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Mathematik des Islam
wuerg, 25.03.2018 18:14
Wenn man die Flutung Deutschlands mit großenteils zivilisationsfernen Menschen nicht vollumfänglich für erforderlich hält, informiert man sich zwangsläufig auch dort, wo rechtes Gedankengut nicht gerade fern ist. Neben den Verschwörungstheorien trifft man auf die traditionelle Europafeindlichkeit. Es gibt keinen Klimawandel, Autoabgase schaden nicht, Trump ist gut für die Welt. Die Achse des Guten halte ich in diesem Spektrum für einigermaßen moderat. Daß auch sie die gegenwärtige aggressive und von sehr vielen Moslems gelebte Ausprägung des Islam als Hauptquelle des Übels erkannt hat, berechtigt aber nicht, alles gering zu schätzen, was mit dem Islam im Zusammenhang steht.
Dort widerspricht Paul Nellen [1] der gängigen Auffassung, der Islam hätte die antike Kultur über das Mittelalter gerettet. Zurecht rüttelt er an der schöngeistigen Vorstellung, der Islam habe aus sich heraus in seinem ersten Jahrtausend im Rahmen einer Hochkultur auch das Wissen der Antike bewahrt und fortentwickelt, denn in Wirklichkeit hat er nur große Teile der Welt erobert [2] und in diesem Rahmen wie jede andere Großmacht auch große kulturelle Leistungen hervorgebracht. Die Römer waren nicht friedlicher und auch keine großen Geister. Trotzdem oder deshalb blicken wir heute auf ihre Bauwerke, nicht auf die eines kleinen gallischen Dorfes.
Natürlich wäre ohne den Islam die Antike ebenfalls bewahrt worden, selbst von Katholiken des Mittelalters, die vieles nur unter Verschluß hielten. Auch mögen fromme Moslems ganze Bibliotheken niedergebrannt haben. Doch haben sie auch viel Gedankengut erobert und käuflich erworben. Anderes ist in ihrem großen Reich einfach nur gewandert, wie die arabischen Zahlen von Indien nach Europa und letztlich in die ganze Welt. Die eigenen Leistungen mögen aus heutiger Sicht nicht so berauschend sein, aber das waren sie im Rest der Welt noch viel weniger.
Wie es um die Dichtkunst, die Musik, die Malerei oder Kalligrafie bestellt war, entzieht sich noch mehr meiner Kenntnis als die Geschichte der Naturwissenschaften vom Ende der Antike bis zum Beginn der Neuzeit. [3] Wirkliche Fortschritte waren mühsam. Was durch Nachdenken und einfache Naturbeobachtung zu ergründen ist, war durch Euklid, Aristoteles und andere mehr oder minder korrekt ausgeschöpft. Eine geeignete Sprache der Wissenschaft gab es nicht. Alles wurde blumenreich beschrieben, allgemeines Geschwurbel überdeckte gute Gedanken. Glaube jedweder Art behinderte, weniger durch Verfolgung, mehr durch Vernebelung des Geistes. Er beförderte aber auch Erkenntnisse und Fähigkeiten, die seiner Herrschaft förderlich waren. Und mancher forschte auch zur Ehre Gottes.
Kurz: Es ist ungerecht, die unter islamischer Herrschaft erbrachten geistigen Leistungen klein zu reden, nur weil wir uns heute noch von der Unbarmherzigkeit des Islam bedroht fühlen dürfen, der die Moslems zwingt, die Ungläubigen mit der gleichen Gnadenlosigkeit zu unterwerfen und auszurotten wie sie selbst ihrem Gott ausgeliefert sind und sich ihm ergeben müssen. Ohne sie wäre es anders, doch nicht unbedingt besser gekommen. Die frühen Moslems müßten wissenschaftlich noch nicht einmal dann hinter ihren Zeitgenossen verstecken, wenn sie nur erobert, gekauft, gesammelt, übersetzt und verbreitet hätten. Ihr Pech besteht darin, daß in der Renaissance lateinische Übersetzungen leichter zu lesen waren als arabische.
In seinem Buch zur Geschichte der Mathematik [4] überschreibt Hans Wußing 41 Seiten mit "Mathematik in den Ländern des Islam". Dort nennt er viele Mathematiker, die auch wegen der merkwürdigen Namen kaum einer kennt. Besonders herausgestellt wird Al-Hwarizmi, nach dessen al-gabr die moderne Algebra benannt ist. Es folgen immerhin noch 36 Seiten zur "Mathematik im Europäischen Mittelalter" mit Namen, die heute auch keiner mehr kennt. Und auf Seite 276 kommt er zu dem Schluß: "Bei aller Anerkennung für die eigenständigen Leistungen in der Mathematik des Frühmittelalters bleibt doch die historische Tatsache, dass der eigentliche Aufschwung der euopäischen Mathematik kausal an die Bekanntschaft mit der islamischen Mathematik gebunden war, ..."
Eine Aufgabe für Schüler: Berechne mit Papier und Bleistift den Sinus von einem Grad in Taschenrechner-Genauigkeit. Da das 120-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, und Al-Kashi Quadratwurzeln ziehen konnte, kannte er den Sinus von 3 Grad sehr genau. Für eine Sinus-Tafel von Grad zu Grad hat er den 3-Grad-Winkel gedrittelt und den Sinus von einem Grad auf Basis einer Gleichung dritten Grades aus dem Wert für 3 Grad iterativ, also mit einem Al-gorithmus auf 18 Stellen berechnet. Seine 14 Stellen für π hielten fast 200 Jahre den Rekord. Wer hätte heute dafür die Kenntnisse und den Fleiß?
[1] Paul Nellen: Hat der Islam und die antike Kultur und Wissenschaft gebracht? Achgut, 22.03.2018.
[2] Bill Warner: Stimmt das mit den unzähligen Kreuzzügen gegen den Islam? Youtube, "genug ist genug", 07.05.2017. Original vom Center for the Study of Political Islam?
[3] Die Wikipedia sieht das Mittelalter vom 6. bis zum 15. Jahrhundert. Für mich endet die Antike mit der Schließung der Platonischen Akademie im Jahre 529. Die Neuzeit beginnt mit dem modernen Buchdruck im Jahre 1450.
[4] Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Band 1: Von den Anfängen bis Leibniz und Newton. Springer, Berlin Heidelberg 2008.
Pi | Alhazen
Dort widerspricht Paul Nellen [1] der gängigen Auffassung, der Islam hätte die antike Kultur über das Mittelalter gerettet. Zurecht rüttelt er an der schöngeistigen Vorstellung, der Islam habe aus sich heraus in seinem ersten Jahrtausend im Rahmen einer Hochkultur auch das Wissen der Antike bewahrt und fortentwickelt, denn in Wirklichkeit hat er nur große Teile der Welt erobert [2] und in diesem Rahmen wie jede andere Großmacht auch große kulturelle Leistungen hervorgebracht. Die Römer waren nicht friedlicher und auch keine großen Geister. Trotzdem oder deshalb blicken wir heute auf ihre Bauwerke, nicht auf die eines kleinen gallischen Dorfes.
Natürlich wäre ohne den Islam die Antike ebenfalls bewahrt worden, selbst von Katholiken des Mittelalters, die vieles nur unter Verschluß hielten. Auch mögen fromme Moslems ganze Bibliotheken niedergebrannt haben. Doch haben sie auch viel Gedankengut erobert und käuflich erworben. Anderes ist in ihrem großen Reich einfach nur gewandert, wie die arabischen Zahlen von Indien nach Europa und letztlich in die ganze Welt. Die eigenen Leistungen mögen aus heutiger Sicht nicht so berauschend sein, aber das waren sie im Rest der Welt noch viel weniger.
Wie es um die Dichtkunst, die Musik, die Malerei oder Kalligrafie bestellt war, entzieht sich noch mehr meiner Kenntnis als die Geschichte der Naturwissenschaften vom Ende der Antike bis zum Beginn der Neuzeit. [3] Wirkliche Fortschritte waren mühsam. Was durch Nachdenken und einfache Naturbeobachtung zu ergründen ist, war durch Euklid, Aristoteles und andere mehr oder minder korrekt ausgeschöpft. Eine geeignete Sprache der Wissenschaft gab es nicht. Alles wurde blumenreich beschrieben, allgemeines Geschwurbel überdeckte gute Gedanken. Glaube jedweder Art behinderte, weniger durch Verfolgung, mehr durch Vernebelung des Geistes. Er beförderte aber auch Erkenntnisse und Fähigkeiten, die seiner Herrschaft förderlich waren. Und mancher forschte auch zur Ehre Gottes.
Kurz: Es ist ungerecht, die unter islamischer Herrschaft erbrachten geistigen Leistungen klein zu reden, nur weil wir uns heute noch von der Unbarmherzigkeit des Islam bedroht fühlen dürfen, der die Moslems zwingt, die Ungläubigen mit der gleichen Gnadenlosigkeit zu unterwerfen und auszurotten wie sie selbst ihrem Gott ausgeliefert sind und sich ihm ergeben müssen. Ohne sie wäre es anders, doch nicht unbedingt besser gekommen. Die frühen Moslems müßten wissenschaftlich noch nicht einmal dann hinter ihren Zeitgenossen verstecken, wenn sie nur erobert, gekauft, gesammelt, übersetzt und verbreitet hätten. Ihr Pech besteht darin, daß in der Renaissance lateinische Übersetzungen leichter zu lesen waren als arabische.
In seinem Buch zur Geschichte der Mathematik [4] überschreibt Hans Wußing 41 Seiten mit "Mathematik in den Ländern des Islam". Dort nennt er viele Mathematiker, die auch wegen der merkwürdigen Namen kaum einer kennt. Besonders herausgestellt wird Al-Hwarizmi, nach dessen al-gabr die moderne Algebra benannt ist. Es folgen immerhin noch 36 Seiten zur "Mathematik im Europäischen Mittelalter" mit Namen, die heute auch keiner mehr kennt. Und auf Seite 276 kommt er zu dem Schluß: "Bei aller Anerkennung für die eigenständigen Leistungen in der Mathematik des Frühmittelalters bleibt doch die historische Tatsache, dass der eigentliche Aufschwung der euopäischen Mathematik kausal an die Bekanntschaft mit der islamischen Mathematik gebunden war, ..."
Eine Aufgabe für Schüler: Berechne mit Papier und Bleistift den Sinus von einem Grad in Taschenrechner-Genauigkeit. Da das 120-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, und Al-Kashi Quadratwurzeln ziehen konnte, kannte er den Sinus von 3 Grad sehr genau. Für eine Sinus-Tafel von Grad zu Grad hat er den 3-Grad-Winkel gedrittelt und den Sinus von einem Grad auf Basis einer Gleichung dritten Grades aus dem Wert für 3 Grad iterativ, also mit einem Al-gorithmus auf 18 Stellen berechnet. Seine 14 Stellen für π hielten fast 200 Jahre den Rekord. Wer hätte heute dafür die Kenntnisse und den Fleiß?
[1] Paul Nellen: Hat der Islam und die antike Kultur und Wissenschaft gebracht? Achgut, 22.03.2018.
[2] Bill Warner: Stimmt das mit den unzähligen Kreuzzügen gegen den Islam? Youtube, "genug ist genug", 07.05.2017. Original vom Center for the Study of Political Islam?
[3] Die Wikipedia sieht das Mittelalter vom 6. bis zum 15. Jahrhundert. Für mich endet die Antike mit der Schließung der Platonischen Akademie im Jahre 529. Die Neuzeit beginnt mit dem modernen Buchdruck im Jahre 1450.
[4] Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Band 1: Von den Anfängen bis Leibniz und Newton. Springer, Berlin Heidelberg 2008.
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