Türkische Feinkost
Nach einem Streit an der Kasse gehe ich nicht mehr in den einzigen gamme­ligen Super­markt. Sofern ich nicht in die Stadt fahre, bleibt mir nur der türki­sche Gemüse­händler. Mit seiner räum­lichen Vergrö­ßerung, einem Besitzer­wechsel und der Außen­werbung "Feinkost" wurden Obst und Gemüse nicht frischer, auf die Fein­kost warte ich noch. Ich hätte gerne ein umfang­reicheres Angebot gesehen, auch einen höheren Umsatz, der verderb­licher Ware entgegen­kommt.

Da man mit immer dem gleichen Betreiber oder Besitzer mehr Worte wechselt als mit einer Kassie­rerin im Supermarkt, hätte ich gerne ein paar Hinweise aus deut­scher Sicht gegeben. Um Empfind­lich­keiten wissend habe ich zunächst nur gefragt, ob dies oder das denn umsonst sei, weil sich kein Preis­schild an der Ware befinde. Später habe ich dann auch darauf aufmerk­sam gemacht, daß Deutsche nach Preis­schild kaufen und Ware ohne Auszeich­nung meiden. Es hat sich etwas gebes­sert, obwohl ich nicht mehr nach­gehakt habe.

Als Zwetschgen ihre Zeit hatten, verkaufte er sie zu 1,99 das Pfund. Wieder vorsichtig fragte ich durch die Blume, wieviel denn ein türki­sches Pfund wiege. Natür­lich 500 Gramm war die Antwort. Irgend­wann habe ich mich zu dem Hinweis durch­gerungen, daß Pfund in Deutsch­land keine zuläs­sige Einheit mehr sei und dies bei einem Besuch der Gewerbe­aufsicht sofort bemerkt würde. Nach einer Weile wurde das Pfund zu 500 Gramm. Irgend­wann konnte ich der Tochter erklären, daß loses Obst in Kilo­gramm auszu­zeichnen sei.

Nicht daß der Eindruck entsteht, ich würde arme türkische Gemüse­händler durch deut­sche Nörgelei nerven. Er freut sich zumin­dest äußerlich, wenn ich bei ihm einkaufe und hat mir auch schon "warte alter Mann" hinter­herge­rufen, um mir noch einen Bonbon auf den Weg mitzu­geben. Deutsche Wurst­verkäufe­rinnen neigen mehr zu "junger Mann". Aber in der Türkei genießt der Alte ein höheres Ansehen.

Heute steht in der gähnenden Leere des immer noch nicht erwei­terten Ange­botes ein Ständer mit Strümpfen. Wieder vorsichtig fragte ich, ob es Feinkost­strümpfe seien. Nach leichtem Hin und Her von Mißver­ständ­nissen wurde er laut und wies darauf hin, daß andere Lebens­mittel­geschäfte ja auch alles mögliche verkaufen. Ich mußte ihn beru­higen. Mangelde Humor­erkennung auf deutsch allein kann es nicht gewesen sein. Ich glaube an eine tief­sitzende Empfind­lichkeit, die sich auch der Türken bemäch­tigt hat.

Nachdem ich mich heute beherrscht und aus Rück­sicht auf Fremde eine Kontro­verse vermieden habe, fühle ich mich derart unwohl, daß ich den ganzen Mist hier aufschrei­ben muß und mir überlege, ob ich die Besuche "beim Türken" einschrän­ken und auch seine Waren in der Stadt kaufen sollte. Viel­leicht verinner­licht er eines Tages, daß der Kunde König ist, man als Verkäu­fer nie laut wird, Waren vorschrifts­mäßig auszeich­net, verdor­benes Obst aus dem Regal nimmt und Fein­kost drinnen führt, wenn es draußen drauf­steht.

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