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Projektion
wuerg, 22.09.2005 01:42
Hätte Gerhard Schröder die Medien nicht gescholten, woraufhin die Journalisten den Demoskopen die Schuld zuschieben wollten, wäre deren abermaliges Versagen schnell in Vergessenheit geraten. Doch diesmal hat es sogar eine Pressekonferenz gegeben, auf der die Beschuldigten ihre Zahlen vornehmlich dadurch zu verteidigen suchten, daß sie deren Bedeutung herunterspielten. Es habe niemals Prognosen gegeben, sondern nur Stimmungsbilder, allenfalls Projektionen.
Stimmungsbild meint, daß Leute befragt (zufrieden, unzufrieden, weiß nicht) und deren Ergebnisse bestenfalls vollständig und unkorrigiert wiedergegeben werden. Und nichts anderes wollen die Wahlforscher auf einmal getan haben. Sie schämen sich noch nicht einmal, sich damit selbst zu reinen Umfragern zu degradieren, die lediglich Mittelwerte aus Fragebögen wiedergeben. Solche Ergebnisse überprüfen zu wollen ist gleichermaßen unmöglich wie sinnleer. Daß Stimmungsbilder im Rahmen normaler zufälliger Schwankungen die Stimmung wiedergeben, glaube ich gerne.
Wenn es gelegentlich doch mehr als ein Stimmungsbild gewesen ist, wie zum Beispiel bei der berühmten Sonntagsfrage, „in der längerfristige Bindungen berücksichtigt sind“, dann wird das auch nicht mehr so gerne als Prognose, sondern allenfalls als Projektion gesehen. Eigentlich gelte die am Dienstag vor der Wahl gestellte Sonntagsfrage nur für diesen Dienstag und nicht für den in fünf Tagen folgenden Wahlsonntag. Man dürfe darin also keine Prognose sehen, sondern nur eine Projektion eines Stimmungsbildes auf eine mögliche Wahl, die aber am Erhebungstag nicht stattfindet, wodurch sich alles einer Überprüfung entzieht.
Diese Selbstreduktion der Demoskopen zu reinen Datenerhebern führt aber nicht zur Bescheidenheit. Vielmehr wird behauptet, die maximale Abweichung einer Vorhersage habe bis zu dieser letzten Wahl 1,9 Prozent betragen. Der Wähler habe erstmals sein Verhalten so schnell geändert, daß eine Prognose unmöglich folgen konnte. Das kann aber nicht völlig neu sein. Viele Wahlen haben schon Fehler weit über 5 Prozent erbracht, daß die genannten 1,9 Prozent sich allenfalls auf die Bundestagswahlen beziehen können. Für die war es in der Vergangenheit aber einfach, da es von Wahl zu Wahl kaum Bewegungen gab. Alle großen Veränderungen in der Bundesregierung beruhen mehr auf geänderten Bündnissen als veränderten Zahlen.
Vielleicht bezogen sich die 1,9 Prozent maximalen Fehlers auch nur auf das, was wohl immer noch Prognose genannt wird, nämlich auf die mit Schließung der Wahllokale veröffentlichte Schätzungen, denen dann schnell die Hochrechnungen folgen, die in der Tat nur wenig Veränderung bringen. Doch gerade sowas möchte ich nicht als Prognose bezeichnen, denn es wird nur etwas vorhergesagt, was zum Zeitpunkt der Befragung schon weitgehend eingetreten war. Wähler nach dem Urnengang am Sonntag zu befragen und daraus ein Wahlergebnis zu berechnen, führt selbstverständlich zu einem besseren Ergebnis als auf der Basis einer Befragung am Samstag zuvor: Der systematische Fehler ist geringer, weil nur Wähler und die auch noch nach der Tat befragt werden. Der zufällige Fehler ebenso, weil die Anzahl der Befragten wesentlich höher ist als bei den üblichen Telefoninterviews.
Die Genauigkeit der 18‑Uhr-Prognose und der große Fehler in den ‚Projektionen‘ der Tage zuvor, verführt zu der Behauptung, die Wähler seinen durch ihre „Volatilität“ selbst daran schuld, denn so schnelle Änderungen habe man nicht sehen können. Einmal davon abgesehen, daß damit schon wieder einer dieser ekelhaften Ausdrücke aus der Welt des Geldes (sich für die Koalitions-Verhandlungen optimal „aufstellen‘, doch nicht zu lange verharren, denn die Inder und Chinesen „sind unterwegs“) in die Sprache der Politiker eindringt, gibt es diese plötzliche Bewegung der Wähler auch nicht. Selbst die zunehmende Zahl der Unentschlossenen entscheidet sich nicht erst an der Urne vorwiegend für eine Richtung. Veränderungen sind allenfalls über Wochen eingetreten, in denen die Menschen sich von dem Versatzstück „gebt den Reichen viel, dann bekomme ich wenigstens etwas“ verabschiedet haben.
Ich persönlich kann wie die Demoskopen auch nur Behauptungen aufstellen, doch ganz andere: Nur ein Teil der Abweichungen ist auf Kirchhof und die Mehrwertsteuer zurückzuführen, und die Zweitstimmenkampagne der FDP hat nur die Gewichte im schwarz-gelben Lager verschoben. Vielmehr nahmen die Demoskopen an, was in früheren Jahren galt: Die Befragten schämen sich ihrer Liebe zur CDU. Das wurde regelmäßig durch Zuschläge von einigen Prozenten ausgeglichen. Diesmal aber war es umgekehrt: Es war ‚angesagt‘, aus Verärgerung über die Politik Schröders nun die CDU wählen zu wollen. Somit erfolgten die Korrekturen in die falsche Richtung. Und daran gemessen ist die Abweichung der Realität von der Prognose eigentlich gar nicht so groß.
Wahlprognose
Stimmungsbild meint, daß Leute befragt (zufrieden, unzufrieden, weiß nicht) und deren Ergebnisse bestenfalls vollständig und unkorrigiert wiedergegeben werden. Und nichts anderes wollen die Wahlforscher auf einmal getan haben. Sie schämen sich noch nicht einmal, sich damit selbst zu reinen Umfragern zu degradieren, die lediglich Mittelwerte aus Fragebögen wiedergeben. Solche Ergebnisse überprüfen zu wollen ist gleichermaßen unmöglich wie sinnleer. Daß Stimmungsbilder im Rahmen normaler zufälliger Schwankungen die Stimmung wiedergeben, glaube ich gerne.
Wenn es gelegentlich doch mehr als ein Stimmungsbild gewesen ist, wie zum Beispiel bei der berühmten Sonntagsfrage, „in der längerfristige Bindungen berücksichtigt sind“, dann wird das auch nicht mehr so gerne als Prognose, sondern allenfalls als Projektion gesehen. Eigentlich gelte die am Dienstag vor der Wahl gestellte Sonntagsfrage nur für diesen Dienstag und nicht für den in fünf Tagen folgenden Wahlsonntag. Man dürfe darin also keine Prognose sehen, sondern nur eine Projektion eines Stimmungsbildes auf eine mögliche Wahl, die aber am Erhebungstag nicht stattfindet, wodurch sich alles einer Überprüfung entzieht.
Diese Selbstreduktion der Demoskopen zu reinen Datenerhebern führt aber nicht zur Bescheidenheit. Vielmehr wird behauptet, die maximale Abweichung einer Vorhersage habe bis zu dieser letzten Wahl 1,9 Prozent betragen. Der Wähler habe erstmals sein Verhalten so schnell geändert, daß eine Prognose unmöglich folgen konnte. Das kann aber nicht völlig neu sein. Viele Wahlen haben schon Fehler weit über 5 Prozent erbracht, daß die genannten 1,9 Prozent sich allenfalls auf die Bundestagswahlen beziehen können. Für die war es in der Vergangenheit aber einfach, da es von Wahl zu Wahl kaum Bewegungen gab. Alle großen Veränderungen in der Bundesregierung beruhen mehr auf geänderten Bündnissen als veränderten Zahlen.
Vielleicht bezogen sich die 1,9 Prozent maximalen Fehlers auch nur auf das, was wohl immer noch Prognose genannt wird, nämlich auf die mit Schließung der Wahllokale veröffentlichte Schätzungen, denen dann schnell die Hochrechnungen folgen, die in der Tat nur wenig Veränderung bringen. Doch gerade sowas möchte ich nicht als Prognose bezeichnen, denn es wird nur etwas vorhergesagt, was zum Zeitpunkt der Befragung schon weitgehend eingetreten war. Wähler nach dem Urnengang am Sonntag zu befragen und daraus ein Wahlergebnis zu berechnen, führt selbstverständlich zu einem besseren Ergebnis als auf der Basis einer Befragung am Samstag zuvor: Der systematische Fehler ist geringer, weil nur Wähler und die auch noch nach der Tat befragt werden. Der zufällige Fehler ebenso, weil die Anzahl der Befragten wesentlich höher ist als bei den üblichen Telefoninterviews.
Die Genauigkeit der 18‑Uhr-Prognose und der große Fehler in den ‚Projektionen‘ der Tage zuvor, verführt zu der Behauptung, die Wähler seinen durch ihre „Volatilität“ selbst daran schuld, denn so schnelle Änderungen habe man nicht sehen können. Einmal davon abgesehen, daß damit schon wieder einer dieser ekelhaften Ausdrücke aus der Welt des Geldes (sich für die Koalitions-Verhandlungen optimal „aufstellen‘, doch nicht zu lange verharren, denn die Inder und Chinesen „sind unterwegs“) in die Sprache der Politiker eindringt, gibt es diese plötzliche Bewegung der Wähler auch nicht. Selbst die zunehmende Zahl der Unentschlossenen entscheidet sich nicht erst an der Urne vorwiegend für eine Richtung. Veränderungen sind allenfalls über Wochen eingetreten, in denen die Menschen sich von dem Versatzstück „gebt den Reichen viel, dann bekomme ich wenigstens etwas“ verabschiedet haben.
Ich persönlich kann wie die Demoskopen auch nur Behauptungen aufstellen, doch ganz andere: Nur ein Teil der Abweichungen ist auf Kirchhof und die Mehrwertsteuer zurückzuführen, und die Zweitstimmenkampagne der FDP hat nur die Gewichte im schwarz-gelben Lager verschoben. Vielmehr nahmen die Demoskopen an, was in früheren Jahren galt: Die Befragten schämen sich ihrer Liebe zur CDU. Das wurde regelmäßig durch Zuschläge von einigen Prozenten ausgeglichen. Diesmal aber war es umgekehrt: Es war ‚angesagt‘, aus Verärgerung über die Politik Schröders nun die CDU wählen zu wollen. Somit erfolgten die Korrekturen in die falsche Richtung. Und daran gemessen ist die Abweichung der Realität von der Prognose eigentlich gar nicht so groß.
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