K-Wort, M-Wort
Ich bin aus dem Einkaufszentrum zurück. Ist es meine vorur­teils­beladene Wahr­nehmung, daß der Anteil derer, die nach Migra­tions­hinte­rgrund aussehen, Richtung 50 Prozent geht? Sind Einkaufs­zentren etwas für die Unter­schicht? Bleibt der gutsi­tuierte Biodeutsche zu Hause und fährt mit dem Auto zwischen Eigen­heim, Arbeits­platz Geschäft, Theater und gutem Itali­ener hin und her, nachdem die Frau alle seine Teddy­bären verschenkt hat? Ist das alles nur Einbil­dung?

Ist es auch ein extremer Zufall, wenn die kultu­relle Berei­cherung nun auch meinen Dunst­kreis erreicht? Jeden­falls schreibt die "Goethe-Univer­sität intern" unter dem Betreff "Informa­tionen des Präsidiums nach sexu­ellen Über­griffen auf dem Campus Westend", daß es "mehrere sexu­elle Angriffe auf Studen­tinnen im Umfeld des Campus Westend gegeben" habe. Im Begleit­dokument werden nütz­liche Hinweise gegeben. Nur der wich­tigste fehlt, die Personen­beschrei­bung. Dafür mußte ich die Bild­zeitung bemühen: Aufge­stumpter Nafri-Typ mit mäßigem Deutsch, um den ich als Frau grund­sätzlich einen Bogen machen würde.

Auch die Goethe-Univer­sität zu Frankfurt bietet ein Gender-Studium an. Jeden Donners­tag von 16 bis 18 Uhr gibt es eine "Introduc­tion to Critical Race Theory" bei Dr. Nobrega. Danach könnten doch alle den Sonnen­unter­gang beobachten und eine prak­tische Übung rund um den Campus absol­vieren. Und wenn der Täter dereinst gefaßt ist, könnte er im Sommer­seme­ster 2018 als Gast­redner die Thematik vertiefen.

Frau Nobrega hat mit dem nichts zu tun, und ich kenne sie nicht. Ich habe nur im Vorle­sungs­ver­zeichnis nach einer geeig­neten Veran­stal­tung gesucht, die von Frau Nobrega gefunden und mich im Anschluß exem­pla­risch infor­miert, was sie zum Studium von Grimms Märchen Rassismus und Konsorten beiträgt. Ich begann mit der Wiki­pedia und ihrem vollen Namen Dr. Onur Suzan Kömürcü Nobrega und stieß bald auf das K-Wort. Das hat bei mir genau das bewirkt, worauf es offen­sicht­lich zielt, nämlich bedeu­tend und inter­essant zu machen.

Ich habe mich gefragt, wofür das K steht, dachte an Kolonia­lismus, Kommu­nismus und Kapita­lismus. Auf Kanake kam ich nicht. Das mußte ich einem Aufsatz von Frau Nobrega entneh­men. [1] Den fasse ich wie folgt zusammen: Das Wort Kanake hat eine dankbare Geschichte, es geriet als Schimpf­wort aus der Mode, wurde zur Eigen­bezeich­nung mancher Gruppen und sei durch das M-Wort abge­löst worden. Welches M-Wort, wird sich jeder denkende Mensch fragen: Muslim! Ein dreister Versuch, alle veral­teten nega­tiven Konno­tationen des Kanaken auf Muslime zu über­tragen, durch M-Wort sich inter­essant zu machen und zu behaupten, Muslime würden wie seiner­zeit die Kanaken verächt­lich gemacht.

Wenn Muslime ein zuneh­mend schlechtes Ansehen genießen, dann haben sie es nicht von den Kanaken geerbt, sondern sich selbst erar­beitet. Durch die Bezeich­nung M-Wort soll die teilweise vorhan­dene, oft aber nur unter­stellte Verach­tung durch die Weißen überhöht werden, als seien Muslime so schlecht, daß man sie noch nicht einmal beim Namen nennt. In Wirk­lich­keit habe ich die Bezeich­nung M-Wort noch nie gehört. Nach der Bedeutung befragt, hätte ich vielleich "Migra­tions­hinter­grund" vermutet.

Onur Suzan Kömürcü Nobrega: Kanake - Das 'K-Wort' im Kontext von euro­päi­schem Kolonia­lismus und Nach­kriegsmi­gration in Deutschland. Aus "Wie Rassismus aus Wörtern spricht - (K)Erben des Kolonia­lismus im Wissens­archiv deutsche Sprache. Ein kriti­sches Nach­schlage­werk", Unrast Verlag, 2011, S. 636-641. Neben Ü und Ö begei­stern mich "K-Wort", "(K)Erben", "Wissens­archiv", "kriti­sches Nach­schlage­werk" und "Unrast".

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Ich hätte hinter M-Wort ja eher die pejorative Variante Musels vermutet, die sich in der Kommentatorenkurve von PI und anderen einschlägigen Angeboten großer Beliebtheit erfreut.

Aber Muslime - ernsthaft?

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Wer über Muslime redet, kann Muslime sagen. Verwendet er Musel, dann will er abwerten und tarnt dies nicht als ein unver­stan­denes M-Wort. Das war mit dem N-Wort anders. Wer über Neger reden wollte, sagte auch Neger. Erst als dies als abwer­tend einge­stuft wurde, ging er zu Euphe­mismen über oder sagte N-Wort. Das M-Wort scheint mir eine Erfindung, eine Analogie zum auch schon unbe­kannten K-Wort, um der Argumen­tation am Ende der in meinem Haupt­beitrag unter [1] aufge­führten Arbeit wenig­stens eine suggestive Grund­lage zu bereiten:

"In den öffentlichen Diskursen der vergangenen Jahre wurde das 'K-Wort' weit­gehend durch das 'M-Wort' - Muslim - ersetzt. Während von den 1960er bis in die 1990er Jahre Schlüssel­begriffe wie --> 'Gastarbeiter', --> 'Ausländer', 'Asylant', 'Kanake' als aufge­rufene Figuren des ulti­mativen 'Anderen' die Grenze zum homo­geni­sierten weißen deutschen christ­lichen 'Volks­körper' aufzeig­ten, wird nun der Schlüssel­begriff (und die Figur) der/des Muslim_in massiv mobi­lisiert."

Das kurze Stück abzu­schreiben war noch mühsamer als es zu lesen: Anführungs­striche, Gedanken­striche, Unter­strich, Schräg­strich, Pfeile, Text in Klammern, Auszeich­nungs­schrift. Dazu eigen­artige Begriffe wie "aufge­rufene Figuren", Nazi-Jargon wie "Volks­körper" sowie Asylant und Kanake in einer Reihe. Ein Zusammen­hang zwischen Kanake und Muslim ist inhalt­lich nicht zu erkennen, er besteht nur in der Ähnlich­keit der Erset­zungen K-Wort und M-Wort. Und wohl dazu ist das M-Wort erfunden worden. Es kommt nirgendwo im Leben vor. Das N-Wort dagegen sogar in Filmen.

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Ich denke, das ist ein Wahrnehmungsproblem. Dinge, die jemand negativ assoziiert, fallen ihm besonders auf. Es gibt dazu Untersuchungen zu Lärm: die Lästigkeit, mit der Geräusche empfunden werden, hängt nicht nur mit der physikalischen Stärke des Geräuschs, sondern auch mit dem emotionalen verhältnis zur Lärmquelle zusammen (es gibt Leute, die z.B. Fluglärm - in Maßen - mögen).

Deshalb nehme ich an, dass die 50 v.H. stark überzogen sind. Vorurteile machen einem das Leben schwerer als es ist.

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Natürlich ist vieles nur selektive Wahrnehmung. Nicht jeder, der keinen deutschen Eindruck macht, ist ein Migrant oder hat in Gestalt seiner Oma einen Migra­tions­hinter­grund. Viele sind bereits lange Zeit einge­bürgert, manche pflegen erst in letzter Zeit wieder ihr Image. Hinzu kommen Deutsche mit Terro­risten- oder Hipster-Bart. Auch hier ist bemer­kens­wert: Obwohl zu den 15 Prozent schwarz­haarigen Deutschen nur 3 Prozent mit gefärbten Haaren hinzu­kommen, hat man den Eindruck, es gäbe gar keine anderen mehr. Besonders schaurig ist der Blick durch das Schau­fenster der neuen Männer­friseure.

Mit dem Lärm ist es ähnlich. Manchen kann man vergeb­lich erklären, warum leise Geräusche stören können, laute aber nicht, warum die Renovie­rungs­geräusche von Amateuren ärgern, die von Profis aber nicht. Musik aus Ohr­hörern ist wegen des selek­tiven Spek­trums unan­genehm, Amateure gehen mir auf die Eier, weil sie mit schlechten Maschinen doppelt so laut sind und die drei­fache Zeit benötigen. Und wenn laut und fremd­ländisch in ein Handy geplärrt oder gar noch der Laut­sprecher einge­schaltet wird, dann ist meine Geduld am Ende. Ich würde im Kosovo nicht deutsch in ein Telefon schreien, wenn ich im Bus sitze.

Und mit dem Bus bin ich auch wieder beim Einkaufs­zentrum. An beiden Orten sammelt sich die ärmere Hälfte der Bevöl­kerung. Während sie dort aber nur sich gegenüber sitzen oder anein­ander vorbei­laufen müssen, sieht es auf dem Wohnungs­markt und letzt­lich in allen Sozial­systemen anders aus. Hier entsteht echte Konkurrenz, während die Besser­gestellten aus ausländer­freien Wohn­gebieten im Mercedes durch den Großstadt­dschungel fahren und deren Frauen in der Flücht­lings­industrie endlich eine herz­erfül­lende Beschäf­tigung gefunden haben. Sonst müßten sie Block­flöte spielen.

Als Angela Merkel Massen ins Land ließ, war ich noch stolz auf Deutsch­land, das Flücht­linge nicht im Regen stehen ließ. Nur hätte man von Anfang an sagen müssen, daß die Massen eine Heraus­forde­rung, eine Bela­stung sind, die möglichst gut bewäl­tigt werden müssen. Statt den Berg mit deut­scher Gründ­lich­keit abzuar­beiten, hat man ihn zu purem Gold dekla­riert, aus dem die Rente meiner Kinder gezahlt wird, und auf ganz Deutsch­land breit­geschmiert. Den Kommunen, aber auch den einfachen Menschen wurden die Probleme aufge­bürdet, eine echte Lösung verwei­gert.

So wurde aus dem Flüchtlings­problem ein gesamt­gesell­schaft­liches, das nur noch von Menschen zu lösen ist, die sich nicht scheuen als rechts­radikal diffa­miert zu werden. Deshalb wurde ich in den Augen mancher nicht von 1968 bis 2018 zu einem Rechten, sondern innerhalb der letzten drei Jahre. Dafür bedanke ich mich weniger bei den Flücht­lingen, mehr bei denje­nigen, die sich ins vermeint­lich grüne, linke, menschen­freund­liche Lager verkrü­melt haben, um weiter­hin alles schön­reden zu können, solange nur andere Vertei­lungs­kämpfen und Über­griffen zum Opfer fallen.

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Die veraltete Bausubstanz meines Wohnortes zieht natürlich Ausländer an, die das Auskommen meines türki­schen Gemüse­händlers sichern. Die Mieten sind nicht hoch, doch auch nicht am unteren Ende, weshalb Deutsche und Ausländer recht zivi­lisiert sind. Ich habe auch gelesen, daß irgendwo Flücht­linge unter­gebracht wurden, doch weiß ich nicht wo. Und mir ist auch noch keiner als solcher kennt­lich über den Weg gelaufen. Trotzdem waren heute auf dem Heimweg im Bus Weiße in der Minder­heit. Außer mir saßen vorne noch drei weiße Frauen, hinten und auf dem Fahrersitz acht mit zu vermu­tendem Migra­tions­hinter­grund. Lasse ich den Fahrer und das Kind im Kinder­wagen außen vor, war die Quote 60 Prozent. Für eine ordent­liche Statistik müßte ich auch mich selbst ausnehmen. Dann sind es zwei Drittel gewesen.

Es ist mir schon klar, daß zur nämlichen Zeit am frühen Nach­mittag auch die Weißen unter sich geblieben sind, nämlich am Arbeits­platz. Im Berufs­verkehr ist nicht nur die mittlere Pigmen­tierung geringer, die Busse sind auch voller. Es macht mir nichts aus, unter lauter Fremden oder hinten zu sitzen. In Afrika saß ich auf der Rück­bank. Außer mir war nur meine Frau weiß. Und man wollte mir einen riesigen Massai auf den Schoß setzen. Ich frage mich nur, worin diese räum­liche Teilung der Gesell­schaft begründet ist. Daß die Bürger­lichen weißer sind als die Prole­tarier, ist wohl jedermann klar. Doch warum sitzen die dunk­leren Menschen im Bus hinten?

Früher saß ich auch gerne hinten, von wo man einen Gesamt­über­blick genießt. Heute mehr vorne im Vierer­block, wo man sich gele­gent­lich mit dem Gegen­über unter­halten kann. Nicht daß ich Fremde anquat­schen würde. Wer immer Bus fährt, bewegt sich in einer Teil­gesell­schaft, weshalb man im Laufe der Jahre mit so manchem ins Gespräch kommt. So auch heute, daß ich einen alten Witz anbringen konnte: Ein südafri­kanischer Bus­fahrer läßt alle Schüler aus­steigen, weil sie sich wieder einmal Weiße und Schwarze prügeln: Die Apart­heid ist vorbei, ihr seid nicht mehr schwarz und weiß, sondern alle grün. Und jetzt steigt ihr wieder ein. Die Hell­grünen vorne, die Dunkel­grünen hinten!

Zurück zu meiner Platzwahl. Vorne kann ich in Fahrt­rich­tung den Fahrer und durch die Front­scheibe den Straßen­verkehr beobachten. Wie heute gegen die Fahrt­rich­tung kann ich fast alle Fahr­gäste sehen. Hinten sitzen tradi­tionell Jugend­liche, die sich gerne dem Blick des Fahrers entziehen. Dort ist auch die Dichte der MP3-Plär­rer deut­lich höher als vorne. Auch wenn sie im Notfall vom Fahrer keine Hilfe erwarten dürfen, sitzen die alten Weißen vorne. Unter ihnen fühlt sich der Dunkel­häutige weniger wohl, steigt also hinten ein. Sollte sich dennoch einer nach vorne verirren, sieht er zumeist mächtig inte­griert aus. Nur im dichten Berufs­verkehr passiert es, daß handy­affine Nerv­säcke mit Tastatur­klick vorne sitzen.

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