Christian Wulff
Zumindest bis ins letzte Jahr kam mir im Zusammenhang mit Christian Wulff immer seine Äußerung in den Sinn, daß man auch ohne sog. Brüche, ohne Revolutionstaten, also gleich als Paulus in der Politik eine Chance haben dürfe, selbst ohne silbernen Löffel im Maul. Als solchen habe ich ihm den Aufstieg gegönnt, gleichwohl ich mich nicht seinem Lager zurechne und ihn auch nicht für die bessere Wahl zum Bundes­präsidenten hielt.

Leider zeigte sich in den letzten Monaten, daß seine Karriere nicht auf Fleiß, Begabung und Glück allein beruhte, sondern Christian Wulff sich auf zwei von mir verabscheuten Feldern betätigte. Zum einem dem der Vorteilsnahme und Schnäppchenjägerei. Zum anderen der Anbiederung bei den Reichen und Schönen. Seither ist er für mich ein armes Würstchen.

Auf die Frage, worin denn in der fegefeuerfreien evangelischen Ewigkeit die Strafe für die Bösen bestehe, hörte ich nur einmal eine vernünftige Antwort: In der Unfähigkeit dieser Menschen, nach dem Tode ihre Gesinnung abzulegen, und in der Frustration, mit ihr nichts mehr erreichen zu können. Das gilt auch für Heiden, für mich und für Katholiken wie Christian Wulff.

Sein Erfolgsmodell der Anbiederung hat sich zu sehr in seinem Unterbewußtsein und Wesen eingegraben, um Fehler eingestehen und sich verkrümeln zu können. Am bisherigen Ende steht der Zapfenstreich. Nun tut er mir leid, nicht als der kalt genannte Politiker, nicht als der Moralapostel, und schon gar nicht das Amt, dem in den letzten Monaten eine abartige Überhöhung angedichtet wurde.

Für viele bleibt sein Ehrensold. Über ihn und seine Rechtsschwächen ausnutzende Inanspruchnahme mag man sich ereifern. Selten aber höre ich im gleichen Atemzug von Prominenten, Managern und Fußballspielern, die ein weit höher ihre Leistung über­steigendes Einkommen beziehen. Von den Erben mit dem silbernen Löffel im Maul ganz zu schweigen.

Die Kosten sind ganz woanders entstanden: Hat jeder Deutsche sich im Mittel nur eine Stunde mit dem Skandal um Christian Wulff beschäftigt, macht das 10.000 Mannjahre. Wenn davon 1.000 zu Lasten der Erwerbstätigkeit gehen, ergeben sich bei einem Niedriglohn von 5 Euro pro Stunde bereits Einbußen von 40 Millionen, also 200 Jahre Ehrensold. Und den Griechen wurden gerade 10.000 Euro pro Nase erlassen.

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Röslersche Mengenlehre
Herr Rösler rettet auf dem Dreikönigstreffen die FDP. Auch mit einer Ablehnung unnötiger Schulreformen. Er berichtet, zu seiner Zeit habe man Mathematik durch Mengenlehre ablösen wollen und gelehrt: Befinden sich fünf Personen in einem Raum und es gehen sieben raus, dann müßten noch zwei reinkommen, damit keiner mehr drin ist. Eher ein schlecht erzählter Mathematikerwitz denn eine Paradeaufgabe der Mengenlehre.

Kurze Zeit später erwähnt der Kommentator Jürgen W. Falter, was auch mir zu Röslers Mengenlehre spontan durch den Kopf ging, daß die FDP nun die Talsohle erreicht hätte und die Umfragewerte negativ würden, wenn sie könnten. Die ungeliebte Mengenlehre hilft der FDP. Selbst die leere Menge hat keine negative Mächtigkeit.

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1433
Mein türkischer Gemüsehändler hatte schon am Freitagabend Neujahr gefeiert, mein türkischer Kollege weist den islamischen Kalender von sich, ich dagegen halte mich an Rechnungen von Spezialisten, die den 1. Muharram 1433 auf den heutigen 27. November 2011 legen. Und das ist nicht irgendein Tag, sondern der erste Adventssonntag und damit auch Beginn des christlichen Kirchenjahres. Zuletzt passierte das im Jahre 1913, und für das nächstemal ist bis 2434 zu warten, sofern ich mich nicht verrechnet habe.

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89 Promille
Was in der Wahlnacht noch lustig war, wenn ein Pirat nach politischen Erfahrungen befragt zugibt, schon einmal auf der Besuchertribüne des Parlamentes gewesen zu sein, weshalb er sich für die dortige Twitter-Erlaubnis einsetzen wird, wandelt sich Tag für Tag und mit jedem Bericht in Übelkeit. Ich kann auf Rauschkundeunterricht verzichten, möchte keine Naturgesetze voten und verabrede mich bei Facebook nicht zum Kielholen.

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18 Promille
Endlich hat die FDP ihr Ziel erreicht. Und schon tut mir Herr Lindner leid, wenn er es schön reden muß. Jahrzehnte hatte die FDP gemessen an den Mitgliedern viele Posten zu vergeben. Und nun sitzt er auf einem lahmenden Gaul.

Secarts

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Formeltanz
Als ich "Tanzen auf Mathe-Formeln" als Überschrift [1] las, kamen mir spontan zwei Möglichkeiten in den Sinn: Man könnte Formeln wie Namen tanzen, aber auch einen höheren Anspruch stellen, nämlich ohne inhaltlichen Verlust die mathematische Schönheit tänzerisch darstellen.

Doch leider geht es nur um die moderne Version der Lichtorgel: Zur Musik wird getanzt, und im Hintergrund flackert ein Bild, das irgendwie dazugehört, nicht von einem Künstler erschaffen, sondern mit dem Computer fouriertransformiert [2]. Damit ist die Mathematik im Boot. Biologie kommt über die Fledermäuse ins Spiel, und Sport liegt nicht weit vom Tanz.

Sicherlich sind Unterschiede in den Spektren von Maria Callas und Janis Joplin augenfällig, man kann sie aber auch hören. Die Computerbilder sind allenfalls Unter­malung, die Tanzlehrerin nennt es vornehm Rückkopplung. Bis zur Vorkopplung ist es noch ein weiter Weg. Mit errechneten Stromstößen in die zu bewegenden Muskeln könnte das Kleinhirn sie erlernen.

Ich hätte mir die Vorführung gerne angesehen, auch springen in diesem Zusammenhang sicher Diplomarbeiten heraus, und es mag wirklich "ohne Mathematik heute in der Bewegungslehre-Forschung nichts mehr gehen" [3]. Formeln aber wurden nicht getanzt. Das weiß wohl auch der Autor Wolfgang Albers. Doch "Mathe-Formeln" in der Über­schrift konnte er sich nicht verkneifen. Auch nicht den "russischen" Mathematiker und den "Tellerrand" der Fledermaus-Forschung.

[1] Wolfgang Albers, Tanzen auf Mathe-Formeln - Biologie, Mathematik und Sport kooperierten für ein ungewöhnliches Projekt, tagblatt.de, 05.07.2011

[2] Lustigerweise steht in [1] einmal "Trandformation" geschrieben. Sicherlich ein Tippfehler, aber eine bezeichnende Mischung aus Trend und Trans.

[3] Veit Wank in [1]. Doch war weit vor der Erfindung des Computers schon klar: Der Flug des Diskus ist nicht einfach.

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Manege statt Mathematik
Manege statt Mathe hieß es vier Tage lang in der Janosch-Grundschule in Oberlar [1]. So beginnt ein kurzer Artikel, der in seinem weiteren Verlauf die Mathematik nicht mehr erwähnt. So erfahren wir nicht, ob wirklich Mathematik-Unterricht ausgefallen ist. Wahrscheinlich schon, aber wohl auch Deutsch und Englisch und auch der so wichtige Sportunterricht. Manage statt Musik wäre lautlich auch gegangen, schied aber aus. Zum einen ist Musik in unserer dauertanzenden Gesellschaft sozial anerkannt. Zum anderen wird zumindest in einem richtigen Zirkus auch musiziert. Und im nächsten Jahr wird erklärt, warum der Zirkus nicht Quadratus heißt und wie man eine runde Manege hinbekommt.



[1] Manege statt Mathematik, Extra-Blatt, 28.06.2011

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