Gewinn und Verlust
Wenn man 18 Prozent mehr Umsatz als Hysterie bezeichnen mag, dann hat es eine solche um die 26 Millionen in Lotto-Jackpot gegeben. Und sollte am Montag keiner gewonnen haben, dann wird er nächste Woche noch größer sein. Ab wann lohnt es sich für mich mitzuspielen?

Um das einschätzen zu können, habe ich mich nach dem Einsatz für ein Spiel erkundigt. Es sind wohl 75 Cent. Der Normalgewinn ist 37,5 Cent, daß selbst ohne Berücksichtigung der Gebühren der Jackpot etwa 37,5*140.000.000 Cent also mindestens 50 Millionen Euro betragen müßte, was wohl kaum erreicht werden wird, weil er vorher "geknackt" oder der Gewinnklasse 2 zugeschlagen wird.

Um aber ehrlich zu sein, habe ich nicht darüber nachgedacht, wann ich zum Lottospieler würde, sondern mir erneut die Frage gestellt, ab welcher Gewinnquote q(x) der normale Mensch bereit ist einen Betrag x zu setzen.

So blöd die Sendung "Deal or no deal" auch ist, bietet sie neben dem Lottospiel und dem Roulette dafür doch gewisse Anhaltspunkte. Anders als in den meisten Gewinnspielsendungen schwankt der zu erwartende Gewinn auf den einen Koffer nur wenig. Nur die von der "Bank" angebotene Quote wird immer besser, bis der Kandidat weich wird und um die 75 Prozent der zu erwartenden Summe aufgibt.

Während im Bereich eines Einsatzes von 10.000 bis 50.000 Euro offensichtlich die Gewinnquote deutlich über 120 Prozent liegen muß, daß ein Mensch seinen schon sicheren Gewinn weiterhin riskiert und im normalen Leben auch bei 200 Prozent keine 10.000 dafür vom Konto abheben würde, reichen ihm beim Lottospiel offensichtlich 50 Prozent.

Wenn die Quote q(x), ab der ein normaler Mensch einen Betrag x einsetzt eine stetige Funktion ist, dann muß irgendwo im Bereich von 0,75 und 10.000 Euro der Betrag b liegen, für den q(b)=1 ist, dessen Verlust so schmerzhaft ist wie freudig sein Gewinn, nicht mehr und nicht weniger. Ich würde b über 100 Euro sehen, sonst gäbe es nicht die Lotto-Systemspieler.

Ganz gerecht wird diese Überlegung dem Lotto aber nicht. Während im Fernsehen zwar hohe Gewinnsummen winken, sind sie doch in mehreren Schritten der Vervielfachung zu erwirtschaften. Beim Lotto aber winken Millionengewinne für 75 Cent. Die genauere Frage muß also lauten: Ab welcher Quote q(x,y) geht ein normaler Mensch auf eine Wette ein, wenn er den Betrag x einzusetzen hat und möglicherweise den Betrag y gewinnt?

Vielleicht hat schon einmal irgendeiner den Faktor w(z) bestimmt, mit dem der Betrag z überbewertet wird. Wenn die Entscheidungsgrenze bei q(x,y) liegt, dann muß w(-x)=q(x,y)w(y) sein. Ich würde dem normalen Menschen ungefähr die folgenden Werte unterstellen:
z in Euro  w(z)  w(-z)
----------------------
        1   1,0    0,9
      100   1,2    1,3
   10.000   1,4    1,7
1.000.000   2,0    3,0

... comment

 
An diesem Wochende wurde der auf 35 Millionen Euro angewachsene Jackpot geknackt. Dazu beigetragen hat die hohe Zahl von fast 200 Millionen Tippreihen. Das würde ich im Gegensatz zu den bescheidenen 120 Millionen letzter Woche schon eher Hysterie nennen, denn bei Lichte betrachtet gab es kaum mehr zu gewinnen, besser: kaum weniger zu verlieren.

Letzte Woche errechnete ich überschlägig einen Jackpot von knapp über 50 Millionen, um in die Gewinnzone zu kommen. Diese Rechnung ging davon aus, daß die Zahl der abegegeben Tippreihen die 100 Millionen nicht deutlch übersteigt, womit eine Teilung des Jackpots rechnerisch nicht sehr ins Gewicht fällt. Bei 200 Millionen ist das anders. Deshalb will ich die Gewinnerwartung etwas genauer bestimmen:

In einem von m=139.838.160 Fällen trifft man in die Gewinnklasse 1, in der 5 Prozent der Einsätze ausgezahlt werden. In den übrigen Gewinnklassen sind es zusammen 45 Prozent. Wenn der Jackpot das j-fache des Einsatzes einer Tippreihe beträgt und n Tipps abgegeben wurden, dann ist mit einer Gewinnquote von
q(n) = 0,45 + (1-(1-1/m)^n)(0,05+j/n) 
zu rechnen, wobei davon ausgegangen wurde, daß in den Gewinnklassen 2 und höher keine Jackpots, aber Gewinner vorhanden sind, und nicht berücksichtigt wurde, daß die Konkurrenten suboptimal spielen, weil sie gewisse Tippreihen bevorzugen. Das aber kann nur wenige Prozente ausmachen.

Da beim Lotto n immer sehr groß ist, erhält man die sehr gute Näherung
q(n) = 0,45 + (1-exp(-n/m))(0,05+j/n)
Deutlich sieht man die Quote von 45 Prozent aus den Gewinnklassen 2 und höher. Hinzu kommt der Anteil j/n aus dem Jackpot und die Quote von 5 Prozent in der Gewinnklasse 1, wenn in ihr ein Treffer erzielt, der Jackpott also geknackt wird. Mit einer Wahrscheinnlichkeit von exp(-n/m) geht das schief.

Letzte Woche war überschlägig n=120.000.000 und j=26.000.000/0,75. Das ergibt n/m=0,85 und j/n=0,30. Mit Wahrscheinlichkeit von exp(-0,85)=43% sollte der Jackpot stehen bleiben, was ja auch geschah. So war die Gewinquote nur 45 Prozent. Wäre der Jackpot geknackt worden, hätte sie um 0,05+j/n=35% höher gelegen. Vor der Ziehung zu erwarten aber waren nur (1-0,43)*0,35=20% mehr. Insgesamt war die Quote mit 65% also noch weit von einem gerechten Spiel entfernt.

Diese Woche schien es mit j=35.000.000/0,75 günstiger, doch traten mit n=190.000.000 viel mehr Konkurrenten auf. So lag n/m=1,35 zwar deutlich höher, doch ist j/n=0,25 leicht gefallen. Nur noch mit exp(-1,35)=26% sollte der Jackpott stehen bleiben. Und das tat er dann auch nicht, weshalb zu den 45% Grundquote noch 0,05+j/n=30% hinzukamen. Weniger als letzte Woche. Doch entscheidend ist die Erwartung vor dem Spiel mit (1-0,26)*0,30=22%. Sie ist wegen der höheren Knack-Wahrscheinlichkeit doch noch etwas günstiger als in der Vorwoche, gleichwohl 67% insgesamt auch nicht die Welt sind.

Kurz gesagt: Es lohnt sich wahrscheinlich nie, wegen eines Jackpots in der Klasse 1 Lotto zu spielen, weil bei geringen Beträgen die Gewinnerwatung klein ist und bei hohen Beträgen zuviele Konkurrenten auftreten. Wäre aber der Jackpot weiterhin ungeknackt geblieben und etwa in Höhe von 60 Millionen Euro auf die Gewinnklasse 2 übertragen worden, während wegen Ermüdung der Spieler nur noch n=120.000.000 Tipps agegeben worden wären, so hätte es sich mit
q(n) = 0,45 + j/n + (1-exp(-n/m))*0,05
     = 0,45 + 0,67 + 0,57*0,05
     = 1,15
über 100% fast geloht, mehrere tausend Tippscheine abzugeben.

... link  


... comment