Experimentierfreude
Die starke Zuwanderung seit dem Jahre 2015 hat in Deutsch­land nicht unbedingt einen Rechts­ruck verur­sacht, doch erblühte am rechten Rand eine Gegen­bewegung, die es mit der AfD in den Bundestag schaffte. Das war nur möglich, weil die CDU die mora­lisch gerecht­fertigte Entschei­dung von Angela Merkel nicht korri­gierte und in zumut­bare Bahnen lenkte. Die SPD wurde an den linken Rand gedrückt, brachte es nicht übers Herz, die CDU in dieser Frage rechts zu über­holen und zahlt nun die Zeche. Die Folge ist eine gespal­tene Repu­blik. Links fühlen sich viele wohl und werden täglich belo­bigt, rechts spricht man weniger. Falls doch, ist es Popu­lismus.

Die Verhärtung der Fronten verleitet, sich einem der beiden Lager unter­zuordnen, alle Ansichten der eigenen Seite zu vertei­digen und die der anderen zu verwerfen. Die Klappe zu halten, ist eine Alter­native, den apodik­tischen Meinungen beider Lager zu wider­stehen die andere. Ich versuche es mit gesundem Menschen­verstand, der zahl­reiche auf beiden Seiten sogar in Partei­programme einge­flossene Glaubens­stand­punkte nicht akzep­tieren kann. Und damit meine ich nicht die Ränder beider Lager oder die gewalt­bereiten Anhänger, sondern einfache grund­legende Auffas­sungen.

Rechts ist mir die Klima­leugnung aufge­fallen. Im Partei­programm der AfD ist dazu eine bunte Mischung aus zutref­fenden Allgemein­plätzen und falschen Behaup­tungen zu lesen. [1] Natür­lich merken auch die Anhänger, daß es so platt nicht sein kann. Deshalb wird die Erder­wärmung als solche nicht mehr geleugnet, auch nicht ein Anteil des Menschen daran. Bald muß zuge­geben werden, daß wir doch die Haupt­verur­sacher sind, weil natür­liche Verände­rungen sehr lange dauern. Deshalb ziehen sich voraus­schauende Klima­leugner schon heute darauf zurück, daß eine Erwär­mung nicht nur Nach­teile bringt. Demnächst werden sie fordern, die Vorteile einer Warmzeit zu nutzen, ohne die es Menschen gar nicht gäbe. Ein Expe­riment mit zu erwar­tendem posi­tiven Ausgang.

Links ist natürlich die Reaktion auf unkon­trollierte Zuwan­derung das Problem. Viele Deutsche und vor allem die SPD sterben lieber aus als zuzu­geben, daß drastisch gegen­zusteuern ist. Späte­stens mit den näch­sten Wahlen werden die Felle davon­schwimmen. Keiner wird mehr an Berei­cherung oder gar pures Gold glauben. Besten­falls wird man die hohen Flücht­lings­zahlen als eine Aufgabe oder Verpflich­tung sehen. Und weil es so schwer ist, sich von eigenen Fehl­einschät­zungen und Lebens­lügen zu verab­schieden, bieten einige schon heute zu deren Rettung an, alles als ein Expe­riment mit zu erwar­tendem posi­tiven Ausgang zu zu sehen.

Dieses Experiment sei die Heraus­bildung einer multi­ethni­schen und nicht­mono­kulturel­len [2] Gesell­schaft in Deutsch­land und morgen der ganzen Welt. Soche Experi­mente können gelingen, zum Beipiel beim CERN, wo nicht nur Wissen­schaftler der ganzen Welt mit allen Hautfarben, vielen Reli­gionen und eigenen Sitten und Gebräuchen forschen und arbeiten. Ihr fried­liches Leben verdanken sie nicht nur ihrem Streben nach Erkenntnis, ihrer Suche nach Wahr­heit und ihrer Ableh­nung von Verblen­dung, sondern auch ihrer Zivili­sation. Wo die herrscht, ist Kultur nicht irgend­eine archaische Welt­anschauung einer rück­ständigen Gesell­schaft oder Religion. Eine offene Gesell­schaft zivili­sierter Menschen ist kein Experi­ment mit kata­stro­phalem Ausgang.

[1] Harald Lesch: Das AfD-Programm wissenschaftlich geprüft. Youtube, "Terra X Lesch & Co", 29.06.2016.
[2] Johannes Thiesen: Tagesthemen: Experi­ment zur Abschaf­fung Deutsch­lands. Youtube, "Philo­sophie Workout - Johannes Thiesen", 21.02.2018. Wahrschein­lich treffen hier die Tages­themen nicht auf unge­trübte Philo­sopie, doch erst durch dieses Film­chen habe ich bemerkt, daß nicht von "multi­kulturell" gespro­chen wird, weil dieser Begriff verbrannt ist.

Islam

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