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Null
wuerg, 15.01.2005 00:58
Die Null ist sicherlich eine sehr interessante Zahl. Sie steht für nichts und damit für etwas, eigentlich für das erste, von dessen Existenz ich ausgehen kann, wenn ich von meiner eigenen Person absehe. Es gibt also etwas und nicht nichts. [1]
Immer wieder wird behauptet, die Null sei irgendwo in Indien erfunden worden und dann über die Araber nach Europa gekommen, obwohl es nichts oder keins sicherlich schon ewige Zeiten gab. Gemeint ist die Ziffer 0, also die Verwendung eines eigenen Symboles für das Fehlen eines Ziffernzeichens, wo zuvor bestenfalls Leerraum gelassen oder ein Platzhalter notiert wurde. Eine richtige Zahl Null als Rechengröße oder Ergänzung der natürlichen Zahlen, soll es selbst bei den Babyloniern weder sprachlich, noch als alleinstehende Ziffer, noch als nullstellige Ziffernfolge gegeben haben. [2] Die Römer umgingen dieses Problem durch die Verwendung verschiedener Zeichen für die verschiedenen Stellen. Griechen und Juden waren mit ihrer Darstellung von Zahlen durch Buchstaben noch schlechter und beförderten dadurch die abergläubische Unsitte, Wörter als Zahlen und Zahlen als Wörter oder gar Namen zu interpretieren.
Es mag uns heute unverständlich erscheinen, warum in einem schon vorhandenen Positionssystem die Leerstellen nicht schon sehr früh mit einem unscheinbaren Zeichen, zum Beispiel einem Punkt gekennzeichnet wurden. Doch denke man nur an das Leerzeichen. Lange Zeit ließ man gar keinen Freiraum zwischen den Wörtern. Solange man mit der Hand schrieb, hatte man einen sinnvollen Abstand im Griff. Ob mit Spatien gesetzt oder mit Leertaste und Tabulator maschinell geschrieben, beim Lesen gab es keine Probleme. Mit der Datenverarbeitung ploppten sie aber dank sich nicht vom Hintergrund absetzender Leerzeichen hervor: Falsche Zeileneinzüge, beschissen aussehender Blocksatz, häßlich gesperrte Wörter, inkonsistente Tabulator-Expansion.
Drucker produzieren heute kaum noch Freizeilen, das CR‑LF-Problem tritt aber immer wieder auf. Auch scheitert selbst teure Software manchmal an Umlauten. Wer hier bei blogger.de nicht nur liest oder ein paar Absätze schlichten Textes schreibt, sollte eigentlich ein Lied davon singen können, wenn Freizeilen eingefügt werden, die normalerweise nur der Gliederung des Quelltextes dienen. Unsere Vorfahren konnten Leerstellen nicht durch Textmarkierung hervorheben, sie hatten auch kein kariertes Papier, keine festen Bildschirmpositionen, die früher auch gerne markiert wurden, wie heute auf Personalausweisen < ein Leerzeichen ersetzt.
Anders als zu den natürlichen Zahlen berichtet die Wikipedia nicht bereits in der Einleitung, durch welche Zahlen die Null eingerahmt wird und daß sie sowohl eine Quadrat- als auch Kubikzahl, aber keine Primzahl ist. [3] Dafür steht ganz vorne, sie sei die Kardinalität der leeren Menge, also die Anzahl ihrer Elemente. Andere würden sagen, die Null sei die durch Bijektion gegebene Äquivalenzklasse aller Mengen, die zur leeren Menge gleichmächtig sind. Oder einfach 0={}. Alles schöne Vorschläge, einfache und seit ewigen Zeiten bekannte Dinge durch recht neumodischen Kram wie Mengenlehre zu begründen oder zu vereinnahmen.
Und weiter mit der Wikipedia: „Die Null ist das neutrale Element der Addition in vielen Körpern, wie etwa den rationalen Zahlen, reellen Zahlen und komplexen Zahlen, selbst wenn andere Elemente nicht mit gängigen Zahlen identifiziert werden.“ Was soll uns das sagen? Daß es auch Körper über die genannten hinaus mit ungängigen Zahlen gibt oder die komplexen größtenteils keine gängigen Zahlen sind? Warum nicht einfach: Die Null ist das neutrale Element der Addition ganzer Zahlen und ihrer Erweiterungen. Nicht nur in gängigen Körpern, sondern in allen Strukturen mit additiv geschriebener zweistelliger Verknüpfung nennt man ein (eindeutiges) neutrales Element eine (die) (Links-,Rechts-)Null, ohne die Zahl Null sein zu müssen. [4] Schreibt man die Verknüpfung multiplikativ, so nennt man das neutrale Element Eins. Mehr steckt nicht dahinter.
Wer die Eins für eine Primzahl hält oder gar aus esoterischen Gründen zwei und drei ausschließt, könnte auch die Frage stellen, ob denn die Null prim oder zusammengesetzt sei. Ist die Null prim, weil sie keine Einheit und wie die positiven Primzahlen nicht Produkt zweier kleinerer natürlicher Zahlen ist? Ist sie keine Primzahl, weil sie nicht genau zwei Teiler hat? Und wieviele Teiler hat die Null überhaupt? Wegen 0·n=0 unendlich viele, also mehr als zwei, obwohl die natürlichen Zahlen doch nullteilerfremd sind. Ist sie deshalb zusammengesetzt, oder zählt eine Multiplikation mit sich selbst nicht? Müßte dann nicht auch bei allen positiven Primzahlen p die Zerlegung 1·p=p außen vor bleiben, womit p gar keine (echten) Teiler hätte? Gehört die Null einem vierten Geschlecht an, da sie weder prim, noch zusammengesetzt, noch eine Einheit ist? Im Bereich der natürlichen Zahlen nicht, weil die Null keine ist und die Frage nach ihrer Primalität sich gar nicht stellt. [5] Einige mögen das anders sehen. Dann muß man die Begrifflichkeiten abgleichen. Mit Außerirdischen wird das gelingen, mit modernen Sprachgouvernanten nicht unbedingt.
[1] George Englebretsen: Sommers' proof that something exists. Notre Dame Journal of Formal Logic 16, 1975.
[2] Ein Problem, das sich noch heute bemerkbar macht, weil Zahlen normalerweise ohne führende Nullen geschrieben werden, es bei der 0 selbst aber nicht geht, auch nicht bei den Amerikanern, die eine 0 vor dem Dezimalpunkt weglassen. Das führt zum Beispiel dazu, daß in der OEIS die Folge A002275 der Einserkolonnen (Schnapszahlen aus Einsen, repunits) nicht mit 111, nicht mit 11 und auch nicht mit 1 beginnt, sondern (zum Spaß?) mit 0, der 0‑fachen Wiederholung der Ziffer 1 oder (10ⁿ−1)/9 für n=0.
[3] Erst weiter unten ist in unerwarter Genauigkeit zu lesen: „Als ganze Zahl ist die Null Nachfolgerin der Minus‐Eins und Vorgängerin der Eins.“ Eine völlig witzlose Information, doch wenigstens mit Rücksicht darauf, daß die Null als nicht-negative ganze Zahl keinen Vorgänger hat. Und im Anschluß weitere unerwartete Eigenheiten der Null: „Auf einer Zahlengeraden trennt der Nullpunkt die positiven von den negativen Zahlen. Die Null ist die einzige reelle Zahl, die weder positiv noch negativ ist. Die Zahl Null ist gerade.“
[4] Wie im täglichen Leben kann es durchaus sehr viele Nullen geben.
[5] The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences. Natürliche Zahlen A000027 und nicht-negative ganze Zahlen A001477.
1 | Minus 0 | Jahr 0 | 00 | Unterstrich
Immer wieder wird behauptet, die Null sei irgendwo in Indien erfunden worden und dann über die Araber nach Europa gekommen, obwohl es nichts oder keins sicherlich schon ewige Zeiten gab. Gemeint ist die Ziffer 0, also die Verwendung eines eigenen Symboles für das Fehlen eines Ziffernzeichens, wo zuvor bestenfalls Leerraum gelassen oder ein Platzhalter notiert wurde. Eine richtige Zahl Null als Rechengröße oder Ergänzung der natürlichen Zahlen, soll es selbst bei den Babyloniern weder sprachlich, noch als alleinstehende Ziffer, noch als nullstellige Ziffernfolge gegeben haben. [2] Die Römer umgingen dieses Problem durch die Verwendung verschiedener Zeichen für die verschiedenen Stellen. Griechen und Juden waren mit ihrer Darstellung von Zahlen durch Buchstaben noch schlechter und beförderten dadurch die abergläubische Unsitte, Wörter als Zahlen und Zahlen als Wörter oder gar Namen zu interpretieren.
Es mag uns heute unverständlich erscheinen, warum in einem schon vorhandenen Positionssystem die Leerstellen nicht schon sehr früh mit einem unscheinbaren Zeichen, zum Beispiel einem Punkt gekennzeichnet wurden. Doch denke man nur an das Leerzeichen. Lange Zeit ließ man gar keinen Freiraum zwischen den Wörtern. Solange man mit der Hand schrieb, hatte man einen sinnvollen Abstand im Griff. Ob mit Spatien gesetzt oder mit Leertaste und Tabulator maschinell geschrieben, beim Lesen gab es keine Probleme. Mit der Datenverarbeitung ploppten sie aber dank sich nicht vom Hintergrund absetzender Leerzeichen hervor: Falsche Zeileneinzüge, beschissen aussehender Blocksatz, häßlich gesperrte Wörter, inkonsistente Tabulator-Expansion.
Drucker produzieren heute kaum noch Freizeilen, das CR‑LF-Problem tritt aber immer wieder auf. Auch scheitert selbst teure Software manchmal an Umlauten. Wer hier bei blogger.de nicht nur liest oder ein paar Absätze schlichten Textes schreibt, sollte eigentlich ein Lied davon singen können, wenn Freizeilen eingefügt werden, die normalerweise nur der Gliederung des Quelltextes dienen. Unsere Vorfahren konnten Leerstellen nicht durch Textmarkierung hervorheben, sie hatten auch kein kariertes Papier, keine festen Bildschirmpositionen, die früher auch gerne markiert wurden, wie heute auf Personalausweisen < ein Leerzeichen ersetzt.
Anders als zu den natürlichen Zahlen berichtet die Wikipedia nicht bereits in der Einleitung, durch welche Zahlen die Null eingerahmt wird und daß sie sowohl eine Quadrat- als auch Kubikzahl, aber keine Primzahl ist. [3] Dafür steht ganz vorne, sie sei die Kardinalität der leeren Menge, also die Anzahl ihrer Elemente. Andere würden sagen, die Null sei die durch Bijektion gegebene Äquivalenzklasse aller Mengen, die zur leeren Menge gleichmächtig sind. Oder einfach 0={}. Alles schöne Vorschläge, einfache und seit ewigen Zeiten bekannte Dinge durch recht neumodischen Kram wie Mengenlehre zu begründen oder zu vereinnahmen.
Und weiter mit der Wikipedia: „Die Null ist das neutrale Element der Addition in vielen Körpern, wie etwa den rationalen Zahlen, reellen Zahlen und komplexen Zahlen, selbst wenn andere Elemente nicht mit gängigen Zahlen identifiziert werden.“ Was soll uns das sagen? Daß es auch Körper über die genannten hinaus mit ungängigen Zahlen gibt oder die komplexen größtenteils keine gängigen Zahlen sind? Warum nicht einfach: Die Null ist das neutrale Element der Addition ganzer Zahlen und ihrer Erweiterungen. Nicht nur in gängigen Körpern, sondern in allen Strukturen mit additiv geschriebener zweistelliger Verknüpfung nennt man ein (eindeutiges) neutrales Element eine (die) (Links-,Rechts-)Null, ohne die Zahl Null sein zu müssen. [4] Schreibt man die Verknüpfung multiplikativ, so nennt man das neutrale Element Eins. Mehr steckt nicht dahinter.
Wer die Eins für eine Primzahl hält oder gar aus esoterischen Gründen zwei und drei ausschließt, könnte auch die Frage stellen, ob denn die Null prim oder zusammengesetzt sei. Ist die Null prim, weil sie keine Einheit und wie die positiven Primzahlen nicht Produkt zweier kleinerer natürlicher Zahlen ist? Ist sie keine Primzahl, weil sie nicht genau zwei Teiler hat? Und wieviele Teiler hat die Null überhaupt? Wegen 0·n=0 unendlich viele, also mehr als zwei, obwohl die natürlichen Zahlen doch nullteilerfremd sind. Ist sie deshalb zusammengesetzt, oder zählt eine Multiplikation mit sich selbst nicht? Müßte dann nicht auch bei allen positiven Primzahlen p die Zerlegung 1·p=p außen vor bleiben, womit p gar keine (echten) Teiler hätte? Gehört die Null einem vierten Geschlecht an, da sie weder prim, noch zusammengesetzt, noch eine Einheit ist? Im Bereich der natürlichen Zahlen nicht, weil die Null keine ist und die Frage nach ihrer Primalität sich gar nicht stellt. [5] Einige mögen das anders sehen. Dann muß man die Begrifflichkeiten abgleichen. Mit Außerirdischen wird das gelingen, mit modernen Sprachgouvernanten nicht unbedingt.
[1] George Englebretsen: Sommers' proof that something exists. Notre Dame Journal of Formal Logic 16, 1975.
[2] Ein Problem, das sich noch heute bemerkbar macht, weil Zahlen normalerweise ohne führende Nullen geschrieben werden, es bei der 0 selbst aber nicht geht, auch nicht bei den Amerikanern, die eine 0 vor dem Dezimalpunkt weglassen. Das führt zum Beispiel dazu, daß in der OEIS die Folge A002275 der Einserkolonnen (Schnapszahlen aus Einsen, repunits) nicht mit 111, nicht mit 11 und auch nicht mit 1 beginnt, sondern (zum Spaß?) mit 0, der 0‑fachen Wiederholung der Ziffer 1 oder (10ⁿ−1)/9 für n=0.
[3] Erst weiter unten ist in unerwarter Genauigkeit zu lesen: „Als ganze Zahl ist die Null Nachfolgerin der Minus‐Eins und Vorgängerin der Eins.“ Eine völlig witzlose Information, doch wenigstens mit Rücksicht darauf, daß die Null als nicht-negative ganze Zahl keinen Vorgänger hat. Und im Anschluß weitere unerwartete Eigenheiten der Null: „Auf einer Zahlengeraden trennt der Nullpunkt die positiven von den negativen Zahlen. Die Null ist die einzige reelle Zahl, die weder positiv noch negativ ist. Die Zahl Null ist gerade.“
[4] Wie im täglichen Leben kann es durchaus sehr viele Nullen geben.
[5] The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences. Natürliche Zahlen A000027 und nicht-negative ganze Zahlen A001477.
1 | Minus 0 | Jahr 0 | 00 | Unterstrich
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