Wirtschaftsnobelpreis
wuerg, 11.10.2006 18:33
Wenn Wirtschaftswissenschaftler den Eindruck haben, zwei Kennzahlen x und y korrelierten negativ, dann haben sie keine Hemmungen, von einem „trade off“ zu reden und nach dem Vorbild von Boyle-Mariotte daraus ein Gesetz x⋅y=const zu machen. Wenn dann die Jahre ins Land gehen, stellen sie möglicherweise fest, daß auch eine große Anhebung des Wertes y auf x kaum noch einen Einfluß zu haben scheint. Dann korrigieren sie kurzerhand die Konstante oder das Gesetz zu (x−a)⋅y=const oder ähnlichem.
Wenn y die Inflationsrate und x die Arbeitslosenquote ist, so glaubten sie allen Ernstes an die Konstanz des Produktes x⋅y oder ähnliches und nannten es Phillips-Kurve. Und nun soll ein Nobelpreis an Edmund Phelps für die Variante (x−a)y=const verliehen werden, mit der ‚natürlichen‘ Arbeitslosigkeit a, die man auch durch Hinnahme hoher Inflationsraten nicht unterbieten kann. Natürlich mußte a beständig angehoben werden und wird zur Zeit so um 7 Prozent liegen.
Ein schönes Argument, gegen Arbeitslosigkeit nichts unternehmen zu müssen, gleichwohl man mit der Frankfurter Rundschau zum Lobe von Edmund Phelps auch umgekehrt folgern könne, daß ein Grundstock an Arbeitslosen auch mit Lohndrückerei nicht zu beseitigen sei, weshalb diese Menschen ein Anrecht auf bessere Versorgung als durch Hartz IV hätten. Überhaupt möchte ich hier nicht über einen einzelnen Nobelpreisträger lästern, den ich gar nicht kenne und der sicherlich für umfassendere Leistungen geehrt wird, sondern nur über die Wirtschaftswissenschaft und deren ‚Nobelpreis‘.
Und wenn ich das so lese und schreibe, kommt in mir der alte Ärger hoch, daß sich die auf dem Geld sitzenden Säcke einen Nobelpreis unter den Nagel gerissen haben, auch wenn sie ihn nicht aus dem Vermögen Alfred Nobels finanzieren und eigentlich sich damit nur selbst adeln. In der Namensaneignung besteht die Dreistigkeit. Zur Gewissensberuhigung würde man auch den Mathematikern einen gönnen, doch wollten sie ihn nicht, wie angeblich auch die Mathematikerin Sonfja Kovalevskaja (Sonja Kowalewski) ihren Verehrer Alfred Nobel abwies. Für mich ist das alles eine Facette des mehr oder minder bewußt ausgelebten Bestrebens der Reichen und ihrer Diener, Geld in Ruhm zu wandeln.
Entgegen meiner Gewohnheit muß ich aus einem englichsprachigen Text raubkopieren: „Much of their work has an 'apples and oranges' quality, ranging from the economics of slavery to the economics of bumblebees. […] As the old joke goes, 'Economics is the only field in which two people can win a Nobel Prize for saying exactly the opposite thing.' […] This suggests that economics hasn't really advanced to the stage yet where we can call any one of them undeniably true. So what is the purpose of awarding a Nobel? In his original will, Alfred Nobel stipulated that the awards should be given to those scientists who have 'conferred the greatest benefit on mankind.' In other words, those who bring practical results to the real world. Economics fails this criterion. Of course, it is unlikely that any false theory could bring benefit to the world, and if various economic theories pass in and out of academic fashion, it is impossible that they could all be true and therefore beneficial.“ [1]
[1] ALL THOSE NOBELS… Chicago School of Economics zitiert von Steve Kangas.
Wenn y die Inflationsrate und x die Arbeitslosenquote ist, so glaubten sie allen Ernstes an die Konstanz des Produktes x⋅y oder ähnliches und nannten es Phillips-Kurve. Und nun soll ein Nobelpreis an Edmund Phelps für die Variante (x−a)y=const verliehen werden, mit der ‚natürlichen‘ Arbeitslosigkeit a, die man auch durch Hinnahme hoher Inflationsraten nicht unterbieten kann. Natürlich mußte a beständig angehoben werden und wird zur Zeit so um 7 Prozent liegen.
Ein schönes Argument, gegen Arbeitslosigkeit nichts unternehmen zu müssen, gleichwohl man mit der Frankfurter Rundschau zum Lobe von Edmund Phelps auch umgekehrt folgern könne, daß ein Grundstock an Arbeitslosen auch mit Lohndrückerei nicht zu beseitigen sei, weshalb diese Menschen ein Anrecht auf bessere Versorgung als durch Hartz IV hätten. Überhaupt möchte ich hier nicht über einen einzelnen Nobelpreisträger lästern, den ich gar nicht kenne und der sicherlich für umfassendere Leistungen geehrt wird, sondern nur über die Wirtschaftswissenschaft und deren ‚Nobelpreis‘.
Und wenn ich das so lese und schreibe, kommt in mir der alte Ärger hoch, daß sich die auf dem Geld sitzenden Säcke einen Nobelpreis unter den Nagel gerissen haben, auch wenn sie ihn nicht aus dem Vermögen Alfred Nobels finanzieren und eigentlich sich damit nur selbst adeln. In der Namensaneignung besteht die Dreistigkeit. Zur Gewissensberuhigung würde man auch den Mathematikern einen gönnen, doch wollten sie ihn nicht, wie angeblich auch die Mathematikerin Sonfja Kovalevskaja (Sonja Kowalewski) ihren Verehrer Alfred Nobel abwies. Für mich ist das alles eine Facette des mehr oder minder bewußt ausgelebten Bestrebens der Reichen und ihrer Diener, Geld in Ruhm zu wandeln.
Entgegen meiner Gewohnheit muß ich aus einem englichsprachigen Text raubkopieren: „Much of their work has an 'apples and oranges' quality, ranging from the economics of slavery to the economics of bumblebees. […] As the old joke goes, 'Economics is the only field in which two people can win a Nobel Prize for saying exactly the opposite thing.' […] This suggests that economics hasn't really advanced to the stage yet where we can call any one of them undeniably true. So what is the purpose of awarding a Nobel? In his original will, Alfred Nobel stipulated that the awards should be given to those scientists who have 'conferred the greatest benefit on mankind.' In other words, those who bring practical results to the real world. Economics fails this criterion. Of course, it is unlikely that any false theory could bring benefit to the world, and if various economic theories pass in and out of academic fashion, it is impossible that they could all be true and therefore beneficial.“ [1]
[1] ALL THOSE NOBELS… Chicago School of Economics zitiert von Steve Kangas.
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wuerg,
13.10.2006 22:15
Alfred Nobel soll auch deshalb keinen Nobelpreis für Mathematik vorgesehen haben, weil er in ihr eine Hilfswissenschaft ohne Bedeutung für den Fortschritt sah. Lebte er noch heute, würde er sicherlich die Bedeutung der Wirtschaft für das Wohlergehen der Menschen nicht leugnen, aber deshalb nicht die wirtschaftswissenschaftliche Forschung auszeichnen lassen, weil deren Beitrag zur Besserung im auszuzeichnenden Einzelfalle auch symbolisch oder stellvertretend für einen weiteren Kreis kaum zu sehen ist.
Ich wiederhole: Zum diesjährigen Preisträger Edmund Phelps kann und will ich mich gar nicht negativ äußern. Er kann nichts dafür, daß der „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel“ nicht nur im Volksmund Wirtschaftsnobelpreis genannt wird. Ob die Literatur einen größeren Beitrag für den Fortschritt leistet als so manche leer ausgehende Wissenschaft, ist eine schöne Frage, doch hier ohne Belang, weil Alfred Nobel diesen Preis persönlich gestiftet hat. Und zu Orhan Pamuk kann und will ich auch nichts sagen, zumal ich keines seiner Bücher gelesen habe.
Der Frieden war dem Erfinder des Dynamits ein Herzensanliegen, und sicherlich tragen Friedensbemühungen auch zum Fortschritt bei. Zum diesjährigen Preisträger Muhammad Yunus und seiner gleichfalls ausgezeichneten Grameen Bank kann und will ich ebenfalls nichts sagen, sondern nur meine Freude darüber ausdrücken, daß weder ein Kriegstreiber noch ein Rock-Musiker und schon gar nicht Bob Geldof ausgezeichnet wurde.
Ich will es keinem nachtragen, wenn er nach seiner Wandlung vom Paulus zum Saulus als General sich grünen Frauen hingezogen fühlt oder in Friedensverträgen Wiedergutmachung leisten möchte. Doch einen Preis muß es dafür nicht geben, schon gar keinen für den Frieden. Es ist auch kein schlechter Wesenszug, als abgehalfterter Schauspieler sich für Afrikaner oder Robben einzusetzen oder die Bekanntheit als Musiker und das den Fans abgenommene Geld zu nutzen, um den Reichen Millionen für die Dritte Welt aus der Tasche zu leiern. Nur muß das nicht auch noch ausgezeichnet werden. Da soll ein Friedensnobelpreis lieber an einen Armen gehen, der 500 Euro in seinem Dorf gesammelt hat, der nicht Geld und Bekanntheit in einen Ruf als Wohltäter wandeln kann und will.
Live‑8 | Al Nobel | Katzentisch | Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Rosalind Franklin | Chien‑Shiung Wu
Ich wiederhole: Zum diesjährigen Preisträger Edmund Phelps kann und will ich mich gar nicht negativ äußern. Er kann nichts dafür, daß der „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel“ nicht nur im Volksmund Wirtschaftsnobelpreis genannt wird. Ob die Literatur einen größeren Beitrag für den Fortschritt leistet als so manche leer ausgehende Wissenschaft, ist eine schöne Frage, doch hier ohne Belang, weil Alfred Nobel diesen Preis persönlich gestiftet hat. Und zu Orhan Pamuk kann und will ich auch nichts sagen, zumal ich keines seiner Bücher gelesen habe.
Der Frieden war dem Erfinder des Dynamits ein Herzensanliegen, und sicherlich tragen Friedensbemühungen auch zum Fortschritt bei. Zum diesjährigen Preisträger Muhammad Yunus und seiner gleichfalls ausgezeichneten Grameen Bank kann und will ich ebenfalls nichts sagen, sondern nur meine Freude darüber ausdrücken, daß weder ein Kriegstreiber noch ein Rock-Musiker und schon gar nicht Bob Geldof ausgezeichnet wurde.
Ich will es keinem nachtragen, wenn er nach seiner Wandlung vom Paulus zum Saulus als General sich grünen Frauen hingezogen fühlt oder in Friedensverträgen Wiedergutmachung leisten möchte. Doch einen Preis muß es dafür nicht geben, schon gar keinen für den Frieden. Es ist auch kein schlechter Wesenszug, als abgehalfterter Schauspieler sich für Afrikaner oder Robben einzusetzen oder die Bekanntheit als Musiker und das den Fans abgenommene Geld zu nutzen, um den Reichen Millionen für die Dritte Welt aus der Tasche zu leiern. Nur muß das nicht auch noch ausgezeichnet werden. Da soll ein Friedensnobelpreis lieber an einen Armen gehen, der 500 Euro in seinem Dorf gesammelt hat, der nicht Geld und Bekanntheit in einen Ruf als Wohltäter wandeln kann und will.
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