Gewinn und Verlust
wuerg, 02.10.2006 01:59
Wenn man 18 Prozent mehr Umsatz als Hysterie bezeichnen mag, dann hat es eine solche um die 26 Millionen in Lotto-Jackpot gegeben. Und sollte am Montag keiner gewonnen haben, dann wird er nächste Woche noch größer sein. Ab wann lohnt es sich für mich mitzuspielen?
Um das einschätzen zu können, habe ich mich nach dem Einsatz für ein Spiel erkundigt. Es sind wohl 75 Cent. Der Normalgewinn ist 37,5 Cent, daß selbst ohne Berücksichtigung der Gebühren der Jackpot etwa 37,5⋅140.000.000 Cent also mindestens 50 Millionen Euro betragen müßte, was wohl kaum erreicht werden wird, weil er vorher ‚geknackt‘ oder der Gewinnklasse 2 zugeschlagen wird.
Um aber ehrlich zu sein, habe ich nicht darüber nachgedacht, wann ich zum Lottospieler würde, sondern mir nur erneut die Frage gestellt, ab welcher Gewinnquote q(x,y) der normale Mensch bereit ist, einen Betrag x für einen möglichen Gewinn von y zu setzen.
So blöd die Sendung „Deal or no deal“ auch ist, bietet sie neben dem Lottospiel und dem Roulette dafür doch gewisse Anhaltspunkte. Anders als in den meisten Gewinnspielsendungen schwankt der zu erwartende Gewinn auf den einen Koffer nur wenig. Nur die von der ‚Bank‘ angebotene Quote wird immer besser, bis der Kandidat weich wird und um die 75 Prozent der zu erwartenden Summe aufgibt.
Während im Bereich eines Einsatzes von 10.000 bis 50.000 Euro offensichtlich eine diesen Betrag deutlich übersteigende gefühlte Auszahlung erwartet wird, bereits erzielte Gewinne in dieser Größenordnung nur ungern riskiert werden und nur wenige für den Einsatz ihr Konto überziehen würden, reichen sehr vielen Menschen beim Lottospiel dennoch 50% Gewinnausschüttung.
Wenn jeder Euro jedem gleich viel wert ist, man von einem Gewinn nicht viel hat und ein Verlust auch nicht juckt, dann sollte man wetten, sobald q(x,y)>x/y ist. Viele verzocken zumeist kleine Beträge unterhalb dieser Grenze. Bei großen Einsätzen ist es umgekehrt. Wer nicht reich ist, kann einen Verlust evtl. nicht wegstecken. Wer sich über eine Niederlage übermäßig ärgert, wird ebenfalls zögern. Wer wie bei „Wer wird Millionär“ vor der Wahl steht, einen sicheren Betrag nach Hause mitzunehmen oder ihn zu riskieren, der wird sich überlegen, ob er mit mehr zufriedener wäre oder im Falle des Scheiterns zum finanziellen Verlust auch noch Spott und Hohn einfährt.
Mißt man einem Gewinn von z Euro einen Wert g(z) und einem Verlust v(z) zu, sollte man eine Wette eingehen sofern die Gewinnwahrscheinlichkeit q(x,y)=v(x)/(g(y−x)+v(x)) übersteigt. Welchen Funktionen g und v ein normaler Mensch guten Auskommens, aber ohne großes Vermögen folgt, kann man nur anhand seines Verhaltens erahnen. Ich schätze grob:
Und noch ein Beispiel: Wer bei „Wer wird Millionär“ vor der Millionenfrage steht, der kann seine x=500.000−32.000=468.000 Euro riskieren und evtl. y=1.000.000 Euro gewinnen. Objektiv sollte er bei einer erwarteten Erfolgsquote oberhalb von 468.000/1.000.000=47% zocken. Doch ist der Einsatz kein Kleckerbetrag, ihn zu verlieren schmerzt, weshalb die meisten erst dann das Risko eingehen, wenn zu mehr als v(468.000)/(g(532.000)+v(468.000))=65% richtig geantwortet werden kann. Und das ist nur selten der Fall.
Um das einschätzen zu können, habe ich mich nach dem Einsatz für ein Spiel erkundigt. Es sind wohl 75 Cent. Der Normalgewinn ist 37,5 Cent, daß selbst ohne Berücksichtigung der Gebühren der Jackpot etwa 37,5⋅140.000.000 Cent also mindestens 50 Millionen Euro betragen müßte, was wohl kaum erreicht werden wird, weil er vorher ‚geknackt‘ oder der Gewinnklasse 2 zugeschlagen wird.
Um aber ehrlich zu sein, habe ich nicht darüber nachgedacht, wann ich zum Lottospieler würde, sondern mir nur erneut die Frage gestellt, ab welcher Gewinnquote q(x,y) der normale Mensch bereit ist, einen Betrag x für einen möglichen Gewinn von y zu setzen.
So blöd die Sendung „Deal or no deal“ auch ist, bietet sie neben dem Lottospiel und dem Roulette dafür doch gewisse Anhaltspunkte. Anders als in den meisten Gewinnspielsendungen schwankt der zu erwartende Gewinn auf den einen Koffer nur wenig. Nur die von der ‚Bank‘ angebotene Quote wird immer besser, bis der Kandidat weich wird und um die 75 Prozent der zu erwartenden Summe aufgibt.
Während im Bereich eines Einsatzes von 10.000 bis 50.000 Euro offensichtlich eine diesen Betrag deutlich übersteigende gefühlte Auszahlung erwartet wird, bereits erzielte Gewinne in dieser Größenordnung nur ungern riskiert werden und nur wenige für den Einsatz ihr Konto überziehen würden, reichen sehr vielen Menschen beim Lottospiel dennoch 50% Gewinnausschüttung.
Wenn jeder Euro jedem gleich viel wert ist, man von einem Gewinn nicht viel hat und ein Verlust auch nicht juckt, dann sollte man wetten, sobald q(x,y)>x/y ist. Viele verzocken zumeist kleine Beträge unterhalb dieser Grenze. Bei großen Einsätzen ist es umgekehrt. Wer nicht reich ist, kann einen Verlust evtl. nicht wegstecken. Wer sich über eine Niederlage übermäßig ärgert, wird ebenfalls zögern. Wer wie bei „Wer wird Millionär“ vor der Wahl steht, einen sicheren Betrag nach Hause mitzunehmen oder ihn zu riskieren, der wird sich überlegen, ob er mit mehr zufriedener wäre oder im Falle des Scheiterns zum finanziellen Verlust auch noch Spott und Hohn einfährt.
Mißt man einem Gewinn von z Euro einen Wert g(z) und einem Verlust v(z) zu, sollte man eine Wette eingehen sofern die Gewinnwahrscheinlichkeit q(x,y)=v(x)/(g(y−x)+v(x)) übersteigt. Welchen Funktionen g und v ein normaler Mensch guten Auskommens, aber ohne großes Vermögen folgt, kann man nur anhand seines Verhaltens erahnen. Ich schätze grob:
z g(z) v(z) 0,10 0,06 0,05 1 0,70 0,65 10 8,50 9 100 100 120 1.000 1.200 1.600 10.000 14.000 22.000 100.000 170.000 300.000 1.000.000 2.000.000 4.000.000Zum Beispiel Lotto: Setze ich x=1 Euro ein und kann y=1.000.000 Euro gewinnen, so sollte die Gewinnwahrscheinlichkeit eins zu eine Million sein, sofern ich jeden Euro gleich bewerte. Wenn mir aber ein verlorener Euro nur 65 Cent wert ist (v(x)=0,65) und eine Million das Doppelte (g(y)=2.000.000), so sollte ich bereits spielen, wenn die Gewinnwahrscheinlichkeit nur eins zu 3 Millionen übersteigt. Obwohl nur die Hälfte der Lottoeinnahmen wieder ausgeschüttet werden, kann damit schon der Bereich erreicht sein, da Lotto für ein faires Spiel gehalten wird, auch wenn die vielen kleineren Gewinne nicht so lukrativ erscheinen. Und bei einem Jackpot von 26 Millionen sind die Verhältnisse klar: Wer scharf auf viele Millionen ist, für den lohnt es sich. Er sollte sogar mehrfach spielen, solange ihn der wahrscheinlich verlorene Einsatz nicht schmerzt.
Und noch ein Beispiel: Wer bei „Wer wird Millionär“ vor der Millionenfrage steht, der kann seine x=500.000−32.000=468.000 Euro riskieren und evtl. y=1.000.000 Euro gewinnen. Objektiv sollte er bei einer erwarteten Erfolgsquote oberhalb von 468.000/1.000.000=47% zocken. Doch ist der Einsatz kein Kleckerbetrag, ihn zu verlieren schmerzt, weshalb die meisten erst dann das Risko eingehen, wenn zu mehr als v(468.000)/(g(532.000)+v(468.000))=65% richtig geantwortet werden kann. Und das ist nur selten der Fall.
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wuerg,
10.10.2006 00:59
An diesem Wochende wurde der auf 35 Millionen Euro angewachsene Jackpot geknackt. Dazu beigetragen hat die hohe Zahl von fast 200 Millionen Tippreihen. Das würde ich im Gegensatz zu den bescheidenen 120 Millionen letzter Woche schon eher Hysterie nennen, denn bei Lichte betrachtet gab es kaum mehr zu gewinnen, besser: kaum weniger zu verlieren.
Letzte Woche errechnete ich überschlägig einen Jackpot von knapp über 50 Millionen, um in die Gewinnzone zu kommen. Diese Rechnung ging davon aus, daß die Zahl der abgegebenen Tippreihen die 100 Millionen nicht deutlich übersteigt, womit eine Teilung des Jackpots rechnerisch nicht sehr ins Gewicht fällt. Bei 200 Millionen ist das anders. Deshalb will ich die Gewinnerwartung etwas genauer bestimmen:
In einem von m=139.838.160 Fällen trifft man in die Gewinnklasse 1, in der 5 Prozent der Einsätze ausgezahlt werden. In den übrigen Gewinnklassen sind es zusammen 45 Prozent. Wenn der Jackpot das j-fache des Einsatzes einer Tippreihe beträgt und n Tipps abgegeben wurden, dann ist mit einer Gewinnquote von
q(n) = 0,45+(1−(1−1/m)n)(0,05+j/n) ≈ 0,45+(1−e−n/m)(0,05+j/n)
zu rechnen, wobei davon ausgegangen wurde, daß in den Gewinnklassen 2 und höher keine Jackpots, aber Gewinner vorhanden sind, und nicht berücksichtigt wurde, daß die Konkurrenten suboptimal spielen, weil sie gewisse Tippreihen bevorzugen. Das aber kann nur wenige Prozente ausmachen.
Letzte Woche war überschlägig n=120.000.000 und j=26.000.000/0,75. Das ergibt n/m=0,85 und j/n=0,30. Mit einer Wahrscheinlichkeit von exp(−0,85)=43% sollte der Jackpot stehen bleiben, was ja auch geschah. So wurden nur 45% ausgeschüttet. Wäre der Jackpot geknackt worden, wären es 0,05+0,30=35% mehr gewesen. Vor der Ziehung zu erwarten waren (1−0,43)⋅0,35=20% mehr. Insgesamt war die Quote mit 65% also noch weit von einem gerechten Spiel entfernt.
Diese Woche schien es mit j=35.000.000/0,75 günstiger, doch traten mit n=190.000.000 viel mehr Konkurrenten auf. So lag n/m=1,35 zwar deutlich höher, doch ist j/n=0,25 leicht gefallen. Nur noch mit exp(−1,35)=26% sollte der Jackpot stehen bleiben. Und das tat er dann auch nicht, weshalb zu den 45% Grundquote noch 0,05+0,25=30% hinzukamen. Weniger als letzte Woche. Doch entscheidend ist die Erwartung vor dem Spiel mit (1−0,26)⋅0,30=22%. Insgesamt war mit 67% also nur geringfügig mehr als in der Vorwoche zu erwarten.
Kurz gesagt: Es lohnt sich wahrscheinlich nie, wegen eines Jackpots Lotto zu spielen, weil bei geringen Beträgen die Gewinnerwatung klein ist und bei hohen Beträgen zuviele Konkurrenten auftreten.
Letzte Woche errechnete ich überschlägig einen Jackpot von knapp über 50 Millionen, um in die Gewinnzone zu kommen. Diese Rechnung ging davon aus, daß die Zahl der abgegebenen Tippreihen die 100 Millionen nicht deutlich übersteigt, womit eine Teilung des Jackpots rechnerisch nicht sehr ins Gewicht fällt. Bei 200 Millionen ist das anders. Deshalb will ich die Gewinnerwartung etwas genauer bestimmen:
In einem von m=139.838.160 Fällen trifft man in die Gewinnklasse 1, in der 5 Prozent der Einsätze ausgezahlt werden. In den übrigen Gewinnklassen sind es zusammen 45 Prozent. Wenn der Jackpot das j-fache des Einsatzes einer Tippreihe beträgt und n Tipps abgegeben wurden, dann ist mit einer Gewinnquote von
q(n) = 0,45+(1−(1−1/m)n)(0,05+j/n) ≈ 0,45+(1−e−n/m)(0,05+j/n)
zu rechnen, wobei davon ausgegangen wurde, daß in den Gewinnklassen 2 und höher keine Jackpots, aber Gewinner vorhanden sind, und nicht berücksichtigt wurde, daß die Konkurrenten suboptimal spielen, weil sie gewisse Tippreihen bevorzugen. Das aber kann nur wenige Prozente ausmachen.
Letzte Woche war überschlägig n=120.000.000 und j=26.000.000/0,75. Das ergibt n/m=0,85 und j/n=0,30. Mit einer Wahrscheinlichkeit von exp(−0,85)=43% sollte der Jackpot stehen bleiben, was ja auch geschah. So wurden nur 45% ausgeschüttet. Wäre der Jackpot geknackt worden, wären es 0,05+0,30=35% mehr gewesen. Vor der Ziehung zu erwarten waren (1−0,43)⋅0,35=20% mehr. Insgesamt war die Quote mit 65% also noch weit von einem gerechten Spiel entfernt.
Diese Woche schien es mit j=35.000.000/0,75 günstiger, doch traten mit n=190.000.000 viel mehr Konkurrenten auf. So lag n/m=1,35 zwar deutlich höher, doch ist j/n=0,25 leicht gefallen. Nur noch mit exp(−1,35)=26% sollte der Jackpot stehen bleiben. Und das tat er dann auch nicht, weshalb zu den 45% Grundquote noch 0,05+0,25=30% hinzukamen. Weniger als letzte Woche. Doch entscheidend ist die Erwartung vor dem Spiel mit (1−0,26)⋅0,30=22%. Insgesamt war mit 67% also nur geringfügig mehr als in der Vorwoche zu erwarten.
Kurz gesagt: Es lohnt sich wahrscheinlich nie, wegen eines Jackpots Lotto zu spielen, weil bei geringen Beträgen die Gewinnerwatung klein ist und bei hohen Beträgen zuviele Konkurrenten auftreten.
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wuerg,
16.09.2024 19:00
Ich habe meine Erläuterungen aus dem Jahre 2006 überarbeitet, weil ich sie selbst teilweise nicht mehr verstand. Da ich Lotto damals wenig kannte und heute gar nicht mehr, können meine Berechnungen auch einfach fehlerhaft sein. Das aber ändert im Grundsatz wohl nichts.
Es ging mir auch nicht um Lotto, sondern um die Frage, nach welcher Auszahlungsfunktion Menschen vermutlich handeln, wenn man ihnen unterstellt, im wesentlichen optimal zu spielen, nicht nur beim Lotto, sondern im gesamten Leben, das Glück also nicht in völlig fremden Gesellschaftssystemen zu suchen ist.
Ich schätzte, daß den normalen Menschen ein zehnfacher Gewinn vielleicht zwölfmal soviel wert ist und ein zehnfacher Verlusr 14‑fach schmerzt, weshalb kleine Beträge gerne verzockt werden (Lotto), man sichere Gewinne aber nicht weiter riskiert (Wer wird Millionär).
Ins Zweifeln aber könnte man im Bereich von Kleinstbeträgen kommen, da dieser Ansatz ihren Verlust geringer bewertet als einen gleichgroßen Gewinn. Wäre es dann nicht sinnvoll, dauernd 50 Cent auf den Boden zu werfen und wieder aufzuheben? Gewiß nicht in dieser abstrusen Weise, doch zum Beispiel bei einem Sparschwein, in das man stets wenig einwirft und sich über einen höheren Wert freuen kann, selbst wenn man es schon nach kurzer Zeit schlachtet.
Es ging mir auch nicht um Lotto, sondern um die Frage, nach welcher Auszahlungsfunktion Menschen vermutlich handeln, wenn man ihnen unterstellt, im wesentlichen optimal zu spielen, nicht nur beim Lotto, sondern im gesamten Leben, das Glück also nicht in völlig fremden Gesellschaftssystemen zu suchen ist.
Ich schätzte, daß den normalen Menschen ein zehnfacher Gewinn vielleicht zwölfmal soviel wert ist und ein zehnfacher Verlusr 14‑fach schmerzt, weshalb kleine Beträge gerne verzockt werden (Lotto), man sichere Gewinne aber nicht weiter riskiert (Wer wird Millionär).
Ins Zweifeln aber könnte man im Bereich von Kleinstbeträgen kommen, da dieser Ansatz ihren Verlust geringer bewertet als einen gleichgroßen Gewinn. Wäre es dann nicht sinnvoll, dauernd 50 Cent auf den Boden zu werfen und wieder aufzuheben? Gewiß nicht in dieser abstrusen Weise, doch zum Beispiel bei einem Sparschwein, in das man stets wenig einwirft und sich über einen höheren Wert freuen kann, selbst wenn man es schon nach kurzer Zeit schlachtet.
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