Altgrad
Üblicherweise teilen wir den Kreis­bogen in 360 Grad. Genauer gesagt in Altgrad. Von den Bemü­hungen um 400 Neu­grad habe ich seit langem nichts mehr gehört. Meine Tafel der Loga­rithmen der trigo­nome­tri­schen Funk­tionen nach neuer Teilung hat auch deshalb und nicht nur wegen der Taschen­rechner und Computer reinen Erin­nerungs­wert. Eine dritte Mög­lich­keit ist, auf eine Grad­eintei­lung zu ver­zichten und den Winkel einfach durch das Bogen­maß, die Länge des Ein­heits­kreis­bogens zu messen. Darüber hinaus gibt es noch den Voll­winkel und zahl­reiche geschicht­liche, militä­rische und nau­tische Ein­heiten.
1 pla = 360 deg = 400 gon = 2π rad
1 τ   = 360°    = 400ᵍ    = 2π
Der Vollwinkel (plenus angelus, turn, revo­lution, cycle, Umdre­hung) kommt im Leben eines norma­lem Menschen allen­falls beim Salto oder als Umdre­hungen pro Minute vor. Die Abkür­zung τ wurde zum Lieb­ling der Pi‑Gegner, die 2π gerne durch τ erset­zen möchten. Das ist ja nicht falsch, nur unge­wöhn­lich. Zumin­dest in theo­reti­schen Aus­führun­gen harter Wissen­schaf­ten hält man sich an die dimen­sions­lose SI‑Ein­heit mit 2π für den Voll­winkel. Also rad=1 und in der Folge pla=2π, deg=π/180 und gon=π/200. Alle keine echten Maßein­heiten, sondern schlichte Zahlen. Im über­wiegen­den Teil der Welt, ins­beson­dere im Alltag sind jedoch die 360 Alt­grade üblich und werden es auch bleiben.

Obwohl es nur einer Multipli­kation bedarf, um die ver­schie­denen Winkel­angaben umzu­rechnen, ist dies doch so wenig geläu­fig, daß Taschen­rechner über Ein­stel­lungen für die ver­schie­denen Dar­stel­lungen verfügen. Meiner erlaut in einem verbor­genen Menu die Umschal­tung zwischen Deg, Gra und Rad. Man muß deshalb auf­passen, wenn man mit den Ergeb­nissen weiter­rechnet. Ist zum Bei­spiel sin(x)/x zu berech­nen, dann erhält man den Wert für 30° sicher­lich nicht dadurch, daß man im Altgrad-​Modus sin(30) berech­net und dann durch 30 teilt.

Nicht nur bei Taschenrechnern begeht man gerne den mensch­lichen Fehler, die ange­zeigten Zeichen­ketten falsch zu inter­pretie­ren, weil Zehner­poten­zen oder andere Umrech­nungs­fakto­ren nicht beach­tet werden. Die gespei­cherten Kon­stan­ten und die viel­fältige Tasten­bele­gung begün­stigen solche Verwech­selun­gen. Dabei ist es eigent­lich ganz ein­fach: Wie 3 Milli­onen 3·1.000.000=3.000.000 ist, andert­halb Kibi­byte 1,5·1024·8=12288 Bit meint, und 0,8 Pro­mille für 0,8/1000=0,0008 steht, so ent­spricht 30 Alt­grad einem Winkel der Größe (π/180)·30≈0,5236.

Manche spendieren dieser simplen Umrech­nung von Altgrad in das Bogen­maß eine eigene Funktion namens Arcus, abge­kürzt arc, defi­niert durch arc(x)=x·π/180. Eine Funk­tion für eine ein­fache Multi­plika­tion, was soll das? Wer es duchschaut, schreibt zum Spaß arc(x)=x°, keinen Blödsinn wie arc α oder gar arcα und erst recht nicht arc(30°)=π/6. Vor allem Sport­lehrer mit Neben­fach Mathe­matik scheinen bei α[°]=α·180/π einen Orgas­mus zu bekom­men. Ein zweiter mit arcα=(α°/360)·2π geht in die Hose, weil α einen Winkel vor­täuscht, aber einfach eine Zahl ist und es 360&deg statt 360 heißen müßte.

Auf Taschenrechnern soll es gelegent­lich Tasten ARC und auch MULπ geben, die einen Winkel in der aus­gewähl­ten Dar­stel­lung in das Bogen­maß bzw. Viel­fache von π umrech­nen. Wie Funk­tionen sinpi(x)=sin(πx) ersparen sie dem Kun­digen Zeit, sind aber nichts für Leute ohne Durch­blick, was aber nicht daran hindert, diesen Kram beson­ders an Berufs- und Fach­schulen zu unter­richten. Besser wäre meines Erach­tens Schnell-, Kopf- und Über­schlags­rechnen, schrift­liches Wurzel­ziehen, Nut­zung von Tabel­len samt Inter­pola­tion sowie die Hand­habung eines Rechen­schiebers, auch wenn man heute alles nicht mehr zu benö­tigen scheint. Wahr­schein­lich muß ein Hoch­see­kapi­tän auch nicht mehr segeln können.

Während man Neugrade und die meisten anderen Winkel­maße dezimal unter­teilt, ist es bei Alt­graden üblich, sie in 60 Mi­nu­ten (′, arcmin, Bogen- oder Winkel­minute) und die Minute in 60 Se­kun­den (″, arcsec, Bogen- oder Winkel­sekunde) zu teilen. Eine wei­tere Unter­teilung in 60 Ter­tien ist nicht mehr üblich. Statt­dessen werden den Sekunden Nach­komma­stel­len ange­fügt. Man kann aber auch auf Minuten und Sekunden ver­zichten und nur Nach­komma­stel­len benut­zen. So hat das regel­mäßie Sieben­eck einen Zentral­winkel von 2π/7≈128°34′17,142857″≈128,571428°. Sehr kleine Winkel werden auch gerne in tausend­stel Bogen­sekunden (mas, milli­arc­second) ange­geben. Mit zuneh­mender astro­nomi­scher Genauig­keit sind auch million­stel Bogen­sekun­den (μas, micro­arc­second) üblich.

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