Mitgliedervotum
wuerg, 19.02.2018 20:23
In unserer Demokratie funktioniert es ungefähr so: Alle Wahlberechtigten dürfen abstimmen. Die Bundestagsmandate werden weitgehend proportional zu den abgegebenen Stimmen verteilt. Der Bundestag wählt den Kanzler, der bestellt sein Kabinett. Damit diese Wahl erfolgreich und die gebildete Regierung stabil ist, werden normalerweise Koalitionsverhandlungen geführt. Nicht die Wähler, sondern die Parteien entscheiden über die Bildung einer solchen Koalition. Wovon diese Parteien ihre Zustimmung abhängig machen, ist weitgehend ihre Angelegenheit. Eine Zustimmung des Parteivorstandes, der Delegierten oder aller Mitglieder ist zulässig, ein Orakel wahrscheinlich nicht. Es ist daher nicht undemokratisch, wenn nun die SPD-Mitglieder abstimmen, seien sie auch Kinder oder Ausländer. Sie stimmen über das Verhalten ihrer eigenen Partei ab. Hier meine Stimme:
Am rechten Rand gibt es Unmut darüber, daß auch ausländische Sozialdemokraten abstimmen dürfen. Wer das nicht möchte, muß das Parteiengesetz ändern. Theoretisch könnten nur Deutsche Mitglieder sein. Das aber würde zu schweren Auseinandersetzungen führen, vor allem dann, wenn auch Verbände wie die Gewerkschaften einbezogen würden, die ihre Ausländer mit hohem Organisationsgrad nicht kampflos aufgäben. Auch volljährig zu sein, ist eine ungerechte Forderung, zumal man sich bereits mit 14 Jahren für jede Gemeinschaft entscheiden kann, die sich Religion nennen darf.
Es wäre aber denkbar, für gewisse Vorgänge innerhalb der Parteien, einige Mitglieder auszuschließen oder Fremde zuzulassen, wie das in den US-Vorwahlen oftmals der Fall ist. Grundsätzlich gibt es das auch in Deutschland: Im Jahre 1970 kandidierte der Juso-Vorsitzende und spätere Bundestagsabgeordnete Karsten D. Voigt zum hessischen Landtag. [1] Zur innerparteilichen Aufstellung waren alle Delegierten seines Wahlkreises stimmberechtigt. Alle? Ich nicht, obwohl im März 1970 das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt wurde. Nicht nur daraus schließe ich messerscharf, daß die Nominierung früher stattfand.
[1] Am Wahlabend hatte er einen hauchdünnen Vorsprung vor Ruth Beckmann von der CDU, doch nach Auszählung der Briefwähler war er dahin.
Am rechten Rand gibt es Unmut darüber, daß auch ausländische Sozialdemokraten abstimmen dürfen. Wer das nicht möchte, muß das Parteiengesetz ändern. Theoretisch könnten nur Deutsche Mitglieder sein. Das aber würde zu schweren Auseinandersetzungen führen, vor allem dann, wenn auch Verbände wie die Gewerkschaften einbezogen würden, die ihre Ausländer mit hohem Organisationsgrad nicht kampflos aufgäben. Auch volljährig zu sein, ist eine ungerechte Forderung, zumal man sich bereits mit 14 Jahren für jede Gemeinschaft entscheiden kann, die sich Religion nennen darf.
Es wäre aber denkbar, für gewisse Vorgänge innerhalb der Parteien, einige Mitglieder auszuschließen oder Fremde zuzulassen, wie das in den US-Vorwahlen oftmals der Fall ist. Grundsätzlich gibt es das auch in Deutschland: Im Jahre 1970 kandidierte der Juso-Vorsitzende und spätere Bundestagsabgeordnete Karsten D. Voigt zum hessischen Landtag. [1] Zur innerparteilichen Aufstellung waren alle Delegierten seines Wahlkreises stimmberechtigt. Alle? Ich nicht, obwohl im März 1970 das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt wurde. Nicht nur daraus schließe ich messerscharf, daß die Nominierung früher stattfand.
[1] Am Wahlabend hatte er einen hauchdünnen Vorsprung vor Ruth Beckmann von der CDU, doch nach Auszählung der Briefwähler war er dahin.
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wuerg,
20.02.2018 15:39
Ich lese immer wieder gerne Henryk M. Broder, doch kann ich ihm nicht ständig zustimmen. So auch nicht seiner Kritik am Mitgliedervotum der SPD. Die Stimmberechtigung von Kindern und Ausländern habe ich bereits verteidigt. Und so muß ich es auch mit dem Begleitschreiben halten. Zunächst hat es mich irritiert, daß dem Stimmzettel und zwei Umschlägen ein dreiseitiges Reklameschreiben des Vorstandes beigefügt war. Aber es ist ja keine Bundestagswahl, auch keine Abstimmung, deren strikte Neutralität durch die Satzung geregelt ist. Vielmehr möchte der Vorstand die Zustimmung seiner Mitglieder einholen. Dazu wirbt er mit Großveranstaltungen im ganzen Land, druckt den gesamten Koalitionsvertrag im Vorwärts ab und fügt drei Seiten Werbung bei. Er ist nicht verpflichtet, die Gegner in gleicher Weise auszustatten. Ich anerkenne dieses Recht, auch wenn ich mit Hayir gestimmt habe.
Was ich einzig kritiseren möchte, ist der Stichtag 6. Februar für die Stimmberechtigung, der dazu führte, daß viele in die SPD eingetreten sind, um vorwiegend gegen eine große Koalition zu stimmen. Ich weiß nicht, was die Parteiführung sich dabei dachte. Vielleicht hoffte sie, auch dauerhaft Mitglieder zu gewinnen. Veraltete Erfahrungen mit der Datenverarbeitung der SPD und die Formulierung "bis Anfang Februar in der Datenbank" lassen mich böswillig vermuten: Ab 18 Uhr am 6. Februar werden keine Neuaufnahmen mehr zugelassen, bis die Gesamtheit aller zu diesem Zeitpunkt gespeicherten Mitglieder zum Versand ausgelesen ist.
Es könnte gut sein, daß von einen früheren Termin aus Angst vor Beschwerden derer Abstand genommen wurde, die schon vor langer Zeit eingetreten sind, es aber noch nicht in die Datenbank geschafft haben. Um die durch Lahmarschigkeit aufgestauten Anträge abzuarbeiten, waren noch ein paar Tage erforderlich. Alternativ hätte man einen Stichtag in der Vergangenheit ansetzen können, denn für eine ordentliche Datenverarbeitung sollte es kein Problem sein, aus der Datenbank nur diejenigen herauszusuchen, die vor diesem Stichtag eingetreten sind.
Vor dem Stichtag soll ein Hund eingetreten sein. Warum nicht, wenn der Ortsvereinsvorstand dem zustimmte. Es könnte auch ein Kamel Deutscher werden, wenn sich ein Beamter findet, der es einbürgert. Schließlich gibt es auch Menschen mit zahlreichen "Identitäten". Natürlich ist satzungswidriges Handeln leichter und folgenloser als kriminelles, doch Konsequenzen kann es trotzdem haben. Und wer anstelle seines Hundes die zur Stimmabgabe erforderliche eidesstattliche Erklärung unterzeichnet, sollte sich besser nicht erwischen lassen, insbesondere nicht in der Bildzeitung damit angeben.
Was ich einzig kritiseren möchte, ist der Stichtag 6. Februar für die Stimmberechtigung, der dazu führte, daß viele in die SPD eingetreten sind, um vorwiegend gegen eine große Koalition zu stimmen. Ich weiß nicht, was die Parteiführung sich dabei dachte. Vielleicht hoffte sie, auch dauerhaft Mitglieder zu gewinnen. Veraltete Erfahrungen mit der Datenverarbeitung der SPD und die Formulierung "bis Anfang Februar in der Datenbank" lassen mich böswillig vermuten: Ab 18 Uhr am 6. Februar werden keine Neuaufnahmen mehr zugelassen, bis die Gesamtheit aller zu diesem Zeitpunkt gespeicherten Mitglieder zum Versand ausgelesen ist.
Es könnte gut sein, daß von einen früheren Termin aus Angst vor Beschwerden derer Abstand genommen wurde, die schon vor langer Zeit eingetreten sind, es aber noch nicht in die Datenbank geschafft haben. Um die durch Lahmarschigkeit aufgestauten Anträge abzuarbeiten, waren noch ein paar Tage erforderlich. Alternativ hätte man einen Stichtag in der Vergangenheit ansetzen können, denn für eine ordentliche Datenverarbeitung sollte es kein Problem sein, aus der Datenbank nur diejenigen herauszusuchen, die vor diesem Stichtag eingetreten sind.
Vor dem Stichtag soll ein Hund eingetreten sein. Warum nicht, wenn der Ortsvereinsvorstand dem zustimmte. Es könnte auch ein Kamel Deutscher werden, wenn sich ein Beamter findet, der es einbürgert. Schließlich gibt es auch Menschen mit zahlreichen "Identitäten". Natürlich ist satzungswidriges Handeln leichter und folgenloser als kriminelles, doch Konsequenzen kann es trotzdem haben. Und wer anstelle seines Hundes die zur Stimmabgabe erforderliche eidesstattliche Erklärung unterzeichnet, sollte sich besser nicht erwischen lassen, insbesondere nicht in der Bildzeitung damit angeben.
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wuerg,
04.03.2018 10:59
Es ist vollbracht. Die Beteiligung war sehr hoch. Dafür gab es ebenso Beifall wie für die Arbeit der Helfer. Als dann die hohe Zweidrittelmehrheit für die große Koalition verkündet wurde, war es totenstill. Keine Hand rührte sich. Kaum einer fragte etwas. Alles war tot wie Olaf Scholz. Keine nachträgliche Berichterstattung kann diesen Eindruck wiedergeben.
Nun werden wir sehen, wer Minister wird, ob Andrea Nahles ein besseres Ergebnis erzielt als Martin Schulz und was aus Kevin Kühnert wird, von dem zumindest ich in den letzten Wochen nichts mehr hörte. Haben er und die Jusos aufgegeben, weil das Ergebnis zu erwarten war, weitere Arbeit sich nicht lohnt oder Sessel für sie reserviert sind?
Nun werden wir sehen, wer Minister wird, ob Andrea Nahles ein besseres Ergebnis erzielt als Martin Schulz und was aus Kevin Kühnert wird, von dem zumindest ich in den letzten Wochen nichts mehr hörte. Haben er und die Jusos aufgegeben, weil das Ergebnis zu erwarten war, weitere Arbeit sich nicht lohnt oder Sessel für sie reserviert sind?
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