ANS
Zur Darstellung der natürlichen Zahlen verwenden wir üblicher­weise die auch Ziffern genannten Zeichen 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9. Einer Ziffern­folge, zumeist als Zeichen­kette aus diesen Ziffern geschrie­ben, kann leicht in der uns bekannten Weise eine Zahl zuge­ordnet werden. Umgekehrt kann jede natür­liche Zahl auch als eine solche Ziffern­folge geschrie­ben werden. Diese dezi­male Darstel­lung der natür­lichen Zahlen ist ein­deutig, wenn man keine führen­den Nullen erlaubt. [1]

Bekanntlich wurde die 0 erst spät benutzt, manche sagen erfunden. Sie war entbehr­lich, solange man mit Rechen­brettern arbeitete, wie die Römer für jede Stelle andere Zahl­zeichen hatte oder sich wie die Baby­lonier die leeren Posi­tionen nur dachte bzw. andeu­tete. Auch ein Posi­tions­system wie unseres, das den Wert einer Ziffer von ihrer Position abhängig macht, benö­tigt nicht unbedingt eine Null.

Warum verzichtet der Finger zählende Mensch auf ein eigenes Zahl­zeichen für zehn? Mit einem solchen Zeichen, das ich hier wie die Römer als X schreibe, hätte man sich die Null ersparen können. Sonst bliebe alles, wie wir es kennen. Eine um eins höhere Position erhöht den Wert um den Faktor zehn. Dieses alter­native Zahlsystem (ANS, alter­nate number system) ist also wie das gebräuch­liche (ENS, exi­sting number system) ein Dezimal­system:
ENS: 1 ... 9 10 11 ... 20 21 ... 99 100 101 ... 109 110 111 ...
ANS: 1 ... 9  X 11 ... 1X 21 ... 99  9X  X1 ...  X9  XX 111 ...
Robert R. Forslund [2] hält das ANS unserem ENS für überlegen, denn dank der fehlenden 0 ist jeder Ziffern­kette eindeutig eine Zahl zuge­ordnet und umge­kehrt. Im ANS gibt es 10 (besser X) ein­stel­lige, 100 (besser 9X) zwei­stel­lige und 1000 (besser 99X) drei­stel­lige Zahlen. In unserem ENS sind es nur 9, 90 und 900.

Gewiß muß man sich daran gewöhnen, im ANS zu rechnen. Es allein deshalb dem ENS als unter­legen zu sehen, ist natür­lich unfair. Man sollte sich schon fragen, ob jahre­langes Trai­ning in der Schule nicht die gleiche Geläu­fig­keit nach sich zöge. Ich glaube nicht. Betrach­ten wir dazu nur ein­fache Addi­tions­aufgaben, die viele Men­schen nur durch­zuführen imstande sind, wenn sie die Über­träge notieren. Ein Beispiel:
ENS   ANS
2005  19X5
1907  18X7
..1.  .21.
----  ----
3912  3912
Schon bei der Addition zweier Zahlen treten im ANS Überträge von 2 auf. Das haut einen geübten Rechner nicht vom Hocker, zumal er mit 10 gut rechnen kann und Zahlen ohne X der üblichen Darstellung entsprechen. Doch eine kleine Erschwer­nis ist durchaus schon bei leichten Adddi­tionen zu erkennen und damit ein Anzei­chen dafür, daß die 0 gegenüber der X wohl die bessere Wahl ist, die Evolution sich hier nicht geirrt hat.

Oftmals überlegen ist das ANS bei Zahlen­spiele­reien mit Ziffern­vertau­schungen. So entsteht nicht die Frage, ob 3 oder 03 die Umkeh­rung von 30 ist. Die Suche nach EPORN, also nach Zahlen, die auf zwei­fache Weise durch das Produkt zweier ziffern­vertausch­ter Zahlen sind, führt nicht auf eine Reihe von entar­teten Fällen wie dem der klein­sten ENS-EPORN
2520 = 210 · 012 = 021 · 120
Im ANS muß man schon etwas über diese Zahl hinaus­gehen. Die kleinste aller ANS-EPORN ist
634X4 = 441 · 144 = 252 · 252 = 63504
Da in den Faktoren keine X vorkommt, ist die Zahl zugleich normale ENS-EPOPN, nämlich die kleinste unter den nicht entar­teten. Es gibt auch allei­nige ANS-EPORN. Die kleinste ist:
1623X9 = 961 · 169 = 3X3 · 3X3, also ANS-EPORN
162409 = 961 · 169 = 403 · 403 scheitert im ENS
Der skeptische Leser wird sich fragen, ob 162409 nicht auf eine andere Weise spie­gelbild­lich fakto­risiert werden könnte und so dennoch ENS-EPORN sein könnte. Doch weitere zwei Faktoren lassen sich aus 162409=13·13·31·31 offen­sicht­lich nicht zusam­men­basteln.

[1] Wikipedia. Bijec­tive Nume­ration. Das gilt als mathema­tische Folk­lore und wurde deshalb häufig ‚wieder­entdeckt‘. Im Artikel ist Forslund [2] erwähnt, aber auch ein Band von Donald E. Knuth [3], den ich mein eigen nenne.

[2] Robert R. Forslund: A Logical Alter­native to the Existing Posi­tional Number System. South­west Journal of Pure and Applied Mathe­matics 1:27, 1995. Nicht als gedruckte Zeit­schrift und im Netz wohl auch nur mit Hand­ständen. Hier als PS-Datei, woanders auch DVI. Mein alter Verweis, der dem unter A007932 (ANS-Ternär­zahlen ohne 0, aber mit 3) ent­sprach, scheint zwischen­zeitlich tot. So wird sich das ANS nie durch­setzen.

[3] Donald E. Knuth: The Art of Computer Program­ming - Volume 2 / Semi­nume­rical Algo­rithms. Addison-​Wesley, 2. Auf­lage, 1981. Die Wiki­pedia [1] verweist recht verquer auf auf eine Bemer­kung in der der Ant­wort zur Übung 4.1-24 auf Seite 195 der 1. Auflage: „If we drop the restric­tion 0∈D, there are many other cases, some of which are quite inte­resting, espe­cially {1,2,3,4,​5,6,7,​8,9,10}, …“

13 | 31 | EPORN

... link (6 Kommentare)   ... comment