Neun-Live II
Beim Roulette liegt die Gewinn­erwartung nur knapp unter dem Strich, während beim Lotto und wohl auch bei Neun-Live die Hälfte des Einsatzes weg ist. Dafür ist es beim Lotto und vor allem bei Neun-Live möglich, diese Quote durch das eigene Spiel­verhalten zu verbessern. Beim Roulette gelingt das mit legalen Mittel kaum. Dazu müßte man schon sehr lange in den Kessel gucken. Beim Lotto kann man die von anderen häufig getippten Zahlen meiden und nur dann mitspielen, wenn der Jackpot hoch ist. Doch sehr viel bringt das nicht. Auf keinen Fall kommt man so in die Gewinnzone.

Wenn man nichts besseres zu tun hat und 10 Stunden täglich fern­zusehen bereit ist, dann könnte es bei Neun-Live anders sein. Wer ein Gespür dafür entwickelt, wann der Hot-Button zuschlägt und über gute Schätzungen der momen­tanen Anruferzahl verfügt, der könnte durchaus um den Faktor drei oder mehr über der normalen Treffer­erwatung liegen und in die Gewinnzone kommen. Und dies halte ich nicht etwa deshalb für möglich, weil immer wieder Leute mehrfach gewonnen haben, die nur 20 Prozent davon an Telefon­kosten investiert haben.

Ein einfaches und gerade deshalb schwer zu überlistendes Spiel läuft gerade. Es ist "Eine Wanne voller Geld". Solange das Band läuft, fließt einiger­maßen stetig Geld in die Wanne, wodurch sich der mögliche Gewinn ständig erhöht. Es ist also weitgehend kosten­neutral, ob Neun-Live alle fünf Minuten dieses Geld raushaut oder den Zuschauer über eine Stunde hinhält. Vielmehr muß entschieden werden, welche Auszahlungs­zeitpunkte wohl die meisten Anrufe bringen werden.

Die einfache Erfahrung lehrt, daß zunächst ein paarmal sehr schnell ein Anrufer durchgeschaltet wird, der dann normalerweise auch gewinnt. Danach dauert es länger, oft über eine Stunde und bis an das Ende der Sendung, obwohl das Spiel kaum schwieriger wird. Und manchmal gibt es im letzten Durchgang auch gar nichts. Soll ich also zu Beginn, da alle 5 Minuten einer durchkommt, gegen 10 andere pro Sekunde anrufen und möglicher­weise 300 Euro gewinnen, oder die gleiche Anzahl lieber am Ende gegen 2 pro Sekunde tätigen, wo eine Stunde gewartet werden muß, um auf 2000 Euro zu kommen?

Diese Zahlen habe ich einfach nach Gefühl hinge­schrieben. Und ich erspare mir die Rechnung für die Gewinn­wahrschein­lichkeit von 1:3000 im ersten und 1:7200 im letzten Falle. Von 49 Cent Einsatz pro Anruf kommen im ersten Falle nur 10 Cent zurück, im zweiten Falle mehr, doch mit 28 Cent immer noch nicht genug. Trotzdem könnte es sich lohnen, zum richtigen Zeitpunkt anzurufen, schließlich spielt man gegen eine Unmenge von Deppen. Das kann sicherlich ausgenutzt werden, auch wenn man im Gegensatz zum Sender nicht dessen Hot-Button-Strategie und schon gar nicht die laufenden Anrufer­zahlen kennt.

Einmal angenommen, ich kann mit jeden Anruf zur guten Zeit einen erwarteten Gewinn von 25 Cent machen. Auf welchen Stunden­lohn komme ich dann? Bei zehn Sekunden pro Anruf, zehn Minuten guter Zeit bei einer Gesamt­sendezeit von 2 Stunden, von denen ich die Hälfte fernsehen muß, komme ich auf 15 Euro pro Stunde. Auch wenn davon nichts zu versteuern ist, lohnt sich das noch nicht so richtig. Vielleicht einmal, wenn ich Rentner bin.

Eben hätte sich meine Strategie auszahlen können, denn um 16 Uhr ging die Sendung zuende und es waren noch 1.250 Euro zu gewinnen, die nach anderthalb Stunden Wartezeit tatsächlich in der letzten Minute über den Tisch gingen. Natürlich bestand die Gefahr, daß keiner gewinnt, doch darf Neun-Live seine Stamm­kunden nicht ent­täuschen und ist natürlich auch verpflichtet, einen Mindest­anteil als Gewinn auszuzahlen. Den Gewinn gab es für den Vornamen Carmen mit einem R an dritter Stelle, nachdem schon
CHRISTOPH
MARKUS
MARIA
CORA
JÜRGEN
KERSTIN
genannt waren, wobei für Kerstin 1400 Euro in wesentlich kürzerer Zeit gezahlt wurden. Natürlich wird jeder sagen, es gäbe solche Namen wie Sand am Meer, zum Beispiel Gerd, Kurt und alle mit CHR beginnenden, wie dem bereist genannten Christoph. Doch darum geht es wie bei fast allen Gewinn­fragen im Fernsehen nicht.

Beeindruckend finde ich dabei immer wieder, mit welcher Selbst­verständ­lichkeit die Moderatoren daherreden. So behauptet der gestandene Profi Jürgen, ihm fiele spontan auch kein Vorname mehr ein. Dann setzt er zu einem Countdown an und wundert sich keineswegs über ausbleibende Anrufe. Um Viertel vor drei erweckt er den Eindruck, nunmehr müsse das Ende kommen, obgleich sich bis kurz vor 16 Uhr nichts mehr bewegen wird. Mehrfach hebt er zu einer Erklärung an, weshalb der bereits von einer Knalltüte genannte Name Laura nicht geht und es allein in der Macht der Anrufer liege, das Band mit den Geld­scheinen zu stoppen, denn es habe weder ein Kabel, das man rausziehen, noch einen Schalter, mit dem man es anhalten könne.

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