Score
Ich finde das Buch nicht mehr oder habe es wohl zurecht wegge­worfen, in dem frech behauptet wurde, Natur­wissen­schaftler würden alles messen wollen und meßbar machen, was nicht meßbar ist. Hinter diesem in sich wider­sprüch­lichen Vorwurf steckte wohl die geistes­wissen­schaft­liche Einbil­dung, die wesent­lichen Aspekte der Welt seien nicht quanti­fizierbar. Dem kann ein Natur­wissen­schaftler zustimmen und beschränkt deshalb seine Arbeit auf den meßbaren Teil. Nicht so die diskutie­renden Wissen­schaftler, die aus homöo­pathi­schen Mengen tenden­ziös erfaßter Daten eine sog. Stati­stik zaubern und jeden Furz nicht nur benennen, sondern auch bezif­fern, und sei es nur in Form einer Rang­liste.

Solche Ranglisten kommen den Menschen entgegen. Zumeist beruhen sie auf ermit­telten Zahlen, deren Zustande­kommen nicht sonder­lich interes­siert, denn es kommt beim Schwanz­vergleich nur auf die Relation zum Nachbarn an. Vor allem für den Sport, die Musik und das Geld gibt es Top-xxx-Listen. Für die Top‑16 im Snooker benötigt man neben Talent viel Training. Wer darin ist, muß sich für ein Turnier nicht mehr quali­fizieren. Wer in den Single-Top‑1000 ist, interes­siert mich nicht die Bohne. Und nach welchen Krite­rien die 25 pein­lich­sten TV-Momente ausge­wählt wurden, möchte ich gar nicht wissen.

Eine High-Score-Liste sollte nicht nur die Plätze, sondern auch einen wie auch immer gebildeten Score ausweisen. Darüber­hinaus ist es schön, wenn sie zwanzig Einträge aufweist, denn Score steht für die Zahl 20, die manche als Stiege kennen. In Zahl­wörtern macht sie sich bis heute bemerkbar. Ab 20 kleben wir Einer und Zehner nicht mehr anein­ander und sagen neunund­zwanzig, nicht neun­zwanzig oder zwanzigneun. Wenn Fran­zosen die baby­loni­sche 60 über­wunden haben, dann fügen sie bis 100 zwei Blöcke zu 20 an, woraus sich das berühmte quatre-vingts für 80 ergibt. Und die King-James-Bibel schreibt in der Offen­barung, Kapitel 13, Vers 18 die Zahl 666 als „Six hundred three­score and six“.

Früher gab es in England Score nicht nur als Zahl 20, sondern auch als Volumen und Gewicht. Wer sich dazu im Internet kundig machen möchte, findet viele vonein­ander abwei­chende Angaben. Das liegt wohl nicht nur am unge­nauen, zeitlich und örtlich unter­schied­lichen Festlegungen, sondern auch an der mühsamen Arbeit, die rich­tigen Größen aus alten Unter­lagen zusammen­zutragen. Verläßlich erscheint mir allein:

1 score = 21 chaldron (UK) = 6048 gallon (UK) = 27,49475232 m³

Das soll nicht heißen, daß vor Jahrhun­derten mit dieser Genauig­keit gemessen werden konnte. Vielmehr ist es wie bei vielen sehr genau festge­legten Konstan­ten: Ihr Wert liegt möglichst gut bei dem vorge­stellten oder gebräuch­lichen und ist irgend­wann im Sinne der Vergleich­barkeit sehr genau festge­legt worden. Deshalb hat eine imperial gallon nicht ungefähr, sondern genau 4,54609 Li­ter. Das 288-fache Chaldron ist noch in meinem Reclam-Heft vermerkt. [1] Daß ein Score nicht 20, sondern 21 mal so groß ist, liegt an dem einge­arbei­teten Rabatt: Wer 60 Säcke Kohle kaufte, der bekam drei umsonst.

Rabatte und Aufschläge sind in England beliebt. Bei meinem ersten Besuch war ich froh, daß wir nach den Rabatt­marken der Nach­kriegs­zeit dieses Zeit­alter überwunden hatten. Doch wie Täto­wie­rungen kamen mit Payback und Konsorten auch die Rabatte und mit ihnen die Schnäpp­chen­jäger wieder aus ihren Löchern gekrochen. Die Undurch­sichtig­keit und Viel­falt verwirrt den normalen Kunden und begün­stigt den rechen­fähigen Kaufmann oder Steuer­eintrei­ber. So wurden auch die Maßein­heiten immer zahl­reicher, auch dank vieler Zusätze wie short, long, merchant, troy, apothe­caries, tower, London, Newcastle.

[1] Wolfgang Trapp und Heinz Wallerus: Handbuch der Maße, Zahlen, Gewichte und der Zeit­rechnung. Reclam, Stutt­gart, 6. Auf­lage, 2012. Seite 127.

Venti | Lsd | Metrisierung

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Gestern verteidigte ich die Naturwissen­schaftler gegen den unflä­tigen Angriff, sie wollten alles messen und notfalls meßbar machen, obgleich zahlreiche sich an Universi­täten tummelnde Wissen­schaften außer Vermu­tungen, Meinungen und Befind­lich­keiten kaum etwas beizu­tragen haben und man schon zu den Redli­chen zählen muß, wer wenig­stens versucht, schlecht zu bezif­fernde Verhält­nisse zu beleuchten, indem er Methoden verwendet, die entfernt an natur­wissen­schaft­liche Daten­erhebung erinnern. Im allge­meinen ist die Daten­basis mager, oft tendenziös. Insbesondere zu Reizthemen wie Migration.

Dazu schreibt Hamed Abdel-Samad: „Die klassische Wissen­schaft arbeitet mit fixen Kate­gorien und Methoden, wie sie in den Natur­wissen­schaften ganz selbst­verständ­lich sind. Empfin­dungen und Geistes­haltungen kann man aber nicht so leicht erfassen und kate­gori­sieren. Es sind immer nur Moment­aufnahmen, Schnapp­schüsse, nicht das eine allum­fassende Bild. Vor allem dann nicht, wenn es um hoch­emotio­nale Themen geht, bei denen es eine klare Asymme­trie zwischen dem Fragen­den und dem Befrag­ten gibt. Führt man sich die gegen­seitige Skepsis und Polari­sierung vor Augen, die den Diskurs um Migra­tion, Integra­tion und Islam momentan prägen, so kann fast jede Frage als eine Provo­kation oder eine Unter­stellung verstan­den werden.“ [1]

[1] Hamed Abdel-Samad: Wie realistisch sind Studien zur Integration? (2). Achgut, 15.04.2018. Ist wohl ein Auszug aus seinem Buch, das ich mir aber nicht kaufen werde. So dringend ist meine Islam­kritik nun auch wieder nicht. Und was ich hier einmal loswerden muß: Ich hasse lange URL mit Unter­strichen, vor allem die von Mini­jobbern aus der Über­schrift zusammen­geschu­sterten. Und unter diesen besonders die mit Schreib­fehlern wie hier „_inter­gration_2“.

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