Geburtstag
Die uns heutzutage unter dem Buch­staben π so geläufige Kreis­zahl wurde heute vor 414 Jahren am 14. März des Jah­res 1592 (amerikanisch 3/14/1592) von Ludolph van Ceulen kurz oberhalb der 3 entdeckt, zwischen 10/71 und 10/70 größer, weshalb π=3,141592… bis auf den heu­tigen Tag auch Ludolph­sche Zahl genannt wird. Weniger bekannt sind seine Bemü­hungen um die Bekämp­fung von Geflügel­krank­heiten. Erst mit der gegen­wärtig gras­sie­renden Vogel­grippe erregte die auf ihn zurück­gehende Ceulung wieder die Aufmerk­sam­keit einer breiten Öffent­lich­keit.

Der Leser möge es mir verzeihen, doch mit Rück­sicht auf eine resi­stente Minder­heit muß ich es sagen: Das war ein Spaß! Kein Spaß ist das Ver­gnügen der Amerikaner, in allem ein Datum zu sehen, was den Geburts­tag Albert Einsteins (3/14) zum Pi-Tag macht. Es fügt sich auch gut, daß die fol­genden vier Stellen das Jahr 1592 ergeben. Das ist ziemlich genau die Zeit, um die Adrianus Romanus die Zahl π auf 15 Stel­len berech­nete, nachdem fast zwei Jahr­tau­sende im Abend­land keine Fort­schritte ver­sucht wurden. Kurze Zeit später soll Ludolph van Ceulen viele Jahre seines Lebens darauf verwendet haben, die Zahl π auf 35 Stellen zu nähern.

Ausgehend vom Sechseck hat Archimedes durch fort­währende Zwei­teilung der Kanten den Umfang eines 96‑Eckes im Verhältnis zur seinem Inkreis- und seinem Umkreis­durchmesser bestimmt. So kam er darauf, daß der wahre Wert von π irgendwo zwischen 223/71 und 22/7 liegen müsse:
223/71 ≈ 3,14084507
     π ≈ 3,14159265
  22/7 ≈ 3,14285714
Bis auf den heutigen Tag ist 22/7 den meisten Menschen eine genü­gende Nähe­rung, denn gemessen an der Klein­heit der Zahlen 22 und 7 ist sie sehr gut und stimmt mit π=3,14… in den ersten drei Stellen überein. Nur 355/113≈3,14159292 kann damit konkur­rieren. Obwohl 355 un 113 nur um den Faktor 16 größer sind als 22 und 7, stimmen weitere vier Stellen.

Seit Archimedes bis zum 14. März des Jahres 1592, da π das Licht der Welt erblickte [1], wurden nur leichte Fort­schritte erzielt, von den Chinesen 7 Stellen durch Tsu Chung Chi um 480 und den Persern 14 Stellen durch Al Kashi im Jahre 1429. Meine abend­ländi­schen Vor­fahren kamen kaum von der Stelle. Sie fürch­teten das aus Indien stam­mende positio­nelle Dezimal­system mit der Null und waren deshalb schlechte Rechner. Man hielt es wohl wegen der arabi­schen Ziffern für eine Erfin­dung der Moslems, vor derem bösen Einfluß es sich zu schützen galt. Bis heute hält diese Mischung aus Furcht und Über­schät­zung an. Statt der Zahlen sind es andere Papier­tiger, vor denen wir uns fürchten, obwohl die Araber gar keine Atom­bomben [2] haben. Wieder sind es in Wirk­lich­keit die Inder.

Mit der Wiedergeburt des freien Denkens im Abend­land kurz vor dem Geburs­tag von π ging es bergauf. Bereits nach 200 Jahren war bei 500 Stellen die Leistungs­grenze des Menschen erreicht. Erst mit Rechen­maschinen war der Damm zu brechen. Inzwi­schen sind mehr als eine Billion Stellen aufge­listet, jede der ersten Billi­arden Stellen kann in ein paar Stunden berechnet werden.

Und wieder stellt sich die Frage nach dem Sinn eines solchen Unter­fangens. Nach­dem unsere Vor­fahren mehr als ein Jahr­tausend 22/7 für genau genug hielten, sollten uns da nicht die 30 Stellen des Bill-​Gates-​Rechners ausreichen? Es ist wie mit der Formel‑1, die einen sehen in ihr den innova­tiven Motor des Fahr­zeug­baus, die anderen meinen, man wäre mit dem glei­chen Aufwand auf konven­tio­nelle Art wesent­lich weiter gekommen. In jedem Falle gibt es auch abseits dieser Rekorde nicht nur über Autos, sondern auch über die Zahl π viel zu sagen. Das ist in zahl­reichen Büchern und auf noch mehr Seiten im Internet geschehen.

[1] Wikipedia. Pi-Tag. Es wird eine abstruse Uhrzeit von 1:59:26pm für die Geburt genannt. Das aber ist ameri­kanische Arglo­sig­keit. Welche Zeit­zone? Warum nicht ante meri­diem? Auch 15:9:26 macht es nicht besser. Dagegen sehe ich wegen π≈3,14159265359 den Geburts­termin bei 3/14/1592 um 6:53:59 UTC, in Deutschland also kurz vor 8 Uhr.

[2] Mao Tsetung: Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung. Deutsche Erst­ausgabe, 1967. „Die Atom­bombe ist ein Papier­tiger.“

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