Wunschdenken
Es ist sicherlich Wunsch­denken dabei, wenn die Sumerer einen Bogen­grad auf der Erdoberfläche mit 700 Stadien zu 600 Gudea-Fuß vermessen haben sollen. Ob Eratos­thenes dann mit 600 Stadien zu 600 kyre­naische Fuß erneut gemessen hat, sei dahin­gestellt. In beiden Fällen ergibt sich ein Erdumfang von 40.008±80 Kilo­meter. [1]

Zurecht kann bezweifelt werden, daß 7 Gudea-Fuß exakt 6 kyre­naische Fuß umfassen. [2] In der nun vergan­genen Realität wird das nicht auf vier Stellen genau der Fall gewesen sein, doch war es wohl so gedacht. Heute kann eine Abwei­chung von diesem glatten Verhält­nis 7:6 nicht mehr festge­stellt werden. Es steht aber zu vermuten, daß durch den Faktor 7/6 die unschönen 700 Stadien für einen Bogen­grad zu übli­chen 600 gemacht werden sollten.

Grundsätzlich ist Vorsicht mit einfachen rationalen Verhält­nissen geboten. Sie werden mit der Genauig­keit antiker Maße von 5 Pro­mille auch zufällig getroffen. Der engli­sche Fuß ist genau 30,48 und der franzö­sische 14400/443,296=32,484 Zen­time­ter lang. Ihr Verhält­nis bestimmt sich zu 1-1/16,2. Deshalb sind 15 pied ungefähr 16 foot. Die Abweichung beträgt nur 1 Pro­mille.

Wären der französische und englische Fuß antike Maße, die nur noch in wenigen Bauten und Statuen überlebt hätten, würde man wohl ein Verhält­nis von 15 zu 16 als beab­sichtigt annehmen, sofern zwischen Frank­reich und England ein Zusammen­hang über­liefert wäre. Und sollte es nicht so sein, dann ist 15 zu 16 eine Umrechnung, die nicht schlechter ist als andere.

Man würde auch versuchen, den franzö­sischen und den engli­schen Fuß in Beziehung zu anderen antiken Maßen zu setzen. Zum Beispiel zum römi­schen Fuß mit etwa 29,613±0,050 Zen­time­ter. Sein Verhält­nis zum englischen Fuß wäre 1-1/(35,1±2,1). Das führt auf 35 zu 36, als einziges 7-glattes Verhält­nis im Bereich der Meß­genauig­keit. Man machte keinen zusätz­lichen Fehler, dies anzu­setzen.

Aber der englische und der französische Fuß sind halbwegs moderne Maße hoher Genauig­keit und nicht in einem ratio­nalen Verhält­nis zu einem antiken Maß gedacht oder reali­siert. Sie gestatten auch keine Rück­rechnung auf antike Maße, die zum Teil aus sehr wenigen Arte­fakten ermit­telt sind. Nimmt man allerdings die vermeint­lich ratio­nalen Verhält­nisse unter ihnen ernst, so liegen insgesamt doch sehr viele Daten vor, weshalb die grob ins Metall gehauene Nippur-Elle nach [3] recht genau mit 51,835±0,02 Zen­time­ter anzu­setzen ist.

Metrologen bevorzugen 7-glatte 518616 Mikro­meter für die Länge der Nippur-Elle [4] und liegen damit näher am wahren Wert von etwa 51,85 Zen­time­ter der einen in Istanbul ausge­stellten Nippur-Elle. [5] Die aber kann von der gedachten oder wirklich einmal existenten Ur-Elle abweichen, weshalb ich den rückge­rechneten Werten eher vertrauen würde als einem einzel­nen krummen Stück Eisen.

Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß die klein­zahligen Verhält­nisse zumin­dest inten­diert waren. Abgesehen von den wenigen Fällen, da man ein neues Maß aus der Natur abzu­leiten versuchte, hat man immer wieder alte Maße neu geteilt. Normaler­weise bestand ein Fuß aus 16 und eine Elle aus 30 Fin­ger­breiten. Hat man zum Beispiel einen Fuß auf 20 Fin­ger ausge­dehnt und später wieder in 16 geteilt, wurden alle Maße um den Faktor 5/4 größer. Besonders variabel war die Elle. Sie wurde gern als andert­halb oder zwei Fuß gesehen, aber auch in 28 statt 30 Fin­ger geteilt.

Da man schon sehr früh auch dezimal rechnete, kam auch die Zahl 10 ins Spiel. So meinte Gudea, ein Klafter sollte 100 statt 96 Fin­ger haben. Der Erdfuß entstand aus dem Wasser­fuß, indem man ihm nur noch 10 statt 12 Zoll zumaß. Ein Zoll oder Daumen­breit war der zwölfte Teil des Fußes und drängte im Laufe der Jahr­tausende den Finger in den Hinter­grund. Wenn ein Engländer ihn über­haupt noch kennt, dann als digit oder nail von einen drei­viertel Zoll. Der englische finger ist mit 7/8 Zoll dicker.

Sehr interessant ist das Verhält­nis 50/49 von verschiedenen großen Königs­ellen zu ihren Normal­ellen. Das wird auf 5^2+5^2=50≈49=7^2 zurückgeführt. Ein Qaudrat von 5 mal 5 Normal­ellen hat eine Diago­nale von 7 klei­nen Königs­ellen, die um etwa 1 Prozent größer sind. Und ein Quadrat von 5 mal 5 kleinen Königs­ellen hat eine Diago­nale von 7 großen Königs­ellen. Sie über­steigen die Normal­elle um den Fak­tor 50/49. Ich finde das etwas konstru­iert.

[1] Die Schwereformel liefert für den 30. Breiten­grad sehr genau die von [3] angege­benen 99,225 cm für das Sekunden­pendel. Umfaßt es zwei reale Gudea-Ellen, bilden 16/60 davon den realen Gudea-Fuß von 26,46 cm. Mit 360*700*600 multi­pliziert ergeben sich 40.007.520 m für den Erd­umfang.
[2] Wenn der kyrenaische Fuß 7/6 reale Gudea-Fuß mißt und sich mit dem Faktor 25/42 aus der mesopo­tami­schen Nippur­elle ableitet, muß diese (7/6)/(25/42)=49/25 reale Gudea-Fuß umfassen, also 51,8616 cm lang sein, sofern die 26,46 cm aus [1] exakt sind.
[3] Rolf C. A. Rottländer: Genauigkeit vormetrischer Längen­einheiten.
[4] 518616=2^3*3^3*7^4 kann mehrfach durch 3 und 7 geteilt werden. Diese angenehme 7-glatte Zahl ergibt sich auch aus der Rechnung in [2]. Die "wahre, gemes­sene, rückge­rechnete" Länge der mesopo­tami­schen Nippur­elle liegt laut [3] bei 518350 μm. Der Unterschied von einem halben Promille bleibt klar im Bereich der allge­meinen Schwan­kungs­breite.
[5] The measures of the Nippur cubit. Interna­tional Bureau for hexa­dezimal metro­logy. Sie glauben ernst­haft, hexade­zimale Maße, Gewichte und Zeiten durch­setzen und ganz nebenbei den Null­meridian nach Florenz verschieben zu können.

Venti | Lsd | Metrisierung | Score | Hohlmaße | Menschenmaß | Klafter

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