kreuzweise
Ich habe mich in den letzten Tagen zusammengerissen und keine Kreuzwitze gerissen. Auch bei ELI-Spot habe ich mich mit Spott und dem mitt­leren der sieben Worte Jesu am Kreuz zurück­gehalten. Nicht immer ist klar, worin in manchen Wort­bildungen die Kreu­zung besteht, manchmal ist es nur ein ein­facher Wechsel. Ich kenne jetzt den Unter­schied zwischen einer Kreuz- und einer Parallel­cousinen­heirat. Der Kreuz­kümmel [1] und die Kreuz­immunität kommen mir schon zu den Ohren raus. Und jetzt sehe ich eine zweite Gruppe von Menschen, die den Geimpften, Genesenen und Gete­steten gleich­zustellen ist, die Kreuz­geimpften. Man mag sich fragen, wo denn bei ihnen sich das Kreuz verbirgt. Es ist die Impfung mit zwei verschie­denen Präpa­raten. Hätten sie nicht besser trans-Geimpfte heißen sollen? Dann wäre ich demnächst ein erster Klasse cis-geimpfter alter weißer heterosexueller cis-Mann. [2]

Zunächst hatte ich vor, hier vorzurechnen, daß Umfang und Kenntnis der Kreuz­immunen für die Bewäl­tigung einer Epi­demie weit­gehend bedeu­tungs­los sind. Aber es reicht auch eine ein­fache Über­legung: Zumin­dest zu Beginn (und dazu gehört die gesamte erste Welle) ist es nicht nur schwer, die von Natur aus immunen Menschen auszu­machen, sie spielen auch gar keine Rolle. Wäre die Hälfte aller Deut­schen von Anbe­ginn immun oder nur wenig empfäng­lich für Corona, so änderte das nichts am Verlauf, am berühm­ten R-Faktor. Nur R0 wäre dann dop­pelt so hoch. [3]

Natürlich dürfen einzelne wissen wollen, ob sie (inzwischen) immun sind, sie zum Beipiel eine Infektion über­standen haben oder ihre Impfung erfolg­reich war. Und sie dürfen sich glück­lich schätzen, daß dies über­prüft werden kann. Nur müssen die so positiv Geteste­ten einsehen, daß sie dadurch keine Privi­legien erlangen, zumin­dest jetzt noch nicht. Auch können sie nicht fordern, daß flächen­deckend auf Immu­nität getestet wird, so groß ihre Gruppe auch (von Anfang an) sein mag. [4]

Zwischenzeitlich wütet Corona mehr als ein Jahr, viele haben eine Immu­nität erwor­ben, die Geimpften, die Genesenen und die mal geleug­neten, mal ins Feld geführ­ten uner­kannt Erkrank­ten. Die Grund­rechte werden schritt­weise wieder zurück­gegeben, und man darf durch­aus fordern, sie bei nach­gewie­sener Immu­nität gleich anderen auch zu erhalten. Nur eines sollte meines Erachtens klar sein: Ein solcher Test wird nicht von der All­gemein­heit bezahlt, solange er teuer ist und die Gesamt­lage nicht zu bessern vermag.

Wäre ein Immunitätstest billig und flächendeckend durch­führbar, hätte ich eine andere Meinung, weil man dann Impf­stoff sparen könnte, indem nur Men­schen geimpft wer­den, die nach­weis­lich nicht immun sind. Doch solange eine sinn­lose Ver­impfung an Immune weitaus billiger ist und für die berühm­ten ELI-​Testun­gen keine Kapa­zitäten bestehen, sollte die Entschei­dung klar sein: Wer geimpft ist, darf hof­fent­lich bald frei herum­laufen, wer nur nachweis­lich immun ist, zunächst nicht.

Auch wenn es nach meinen vorste­henden Ausfüh­rungen völlig egal ist, ob ein hoher Anteil bereits von Anfang an immun war, möchte ich doch noch zu einem saublöden Argument des Chro­nisten Stellung nehmen: Auf den Hinweis des Ziwo, in Groß­britan­nien gingen die Inzi­denzen seit dem 10. Ja­nuar wegen der Ver­impfun­gen zurück, schämte er sich nicht zu ant­worten: „Gamme­lige Propa­ganda - Leere Propa­ganda­behaup­tung. Schauen Sie ein­fach noch mal nach. Wenn die Impf­rate z.B. 20% ist und die Welle kommt nicht hoch, warum auch immer, dann haben die "Impfun­gen" daran einen maxi­malen Anteil von 20%. So ein­fach.“ [5] Punkt. Basta.

Mit anderen Worten: Es gibt eine geheime Kraft, die zu jedem Geimpf­ten (20%) die vierfache Menge (80%) auf unbe­kannte Weise schützt, zum Bei­spiel durch eine uner­kannte bereits vorhan­dene Immu­nität. Schön, nur hätte dieser Löwen­anteil an dunkler Energie auch letztes Jahr schon wirken müssen. Und meine vorste­henden Über­legungen machen deut­lich, daß der Einfluß natür­licher Immu­nität nicht dem Epi­demie­verlauf entnommen werden kann, auch wenn er sehr hoch wäre.

Was mich aber am meisten aufregt, ist die abgrund­tief schwach­sinnige Über­tragung von irgend­welchen Prozent­zahlen aus dem einen Bereich in einen anderen. Einiger­maßen richtig wäre: Der R-Wert müßte wegen 20-pro­zen­tiger Impfung um 20 Pro­zent gefallen sein. Das zieht aber nur eine Besse­rung nach sich, wenn er vorher unter 1,25 gelegen hat, also durch 20% Abschlag unter Eins fallen konnte. Eine weitere Voraus­setzung ist die zeit­liche Konstanz von R0.

Mein Vorschlag zur Güte: Der Chronist sucht sich 99 wei­tere Unge­impfte, die nach bestem Wissen noch nicht an Corona erkrankt waren und macht mit Ihnen den ELI-​Spot-​Test. Geht der bei mehr als 10 Per­sonen positiv aus, sage ich: Jawohl, es gibt eine natür­liche Immu­nität, denn auch bei hoher Dunkel­ziffer sollten keine 10 Prozent sich unbe­merkt infi­ziert haben. Bei mehr als 50 würde ich sagen: Es könnte ange­zeigt sein, auf Immu­nität zu testen, um den einen ihre Grund­rechte zurück­geben und allein den übri­gen die medi­zini­schen Anstren­gungen ange­deihen zu lassen.

Ich fürchte, die 100 Leute wird es nicht geben. Nicht wegen der hohen Kosten, sondern weil sie im Grunde ihres Herzens schon wissen, was dabei heraus­kommen wird, nämlich eine Wider­legung ihrer Behaup­tungen, eine Zerstö­rung ihrer Hoff­nungen und ein Davon­schwimmen ihres letzten Stroh­halmes. Außerdem glaube ich, daß solche Erhe­bungen bereits vorliegen. Ich suche nicht nach ihnen, weil sie für den Verlauf der Epi­demie belang­los sind. Die Flach­erdler werden welche kennen, und die werden negativ ausge­fallen sein, sonst würden sie kräf­tiger in ihre Hörner stoßen.

[1] Nachtrag: Es tut mir leid, wieder einmal nicht echten Kümmel, aber Kreuz­kümmel mit Schwarz­kümmel verwech­selt zu haben. Wert­volles Thymo­chinon ist nur im Schwarz­kümmel zu finden. Das ändert aber wenig an der Kreuz­immu­nität. Leider hat kein Leser mich auf diesen Fehler auf­merk­sam gemacht. Nun ist er korri­giert.
[2] Berthold Kohler: Der implantierte Impfneid. FAZ, 08.05.2021. Er weist nicht nur auf den Unter­schied zwischen Biontech-​Porsche und Opel-​Astra hin, sondern stellt sich auch meine Frage: Wie teilen Bill und Melinda den Zugriff auf die implan­tierten Chips auf?
[3] Ist p der Anteil Immuner und R₀ die vielge­prie­sene Anzahl von Men­schen, die ein Infi­zierter anstecken würde, wenn sie alle­samt nicht immun wären, dann kennen wir besten­falls das Produkt R=(1-p)R₀, weder p noch R₀. Es wäre von Erkennt­nisin­teresse, beide Größen besser einzu­grenzen, für die Bewäl­ti­gung der Epi­demie ist es aber weit­gehend egal. Nicht so extrem, doch im Prinzip ist es auch so mit der Gravi­tations­konstan­ten und der Sonnen­masse. Beide sind für Bio­logen, doch nicht Physiker hin­rei­chend genau bekannt. Besser steht es dage­gen um ihr Produkt.
[4] Ein Fachmann mag mir wider­sprechen, doch nahm ich schon immer an, daß viele Menschen selbst gegen so brutale Krank­heiten wie die Pest immun sind. Sollte das auch für Corona in erheb­lichem Maße zutref­fen, müßte es inzwi­schen aufge­fallen und sogar erwie­sen sein.
[5] Chro­nisten­pflicht: checkerchecken. Kommentar des Blog-Betrei­bers selbst zu seinem Beitrag „Szientismus“, 07.05.2021.

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