Jocelyn Bell Burnell
Nach Chien-Shiung Wu, Rosa­lind Franklin und Lise Meitner auf den Plät­zen 7, 1 und 5 der in [1] genannten Frauen, deren Ruhm Männer ernteten, nun Jocelyn Bell Bur­nell auf Platz 10 als die letzte, die keinen Nobel­preis erhielt. Während die ersten drei nur mittelbar betei­ligt waren, hat Jocelyn Bell tatsäch­lich eine Ent­deckung gemacht, weil sie mit Radio­tele­skopen aufge­fangene Signale nicht als Störung abtat, sondern zusammen mit ihrem Doktor­vater Antony Hewish untersuchte und heute als Entdeck­erin des ersten Pulsa­res gilt.

Obwohl sie in der zuge­hörigen Veröffent­lichung an zweiter Stelle genannt ist, erhielt neben Antony Hewish nicht sie den Nobel­preis, sondern der Instituts­leiter Martin Ryle, der zuvor Grund­lagen der Radio­tele­skopie schuf. Jocelyn Bell war in den Augen des Nobel­komitees nur eine mit Daten­auswer­tung beschäf­tigte Dokto­randin. "'Die Daten kamen auf Tabellen­blättern heraus', erklärt sie. 'Damals gab es nur sehr, sehr wenige Computer, statt­dessen ließ man die Ergeb­nisse einfach durch uns Absol­venten auswer­ten.' ... Viele Forscher hätten diese Signale als tech­nische Störung abgetan. Aber Bell und Hewish waren erst­klassige Wissen­schaftler, die es genau wissen woll­ten." [2]

Vom Nobelpreis abgesehen haben Männer nicht den größten Ruhm eingesteckt. In einem Lehrbuch für Studenten steht Jocelyn Bell unter der Über­schrift "Wie wurden Neutronen­sterne entdeckt?" ganz vorne: "Die ersten Beobach­tungs­hinweise auf Neutronen­sterne stammen aus dem Jahr 1967, als eine 24-jährige Dokto­randin namens Jocelyn Bell eine selt­same Radio­quelle entdeckte. Bell hatte ihren Betreuer, Anthony Hewish, beim Bau eines Radio­tele­skopes unter­stützt, ... Nachdem sie andere Möglich­keiten ausge­schlossen hatte, kam sie zu dem Schluss, dass irgendwo aus der Nähe des Stern­bilds Schwan (Cygnus) gepulste Radio­stahlung empfangen wurde. Die Inter­valle betrugen genau 1,337301 Se­kun­den." [3]

Auch die Bibel der Astro­physik widmet sich nicht nur der Ent­deckung, sondern in einer Fußnote auch der Kontro­verse: "In 1974 Hewish was awarded a share of the Nobel Prize, along with Martin Ryle, for their work in radio astro­nomy. Fred Hoyle and others have argued that Jocelyn Bell should have shared the prize as well; Hewish had designed the radio array and obser­vational tech­nique, but Bell was the first to notice the pulsar signal. This contro­versial omission has inspired refe­rences to the award as the 'No-Bell' prize." [4]

Es war wohl nicht Frauen­freund­lichkeit allein, die Hoyle die Nobel­preis­vergabe kriti­sieren ließ. Er mochte vor allem Ryle nicht, der den Urknall bevor­zugte, während Hoyle dem stati­schen Univer­sum anhing. Viel­leicht hat es ihn um den eigenen Nobel­preis gebracht. "Daß Hoyle über­gangen wurde, ist eine der größten Unge­rechtig­keiten in der Geschichte des Nobel­preises. Das Komitee brüs­kierte Hoyle vor allem, weil er sich über die Jahre mit seiner unver­blümten Art zahl­reiche Feinde gemacht hatte. Zum Beispiel hatte er sich lautstark beschwert, als der Nobel­preis für Phy­sik 1974 für die Ent­deckung der Pulsare vergeben wurde. Er räumte ein, daß die Ent­deckung dieser pulsie­renden Sterne ein wich­tiger Durch­bruch war, empörte sich jedoch, weil der Preis nicht mit der jungen Astro­nomin Jocelyn Bell geteilt wurde, der die ent­schei­denden Beobach­tungen gelungen waren." [5]

Auch wenn der Nobel­preis an vielen Männern wie Hoyle vorbei­ging und Verbre­cher einen für den Frieden erhielten, ist die Frauen­quote weiterhin sehr gering, was natür­lich auch der Tatsache geschul­det ist, daß Frauen es in derar­tige Höhen auch heute nur selten schaffen. Deshalb ist der Nobel­preis kein guter Maßstab für die Gleich­berech­tigung. Werden Frauen nicht nominiert oder gehen trotzdem leer aus, zeigt dies allen­falls, daß die Männer im Vergabe­komitee Frauen den Ruhm vorent­halten, ohne ihn selbst einheim­sen zu können. Die Kollegen der über­gangenen Frauen haben ihn zwar im gutmei­nenden Wort­sinne geerntet, aber nicht gestoh­len, wie die Über­schrift von [1] sugge­riert.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018.
[2] Heather Couper und Nigel Henbest: Die Geschichte der Astronomie. Frederking & Thaler Verlag München, 2007. Seite 251.
[3] Jeffrey Bennett, Megan Donahue, Nicholas Schneider, Mark Voit: Astronomie - Die kosmische Perspek­tive. Pearson Studium, 5. Auf­lage 2010. Seite 835.
[4] Bradley W. Carroll und Dale A. Ostlie: An Introduction to Modern Astro­physics. Addison Wesley San Francisco, 2. Auf­lage 2007. Seite 587.
[5] Simon Singh: Big Bang - Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen Natur­wissenschaft. Bücher­gilde Guten­berg, 2005, Seite 409

Chien-Shiung Wu | Rosalind Franklin | Lise Meitner

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