Zinseszinsen
Welcher Monat ist der längste? Es ist der Oktober, er hat 31 Tage und dazu noch eine Stunde von der Zeitum­stellung. Solche Aufgaben fördern das Denken und verdeut­lichen die Lebens­weisheit, daß es neben einer korrek­ten Antwort, oftmals um Präzi­sierung der Frage­stellung geht. Auch als Haus­auf­gaben für Schüler sind sie gerecht­fertigt, solange der Lehrer selbst sie jeder­zeit durch­schaut. Das scheint mir nicht immer der Fall zu sein. Parade­beispiel sind Zinses­zins­aufgaben:

Du hast 511,29 Euro, die mit 3,6 Pro­zent verzinst werden. Wieviel befindet sich nach 18 Monaten auf deinem Konto? Jede Antwort zwischen 520,48 und 539,66 Euro sollte die volle Punkt­zahl erhalten, wenn sie ordent­lich begründet ist.

Leider hatte ich meiner Tochter zu genau erklärt, was in solchen Zinseszins­aufgaben fast immer gemeint ist, nämlich Konto­eröffnung am Jahres­beginn und Verzin­sung am Jahres­ende. So hat sie in einer Klassen­arbeit für eine 18‑monatige Laufzeit korrekt keine Zinses­zinsen berechnet und kam auf 511,29⋅1,036=529,70. Nur weil dadurch die Note noch ausrei­chend blieb und der Lehrer die halbe Punktzahl wegen guter Begrün­dung vergab, habe ich von Diskus­sionen mit ihm abge­sehen. Die hat mit Lehrern eh keinen Sinn, vor allem nicht für die mit Mathe­matik und Sport. Außerden wissen wir: Lehrer haben am Vor­mittag recht und am Nach­mittag frei.

Der mir auch in anderen Zusammen­hängen nicht gerade als gei­stiger Über­flieger aufge­fallene Mathe­matik­lehrer hatte in seiner Schlicht­heit entgegen der Aufgaben­stellung einfach ange­nommen, das Konto würde nach 18 Monaten gekün­digt, womit eine erneute Verzin­sung anfiele und man 511⋅1,036⋅1,018=539,23 ausge­zahlt bekäme. Die korrekte Inter­preta­tion meiner Tochter war für ihn nur eine „gute Begrün­dung“, die ihn zu keinerlei Einsicht ver­führte und als falsch einge­stuft wurde.

Es wurde also nicht belohnt, daß meine Tochter die Aufgaben­stellung genau inter­pre­tierte und auch wie gewünscht hätte rechnen können. Viel­mehr war ein allge­meiner Stiefel abzu­spulen, der leider dazu führt, daß viele Schüler einfach nur Formeln memo­rieren und hoffen, die richtge erwischt, korrekt einge­setzt und auch gerech­net zu haben. Aber wir lernen ja alle nicht für die Schule, sondern für das Leben. Und das sagt uns: Richtig ist, was Erfolg hat.

Und nun ist der interes­sierte Leser gespannt auf eine Erklä­rung, warum ich je nach Klein­gedruck­tem alles zwischen 520,48 und 539,66 für möglich halte. Eröffnet man das Konto am 30. Juni, so fallen am Jahres­ende für 180 der 360 Zins­tage 511⋅0,036⋅180/360=9,19 an, wenn nur ganze Euro verzinst und auf ganze Cent abge­rundet wird. Das führt zu 511,29+9,19=520,48, bei denen es auch bis zum 30. Dezem­ber des Folgej­ahres bleibt. Bei viertel­jähr­licher Verzin­sung auch der Milli­cent mit 0,9% sind es bereits 511,29⋅(1.009)⁴=539,53, bei monat­licher 511,29⋅(1,003)¹²=539,62 und bei konti­nuier­licher Verzin­sung 511,29⋅exp(0,036⋅18/12)=539,66.

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