Hans Wußing 41 Seiten mit "Mathe­matik in den Ländern des Islam". Dort nennt er viele Mathe­matiker, die auch wegen der merkwür­digen Namen kaum einer kennt. Beson­ders heraus­gestellt wird Al-Hwarizmi, nach dessen al-gabr die moderne Alge­bra benannt ist. Es folgen immer­hin noch 36 Seiten zur "Mathe­matik im Euro­päischen Mittel­alter" mit Namen, die heute auch keiner mehr kennt. Und auf Seite 276 kommt er zu dem Schluß: "Bei aller Aner­kennung für die eigen­stän­digen Leistun­gen in der Mathe­matik des Früh­mittel­alters bleibt doch die histo­rische Tatsache, dass der eigent­liche Auf­schwung der euopä­ischen Mathe­matik kausal an die Bekannt­schaft mit der islami­schen Mathe­matik gebunden war, ..."

Eine Aufgabe für Schüler: Berechne mit Papier und Bleistift den Sinus von einem Grad in Taschen­rechner-Genau­igkeit. Da das 120-Eck mit Zirkel und Lineal konstru­ierbar ist, und Al-Kashi Quadrat­wurzeln ziehen konnte, kannte er den Sinus von 3 Grad sehr genau. Für eine Sinus-Tafel von Grad zu Grad hat er den 3-Grad-Winkel gedrit­telt und den Sinus von einem Grad auf Basis einer Glei­chung dritten Grades aus dem Wert für 3 Grad iterativ, also mit einem Al-gorithmus auf 18 Stellen berechnet. Seine 14 Stellen für π hielten fast 200 Jahre den Rekord. Wer hätte heute dafür die Kennt­nisse und den Fleiß?

[1] Paul Nellen: Hat der Islam und die antike Kultur und Wissenschaft gebracht? Achgut, 22.03.2018.
[2] Bill Warner: Stimmt das mit den unzäh­ligen Kreuz­zügen gegen den Islam? Youtube, "genug ist genug", 07.05.2017. Original vom Center for the Study of Poli­tical Islam?
[3] Die Wikipedia sieht das Mittel­alter vom 6. bis zum 15. Jahr­hundert. Für mich endet die Antike mit der Schlie­ßung der Plato­nischen Aka­demie im Jahre 529. Die Neuzeit beginnt mit dem modernen Buchdruck im Jahre 1450.
[4] Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Band 1: Von den Anfängen bis Leibniz und Newton. Springer, Berlin Heidel­berg 2008.

Pi | Alhazen

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Die 0 gehört zu N
Es mag einem wichtig sein, daß die Null eine natür­liche Zahl ist. Für die mathema­tischen Inhalte ist es egal. Auch wenn Außerir­dische erst bei zwei oder gar schon bei minus drei zu zählen beginnen sollten, werden sie diese "natür­lichen" Zahlen zu den ganzen Zahlen erwei­tert und die gleiche Addi­tion und Multi­plikation defi­niert haben. Deren neutrale Elemente nennen wir Null und Eins und bezeich­nen sie mit den Ziffern 0 und 1. Zwischen den nega­tiven und den posi­tiven Zahlen liegt die Null. Ob die Null neben den posi­tiven ganzen Zahlen auch zu den natür­lichen gehört, ist weit­gehend Geschmacks­frage, wenn­gleich man durchaus darüber nach­denken darf und sollte, was der Natur der natür­lichen Zahlen entspricht, welche Defini­tion die Hinzu­nahme der Null nahe­legt oder ob sie einfach nur prak­tisch ist. [1] Ich rate vor allem mathe­matisch unbeleck­ten Menschen, bei Eins zu beginnen, um Irrtümer mit über­sehenen Rand­fällen zu vermeiden. [2] Will man die Null einbe­ziehen, spricht man einfach von "nicht negativ" oder schreibt N0 statt N.

Ersetzt man die 0 durch den Islam und N durch Deutsch­land, ist der Spiel­raum für Inter­preta­tionen größer. Negiert man die Behaup­tung, erhöht sich ihre Brisanz. Trotz­dem ist es einem denken­den und der deut­schen Sprache mäch­tigen Menschen möglich, die Aussage in ihrem Kontext korrekt zu verstehen und einzu­ordnen, auch wenn seine Grund­satz­haltung ihn dazu treibt, ihr vollum­fänglich zuzu­stimmen oder sie zutiefst zu verab­scheuen. Mich hat es nicht gestört, als Christian Wulff meinte, der Islam gehöre zu Deutsch­land. Und das durch Horst Seehofer in die allge­meine Debatte gehobene Gegen­teil ist gleicher­maßen verständ­lich. [3]

Als Chrsitian Wulf nach Jahren Wolfgang Schäuble mit "Aber der Islam gehört inzwi­schen auch zu Deutsch­land" wieder­holte, stellte er einlei­tende Worte über das Juden­tum und die christ­lich-jüdi­sche Geschichte voran. Solche Vergleiche und fromme Flos­keln bringen mir wenig. Meines Erach­tens wollte er ein­fach sagen: Es gibt in Deutsch­land viele Moslems, die großen­teils ihren Glauben prakti­zieren und seit über einer Genera­tion sich mehr­heit­lich in unsere Gesell­schaft einglie­dern, die dadurch verän­dert, aber nicht in ihren Grund­festen erschüt­tert wird. Ich fand es bemer­kenswert, daß ein Bundes­präsi­dent sich zu einer solchen Wider­spruch provo­zierenden Äuße­rung hat durch­ringen können. Ich hoffte, er würde recht behalten und der Islam in Deutsch­land wieder werden wie früher, die unauf­fällige Reli­gion vieler unter uns lebender Menschen.

Es kam aber anders. Spätestens mit der Flücht­lings­welle brei­tete sich eine aggres­sive Islam­inter­preta­tion auch in Deutsch­land aus. Zunächst wenige buch­staben­gläubige und säbel­rasselnde Moslems setzten mehr und mehr ihre Glaubens­brüder unter Druck und schrecken neuer­dings auch nicht vor Indoktri­nation und Einschüch­terung anderer zurück. Äußeres Zeichen ist die sprung­haft gestie­gene Zahl der Frauen und auch Mädchen mit Kopf­tüchern, die großen­teils wieder aus dem Schrank hervor­geholt wurden. Zum einen mögen Frauen sich dazu wieder trauen. Aber zum anderen geben sie einfach dem Druck ihrer Glaubens­brüder nach. Das Image der Moslems hat sich durch den aggres­siven Islam verschlech­tert. Darauf reagiert ihre sog. commu­nity mit Abschot­tung, Schön­rederei, Forde­rungen und Vertei­digung ihrer internen Unter­drücker.

Wenn Horst Seehofer in dieser geän­derten Situa­tion sagt, der Islam gehöre nicht zu Deutsch­land, dann äußert er zurecht, daß wir auf Dauer nicht mit einer Parallel­gesell­schaft leben wollen, in der eine Islam­interpre­tation den Ton angibt, die jede Anpas­sung ab­lehnt [4], unsere Grund­werte gering­schätzt und nicht ruhen möchte, bis der letzte Deut­sche konver­tiert oder gestor­ben ist. Natür­lich gefällt eine solche Wahr­heit vielen nicht. Insbe­sondere nicht der viel­zitier­ten Mehrheit der fried­liebenden Moslems, die kaum mehr auf die Beine bringen als Sippen­haft zu beklagen. So ist die Welt und die mensch­liche Psyche nun einmal, keiner wird völlig frei von seiner Gruppen­zuge­hörig­keit beur­teilt. Manche verstehen das. [5] Auch ich würde im Ausland nicht nur Freund­lichkeit erwarten. Um aber als Nazi beschimpft zu werden, muß ich Deutsch­land nicht mehr ver­lassen.

Natürlich ist Horst Seehofer nicht nur von edlen Motiven und einem Drang zur Wahr­heit getrieben. Er möchte Angela Merkel gerne eins auswi­schen und hat nun eine ausge­zeich­nete Posi­tion, um seine lange unter­drückten Auffas­sungen zu äußern und viel­leicht auch durch­zusetzen. Außerdem wird man der AfD keine Wähler­stimmen abringen, indem man weiter gegen die Mehr­heits­meinung die üppige Zuwan­derung schön redet. Ein Glück für die Sozial­demo­kraten, die von der Union nach links gedrückt in der Flücht­lings­frage völlig paraly­siert wurden. Sie können nun ihre Ansich­ten korri­gieren, ohne die CDU rechts über­holen zu müssen, auch wenn viele sich dazu noch nicht durch­ringen können und in Fernseh­diskus­sionen immer noch rum­eiern.

[1] Der "old Fortran shit", Felder ausschließ­lich mit dem Index 1 zu beginnen, hat so manchen Program­mierer auf die Palme gebracht.
[2] Bezieht man die 0 ein, muß oftmals eine Verein­barung getroffen werden, was man unter den der 0 zugeor­dneten Rand­objekten versteht. Das beginnt in der Schule mit der Divi­sion durch 0, setzt sich fort über die Summe aus 0 Summanden, dem Produkt aus 0 Faktoren, der leeren Zeichen­kette, dem leeren Raum, dem baum­losen Wald und vielem anderen mehr.
[3] Anna Reuß: Zwölf Jahre Streit über einen ein­zigen Satz. Süd­deut­sche Zeitung, 16.03.2018.
[4] Islam ist unvereinbar mit Verfas­sung! Und jetzt??? - Reali­tät Islam. Youtube, Realität Islam, 28.11.2017.
[5] Feroz Khan: Als Migranten­kind in Sachsen | Moritz Neu­meier | Racial Pro­filing. Youtube, "achse:ostwest", 08.10.2017.

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