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Auch wenn das Endergebnis noch nicht feststeht: Je zwei Punkte an SPD und CDU, einer an FDP, Grüne und Linke. Vier von diesen sieben reichen für eine Regierung aus. Das ist besser als befürchtet.

Die zu hohe Zahl der FDP-Wähler scheint nicht mehr zu wissen, wie sehr diese Partei ihre Fahne in den Wind gehängt hat und bestrebt ist, ihre hohe mittlere Quote von Ministern pro Mitglied zu halten. Ähnliches gilt für die Grünen, daß neben der großen Koalition auch beide gelb-grünen realistisch sind.

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Wie immer haben alle gewonnen, doch ist auch klar, daß es nicht nur auf den Vergleich mit der letzten Wahl ankommt. Der Jubel der SPD-Anhänger und eine den Tränen nahe Angela Merkel bemessen den Erfolg doch an den Vorhersagen. Die repräsentativ Befragten orientieren am Telefon eher als vor der Urne an der veröffentlichten Meinung. Dazu trägt die Mehrheit der Journalisten bei, die Merkel und Schröder nach ihrem TV-Duell auf gleicher Augenhöhe gesehen haben wollen. So war es vielleicht nicht geschickt, doch überfällig und gerecht von Gerhard Schröder, ihnen in der Elefantenrunde eins reinzuhauen und aus ihnen den Oberlehrer hervorzukitzeln.

Natürlich ist Gerhard Schröder frech und arrogant. Daß er sich das leisten kann und damit ankommt, zeigt wer gewonnen hat. Sich als Kanzler einer Koalition zu sehen , sofern die SPD überhaupt daran beteiligt sein wird, ist nicht nur realistisch, sondern auch gerechtfertigt. Wahl für Wahl diskutiert nach der Tagesschau die sog. Union mit zwei Elefanten. Wenn es aber um eine Koalition von CDU, CSU und SPD geht, werfen sie ihre Anteile zusammen und beanspruchen die Kanzlerschaft. Vielleicht beflügelt die Diskussion der nächsten Tage erneut den Gedanken an eine Spaltung der beiden Rechtsparteien.

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Also ich seh eigentlich nur Verlierer,
bis auf Lafo und seine Luxus-Leninisten. Die können sich die Hände reiben. Sollte Schröder abtreten müssen, kann er sich bei der Linkspartei bedanken. Die hat seinem Lager ja wohl mehr Stimmen abgejagt als die schwarz-gelbe Konkurrenz...

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Gewinn- und Verlustrechnungen beziehen sich immer noch auf die vorangehende Wahl. Gewinn- und Verlustgefühle aber vergleichen mit Erwartung und Hoffnung. Und wenn ich auch nichts von Partys und Jubelpersern halte, machen sie doch deutlich, wer sich gestern auf der Gewinnerseite gesehen hat: FDP, SPD und PDS.

Natürlich vergrößert eine Linksabspaltung nicht das linke Lager. Sofern man aber die Grünen noch hinzurechnen darf, hat dieses eine Mehrheit in der Bevölkerung. Damit diese linke Mehrheit ihre Kraft entfalten kann, muß noch eine Weile gewartet werden, auf die Zeit nach Schröder und Lafontaine.

Und wenn wohl auch keine langzeitstabile Regierung aus diesem Wahlkampf hervorgehen wird, so ist doch gegen Ende klar geworden, daß Politik mehr ist als Wirtschaft und Steuerrecht, die bis zum Erbrechen diskutiert wurden. Es ist erkannt, daß die Übermacht der Wirtschaft wie die Führung der CDU nur herbeigeredet waren.

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Allerdings.
Ich hab mich in den vergangenen Monaten oft gewundert, wie sehr temporäre Umfrageergebnisse schon als vorweggenommener de-facto-Machtwechsel verkauft wurden. Als ob man aus 2002 nichts gelernt hätte.

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Da lese ich als Entschuldigung: "Die Leute haben sich in Umfragen gebrüstet, Union zu wählen, und haben es dann nicht getan", sagte Renate Köcher vom Allensbach-Institut. Aber es ist doch Aufgabe einer guten Prognose, diesen Effekt gering zu halten oder herauszurechnen. Es ist doch nicht neu: Das wahre Verhalten der Menschen weicht immer stärker vom dargestellten ab.

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Bei Allensbach
wundert mich das noch am allerwenigsten. Die hatten vor 30 Jahren die Theorie, dass Unionswähler sich nicht gerne in Umfragen als solche outen. Aus diesem Grund hat das IfD seinerzeit die Unionswerte immer etwas höher angesetzt als es die Umfrage-Rohdaten hergaben.

Das war im Grundsatz auch nicht falsch, aber wenn man mal angefangen hat, die erfragten Rohdaten nachzubearbeiten aufgrund von empirisch nicht ganz so gut abgesicherten Prämissen, leidet irgendwann halt die methodische Nachprüfbarkeit und das Institut bringt sich in Verdacht, Auftragsforschung zu betreiben.

Vom IfD erwarte ich im Grunde auch nichts anderes als gefärbte Meinungsmache, aber wesentlich mehr erschüttert mich, wie schlecht die FGW gerechnet hat. Für die hab ich zu Studi-Zeiten selber telefoniert, und soweit ich das beurteilen kann wurde da immer vergleichsweise sauber gearbeitet. Vermutlich wird das Wählerverhalten tatsächlich immer irrationaler und schlechter vorhersehbar. Die Entscheidung, was ich mit der Zweitstimme mache, hab ich auch erst getroffen als ich den Stift schon in der Hand hatte...

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Das Verhalten mag irrationaler werden, viellleicht wurde gestern auch eine Scheidestelle eines chaotischen Prozesses getroffen. Gäbe man stets Konfidenzintervalle an, könnte nach Jahren gesagt werden, ob man erwartet oft drin gelegen hat. Intern wird es sie geben, doch sind sie wohl für eine breite Veröffentlichung beschämend groß.

Irgendwie wurde der Braten ja schon gerochen, und es kam letzte Woche zu Bereichsangaben. Wo sie fehlen bleibe ich bei meiner Ansicht: Wer Promille angibt, muß auf Prozente genau sein.

Das eigentliche Problem des gestrigen Abends aber war, daß wesentliche Korrekturen gefehlt haben, die doch nicht nur mir schon lange Zeit klar gewesen sein müßten: Bevor man seine Stimme abgibt, überlegt man doch noch einmal, ob die vollmundig vorgetragene Protestentscheidung nicht ins Verderben stürzt. Ich gebe allerdings zu, daß ich auf diesen Effekt auch nur gehofft und ihn nicht in dieser Brutalität erwartet habe.

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Bin gar nicht mal
so sicher, ob das Wählerverhalten wirklich sooo viel irrationaler geworden ist. Vor 20 Jahren, als ich noch Politikwissenschaften studierte und Wahlforschungs-Seminare besuchte, war die Rede von 20 Prozent Wechselwähleranteil. Diese Größenordnung wird auch heute noch genannt. Und selbst wenn es heute 25 Prozent wären, sollte das eigentlich kompensiert werden können durch mehr Rechnerleistung, die uns heute zur Verfügung steht.

Der Punkt ist wohl eher, dass das Wählerverhalten eigentlich konstant irrational geblieben ist, aber dass im Zuge der Individualisierung und des Wertewandels eine Reihe von korrelierenden Faktoren (sozidemographische Eckdaten, Milieus etc.) unübersichtlicher geworden sind. Die können nicht mehr in dem Ausmaß als Anhaltspunkt für wenn-Arbeiter-dann-Gewerkschaftsmitglied-und-SPD-Wähler-Annahmen herhalten.

Darüber hinaus müssen wir davon ausgehen, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, an Umfragen mitzuwirken, langfristig eher im Sinken begriffen ist. Das bleibt natürlich auf Dauer auch nicht ohne Folgen für die Qualität und Repräsentativität der Stichproben. Junge, mobile Wählerschichten erreichen Sie womöglich gar nicht mehr über traditionelle Telefonumfragen übers Festnetz, auch ältere und Schwerhörige gehen ja selten ans Telefon. Und diesem Umstand müssen Sie Rechnung tragen, indem Sie diese Teilgruppen innerhalb der Stichprobe stärker gewichten. So können sich ein paar Unschärfen in der Gewichtung ganz schnell zu beachtlichen Schwankungen addieren.

Und wie das mit den sogenannten Exit-Polls funktionieren soll, ist mir stets ein Rätsel geblieben...

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