Intervallnamen
Schon lange frage ich mich, warum musika­lische Inter­valle so komisch, so viel­fältig und leider auch wider­sprüch­lich benannt werden, ob dahinter wenig­sten grund­sätz­lich ein System steckt, so verwir­rend es auch erschei­nen mag. Musiker mögen diese Frage vor­schnell beant­worten: Der Grund­name (Terz, Quin­te usw.) kommt aus dem Abstand in der Sieben­ton­leiter oder aus der Zahl der Linien und Zwischen­räume im System der Noten­linien. Manche Inter­valle (Terz, Sep­ti­me usw.) treten gerne in ver­schie­denen Größen (Halb­ton­schrit­ten der Zwölf­ton­leiter) auf und heißen deshalb groß bzw. klein. Sollten Inter­valle aus­nahms­weise um einen wei­teren Halb­ton­schritt größer oder kleiner sein, heißen sie über­mäßig oder vermin­dert.

Mit dieser Genauig­keit kann man leben und natür­lich auch musi­zieren. Wer aber 5‑glatte Inter­valle genau benennen möchte, muß noch ein weiteres Attri­but bei­fügen, etwa für Unter­schiede von einem synto­nischen Kom­ma (81/80). So könnte die doppelt über­mäßige Unde­zime von ‘Fes nach „his als drei­fach enhar­monisch kleiner bezeich­net werden, weil es um drei syntoni­sche Kommas abwärts geht. Aber warum sollte dieses klein­zahlige Inter­vall 5625/2048 drei­fach kleiner heißen, wenn in der Folge das normale (0‑fach kleinere) 23914845/9388608 wäre. Diese Unschön­heit würde gemil­dert, wenn für jede Alte­rierung um eine Apo­tome (is, 2187/2048) ein oder zwei synto­nische Kommas weniger gezählt würden. Dann entsprä­chen Erhö­hungen einem großen Chroma (135/128) bzw. einem kleinen Chroma (25/24).

Wahrscheinlich ist es dem Umstand zu verdanken, daß die beiden natür­lichen Terzen sich um ein kleines, der diato­nische Halbton und der pytha­gorei­sche Ganzton aber um ein großes Chroma unter­scheiden, daß die beiden Chroma­tates wechsel­weise zum Zuge kommen, weshalb die nor­malen doppelt über­mäßi­gen Intervalle immer um 1125/1024 größer sind. Damit sehe ich nachstehendes Schema:

(weite)   (weite)   (weite)   (weite)           (weite)  (scharfe) (scharfe)
dreifach  vermin-   übermä-   dreifach          vermin-             doppelt
vermind    derte     ßige     übermäß            derte     große    übermäß 
      \   /     \   /     \   /                  /   \     /   \     /
    (scharfe)    \ /    (scharfe)         (scharfe) (scharfe)  (weite)
     doppelt  (scharfe)  doppelt           doppelt             übermä-
     vermind     / \     übermäß           vermind    kleine    ßige
      /   \     /   \     /   \                  \   /     \   /     \
größere   größere   größere   größere           größere   größere   größere
dreifach  vermin-   übermä-   dreifach          vermin-             doppelt
vermind    derte     ßige     übermäß            derte     große    übermäß
      \   /     \   /     \   /                  /   \     /   \     /
     doppelt   +-----+   doppelt           größere   größere   größere 
     vermin-   |OOOOO|   übermä-           doppelt             übermä-
      derte    +-----+    ßige             vermind    kleine    ßige
      /   \     /   \     /   \                  \   /   OOOOO /     \
kleinere  kleinere  kleinere  kleinere         kleinere   kleinere  kleinere
dreifach  vermin-   übermä-   dreifach          vermin-             doppelt
vermind    derte     ßige     übermäß            derte     große    übermäß
      \   /     \   /     \   /                  /   \     /   \     /
    (schwache)   \ /    (schwache)         kleinere  kleinere  kleinere
     doppelt  (schwache) doppelt           doppelt             übermä-
     vermind     / \     übermäß           vermind    kleine    ßige
      /   \     /   \     /   \                  \   /     \   /     \
(enge)    (enge)    (enge)    (enge)            (enge)  (schwache)(schwache)
dreifach  vermin-   übermä-   dreifach          vermin-             doppelt
vermind    derte     ßige     übermäß            derte     große    übermäß   
                                                 /   \     /   \     /
Intervalle zur Prime, Quarte, Quinte,     (schwache)(schwache) (enge)
Oktave, Undezime, Duodezime, ...           doppelt             übermä-
                                           vermind    kleine    ßige
  135/128 (‚cis)   81/80 (‘c)                                           
 /                   |                     Intervalle zur Terz, Sexte, Dezime, 
1 (c)                |                     Tredezime,... Für Sekunde, Septime,
 \                   |                     None, ... ist zu spiegeln und über-
  25/24   („cis)     1 (c)                 mäßig mit vermindert zu tauschen
Fett sind die nach einem deutschen Musik­lexikon gesicherten Namen. Der Rest durch systematische Fortsetzung und in Anlehnung an die Huygens-​Focker-​Intervall-​Liste. [1]

Damit stelle zumindest ich mir die Frage: Wie bestimme ich zu einem 5‑glat­ten Inter­vall die korrekte Bezeich­nung? Bei einem Inter­vall aus x Zweien, y Dreien und z Fün­fen bestimmt sich der grund­legende Name aus m=7x+11y+16z, weil die zweite Har­moni­sche 7, die dritte 11 und die fünfte 16 dia­toni­sche Schritte nach oben führt. Im Falle von m=0,1,2,3,… spricht man von einer Prime, Sekunde, Terz, Quarte, …, frei ins Deutsche über­setzt von einer (m+1)‑ten. Der Rest einer Divi­sion von m durch 7 ergibt das von Okta­ven befreite Inter­vall n=m=4y+2z (7) aus dem Bereich von 0 bis 6 für Prime bis Septime. Der nach­stehen­den Tabelle kann damit das zentrale (neutrale) Intervall (im Schema mit OOOOO gekenn­zeichnet) und die Zusam­menset­zung seines Qua­drates aus α Zweien, β Dreien und γ Fün­fen ent­nommen werden:
n  Name(n)  klein  groß Mittel Quadrat α(n) β(n) γ(n)
0  Prime         1        1       1      0    0    0
1  Sekunde  16/15  9/8  √(6/5)   6/5     1    1   -1
2  Terz      6/5   5/4  √(3/2)   3/2    -1    1    0
3  Quarte       4/3      4/3    16/9     4   -2    0
4  Quinte       3/2      3/2     9/4    -2    2    0
5  Sexte     8/5   5/3  √(8/3)   8/3     3   -1    0
6  Septime  16/9  15/8  √(10/3) 10/3     1   -1    1
Um zu ermitteln, wieviele Oktaven (a), Über­mäßig­kei­ten (b/2) und enhar­moni­sche Erhö­hun­gen (c/4) zum mitt­leren Ton, der neutralen (n+1)‑ten hinzu­kommen, ist

2x3y5z = 2α/23β/25γ/2 · 2a · ((135/128)(25/24))b/4 · (81/80)c/4

nach a, b und c aufzu­lösen. Es ergibt sich:

c=(6y−4z−3β+2γ)/7   b=(2y+8zβ−4γ)/7   a=(mn)/7

Das erste die Alterierung bezeichnende nur von b abhängende Attribut Alt(b) zum Grundnamen des Intervalls wird mit Hilfe von i=∣b∣/2 wie folgt bestimmt:
Alt(b)  = ''                   für b=0
Alt(b)  = 'große'              für b=1
Alt(b)  = 'kleine'             für b=-1
Alt(b)  = 'i-fach übermäßige'  für b>1
Alt(b)  = 'i-fach verminderte' für b<-1
Leider ist das zweite Attribut Enh(b,c) zur Angabe der enharmonischen Abweichungen etwas kompliziert. Mit j=∣c∣/4 lautet es:
Enh(b,c) = ''                für c=0
Enh(b,c) = 'größere'         für c=1,2,3
Enh(b,c) = 'kleinere'        für c=-1,-2,-3
Enh(b,c) = 'j-fach scharfe'  für c>3 und i gerade
Enh(b,c) = 'j-fach weite'    für c>3 und i ungerade
Enh(b,c) = 'j-fach schwache' für c<-3 und i gerade
Enh(b,c) = 'j-fach enge'     für c<-3 und i ungerade
zugeordnet, womit das Inter­vall „Enh(b,c) Alt(b) Name(n) plus a Oktaven“ oder im Falle von a≥0 einfacher „Enh(b,c) Alt(b) (m+1)‑te“ lautet. Ist Name(m) bekannt, so auch „Enh(b,c) Alt(b) Name(m)“ Ein Beispiel: Für 1024/675 ist x=10, y=−3, z=−2, m=n=5 (Sexte), β=−1, γ=0, c=−1, b=−3, a=0, i=1 und j=0. Damit handelt es sich um eine „klei­nere 1‑fach vermin­derte Sexte plus 0 Oktaven“, kurz die klei­nere vermin­derte Sexte. So steht es auch in einem deut­schen Musik­lexi­kon. [2] Doch die sich alle mögli­chen Inter­valle anhei­schig machende Huygens-​Fokker-​Liste [3] nennt eine enge vermin­derte Sexte.

Auch im deutschen Sprach­gebrauch verdrängt die Bezeich­nung pythago­reisch für 3‑glatte Inter­valle gerne die syste­matische. So heißt die kleinere kleine Terz (32/27) pythago­reisch und in der Folge die grö­ßere (6/5) einfach (natür­liche) kleine Terz. Das ist nicht bedenklich, solange man in exoti­schen Bereichen nicht zu unsyste­mati­schen Bezeich­nungen greift. Und damit meine ich nicht sehr kleine Inter­valle und einige beson­dere wie Halbton, Ganzton, Chroma, Limma, Komma, Apotome, Diesis, Schisma, Ditonus, Tritonus.

[1] Ich habe scharf, schwach, eng und weit in Klammern gesetzt, denn es ist nicht mehr als mein Versuch, die in der Huygens-​Fokker-​Liste [3] so bezeich­neten Inter­valle in das deutsche System des Musik­lexikons [2] einzu­ordnen. Wie es richtig ist oder sein könnte, weiß ich nicht. Ich bin jedem dankbar, dem anerkannte Konzepte bekannt sind und sie mir in einem Kommen­tar darlegt.

[2] Habe nur noch die Kopie der Seiten 409 bis 413 zum Stich­wort Inter­vall. Darin sind leider nur die gängig­sten Inter­valle ver­zeichnet, daß ein Gesamt­system über sie hinaus nicht zu erkennen ist.

[3] Intervall-Liste. Huygens-​Fokker Foun­dation. Diese Liste nennt zwar mehr 5‑glatte Inter­valle als das Musiklexikon [2], doch leider ist ein System nur in Ansätzen zu erkennen und nicht konse­quent umge­setzt.

Quinte | Dur

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