Medaillenspiegel
Putin wurde bescheiden. Er sei mit einer Medaille zufrieden, wenn es die goldene im Eishockey ist. Sie sei ihm gegönnt, auch wenn Deutsch­land dadurch hinter Norwegen nur den zweiten Platz im Medaillen­spie­gel 2018 erreichte. Sollte sich ein russischer Eishockey­spieler noch als gedopt erweisen, würden wir an Norwegen vorbei­ziehen, also das Jahr 2002 wieder ausgleichen, in dem Norwegen wegen Dopings anderer nachträg­lich aufrückte. Im ewigen winter­lichen Medaillen­spiegel aber bleibt Deutsch­land vor den Russen und den Norwegern in Führung, wenn­gleich die Deu­tschen nur fünfmal die Nationen­wertung anführten, weniger oft als die Russen und die Norweger. Die deutsche Leistung scheint konstanter. Eine gerechte Bewer­tung fällt schwer, denn Deutsch­land trat lange Zeit mit zwei Mann­schaften an, deren Medaillen später addiert wurden.

Man kann durchaus der Meinung sein, der olympische Schwanz­vergleich sei ungerecht, weil er weder die Größe der Länder berück­sichtige noch deren winter­sportliche Möglich­keiten. Das erinnert mich an Polen, die unbedingt mehr Stimmen im Rat der EU haben wollten. Sie erhielten wie das größere Spa­nien 27, während Frank­reich und Großbri­tannien, vor allem aber Deutsch­land nur 29 haben. Mir graut schon vor den Türken, die sich nicht so bescheiden wie Deutsch­land geben werden. Der grund­legende Wider­spruch besteht ameri­kanisch ausge­drückt zwischen "one country, one vote" und "one man, one vote". Wollte man bei den olym­pischen Spielen von der ersten zur zweiten Zähl­weise übergehen, müßte man konse­quenter­weise auch die Mann­schafts­größen nach den Einwohner­zahlen bemessen.

Solche Überlegungen ändern nichts an der Tatsache, daß südlich des 30. Breiten­grades nur Austra­lien und Neusee­land es je zu einer Medaille brachten. Das ist sicherlich dem Klima geschuldet, das die weiße Rasse im weißen Schnee bevorzugt. Doch sieht es bei den Sommer­spielen kaum besser aus. China auf Platz 3 ragt etwas nach Süden, gefolgt von Kuba auf Platz 16. Danach kommt bis Kenia auf dem 31. Platz nichts. Wohl aus diesem Grunde schlägt Ralf Hutter [1] vor, den einzelnen Sportler und nicht seine Nation in den Vorder­grund zu stellen. Das ist ein schöner Gedanke, doch steht der Medaillen­gewinner bereits im Rampen­licht, zumindest dem seiner Nation. Das macht klar, wie sehr die persön­lichen Leistun­gen als natio­nale gesehen werden, selbst in Deutsch­land. Und solange Nationen viele Milli­onen in den Spitzen­sport stecken, dürfen sie sich auch mit anderen verglei­chen.

Die Stoßrichtung des Herrn Hutter ist klar, wird nur noch als Gerech­tigkeit getarnt. Es geht nicht um den einzelnen Sportler, nicht um gerechte Punkte­systeme, auch nicht um die Abschaf­fung des Medaillen­spiegels, den es früher nicht gegeben haben soll. Es geht noch nicht einmal darum, die Minder­leistung weiter Land­striche zu kaschieren. Vielmehr soll die Nation bedeu­tungslos gemacht werden. Ralph Hutter traut sich nur bis zum Wort "Nationa­lismus". Und es wundert mich, noch nicht das Wort "Rassismus" im Zusammen­hang mit der Nationen­wertung oder den olym­pischen Spielen als solchen gehört zu haben. In zwei Jahren gibt es dazu Gelegen­heit.

[1] Ralf Hutter: Weg mit dem Medaillenspiegel! Deutsch­landfunk, 22.02.2018.

Opfer | Quadratwurzelgesetz

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