Mooresches Gesetz
Als ich von den Petabytes [1] las, die Tag für Tag über Amsterdam in die Welt geblasen und aus ihr gesogen werden, konnte ich mir [2] einen Schlenker zu den Bezeichnungen noch größerer Datenmengen nicht verkneifen. Und wer für eine Ü35-Party zu alt ist, wird sich noch an Kilos erinnern, die schnell zu Megas und Gigas wurden. Es sieht so aus, als würde alle zehn Jahre eine neue Vorsilbe zum Zeichen der Vertausendfachung verbraten. Es ist noch nicht lange her, da die Frage gestellt wurde, was das Hauptproblem sei, einen Ronald-Reagan-Simulator in zwei Kilobyte zu programmieren. Antwort: Was mache ich mit dem einen Kilobyte, das übrig bleibt?

Und dennoch: Ganz so schnell geht es nicht. Für den Faktor 1000 sind eher zwanzig, denn zehn Jahre erforderlich. Das ist eine Verdoppelung in zwei Jahren. In aufbauschenden Berichten ist immer wieder von 18 Monaten zu lesen. Gerne sucht man auch Teilbereiche, in denen es zeitweise nur ein Jahr ist, wie beim Datendurchsatz des Internet-Knotens AMS-IX. In diesem Zusammenhang wird auch gerne vom Mooreschen Gesetz gesprochen, das sich ursprünglich wohl auf die Zahl der Transistoren bezog, die auf einem Chip Platz finden. Die ersten Schritte gingen sehr schnell, doch schon nach kurzer Zeit waren es eben doch zwei Jahre für eine Verdoppelung.

Wer sich in der Wikipedia das Bild mit den gängigen CPU ansieht, die mit dem Logarithmus der Transistorzahl gegen das Erscheinungsjahr aufgetragen sind, sieht sie ziemlich genau auf einer Geraden liegen. In sehr guter Näherung gilt
n = 1000a/20 ≈ 2a/2
worin n die Zahl der Transistoren und a mein Alter ist. Tatsächlich: Als ich geboren wurde (a=0, n=1), konnte man die ersten Transitoren kaufen, die wenige Jahre später zu Transistorradios führten, mit denen man endlich in der Öffentlichkeit nerven konnte wie später mit den Funktelefonen und MP3-Playern. Wer etwas auf sich hielt, der hatte nicht zwei Megapixel, sondern drei Transistoren mehr als der andere. Das war so bedeutend wie die Zahl der Steine in der Armbanduhr.

Zwanzig Jahre später (a=20, n=1.000) gab es bereits erste elektronische Tischrechner. Mein Vergnügen mit dem sagenhaften LOCI-2 für etwa 5000 Mark aus 1275 einzelnen Transistoren war gerade vorüber. Und nach abermals zwanzig Jahren (a=40, n=1.000.000) brach auf den Schreibtischen der Computerfreaks das 32-Bit-Zeitalter an. Endgültig vorüber war damit meine 8080- und Z80-Zeit, in der man nur mit viel Aufwand über ein Speichervolumen von 64 Kilobyte kam. Bald sind erneut zwanzig Jahre um (a=60, n=1.000.000.000), und tatsächlich liegt die Zahl der Transistoren des Itanium-2 nur noch um den Faktor 4 unter einer Billion (Giga). Hauptspeicher wird schon lange Zeit in Gigabyte gemessen und die Festplatten haben bereits die Terabit-Marke (128 GB) überschritten.

Das Mooresche Gesetz mit Verdoppelung in zwei Jahren ist über mein ganzes Leben hinweg erfülllt worden, jedenfalls für die Zahl der Transistoren, die eine einzelne CPU eines Rechners hat, der noch auf einen Schreibtisch paßt, seien sie mit der Hand gelötet oder in integrierten Schaltungen versteckt. Zwar widerstrebt es mir, exponentielle Entwicklungen in die Zukunft fortzuschreiben, im Computerbereich werden sie aber noch eine Weile anhalten. Zu oft ist eine vermeintliche Technologiegrenze überschritten worden. Wer hatte vor zwanzig Jahren geglaubt, daß man über Telefonleitungen, die damals schon zwanzig Jahre alt waren, DSL-Verbindungen mit mehr als einem Kilobaud herstellen kann.

[1] Joachim Wille, "1 125 899 906 842 624 Bytes mal zwei", Frankfurter Rundschau vom 9. Februar 2007, Seite 1
[2] 1125899906842624

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