Wirtschaftsnobelpreis
Wenn Wirtschaftswissenschaftler den Eindruck haben, zwei Kennzahlen x und y korre­lierten negativ, dann haben sie keine Hem­mungen, von einem „trade off“ zu reden und nach dem Vorbild von Boyle-​Mariotte daraus ein Gesetz xy=const zu machen. Wenn dann die Jahre ins Land gehen, stellen sie mögli­cher­weise fest, daß auch eine große Anhebung des Wertes y auf x kaum noch einen Einfluß zu haben scheint. Dann korri­gieren sie kurzer­hand die Konstante oder das Gesetz zu (xa)⋅y=const oder ähnlichem.

Wenn y die Inflations­rate und x die Arbeits­losen­quote ist, so glaubten sie allen Ernstes an die Konstanz des Produktes x⋅y oder ähn­liches und nannten es Phillips-​Kurve. Und nun soll ein Nobel­preis an Edmund Phelps für die Variante (xay=const ver­liehen werden, mit der ‚natürlichen‘ Arbeits­losig­keit a, die man auch durch Hinnahme hoher Infla­tions­raten nicht unter­bieten kann. Natürlich mußte a beständig angehoben werden und wird zur Zeit so um 7 Pro­zent liegen.

Ein schönes Argument, gegen Arbeits­losig­keit nichts unter­nehmen zu müssen, gleich­wohl man mit der Frank­furter Rund­schau zum Lobe von Edmund Phelps auch umgekehrt folgern könne, daß ein Grund­stock an Arbeits­losen auch mit Lohn­drücke­rei nicht zu besei­tigen sei, weshalb diese Menschen ein Anrecht auf bessere Versor­gung als durch Hartz IV hätten. Überhaupt möchte ich hier nicht über einen einzelnen Nobel­preis­träger lästern, den ich gar nicht kenne und der sicher­lich für umfas­sendere Leistun­gen geehrt wird, sondern nur über die Wirt­schafts­wissen­schaft und deren ‚Nobelpreis‘.

Und wenn ich das so lese und schreibe, kommt in mir der alte Ärger hoch, daß sich die auf dem Geld sitzenden Säcke einen Nobel­preis unter den Nagel gerissen haben, auch wenn sie ihn nicht aus dem Vermögen Alfred Nobels finan­zieren und eigentlich sich damit nur selbst adeln. In der Namens­aneig­nung besteht die Drei­stig­keit. Zur Gewissens­beruhi­gung würde man auch den Mathe­matikern einen gönnen, doch wollten sie ihn nicht, wie angeb­lich auch die Mathe­mati­kerin Sonfja Kova­levs­kaja (Sonja Kowa­lewski) ihren Verehrer Alfred Nobel abwies. Für mich ist das alles eine Facette des mehr oder minder bewußt ausge­lebten Bestre­bens der Reichen und ihrer Diener, Geld in Ruhm zu wandeln.

Entgegen meiner Gewohn­heit muß ich aus einem englichsprachigen Text raub­kopieren: „Much of their work has an 'apples and oranges' quality, ranging from the economics of slavery to the economics of bumble­bees. […] As the old joke goes, 'Economics is the only field in which two people can win a Nobel Prize for saying exactly the opposite thing.' […] This suggests that economics hasn't really advanced to the stage yet where we can call any one of them undeni­ably true. So what is the purpose of awar­ding a Nobel? In his ori­ginal will, Alfred Nobel stipu­lated that the awards should be given to those scien­tists who have 'confer­red the grea­test benefit on mankind.' In other words, those who bring prac­tical results to the real world. Econo­mics fails this crite­rion. Of course, it is unli­kely that any false theory could bring benefit to the world, and if various economic theories pass in and out of academic fashion, it is impos­sible that they could all be true and there­fore bene­fi­cial.“ [1]

[1] ALL THOSE NOBELS… Chicago School of Economics zitiert von Steve Kangas.

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Alfred Nobel soll auch deshalb keinen Nobelpreis für Mathe­matik vorge­sehen haben, weil er in ihr eine Hilfs­wissen­schaft ohne Bedeu­tung für den Fort­schritt sah. Lebte er noch heute, würde er sicher­lich die Bedeu­tung der Wirt­schaft für das Wohl­ergehen der Menschen nicht leugnen, aber deshalb nicht die wirt­schafts­wissen­schaft­liche Forschung aus­zeichnen lassen, weil deren Beitrag zur Besse­rung im auszu­zeich­nenden Einzel­falle auch symbo­lisch oder stell­vertre­tend für einen weiteren Kreis kaum zu sehen ist.

Ich wiederhole: Zum diesjäh­rigen Preis­träger Edmund Phelps kann und will ich mich gar nicht negativ äußern. Er kann nichts dafür, daß der „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel“ nicht nur im Volks­mund Wirt­schafts­nobel­preis genannt wird. Ob die Literatur einen größeren Beitrag für den Fort­schritt leistet als so manche leer ausge­hende Wissen­schaft, ist eine schöne Frage, doch hier ohne Belang, weil Alfred Nobel diesen Preis persönlich gestiftet hat. Und zu Orhan Pamuk kann und will ich auch nichts sagen, zumal ich keines seiner Bücher gelesen habe.

Der Frieden war dem Erfinder des Dynamits ein Herzens­anliegen, und sicher­lich tragen Friedens­bemü­hungen auch zum Fort­schritt bei. Zum dies­jährigen Preis­träger Muhammad Yunus und seiner gleich­falls ausge­zeich­neten Grameen Bank kann und will ich eben­falls nichts sagen, sondern nur meine Freude darüber ausdrücken, daß weder ein Kriegs­treiber noch ein Rock-​Musiker und schon gar nicht Bob Geldof ausge­zeichnet wurde.

Ich will es keinem nach­tragen, wenn er nach seiner Wandlung vom Paulus zum Saulus als General sich grünen Frauen hinge­zogen fühlt oder in Friedens­verträgen Wieder­gut­machung leisten möchte. Doch einen Preis muß es dafür nicht geben, schon gar keinen für den Frieden. Es ist auch kein schlechter Wesenszug, als abgehalf­terter Schau­spieler sich für Afri­kaner oder Robben einzu­setzen oder die Bekannt­heit als Musiker und das den Fans abge­nommene Geld zu nutzen, um den Reichen Milli­onen für die Dritte Welt aus der Tasche zu leiern. Nur muß das nicht auch noch ausge­zeichnet werden. Da soll ein Friedens­nobel­preis lieber an einen Armen gehen, der 500 Euro in seinem Dorf gesammelt hat, der nicht Geld und Bekannt­heit in einen Ruf als Wohl­täter wandeln kann und will.

Live‑8 | Al Nobel | Katzentisch | Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Rosalind Franklin | Chien‑Shiung Wu

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