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Mubah-Schach
wuerg, 28.12.2017 19:36
Vor kurzen war Schach in Saudi-Arabien noch haram, doch zur Zeit finden dort die Weltmeisterschaften im Schnellschach statt. Schach wird dadurch nicht gerade halal, doch zumindest mubah. Auf der einen Seite ist zu würdigen, daß der neue Kronprinz Mohammed bin Salman sein Geld nutzt, um die Öffnung seines Landes voranzutreiben. Auf der anderen ist aber zu bemängeln, daß die hinterherhinkende Gesellschaft keinen fairen Wettbewerb gestattet, auch wenn Frauen sich im Wettkampfgebäude nicht verhüllen müssen und mit offenem Haar ans Brett dürfen. Das war zu Beginn des Jahres in Teheran noch anders. [1]
Die Versuchung zur Anpassung ist vor allem dann groß, wenn man als Spitzenspielerin an das hohe Preisgeld möchte, denn "das ganze System der Frauen-WM ist weniger auf sportliche Aussagekraft ausgerichtet als darauf, die Berufsspielerinnen zu versorgen". [2] Eine leicht frauenfeindliche Bemerkung aus dem FAZ-Schachblog. Desto höher ist der Verzicht der Doppelweltmeisterin Anna Musytschuk zu bewerten. Sie schreibt:
"In ein paar Tagen werde ich zwei Weltmeistertitel verlieren - Einen nach dem Anderen. Nur weil ich mich entschieden habe, nicht nach Saudi-Arabien zu gehen. Nicht nach den Regeln eines Anderen zu spielen, nicht Abaya zu tragen, nicht begleitet zu werden um nach draußen zu kommen und überhaupt nicht, mich als eine sekundäre Kreatur zu fühlen. Vor genau einem Jahr habe ich diese beiden Titel gewonnen und war der glücklichste Mensch in der Schachwelt, aber dieses Mal fühle ich mich wirklich schlecht. Ich bin bereit, für meine Prinzipien zu stehen und die Veranstaltung zu überspringen, wo ich in fünf Tagen mehr verdienen sollte als in einem Dutzend Veranstaltungen zusammen. All das ist ärgerlich, aber das Ärgerlichste daran ist, dass es fast niemanden wirklich interessiert. Das ist ein wirklich bitteres Gefühl. Das Gleiche gilt für meine Schwester Mariya und ich bin wirklich froh, dass wir diesen Standpunkt teilen. Und ja, für die Wenigen, die sich interessieren - wir kommen wieder!" [3]
Schon im Vorfeld gab es Kritik, auch der Schachgewerkschaft ACP am Weltschachbund FIDE. Natürlich möchte er Schach olympia-, publikums- und fernsehtauglich machen. Das gefällt nicht jedem gewissenhaften Spieler. Doch für dieses Ziel nicht nur weltfremde Kleidervorschriften, sondern auch ein Einreiseverbot für israelische Spieler hinzunehmen, überschreitet die Grenze.
[1] Gegen eine gewisse Anpassung ist nichts einzuwenden. Auf weiße Socken in Sandalen und kurze Hose verzichte ich so und so. Mein Gegner sollte nicht nackt erscheinen. Dafür streichele ich während der Partie auch nicht meine Katze.
[2] Stefan Löffler: Schach unterm Hidschab. FAZ-Schachblog "Berührt, geführt", 17.02.2017.
[3] Zitiert nach Franz Jittenmeier: Rapid & Blitz WM 2017 - Titelverteidigerin boykottiert die WM. Schachticker, 27.12.2017
Es reicht
Die Versuchung zur Anpassung ist vor allem dann groß, wenn man als Spitzenspielerin an das hohe Preisgeld möchte, denn "das ganze System der Frauen-WM ist weniger auf sportliche Aussagekraft ausgerichtet als darauf, die Berufsspielerinnen zu versorgen". [2] Eine leicht frauenfeindliche Bemerkung aus dem FAZ-Schachblog. Desto höher ist der Verzicht der Doppelweltmeisterin Anna Musytschuk zu bewerten. Sie schreibt:
"In ein paar Tagen werde ich zwei Weltmeistertitel verlieren - Einen nach dem Anderen. Nur weil ich mich entschieden habe, nicht nach Saudi-Arabien zu gehen. Nicht nach den Regeln eines Anderen zu spielen, nicht Abaya zu tragen, nicht begleitet zu werden um nach draußen zu kommen und überhaupt nicht, mich als eine sekundäre Kreatur zu fühlen. Vor genau einem Jahr habe ich diese beiden Titel gewonnen und war der glücklichste Mensch in der Schachwelt, aber dieses Mal fühle ich mich wirklich schlecht. Ich bin bereit, für meine Prinzipien zu stehen und die Veranstaltung zu überspringen, wo ich in fünf Tagen mehr verdienen sollte als in einem Dutzend Veranstaltungen zusammen. All das ist ärgerlich, aber das Ärgerlichste daran ist, dass es fast niemanden wirklich interessiert. Das ist ein wirklich bitteres Gefühl. Das Gleiche gilt für meine Schwester Mariya und ich bin wirklich froh, dass wir diesen Standpunkt teilen. Und ja, für die Wenigen, die sich interessieren - wir kommen wieder!" [3]
Schon im Vorfeld gab es Kritik, auch der Schachgewerkschaft ACP am Weltschachbund FIDE. Natürlich möchte er Schach olympia-, publikums- und fernsehtauglich machen. Das gefällt nicht jedem gewissenhaften Spieler. Doch für dieses Ziel nicht nur weltfremde Kleidervorschriften, sondern auch ein Einreiseverbot für israelische Spieler hinzunehmen, überschreitet die Grenze.
[1] Gegen eine gewisse Anpassung ist nichts einzuwenden. Auf weiße Socken in Sandalen und kurze Hose verzichte ich so und so. Mein Gegner sollte nicht nackt erscheinen. Dafür streichele ich während der Partie auch nicht meine Katze.
[2] Stefan Löffler: Schach unterm Hidschab. FAZ-Schachblog "Berührt, geführt", 17.02.2017.
[3] Zitiert nach Franz Jittenmeier: Rapid & Blitz WM 2017 - Titelverteidigerin boykottiert die WM. Schachticker, 27.12.2017
Es reicht
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