Tatort Münster
Als am Abend verkündet werden konnte, daß der Fahrer des Wagens, der heute in eine Menschen­menge fuhr, ein Deut­scher ohne Migra­tions­hinter­grund sei, war die Erleich­terung mit Händen zu greifen, denn wir wissen alle, wen Amok­fahrer oder Messer­stecher nach­ahmen. Ein Deut­scher aus dem linken Umfeld oder dem Dunst­kreis der großen Koali­tion würde auch noch gehen. Ins Schwitzen käme so mancher bei Migra­tions­hinter­grund oder fehlender deut­scher Staats­angehö­rigkeit. Das zweit­schlimmste wäre ein Isla­mist, an der Spitze steht ein muslimer Einzel­täter. So kommen die Politiker noch einmal mit Wort­hülsen davon.

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Diether Dehm
Diether Dehm hat Heiko Maas einen Nato-Strich­jungen genannt. Wer ist Diether Dehm? Die Wiki­pedia weiß es. Und ich erwähne ihn hier nicht wegen Maas, seiner Bespit­zelung von Wolf Bier­mann, seines Verra­tes der SPD, seiner Umtrie­bigkeit oder dem Versuch, die Gitarre zu schlagen, sondern weil er mir bereits in jungen Jahren dumm auffiel. Wenn ich mich recht erin­nere, war es ein Straßen­fest der Jusos Hoechst im Jahre 1968, auf dem Diether Dehm als Lerryn seine langwei­ligen Lieder vortrug. Dort schlug er mir auf die Schulter, als würde er mich gut oder über­haupt kennen. Diese herab­lassende Geste habe ich mir gemerkt und hielt ihn wohl auch deshalb immer für älter als mich. Er hat sich nicht geän­dert. Meine Meinung auch nicht.

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Maybrit Illner
Als ich mich hier vor fast genau zwölf Jahren erstmal zu einer Diskus­sion mit Sandra Maisch­berger ausließ, ging es bereits um gewalt­tätige Moslems. Gestern bei Maybrit Illner standen sie immer noch im Vorder­grund, obgleich es doch um Gewalt an Schulen gehen sollte. Nur Naiv­linge wie die der Huffing­ton Post wundern sich darüber. [1] Ärgerlich finden sie auch, daß ihr Lager nicht mehr die Mehrheit der Geprächs­teil­nehmer stellte, es sich gera­dezu umge­kehrt hatte. So ist das nun einmal mit dem Main­stream-Journa­lismus. Er ist nicht von Natur aus links, sondern hängt seine Fahne in den Wind.

Ich habe leider nur das letzte Drittel gesehen. Das reichte mir schon: Ein zum Paulus gewan­delter Schläger mit dem berühm­ten Einser-Abitur durfte von seiner krimi­nellen Vergan­genheit und seinem nunmehr anstän­digen Leben berichten. Dabei ist dieser Menschen­schlag zumin­dest ohne Abitur gar nicht selten. Wer heute noch mit dem Krumm­säbel um den Hals Menschen terro­risiert, schiebt morgen bereits einen Kinder­wagen durch die Gegend. Ob sie den ange­rich­teten Schaden jemals wieder gut­machen können oder wollen, bezwei­fele ich für die meisten. Ich bevor­zuge Muster­schüler, die immer schon gelernt und nie geprü­gelt haben.

Danach ging es um den hohen Migranten­anteil an Schulen mancher Wohn­gebiete. Der Idee, Kinder mit Schul­bussen in die bes­seren Gegenden zu schaffen oder schlimmer noch in die andere Rich­tung, konnte keiner etwas abge­winnen, auch Fran­ziska Giffey nicht. Ihrer gouver­nanten­haften Einlas­sung aber entnahm ich, daß sie auf keinen Fall Bürgers­kinder in Migranten­schulen sehen möchte. Sie fürchtete wohl, die Teddy­bären-Werfer und Ihres­gleichen zu verlieren. Ihre Empfehlung war wieder einmal: Fördern und fördern!

Laut Huffington Post soll sie zuvor ein "Macht­wort" gespro­chen haben. Dem [1] beige­fügten Filmaus­schnitt kann ich aber nur entneh­men, daß sie wieder einmal Differen­zierung in der Debatte forderte, um sogleich die General­verdachts­keule zu schwingen. Und das in einem Duktus, der mir Übel­keit bereitet. Immerhin ist Differen­zierung schon ein Zuge­ständnis, eine Abkehr von den Gold­stücken und der flächen­deckenden Berei­cherung. Jetzt heißt es nur noch, daß diese Menschen eben hier seien und wir uns um sie zu kümmern haben. Das wird mit Rücksicht auf die recht­schaf­fende Mehrheit auch geschehen.

[1] Lennart Pfahler: "Maybritt Illner": Alle prügeln auf Muslime ein - dann spricht Giffey Machtwort. Huffington Post, 06.04.2018.

Fernsehen | Islam | Sandra Maischberger | Hassan Dabbagh | Moslemversteher

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Jocelyn Bell Burnell
Nach Chien-Shiung Wu, Rosa­lind Franklin und Lise Meitner auf den Plät­zen 7, 1 und 5 der in [1] genannten Frauen, deren Ruhm Männer ernteten, nun Jocelyn Bell Bur­nell auf Platz 10 als die letzte, die keinen Nobel­preis erhielt. Während die ersten drei nur mittelbar betei­ligt waren, hat Jocelyn Bell tatsäch­lich eine Ent­deckung gemacht, weil sie mit Radio­tele­skopen aufge­fangene Signale nicht als Störung abtat, sondern zusammen mit ihrem Doktor­vater Antony Hewish untersuchte und heute als Entdeck­erin des ersten Pulsa­res gilt.

Obwohl sie in der zuge­hörigen Veröffent­lichung an zweiter Stelle genannt ist, erhielt neben Antony Hewish nicht sie den Nobel­preis, sondern der Instituts­leiter Martin Ryle, der zuvor Grund­lagen der Radio­tele­skopie schuf. Jocelyn Bell war in den Augen des Nobel­komitees nur eine mit Daten­auswer­tung beschäf­tigte Dokto­randin. "'Die Daten kamen auf Tabellen­blättern heraus', erklärt sie. 'Damals gab es nur sehr, sehr wenige Computer, statt­dessen ließ man die Ergeb­nisse einfach durch uns Absol­venten auswer­ten.' ... Viele Forscher hätten diese Signale als tech­nische Störung abgetan. Aber Bell und Hewish waren erst­klassige Wissen­schaftler, die es genau wissen woll­ten." [2]

Vom Nobelpreis abgesehen haben Männer nicht den größten Ruhm eingesteckt. In einem Lehrbuch für Studenten steht Jocelyn Bell unter der Über­schrift "Wie wurden Neutronen­sterne entdeckt?" ganz vorne: "Die ersten Beobach­tungs­hinweise auf Neutronen­sterne stammen aus dem Jahr 1967, als eine 24-jährige Dokto­randin namens Jocelyn Bell eine selt­same Radio­quelle entdeckte. Bell hatte ihren Betreuer, Anthony Hewish, beim Bau eines Radio­tele­skopes unter­stützt, ... Nachdem sie andere Möglich­keiten ausge­schlossen hatte, kam sie zu dem Schluss, dass irgendwo aus der Nähe des Stern­bilds Schwan (Cygnus) gepulste Radio­stahlung empfangen wurde. Die Inter­valle betrugen genau 1,337301 Se­kun­den." [3]

Auch die Bibel der Astro­physik widmet sich nicht nur der Ent­deckung, sondern in einer Fußnote auch der Kontro­verse: "In 1974 Hewish was awarded a share of the Nobel Prize, along with Martin Ryle, for their work in radio astro­nomy. Fred Hoyle and others have argued that Jocelyn Bell should have shared the prize as well; Hewish had designed the radio array and obser­vational tech­nique, but Bell was the first to notice the pulsar signal. This contro­versial omission has inspired refe­rences to the award as the 'No-Bell' prize." [4]

Es war wohl nicht Frauen­freund­lichkeit allein, die Hoyle die Nobel­preis­vergabe kriti­sieren ließ. Er mochte vor allem Ryle nicht, der den Urknall bevor­zugte, während Hoyle dem stati­schen Univer­sum anhing. Viel­leicht hat es ihn um den eigenen Nobel­preis gebracht. "Daß Hoyle über­gangen wurde, ist eine der größten Unge­rechtig­keiten in der Geschichte des Nobel­preises. Das Komitee brüs­kierte Hoyle vor allem, weil er sich über die Jahre mit seiner unver­blümten Art zahl­reiche Feinde gemacht hatte. Zum Beispiel hatte er sich lautstark beschwert, als der Nobel­preis für Phy­sik 1974 für die Ent­deckung der Pulsare vergeben wurde. Er räumte ein, daß die Ent­deckung dieser pulsie­renden Sterne ein wich­tiger Durch­bruch war, empörte sich jedoch, weil der Preis nicht mit der jungen Astro­nomin Jocelyn Bell geteilt wurde, der die ent­schei­denden Beobach­tungen gelungen waren." [5]

Auch wenn der Nobel­preis an vielen Männern wie Hoyle vorbei­ging und Verbre­cher einen für den Frieden erhielten, ist die Frauen­quote weiterhin sehr gering, was natür­lich auch der Tatsache geschul­det ist, daß Frauen es in derar­tige Höhen auch heute nur selten schaffen. Deshalb ist der Nobel­preis kein guter Maßstab für die Gleich­berech­tigung. Werden Frauen nicht nominiert oder gehen trotzdem leer aus, zeigt dies allen­falls, daß die Männer im Vergabe­komitee Frauen den Ruhm vorent­halten, ohne ihn selbst einheim­sen zu können. Die Kollegen der über­gangenen Frauen haben ihn zwar im gutmei­nenden Wort­sinne geerntet, aber nicht gestoh­len, wie die Über­schrift von [1] sugge­riert.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018.
[2] Heather Couper und Nigel Henbest: Die Geschichte der Astronomie. Frederking & Thaler Verlag München, 2007. Seite 251.
[3] Jeffrey Bennett, Megan Donahue, Nicholas Schneider, Mark Voit: Astronomie - Die kosmische Perspek­tive. Pearson Studium, 5. Auf­lage 2010. Seite 835.
[4] Bradley W. Carroll und Dale A. Ostlie: An Introduction to Modern Astro­physics. Addison Wesley San Francisco, 2. Auf­lage 2007. Seite 587.
[5] Simon Singh: Big Bang - Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen Natur­wissenschaft. Bücher­gilde Guten­berg, 2005, Seite 409

Chien-Shiung Wu | Rosalind Franklin | Lise Meitner

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Lise Meitner
Viele Menschen wurden und werden als Frau oder homo­sexuell, wegen ihres Aussehens oder Herkunft benach­teiligt. Hinzu kommen widrige Umstände, die jedem wider­fahren können. Auch sie können als Diskri­minie­rung ausgeben werden, wenn man nicht gerade cis-hetero­sexueller weißer Mann ist. Wer anhand von Einzel­schick­salen eine Lanze für Frauen brechen will, kann schlecht zu uninter­essanten, unbedeu­tenden oder gar unbe­kannten Beispie­len greifen. Da müssen auch Wissen­schaft­lerinnen her, an denen wie an so manchem Mann der Nobel­preis vorbei­ging, weil sie in Erman­gelung weiterer Frauen von Männern einge­heimst wurden, die weib­liche Leistun­gen vorsätz­lich verschwie­gen.

Bereits zweimal zitierte ich einen Artikel [1] dieser Kategorie. Zum einen zu Chien-Shiung Wu auf Platz 7, die leider nur experi­mentell nachwies, was andere zuvor zumindest für möglich hielten. Zum anderen Rosa­lind Franklin auf Platz 1, die durch eine Röntgen­aufnahme zur Verbes­serung einer mit dem Nobelpreis ausge­zeich­neten Theorie beitrug. In beiden Fällen hätte es sich gehört, den Anteil dieser Frauen für jederman hörbar zu würdigen. Das versäumt zu haben, kann den durch die Nobel­preise berühmten Männern vorge­worfen werden. Man kann aber auch den Allmäch­tigen anklagen, Rosa­lind Franklin bereits im Alter von 37 Jahren abbe­rufen zu haben.

Mit Lise Meitner auf Platz 5 ist es ganz anders. Sie hat über zwei Welt­kriege hinweg mit Otto Hahn gearbeitet. Er verhalf im Som­mer 1938 der Prote­stantin jüdischer Eltern zur Flucht nach Schweden. Ein halbes Jahr später entdeckte er zusammen mit Fritz Straß­mann die Kern­spaltung. Zunächst infor­mierte er nur Lise Meitner, ein nicht ungefähr­liches Unter­fangen. [2] Sie lieferte sofort eine Erklä­rung. [3] Den Nobel­preis für Chemie des Jahres 1944 erhielt nur Otto Hahn. Nicht nur Lise Meitner und ihr Neffe und Mitar­beiter Otto Frisch gingen leer aus, auch Fritz Straß­mann und erneut ein fünftes Rad am Wagen: Die Chemi­kerin Ida Noddack, die bereits 1934 die falsche Ent­deckung von Trans­uranen bezwei­felte und gegen den Zeit­geist eine Kernspal­tung für möglich hielt.

Was den Nobelpreis betrifft hatte Lise Meitner trotz vieler Nominie­rungen Pech gehabt, führte aber ein langes und zufrie­denes Leben in Freund­schaft mit Otto Hahn. In der Wiki­pedia kann man nach­lesen, daß sie nie mit der Entschei­dung des Nobel­preis­komitees haderte. Ohne ihre Flucht hätte sie nach dem Krieg zusammen mit Otto Hahn den Nobel­preis entgegen­nehmen oder im Konzen­trations­lager enden können. Die Mär von der jüdi­schen Pazi­fistin, die durch einen Nazi um ihren Ruhm gebracht wurde, ist eine verbrei­tete und auch in [1] wieder einmal abge­schrie­bene femini­stische Lüge. Die Über­schrift "Lise Meitner entdeckte die Kern­spaltung" setzt noch einen drauf. Das ist grotten­falsch. Sie hatte aber einen vorberei­tenden Anteil an der Entdeckung und erklärte die Kern­spaltung, mit der ihr Name auf ewig verbunden bleiben wird.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018.
[2] Otto Hahn und Fritz Straßmann: Über den Nachweis und das Verhal­ten der bei der Bestrah­lung des Urans mittels Neutronen entste­henden Erdalkali­metalle. Natur­wissen­schaften 27:11, 1939. Zitiert nach [3], S. 346 schrieb Hahn an Meitner: "Ich habe mit Strass­mann verab­redet, dass wir vorerst nur Dir dies sagen wollen. Viel­leicht kannst Du irgend­eine phanta­stische Erklä­rung vor­schlagen."
[3] Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Springer Spektrum, 2. Auflage 2013. Seite 346: "Meitner (mit O. Frisch) gelang es inner­halb von zwei Wochen, aus dem kurz vorher ent­deckten Tröpf­chen-Modell die noch heute gültige Deutung zu ent­wickeln."

Chien-Shiung Wu | Rosalind Franklin

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Altachtundsechziger
Wenn Höcke von versifften Altacht­undsech­zigern spricht, dann meint er damit nicht nur welt­fremde Linke der sechziger Jahre, die in gamme­liger Klei­dung umher­liefen und keinen produk­tiven Beitrag zu unserer Gesell­schaft leiste­ten. Wenn der mir auf den Wecker gehende Konstan­tin auf links­grünver­siffter altacht­undsech­ziger Gutmensch erhöht, obwohl es damals weder Grüne noch Gutmen­schen gab, dann entlarvt sich der Altacht­undsech­ziger als Wort­hülse. Und wenn dazu Slomka dem die konser­vative Revolu­tion ausru­fenden Dobrindt vorwirft, sich an den Altacht­undsech­zigern abzuar­beiten, dann fragt man sich schon, was ein Altacht­undsech­ziger denn ist, ob er vornehm­lich als Witz­figur taugt, die nur noch erinnert wird, weil der aktu­elle linke Main­stream bedeu­tungs­loser Neun­undacht­ziger ohne theore­tische Hinter­lassen­schaft geblieben ist.

Für mich ist ein Altacht­undsechs­ziger stets das gewesen, woran ich knapp vorbei­gerutscht bin. Er hat 1968 studiert, wurde also um 1945 geboren und glaubte an die Weltrevo­lution. Leider bin ich etwas jünger und war nur Lehr­ling. Ich darf mich aber ohne den Zusatz "alt" als Achtund­sechziger sehen, weil wir Seit an Seit mit den Studenten den Kampf gegen das Estab­lishment geführt haben und ich mich nicht scheue, die Umbrüche dieser Zeit nach dem Jahr 1968 zu bezeichnen. Manche mögen meinen, 67 sei richtiger, alles habe noch viel früher begonnen, Studenten­bewegung oder gar -revolte sei die bessere Bezeich­nung, wenn nicht mit Protest­bewegung auch den Prole­tariern Rech­nung getragen werden soll.

Wenn heute über die damaligen Zeiten gesprochen wird, dann zumeist von Leuten, die deut­lich jünger sind, eher aus der Genera­tion 89, die es eigent­lich nur wegen der 180-Grad-Dre­hung der 68 gibt. Sie bestehen aus minde­stens zwei Gruppen: Den sog. Rechten, die sich selbst als Pragma­tiker sehen, und den Linken mit dem Arsch an der Wand, denen es gewalt­bereit und ohne geistige Ergüsse eigent­lich nur um sich selbst ging. Beide haben den Marsch durch die Institu­tionen hinter sich. Einige wurden wie Dobrindt konser­vative Revolu­tionäre, andere sind vom Baumhaus an der Startbahn in eine Altbau­wohnung gezogen und bilden den linken Main­straem, die meisten blieben herzlich desinter­essiert. Mit der Gene­ration Prak­tikum wird nichts besseres nach­kommen.

Die Generation 89 ist gerechte Folge der Achtund­sechziger. Nach ihrem Jahr­zehnt des Protestes gegen den Vietnam­krieg, die Notstands­gesetze, das System, die Unter­drückung war der Geist der west­lichen Welt ein anderer. Doch schon nach einem weiteren Jahr­zehnt der Gewalt waren in den acht­ziger Jahren viele auf ihrem Marsch durch die Insti­tutionen angekommen und zogen eine Gene­ration von Hedo­nisten mit Tisch­tennis­abitur, Basis­note zwei und Golf heran. Die Mehrheit völlig unpo­litisch, eine linke Minder­heit selbst­verliebt und gewalt­bereit. Wer heute von seiner linken Vergan­genheit faselt, ist zumeist kein achtund­sechziger Besser­wisser im Renten­alter. Er muß noch zehn bis zwanzig Jahre arbeiten, und vergessen sind die Zeiten seines Wider­standes, den man heute eher Life­style nennen würde.

Ich bin froh, deutlich älter zu sein. Wir haben uns damals für vieles begei­stert, daran geglaubt und auch einiges verän­dert. Nicht alles wendete sich zum Guten. Wir haben den Schah von Persien verachtet. Es brachte uns Khomeini und den heutigen Iran. Wir hatten jede Woche im Spiegel verfolgt, was Che Guevara in den boli­viani­schen Wäldern voll­brachte. Heute wissen wir, es war nichts. Wir glaubten an das jugo­slawi­sche Modell. Heute wissen wir, daß es keine Jugo­slawen gibt. Wir schmierten Wände gegen die Notstand­gesetze voll. Und heute weiß keiner mehr, in welchem bedeu­tungs­losen Gesetz sie unter­kamen.

Auch damals mußte man nicht alles mit­machen, ich jeden­falls nicht. Als Biafra unab­hängig werden wollte, überwogen meine Zweifel an der Redlich­keit. Die sexu­elle Revolu­tion ging an mir vorüber und erbrachte über­zogene sexuelle Früh­erzie­hung bis hin zur Pädo­philie der Altgrünen, um den Zusatz "alt" wieder einmal abwer­tend zu verwenden. Und man mußte nicht Gewalt gut­heißen, die im Namen des Klassen­kampfes ausgeübt wurde, von klamm­heim­licher Freude ganz zu schweigen. Auch für gemeine Laden­diebe, die offen mit ihrer System­schädi­gung prahlten, hatte ich kein Verständ­nis. Sie waren nur zu feige, Kauf­häuser anzu­zünden, wie es in Frank­furt vor genau 50 Jahren am 2. April 1968 geschah.

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Rosalind Franklin
Vorgestern sah ich einen Artilel über elf Frauen, denen der Ruhm von Männern gestohlen wurde. [1] Nach der Physi­kerin Chien-Shiung Wu will ich mich nun der Nummer eins der Liste zuwenden, der Biochemikerin Rosalind Franklin. Meine Beweggründe sind ambivalent. Auf der einen Seite halte ich es für erfor­derlich, die wissen­schaft­lichen Leistungen von Frauen hervor­zuheben. Auf der anderen möchte ich für mich klären, inwiefern sie wirklich wegen ihres Geschlechtes Opfer von Männern oder einfach nur des Zeit­geistes wurden. Um das ganze Ausmaß und den durch Diskri­minie­rung der halben Bevöl­kerung entgan­genen Fort­schritt zu ermessen, müßte man vor allem etwas über Frauen wissen, die heute keiner mehr kennt.

Rosalind Franklin hatte viele Röntgen­aufnahmen gemacht, möglicher­weise auch die als Nr. 51 bekannt gewor­dene der DNA, die ohne ihr Wissen durch Maurice Wil­kins [2] in die Hände von James Watson und Francis Crick geriet, woraufhin die beiden ihre Theorie der DNA entschei­dend verbes­sern konnten und alle drei Männer 1970 den Nobel­preis erhiel­ten. Rosalind Franklin ging unnomi­niert leer aus und wurde in der Nobel­preis­rede nicht einmal erwähnt. Zwar war sie im Alter von nur 37 Jah­ren bereits verstorben, doch konnten damals auch Tote den Nobel­preis erhalten.

Ähnlich wie im Falle von Chien-Shiung Wu haben die männ­lichen Theo­retiker die Ehre einge­heimst. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, daß dies auf Kosten einer Frau geschah. Insbe­sondere im Falle des Jung­spundes Watson, der viel­leicht wirk­lich Angst vor erfolg­reichen Frauen hatte. Aber ihm ist es auch zu verdanken, im Laufe seines langen, noch andau­ernden Lebens mit der Wahrheit heraus­gerückt zu sein. Heute sind die Nobel­preise vergessen. [3] Nach Rosalind Franklin aber sind viele Einrich­tungen benannt, darunter eine Univer­sität.

Als fünftes Rad an Wagen richtig vergessen ist Raymond Gosling, ein Dokto­rand von Rosalind Franklin, der als eigent­licher Urheber der sagen­umwo­benen Aufnahme Nr. 51 gilt. Frau hin oder her, auch damals schon ernteten die Professor­*innen den Ruhm der Doktorand­*innen. Schaut man sich zu den fünf Namen die Google-Treffer an, so gewinnt natürlich James Watson, weil er das Buch "Die Doppel­helix" schrieb und als streit­barer Mensch das Inter­netzeit­alter ereichte. In Gegen­zuge ist der deutsche Wiki­pedia-Eintrag zu Rosalind Franklin so lang wie die zu den vier Männern zusammen.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018.
[2] Weniger die Angst vor Diebstahl, mehr die Torschluß­panik und die Repu­tation vieler Veröffent­lichungen verleitet Wissen­schaftler dazu, jeden Gedanken, jedes Meßer­gebnis zu publi­zieren, zumindest an zahl­reiche Kollegen zu versenden, wobei die Rest­angst bleibt, andere könnten darauf aufbauen, schneller oder besser sein und den Ruhm einheimsen. Wie eine Weiter­gabe von Ergeb­nissen zu bewerten ist, hängt auch vom Ergebnis ab. So gilt Wilkins als Verräter, weil die Nutz­nießer ihre Quelle lange Zeit verschwiegen. Als Stephen Hawking starb, sah ich in einem Film, wie er Fred Hoyle scharf kriti­sieren konnte, weil Roger Penrose ihm vorab Einblick in dessen Vortrags­manu­skript gewährte. War das ebenfalls Verrat?
[3] Der Nobel­preis von Watson mag noch erinnert werden, weil seine Medaille als einzige zu Lebzeiten für mehrere Milli­onen verstei­gert wurde.

Chien-Shiung Wu

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