Mitgliedervotum
In unserer Demokratie funktioniert es ungefähr so: Alle Wahlberech­tigten dürfen abstimmen. Die Bundes­tags­mandate werden weit­gehend propor­tional zu den abgegebenen Stimmen verteilt. Der Bundestag wählt den Kanzler, der bestellt sein Kabinett. Damit diese Wahl erfolg­reich und die gebil­dete Regie­rung stabil ist, werden normaler­weise Koali­tions­verhand­lungen geführt. Nicht die Wähler, sondern die Parteien entscheiden über die Bildung einer solchen Koali­tion. Wovon diese Parteien ihre Zustim­mung abhängig machen, ist weitge­hend ihre Angele­genheit. Eine Zustimmung des Partei­vorstandes, der Delegierten oder aller Mitglie­der ist zulässig, ein Orakel wahr­schein­lich nicht. Es ist daher nicht undemo­kratisch, wenn nun die SPD-Mit­glieder abstimmen, seien sie auch Kinder oder Aus­länder. Sie stimmen über das Verhalten ihrer eigenen Partei ab. Hier meine Stimme:



Am rechten Rand gibt es Unmut darüber, daß auch auslän­dische Sozial­demokraten abstimmen dürfen. Wer das nicht möchte, muß das Parteien­gesetz ändern. Theore­tisch könnten nur Deutsche Mitglieder sein. Das aber würde zu schweren Ausein­ander­setzungen führen, vor allem dann, wenn auch Verbände wie die Gewerk­schaften einbe­zogen würden, die ihre Ausländer mit hohem Organi­sations­grad nicht kampflos auf­gäben. Auch volljährig zu sein, ist eine unge­rechte Forde­rung, zumal man sich bereits mit 14 Jahren für jede Gemein­schaft entschei­den kann, die sich Reli­gion nennen darf.

Es wäre aber denkbar, für gewisse Vorgänge inner­halb der Parteien, einige Mitglieder auszu­schließen oder Fremde zuzu­lassen, wie das in den US-Vor­wahlen oftmals der Fall ist. Grund­sätz­lich gibt es das auch in Deutsch­land: Im Jahre 1970 kandi­dierte der Juso-Vorsit­zende und spätere Bundes­tagsabge­ordnete Kar­sten D. Voigt zum hessi­schen Landtag. [1] Zur inner­partei­lichen Aufstel­lung waren alle Dele­gierten seines Wahl­kreises stimm­berechtigt. Alle? Ich nicht, obwohl im März 1970 das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt wurde. Nicht nur daraus schließe ich messer­scharf, daß die Nomi­nierung früher statt­fand.

[1] Am Wahlabend hatte er einen hauch­dünnen Vorsprung vor Ruth Beck­mann von der CDU, doch nach Auszäh­lung der Brief­wähler war er dahin.

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Ich lese immer wieder gerne Henryk M. Broder, doch kann ich ihm nicht ständig zustimmen. So auch nicht seiner Kritik am Mit­glieder­votum der SPD. Die Stimm­berech­tigung von Kindern und Auslän­dern habe ich bereits vertei­digt. Und so muß ich es auch mit dem Begleit­schreiben halten. Zunächst hat es mich irri­tiert, daß dem Stimmzettel und zwei Umschlägen ein drei­seitiges Reklame­schreiben des Vorstandes beige­fügt war. Aber es ist ja keine Bundes­tagswahl, auch keine Abstim­mung, deren strikte Neutra­lität durch die Satzung geregelt ist. Vielmehr möchte der Vorstand die Zustim­mung seiner Mitglie­der einholen. Dazu wirbt er mit Groß­veranstal­tungen im ganzen Land, druckt den gesamten Koali­tions­vertrag im Vorwärts ab und fügt drei Seiten Werbung bei. Er ist nicht verpflich­tet, die Gegner in gleicher Weise auszu­statten. Ich aner­kenne dieses Recht, auch wenn ich mit Hayir gestimmt habe.

Was ich einzig kritiseren möchte, ist der Stichtag 6. Februar für die Stimm­berech­tigung, der dazu führte, daß viele in die SPD einge­treten sind, um vorwie­gend gegen eine große Koali­tion zu stimmen. Ich weiß nicht, was die Partei­führung sich dabei dachte. Viel­leicht hoffte sie, auch dauer­haft Mitglie­der zu gewinnen. Veral­tete Erfah­rungen mit der Daten­verar­beitung der SPD und die Formu­lierung "bis Anfang Februar in der Daten­bank" lassen mich böswil­lig vermuten: Ab 18 Uhr am 6. Februar werden keine Neuauf­nahmen mehr zuge­lassen, bis die Gesamt­heit aller zu diesem Zeit­punkt gespei­cherten Mitglieder zum Versand ausge­lesen ist.

Es könnte gut sein, daß von einen früheren Termin aus Angst vor Beschwerden derer Abstand genommen wurde, die schon vor langer Zeit einge­treten sind, es aber noch nicht in die Daten­bank geschafft haben. Um die durch Lahm­arschig­keit aufge­stauten Anträge abzuar­beiten, waren noch ein paar Tage erfor­derlich. Alter­nativ hätte man einen Stichtag in der Vergan­genheit ansetzen können, denn für eine ordent­liche Daten­verar­beitung sollte es kein Problem sein, aus der Daten­bank nur dieje­nigen heraus­zusuchen, die vor diesem Stichtag einge­treten sind.

Vor dem Stichtag soll ein Hund eingetreten sein. Warum nicht, wenn der Ortsvereins­vorstand dem zustimmte. Es könnte auch ein Kamel Deutscher werden, wenn sich ein Beamter findet, der es einbür­gert. Schließ­lich gibt es auch Menschen mit zahl­reichen "Identi­täten". Natür­lich ist satzungs­widriges Handeln leichter und folgen­loser als krimi­nelles, doch Konse­quenzen kann es trotzdem haben. Und wer anstelle seines Hundes die zur Stimm­abgabe erforder­liche eides­statt­liche Erklärung unter­zeichnet, sollte sich besser nicht erwischen lassen, insbe­sondere nicht in der Bild­zeitung damit angeben.

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Es ist vollbracht. Die Beteiligung war sehr hoch. Dafür gab es ebenso Beifall wie für die Arbeit der Helfer. Als dann die hohe Zwei­drittel­mehrheit für die große Koali­tion verkündet wurde, war es toten­still. Keine Hand rührte sich. Kaum einer fragte etwas. Alles war tot wie Olaf Scholz. Keine nach­träg­liche Bericht­erstat­tung kann diesen Eindruck wieder­geben.

Nun werden wir sehen, wer Minister wird, ob Andrea Nahles ein besseres Ergebnis erzielt als Martin Schulz und was aus Kevin Kühnert wird, von dem zumin­dest ich in den letzten Wochen nichts mehr hörte. Haben er und die Jusos aufge­geben, weil das Ergebnis zu erwarten war, weitere Arbeit sich nicht lohnt oder Sessel für sie reser­viert sind?

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